[IMI-List] [0532] Neue IMI-Texte / IMI-Analyse: Kooperation Deutschland-Saudi-Arabien
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Fr Feb 1 16:52:47 CET 2019
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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0532 .......... 22. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jürgen Wagner / Martin Kirsch
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Liebe Freundinnen und Freunde,
in dieser IMI-List findet sich
1.) der Hinweis auf eine Reihe neuer Texte auf der IMI-Homepage;
2.) Eine neue IMI-Analyse zur - ungeachtet aller Lippenbekenntnisse -
zunehmenden Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Saudi-Arabien.
1.) Neue Texte auf der IMI-Homepage
Leider gehen offensichtlich auch im neuen Jahr die Themen nicht aus:
Soeben haben wir neue Texte zur geplanten nochmaligen Verschärfung des
baden-württembergischen Polizeigesetzes, zum - laut einem neuen
Gutachten illegalen - Europäischen Verteidigungsfonds sowie zur
Re-Aktivierung stillgelegter Flächen durch die Bundeswehr online
gestellt. Ganz frisch fiel gestern auch eine Vorentscheidung für den Bau
eines künftigen deutsch-französischen Kampfflugzeuges, das eines der
drei aktuellen EU-Rüstungsgroßprojekte darstellt, mit denen sich eine
weitere Analyse beschäftigt.
IMI-Analyse 2019/03
Rüstung als Integrationsprojekt?
Eurodrohne – Kampfpanzer – Kampfflugzeug
https://www.imi-online.de/2019/02/01/ruestung-als-integrationsprojekt/
https://www.imi-online.de/download/IMI-Analyse2019-3-EU-Projekte.pdf
Marius Pletsch (1. Februar 2019)
IMI-Standpunkt 2019/005
„Eine wachsende Bundeswehr braucht Platz“
Stationierungskonzept und Trendwende Liegenschaft
https://www.imi-online.de/2019/02/01/eine-wachsende-bundeswehr-braucht-platz/
Jürgen Wagner (1. Februar 2019)
IMI-Standpunkt 2019/004
„Militarisierung auf den Trümmern des Rechts“
EU-Verteidigungsfonds laut Gutachten illegal!
https://www.imi-online.de/2019/01/29/militarisierung-auf-den-truemmern-des-rechts/
Jürgen Wagner (29. Januar 2019)
IMI-Analyse 2019/02
Polizeigesetz Baden-Württemberg: Erneute Verschärfung?
Unendlichkeitshaft, Onlinedurchsuchung, DNA-Analysen und Ausweitung der
Schleierfahndung
https://www.imi-online.de/2019/01/25/polizeigesetz-baden-wuerttemberg-erneute-verschaerfung/
https://www.imi-online.de/download/IMI-Analyse2019-2-Polizei.pdf
Alexander Kleiß (25. Januar 2019)
2.) IMI-Analyse: Kooperation Deutschland und Saudi-Arabien
IMI-Analyse 2019/04
Deutschland und Saudi Arabien
Steigende Kooperation trotz Kriegsverbrechen
https://www.imi-online.de/2019/02/01/deutschland-und-saudi-arabien/
https://www.imi-online.de/download/IMI-Analyse2019-4-Saudi-Arabien.pdf
Jacqueline Andres (1. Februar 2019)
Seit der Ermordung des saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi im
saudischen Konsulat in Istanbul Anfang Oktober 2018 bröckelt das Bild
des Kronprinzen Mohamed Bin Salman (MBS) als Modernisierer und Reformer
des Landes. Der dadurch entstandene öffentliche Druck hat zahlreiche
Akteure aus der Politik und Wirtschaft in Zugzwang gebracht. Sogar der
US Senat machte im Dezember 2018 MBS für den Mord verantwortlich und
forderte die Beendigung der US-amerikanischen Unterstützung für die von
Saudi-Arabien angeführte Militärkoalition und deren Kriegseinsatz in
Jemen. Es ist erstaunlich, dass dieser grausame Mord an einer
Einzelperson ausschlaggebend für die weltweite Empörung war und nicht
etwa die Rolle Saudi Arabiens im seit 2015 währenden Krieg in Jemen, der
die schlimmste humanitäre Katastrophe weltweit geschaffen hat.
Die aktuelle Lage in Jemen
Nach Schätzungen der NGO Armed Conflict Location & Event Data Project
(ACLED) wurden in dem Zeitraum von Januar 2016 bis November 2018 mehr
als 60.223 Menschen durch den Krieg in Jemen getötet. Im Jahr 2018 stieg
die Zahl der Kriegsopfer mit 28.182 im Vergleich zum Vorjahr um ganze
68% – in der umkämpften jemenitischen Hafenstadt Hodeidah, die zugleich
das Eingangstor für 70% der Hilfsgüterlieferungen in Jemen ist, kamen
2018 alleine 37% der zivilen Opfer ums Leben. Ein Großteil starb durch
Luftangriffe der von Saudi Arabien angeführten Militärkoalition.
Abgesehen von den tödlichen Kriegshandlungen hat auch die von Saudi
Arabien durchgesetzte See-, Luft- und Landblockade sowie die
systematische Zerstörung der Versorgungsinfrastruktur tödliche Folgen:
Laut Save the Children starben zwischen April 2015 und Oktober 2018 mehr
als 85.000 Kinder unter fünf Jahren an Hunger bzw. durch Unterernährung
geschwächt an Krankheiten. Aufgrund der vermutlich unerwarteten Länge
des Krieges gerät die Militärkoalition einerseits in
Finanzierungsschwierigkeiten des Krieges und andererseits fehlen ihr
zunehmend Soldat_innen. Gelöst wird diese Schwierigkeit durch das
Rekrutieren in anderen Staaten. Zu diesen zählt neben Pakistan und
Eritrea auch der Sudan. In der vom Bürgerkrieg zerrütteten Region Darfur
drängen die Armut und Perspektivlosigkeit einige Familien dazu, Milizen
zu bestechen, um die eigenen Söhne in ihre Ränge aufzunehmen, um somit
ein Einkommen für die Familie zu sichern. Laut New York Times sollen in
den letzten Jahren im Schnitt 14.000 sudanesische Soldaten in Jemen
kämpfen und von diesen seien laut Angaben zurückgekehrter Kämpfer etwa
20-40% minderjährig. Hunderte seien mittlerweile bei den Kämpfen
gestorben. Auch der Senegal hat im Laufe des Krieges mindestens 2.000
Kämpfer_innen geschickt und im Gegenzug saudische Finanzierungshilfe für
Entwicklungsprojekte in Aussicht gestellt bekommen.
Halbherziger Exportstopp
Im Oktober 2018 kündigte Bundeskanzlerin Merkel an, keine Waffenexporte
nach Saudi Arabien mehr zu genehmigen. Eigentlich war dies bereits in
den Sondierungsgesprächen beschlossene Sache, doch schon der
Koalitionsvertrag schwächte die von SPD und CDU formulierte Absicht ab,
keine Waffen mehr an Staaten zu liefern, die am Jemenkrieg beteiligt
sind: „Wir werden ab sofort keine Ausfuhren an Länder genehmigen,
solange diese unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind. Firmen erhalten
Vertrauensschutz, sofern sie nachweisen, dass bereits genehmigte
Lieferungen ausschließlich im Empfängerland verbleiben.“ Das hielt die
Bundesregierung nicht davon ab, im Jahr 2018 Exportgenehmigungen im Wert
von 416 Millionen Euro an Saudi Arabien zu erteilen, wodurch das
Königreich auf Platz vier der größten Importeure deutscher Rüstungsgüter
landete.
Im Endeffekt ist der Ausfuhrstopp mehr Schein als Sein: er ist rechtlich
nicht bindend, auf vorerst nur zwei Monate beschränkt und letztlich
werden die bestellten Rüstungsgüter für Saudi Arabien weiter gebaut oder
warten fertig produziert auf die Ausfuhrgenehmigung, die vermutlich
erteilt wird, sobald etwas Gras über den Mord gewachsen ist. Zudem ist
der kurzweilige Exportstopp alles andere als umfassend: So hindert er
zum Beispiel den Rüstungskonzern Rheinmetall nicht daran, weiter
Munition über die Tochterunternehmen RWM Italia S.p.A. auf Sardinien und
Rheinmetall Denel Ltd in Südafrika an MBS zu liefern, welche laut
Rheinmetall-Vorstand Helmut Merch einen jährlichen Wert von über hundert
Millionen Euro umfassen. Auch Komponentenlieferungen über
Großbritannien und Frankreich für europäische Rüstungsprojekte wie den
Eurofighter laufen weiter und die Bundesregierung versucht in keiner
Weise die Partnerländer vom Verkauf der Kampfjets an Saudi Arabien
abzuhalten. Auch hier greifen weder der halbherzige Lieferstopp noch
der Koalitionsvertrag, in dem es bereits hieß: „Wir wollen diese
restriktive Exportpolitik mit Blick auf den Jemen auch mit unseren
Partnern im Bereich der europäischen Gemeinschaftsprojekte verabreden.“
Damit reiht sich der Ausfuhrstopp als weitere Farce in die
vorangegangenen Versprechungen einer Restriktion der Waffenexporte an
Kriegsakteure in Jemen ein. Ende Januar wird entschieden, ob der
Ausfuhrstopp verlängert wird. Es bleibt abzuwarten, welche Entscheidung
getroffen wird. Bereits am 2. Januar 2019 hat die Bundesregierung erneut
einen Waffenexport an Ägypten genehmigt: eine Fregatte des Typs Meko 200
von ThyssenKrupp im Wert von 500 Mio €. Damit verstößt die
Bundesregierung erneut gegen den eigenen Entschluss, keine weiteren
Waffenexporte an Staaten, die sich am Jemenkrieg beteiligen, zu liefern
und lässt vermuten, dass der politische Wille den Krieg nicht weiter mit
Waffen zu befeuern, auch dieses Jahr nicht von selbst kommen wird.
Vision 2030 und deutsche Manager in Riad
Mit dem Plan Vision 2030 beabsichtigt MBS die Wirtschaft Saudi-Arabiens
zu diversifizieren und zu modernisieren. Verheißende Aufträge in
Milliardenhöhe werden an internationale Unternehmen vergeben. Eines
dieser Projekte ist der Aufbau einer eigenen Rüstungsindustrie: Saudi
Arabia Military Industries (SAMI). Der ehemalige Rheinmetall-Manager
Andreas Schwer ist dort als CEO in leitender Funktion tätig. Alleine ist
er dort nicht: Wie der Stern und das ARD-Magazin Report München
berichten, sind etwa ein Dutzend Deutsche bei SAMI involviert, darunter
drei weitere ehemalige Manager von Rheinmetall. Der ehemalige
Siemens-Manager Klaus Kleinfeld ist mittlerweile Berater des Kronprinzen
und war zuvor als CEO zuständig für die Leitung des Megaprojekts NEOM,
der Schaffung einer Megacity im Wert von 500 Milliarden Dollar. Nach der
Ermordung Khashoggis drängte die internationale Empörung und der
öffentliche Druck auch zahlreiche Akteure aus der Wirtschaft dazu, sich
von Saudi Arabien zumindest kurzfristig zu distanzieren. Zunächst
sprangen viele Unternehmen bei der im Oktober 2018 stattgefundenen
Investorenkonferenz ab: JP Morgan, Credit Suisse, Blackstone, Deutsche
Bank und zuletzt Siemens. Nichtsdestotrotz reiste der
Siemens-Vorstandsvorsitzende Joseph Käser nur einen Monat später nach
Dammam zur Konferenz »In-Kingdom Total Value Add« (IKTVA) für Zulieferer
von Saudi Aramco. Siemens baut unter anderem ein Gaskraftwerk und zwei
fahrerlose U-Bahnlinien in Riad, welches das Unternehmen selbst als
größtes Metroprojekt weltweit betitelt. Deutlich zeigt sich, dass auch
die Wirtschaft ohne öffentlichen Druck an den profitversprechenden
Aufträgen aus Saudi Arabien weiterhin festhält. Auch die Berliner
Kommunikationsagentur WMP Eurocom AG, kündigte nach dem Mord an
Khashoggi an, Dieter Heller, der noch im Sommer 2018 deutscher
Botschafter in Saudi Arabien war, werde nun als Berater für die Agentur
tätig sein. Erst nach der Veröffentlichung interner Dokumente durch die
Bild am Sonntag im November 2018 beendete die Agentur die PR- und
Lobbyarbeit Saudi Arabiens in Deutschland. Die wirtschaftliche
Zusammenarbeit dürfte sich potentiell weiter ausweiten, denn seit dem
Jahr 2017 „gibt es Kontakte zwischen der Europäischen Kommission und dem
Golfkooperationsrat zur Wiederaufnahme der Verhandlungen zu technischen
Fragen und der Aktualisierung der rechtlichen Grundlagen von
EU-Freihandelsabkommen.“ Auch hiermit erfolgt eine Normalisierung der
Beziehungen zwischen der EU, einschließlich der Bundesrepublik, und den
Kriegsparteien Saudi Arabien, Bahrein und den Vereinigten Arabischen
Emiraten.
Ende der Kooperation
Um Druck auf den Kronprinzen MBS auszuüben und die eigene indirekte
Beteiligung am desaströsen Jemen-Krieg zu beenden, müsste die
Bundesregierung zeigen, dass sie die verheerende Außen- und Innenpolitik
Saudi-Arabiens ablehnt. Doch im September 2018 kündigte der amtierende
Außenminister Heiko Maas an, den Dialog mit dem Königreich wieder
aufnehmen und die Beziehungen vertiefen zu wollen. Saudi-Arabien, so
Maas, spiele eine wichtige Rolle „für Frieden und Stabilität in der
Region und auch in der Welt“.
Neben dem unzureichenden und eher kosmetischen Ausfuhrstopp führt die
Bundesregierung weiterhin die Ausbildung und „Unterstützung bei der
Modernisierung des saudi-arabischen Grenzschutzes“ fort, die der
Bundesregierung zufolge „Teil einer bilateralen Zusammenarbeit im
Sicherheitsbereich“ ist: Sogenannte Sichere Grenzen seien „eine
wesentliche Voraussetzung für eine wirksame Terrorismusbekämpfung in der
gesamten Region“. Auch die militärische Zusammenarbeit besteht weiter
fort: Sieben Offiziersanwärter der saudischen Streitkräfte nehmen zur
Zeit in Deutschland an einem Sprachkurs teil, um in den kommenden
Monaten ihre Offiziersausbildung an der Führungsakademie in Hamburg
anzutreten. Das ist keine Politik, die sich gegen Kriegsverbrechen stark
macht, sondern eine, die versucht, so weiterzumachen wie bisher. Der
Mord an Khashoggi stellt dennoch definitiv ein Imageproblem für
Saudi-Arabien dar: Der Ruf von MBS wandelt sich vom „Visionär“ zum
„Blutprinz“. Es bleibt zu hoffen, dass sich im Jahr 2019 öffentlicher
Protest formiert, der lautstark eine sofortige Beendigung der
wirtschaftlichen, militärischen und polizeilichen Zusammenarbeit mit
Saudi-Arabien einfordert.
Anmerkungen
1 US-Senat beschuldigt offiziell Kronprinzen, tagesschau.de, 13.12.2018
2 Yemen War death toll now exceeds 60,000 according to latest ACLED
data, acleddata.com, 11.12.2018
3 85,000 Children May Have Died from Starvation Since Start of War,
savethechildren.org, 20.11.2018
4 David D. Kirkpatrick: On the Front Line of the Saudi War in Yemen.
Child Soldiers From Darfur, nytimes.com, 28.12.2018
5 Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD 19.
Legislaturperiode,cdu.de,12.03.2018
6 Dpa: Rüstungsindustrie droht Regierung mit Schadenersatzforderung,
tagesspiegel.de, 28.12.2018
7 Matthias Gebauer: Lieferstopp nach Saudi-Arabien gilt nur für zwei
Monate, spiegel.de, 23.11.2018
8 Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien laufen indirekt weiter, zeit.de,
04.12.2018
9 Matthias Gebauer und Gerald Traufetter: Deutschland liefert über
Umwege weiter nach Saudi-Arabien, spiegel.de, 12.12.2018
10 Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD 19.
Legislaturperiode,cdu.de,12.03.2018
11 Matthias Gebauer und Gerald Traufetter: Bundesregierung billigt
Kriegsschiff-Lieferung an Ägypten, spiegel.de, 02.01.2019
12 Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien laufen indirekt weiter,
zeit.de, 04.12.2018
13 Beratungsagentur WMP beendet nach Khashoggi-Mord
Saudi-Arabien-Mandat, handelsblatt.com, 26.11.2018
14 Deutsche Unterstützung für Saudi-Arabien, Drucksache 19 /5882,
20.11.2018, S. 5
15 Wesley Dochery: Maas besänftigt die Saudis, dw.com, 27.09.2018
16 Drucksache 19 /5882.
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