[IMI-List] [0533] INF-Vertrag / Neue Texte / Ausdruck (Februar 2019)
IMI-JW
imi at imi-online.de
Fr Feb 8 15:54:36 CET 2019
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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0533 .......... 22. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jürgen Wagner / Martin Kirsch
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Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,
in dieser IMI-List findet sich
1.) neue Texte auf der IMI-Homepage;
2.) die Februar-Ausgabe des IMI-Magazins AUSDRUCK;
3.) Ein IMI-Artikel zur Aufkündigung des INF-Vertrages.
1.) Neue Texte auf der IMI-Homepage
Soeben online gestellt haben wir eine Auswertung der neuen
„Industriestrategie 2030“ und einen Artikelüber das „Landesregiment
Bayern“, das als Pilotprojekt für eine „Nationale
Reserve“ mit bis zu 30.000 Dienstposten dienen soll. Außerdem neu sind
ein Beitrag zur Rolle der Sozialwissenschaften in der Drohnenfrage und
ein kritischer Artikel zur „Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit“
(GiZ) sowie die Rezension eines Buches über die „Verquickung der
mathematischen und informatischen Forschung an zivilen deutschen
Hochschulen mit der modernen Kriegsführung“.
IMI-Standpunkt 2019/008
Altmaiers Industriestrategie: Auf dem Weg zum KI-Airbus
https://www.imi-online.de/2019/02/08/altmaiers-industriestrategie-auf-dem-weg-zum-ki-airbus/
Christoph Marischka (8. Februar 2019)
IMI-Analyse 2019/07
Experiment Landesregiment Bayern
„Nationale Reserve“ als eigenständige Truppe für Inlandseinsätze?
https://www.imi-online.de/2019/02/08/experiment-landesregiment-bayern/
Martin Kirsch (8. Februar 2019)
IMI-Analyse 2019/06
Sozialwissenschaften im Dienste des Militärs
Die Praxis „gezielter“ Tötungen mittels Drohnen im Verhältnis zu einem
entgrenzten Sicherheitsbegriff
https://www.imi-online.de/2019/02/08/sozialwissenschaften-im-dienste-des-militaers/
Christopher Schwitanski (8. Februar 2019)
IMI-Analyse 2019/05
Keine Entwicklung ohne Sicherheit – keine Sicherheit ohne Entwicklung
Die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit
https://www.imi-online.de/2019/02/07/keine-entwicklung-ohne-sicherheit-keine-sicherheit-ohne-entwicklung/
https://www.imi-online.de/download/IMI-Analyse2019-5-GIZ.pdf
Miri Watson (7. Februar 2019)
IMI-Standpunkt 2019/007
Ein Spaziergang durch (militarisierte) Forschungslandschaften
Rezension einer Dissertation im Fachbereich Informatik
https://www.imi-online.de/2019/02/04/ein-spaziergang-durch-militarisierte-forschungslandschaften/
Christoph Marischka (4. Februar 2019)
2.) AUSDRUCK – IMI-Magazin (Februar 2019)
Die Februar-Ausgabe findet sich vollständig hier:
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-94-2019-Web.pdf
INHALTSVERZEICHNIS
DEUTSCHLAND UND DIE BUNDESWEHR
-- Bahn frei für das Militär. Der Rahmenfrachtvertrag zwischen Bahn und
Bundeswehr (Claudia Haydt)
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-94-2019-CH.pdf
-- Schneehelden im Schneechaos. Die Bundeswehr und die Unterhöhlung des
Katastrophenschutzes (Martin Kirsch)
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-94-2019-MK-Schnee.pdf
-- Polizeigesetz Baden-Württemberg: Erneute Verschärfung? (Alexander Kleiß)
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-94-2019-AK.pdf
-- Experiment Landesregiment Bayern. „Nationale Reserve“ als
eigenständige Truppe für Inlandseinsätze? (Martin Kirsch)
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-94-2019-MK-Reserve.pdf
-- Stationierungskonzept und Trendwende Liegenschaft: „Eine wachsende
Bundeswehr braucht Platz“ (Jürgen Wagner)
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-94-2019-JW-Liegensch.pdf
-- Deutschland und Saudi Arabien – Steigende Kooperation trotz
Kriegsverbrechen (Jacqueline Andres)
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-94-2019-JA.pdf
-- Ohne Sicherheit keine Entwicklung. Die problematische Rolle der
Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (Miri Watson)
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-94-2019-MW-Giz.pdf
DROHNEN & IT
-- Sozialwissenschaften im Dienste des Militärs. „Gezielte“ Tötungen,
Drohnen und der entgrenzte Sicherheitsbegriff (Christopher Schwitanski)
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-94-2019-CS-Drohnen.pdf
-- Ein Spaziergang durch (militarisierte) Forschungslandschaften.
Rezension einer Dissertation im Fachbereich Informatik (Christoph Marischka)
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-94-2019-CM-Rez.pdf
EU-MILITARISIERUNG
-- Aachener-Militärvertrag: Deutsch-Französische Führungsansprüche
(Jürgen Wagner)
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-94-2019-JW-Aachen.pdf
-- Eurodrohne – Kampfpanzer – Kampfflugzeug. Rüstung als
Integrationsprojekt? (Marius Pletsch)
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-94-2019-MP-EU.pdf
-- „Militarisierung auf den Trümmern des Rechts“: EU-Rüstungsfonds laut
Gutachten illegal! (Jürgen Wagner)
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-94-2019-JW-INF.pdf
-- Stunde der Hardliner? Vom INF-Vertrag zur neuen atomaren Nachrüstung
in Europa? (Jürgen Wagner)
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-94-2019-JW-INF.pdf
IMI-KONGRESS
-- Deutschlands Aufrüstung. Bericht vom 22. Kongress der
Informationsstelle Militarisierung (IMI)
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-94-2019-IMI-Kongress.pdf
3.) Artikel INF-Vertrag
IMI-Standpunkt 2019/006 (Update 4.2.2019)
Stunde der Hardliner?
Vom INF-Vertrag zur neuen atomaren Nachrüstung in Europa?
https://www.imi-online.de/2019/02/02/inf-vertrag-stunde-der-hardliner/
Jürgen Wagner (2. Februar 2019)
Am 2. Februar 2019 suspendierten die USA den INF-Vertrag zum Verbot
landgestützter substrategischer atomarer Mittelstreckenraketen mit einer
Reichweite zwischen 500 und 5.500km. Kurz darauf folgte Russland,
weshalb viel drauf hindeutet, dass das Abkommen in sechs Monaten
endgültig Geschichte sein dürfte. Und auch das dürfte erst der Prolog
für den nächsten Schritt darstellen, nämlich die Aufkündigung bzw.
Nicht-Verlängerung der zweiten tragenden Säule der atomaren
Rüstungskontrolle, des nur noch bis Ende nächsten Jahres geltenden
„New-Start-Vertrags“ zur Begrenzung strategischer Nuklearwaffen mit
einer Reichweite über 5.500km.
Einer neuen Schätzung des „Congressional Budget Office“ werden die USA
im nächsten Jahrzehnt ihr nukleares Waffenarsenal mit fast 500 Mrd.
Dollar „modernisieren“. Mit dem im „Nuclear Posture Review“ bereits im
Februar 2018 angekündigten Bau „besser“ einsetzbarer Mini-Atomwaffen,
wurde laut Informationen des Guardian von Ende Januar 2019 mittlerweile
bereits begonnen. Vor aller Augen bahnt sich hier mehr als deutlich eine
neue atomare Rüstungsspirale an, die hierzulande auch noch durch
lautstarke Rufe nach einer neuen atomaren „Nachrüstung“ - sprich:
"Aufrüstung" - befeuert wird.
Irrationaler Kündigungskurs?
Für sein Vorgehen erhielt Washington umgehend Schützenhilfe seitens der
NATO, die in einer Pressemitteilung verlauten ließ: "Die Verbündeten
unterstützen das Vorgehen voll und ganz." Genauso schnell forderte der
polnische Außenminister Jacek Czaputowicz die Stationierung
amerikanischer Atomraketen in Europa. "Es liegt in unserem europäischen
Interesse, dass amerikanische Truppen und Atomraketen auf dem Kontinent
stationiert sind."
Ganz glücklich waren viele andere Verbündete allerdings nicht mit der
US-Entscheidung, nicht zuletzt aus Deutschland wurden wiederholt Appelle
an Washington gerichtet, Anstrengungen zu unternehmen, den Vertrag doch
noch zu retten. Die hatten daran aber ganz offensichtlich keinerlei
Interesse – kein Wunder, schließlich hatte US-Präsident Donald Trump mit
John Bolton jemanden als seinen Nationalen Sicherheitsberater
auserkoren, für den Rüstungskontrollverträge erklärtermaßen Werke des
Teufels sind.
Hieraus erklärt sich auch, weshalb die USA das russische Angebot
ablehnten, das kritisierte Objekt, die SSC-8, von der Washington
behauptet, sie überschreite die zulässige Reichweite, während Moskau sie
mit 480km angibt, vor Ort zu inspizieren. Das Verhalten der US-Regierung
untermauerte wiederum Russlands Verdacht, die USA seien primär darauf
erpicht, den Vertrag zu versenken. Im Deutschlandfunk etwa wird der
Verifikationsexperte Wolfgang Richter zitiert, der angibt, über die
angebotenen Inspektionen hätten sich sämtliche Zweifel aus dem Weg
räumen lassen: „Das würde zumindest einmal erlauben, das System zu
überprüfen, die äußeren Dimensionen zu sehen, und von daher
abzuschätzen, handelt es sich um eine Langstreckenwaffe oder nicht. Das
Detail, also, wird die Rakete nur eine Reichweise von 480 Kilometern
haben oder 520, dazu müsste man dann mehr wissen, beispielsweise das
Masseverhältnis zwischen Gefechtskopf und Tank. Aber die unterstellte
Abweichung ist eine sehr große, das könnte man alles vor Ort
feststellen.“ Vor diesem Hintergrund äußerte sich der stellvertretende
Außenminister Sergej Ryabkow, Russland wolle den Vertrag retten, aber
„kürzliche Ereignisse zeigen deutlich, dass gewisse Kräfte in den
Vereinigten Staaten nicht daran interessiert sind, uns die Möglichkeit
zu geben, ihre fehlerhaften oder gefälschten Informationen zu widerlegen“
Aus rein militärischer Sicht ist die Kündigung des Vertrages durch die
USA möglicherweise sogar im russischen Interesse. Denn das INF-Verbot
bezog sich nur auf landgestützte, nicht aber auf ungleich teurere see-
oder luftgestützte Raketen. Wie bereits im Herbst letzten Jahres im
National Interest angemerkt wurde, ermöglicht es der US-Ausstieg
Russland nun, so gewünscht, sein militärisches Arsenal um ein Vielfaches
kostengünstiger auszubauen, als es unter den INF-Beschränkungen möglich
wäre. „Ein Rückzug vom INF-Vertrag wird aller Wahrscheinlichkeit dazu
führen, dass ungeachtet der konkurrenzlosen nuklearen Arsenale, über die
beide Länder ohnehin bereits verfügen, Milliarden von Dollar für neue
amerikanische und russische Waffen ausgegeben werden. Diese Waffen
werden das Risiko und die Zerstörungskraft eines Atomkriegs auf
europäischem Boden vergrößern. Mehr noch: Die Waffen spielen mehr
Russlands Stärken in die Hände als denen der USA, die Schwierigkeiten
haben werden, Gastgeber in Europa und Asien zu finden.“
Eine plausible Erklärung für das scheinbar irrationale Verhalten ist,
dass es Washington in Wahrheit überhaupt nicht primär um Russland und
dessen tatsächliche oder vermeintliche Vertragsverletzung geht, wie etwa
ein Kommentar in der Neuen Osnabrücker Zeitung vermutet: "Washington
begründet die Kündigung des INF-Vertrags damit, dass Moskau den Vertrag
verletze. Wirklich? Natürlich kann das so sein, doch die USA haben keine
Beweise für einen russischen Verstoß veröffentlicht. Es spricht auch
nicht gerade für die US-Regierung, dass sie russische Einladungen, den
strittigen Marschflugkörper zu begutachten, und Gesprächsangebote
ausgeschlagen hat. Da drängt sich der Verdacht auf, dass es den USA in
Wirklichkeit um etwas anderes geht: um die Möglichkeit, selbst neue
Waffensysteme zu bauen und zur Abschreckung zu stationieren, vor allem
in Ostasien, ohne die lästigen Fesseln eines Abrüstungsvertrags. Denn
nicht Russland ist im Visier, sondern China. Washington sieht sich durch
den INF-Vertrag zunehmend ins Hintertreffen geraten gegenüber Peking,
seinem Dauergegner, der in diesen Vertrag nicht einbezogen ist."
Rufe nach Nachrüstung
Präsident Wladimir Putin erklärte mehr als deutlich, von russischer
Seite würde erst in eine Rüstungsspirale im Bereich der
Mittelstreckenraketen eingestiegen, sollte die NATO den Anfang damit
machen: „Russland wird weder Mittelstreckenraketen […] in Europa noch
irgendwo sonst stationieren, solange keine dementsprechenden US-Waffen
in den jeweiligen Regionen der Welt stationiert werdend.“
Angesichts solcher Aussagen ist es schwer vorstellbar, dass Russland
zuerst mit der großangelegten Stationierung von Mittelstreckenraketen
beginnt, erst ein solcher Schritt durch die NATO würde dies auslösen.
Insofern erscheint das Argument der Nachrüstungsbefürworter, nur so
könne Sicherheit und Stabilität garantiert werden, gelinde gesagt als
reichlich fragwürdig. Dennoch schlug unmittelbar nach der Suspendierung
die Stunde der Hardliner, die ohnehin schon länger eine atomare
Nachrüstung mehr oder minder offen fordern. Unter ihnen sorgten
besonders Aussagen von Außenminister Heiko Maas für Empörung, der
ziemlich deutlich machte, dass er von einer solchen Nachrüstung aktuell
zumindest nichts wissen will: „Europa ist nicht mehr geteilt wie in
Zeiten des Eisernen Vorhangs und deshalb sind alle Antworten aus dieser
Zeit völlig ungeeignet, die Herausforderungen, mit denen wir es jetzt zu
tun haben, zu beantworten.“
Lautstark meldete sich etwa der Politikprofessor Christian Hacke zu
Wort, der schon länger für eine deutsche Atombewaffnung trommelt. Bei
Report München ließ er folgendes vom Stapel: „Russland ist zu
kalkulieren, nämlich als revisionistische Macht. Und Putin ist ein
erstklassiger Machiavellist, der genau weiß, wie er die russische Stärke
wieder aufbaut. […] Das ist alles brandgefährlich. Und dann sind wir in
einer Situation, brutal ausgedrückt, realistisch, sind wir Hammer oder
sind wir Amboss? Und wir sind als Nicht-Nuklearmacht einfach Amboss. Und
wir sind von anderen abhängig und wenn man drüber diskutiert, dann geht
es vor allem um unsere eigene, um unsere nationale Sicherheit.“
Carlo Masala von der Bundeswehruniversität in München wird in der
Süddeutschen Zeitung (SZ) folgendermaßen zitiert: „Das größte Problem an
der Diplomatie von Heiko Maas liegt darin, dass er eine Option
kategorisch ausschließt: auf den Bruch des Abkommens mit der
Stationierung von Mittelstreckenraketen zu antworten. Ohne diese Drohung
gibt es für Moskau null Anreize, in den Vertrag zurückzukehren.“
Gerne beklagt wird in diesem Zusammenhang auch, dass es heutzutage
keinen zweiten Helmut Schmidt gäbe, der seinerzeit als Bundeskanzler
maßgeblich die erste Nachrüstung zu verantworten hatte. So zitiert etwa
der Deutschlandfunk Thomas Kleine-Brockhoff vom German Marshall Fund:
„Thomas Kleine-Brockhoff runzelt die Stirn: ‚Was ich nicht sehe, ist
irgendeine Person in Verantwortung, die eine Rolle des strategischen
Realismus übernimmt – ich sehe keinen Helmut Schmidt.‘ Der Leiter des
German Marshall Funds kritisiert vor allem die Positionierung von
Außenminister Maas, eine mögliche Stationierung von Mittelstreckenwaffen
in Deutschland schon jetzt auszuschließen.“
Von Schopenhauer und Schmidt
Schon Mitte Dezember taten sich Masala und Kleine-Brockhoff mit Heinrich
Brauss zusammen und lasen der „europäischen Debatte“ um den INF-Vertrag
in der FAZ die Leviten. Diese sei von der „Schopenhauerschen Maxime der
Welt als Wille und Vorstellung“ geprägt, nötig sei dagegen „Mehr
Realismus, bitte!“, wie der Titel des Artikels lautete. Es sei
„unbedingt zu vermeiden […] schon jetzt irgendwelche Optionen vom Tisch
zu nehmen, so wie das jene tun, die eine erneute Stationierung von
Mittelstreckenraketen auf europäischem Nato-Gebiet trotz des neuen
russischen Drohpotentials kategorisch ausschließen wollen.“ Dagegen
könne es erforderlich sein, „notfalls Verhandlungen mit glaubwürdiger
Androhung von militärischen Gegenmaßnahmen zu erzwingen.“
Mangelnder Realismus der Entscheidungsträger, das ist ein Vorwurf, mit
dem sich der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang
Ischinger, voll und ganz identifizieren kann. Ebenfalls von Report
München wurde er befragt, ob er von einem Erstarken der Friedenbewegung
im Falle einer neuen Nachrüstung ausgehe, wie dies bereits in den 80ern
der Fall gewesen war: „Lassen sie es mich einmal von der anderen Seite
her versuchen zu beantworten. 1978/79, als das Problem der russischen
SS-20 auftauchte, das was das System, das damals Anlass gab, über eine
Nachrüstung nachzudenken, damals […] stellte sich der damalige
Bundeskanzler Helmut Schmidt hin und hielt eine Brandrede und sagte, wir
können das nicht hinnehmen. […] Er hat also damals das Signal gesetzt:
Da müssen wir gegenhalten! Wir müssen die Balance, das Gleichgewicht
möglicherweise durch Nachrüstung herstellen. Ich kann im Augenblick
ehrlich gesagt keine Regierung in Westeuropa […] erkennen, die bereit
wäre, sich so hinzustellen und zu sagen, wir machen das jetzt nach dem
Rezept von Helmut Schmidt Ende der 70er Jahre. Wir sind der
nuklearstrategischen Debatte weitgehendst entwöhnt. Und unsere Wähler,
unsere Bevölkerung damit vertraut zu machen, dass es hier tatschlich um
eine reale Bedrohung unserer Sicherheitslage geht, das ist schwierig in
einer Lage, in der viele Westeuropäer sozusagen von der
Friedensdividende träumten. […] Es ist wirklich eine schwere
Erschütterung, auf die wir nicht gut vorbereitet sind. Und deswegen wäre
ich sehr skeptisch und ich würde fürchten, dass hier gewaltige
Aufwallungen von friedensbewegten und pazifistischen und sonstigen
Gruppen tätig werden würden und dass es uns sehr sehr schwer fallen
würde, eine angemessene politische, abrüstungspolitische, strategische
Antwort auf diese Lage zu finden, in die wir jetzt anscheinend
hineinschlittern.“
Augenscheinlich sieht Ischinger in der Sorge vor diesem
friedenspolitischen Protestpotenzial augenblicklich eine wesentliche
Ursache dafür, dass in der heutigen SPD bislang noch keiner seinen
Schmidtschen Moment erlebt hat. Es wird aber sicher in der nächsten Zeit
durch Aktionen der Friedensbewegung erforderlich sein, dafür zu sorgen,
dass dies auch so bleibt.
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