[IMI-List] [0518] NATO-Gipfel / Broschüre: Sahel: Vernetzte Sicherheit und Rekolonialisierung

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Do Jul 12 14:54:00 CEST 2018



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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0518 .......... 21. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jürgen Wagner / Christoph Marischka
Abo (kostenlos).. https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List findet sich

1.) der Hinweis auf die neue Broschüre „Vernetzte Sicherheit und 
Rekolonialisierung: Die EU-Missionen und die Militarisierung Nordafrikas 
und des Sahels“;

2.) ein Artikel zum heute zu Ende gehenden NATO-Gipfel in Brüssel.


1.) Broschüre: Vernetzte Sicherheit und Rekolonialisierung

IMI-Studie 2018/06 - in: Informationen zu Politik und Gesellschaft Nr. 15
Vernetzte Sicherheit und Rekolonialisierung
Die EU-Missionen und die Militarisierung Nordafrikas und des Sahels
http://www.imi-online.de/2018/07/11/vernetzte-sicherheit-und-rekolonialisierung/ 

Christoph Marischka (11. Juli 2018)

Die Broschüre „Vernetzte Sicherheit und Rekolonialisierung - Die 
EU-Missionen und die Militarisierung Nordafrikas und des Sahels“ 
(Informationen zu Politik und Gesellschaft“, Nr. 15, Juni 2018) wird in 
Kooperation der IMI mit der Europaabgeordneten Sabine Lösing 
herausgegeben und kann gratis im Internet heruntergeladen werden. Durch 
diese Zusammenarbeit kann die Printversion – gerne auch in größerer 
Stückzahl – auch kostenlos via E-Mail bestellt werden: 
hannover at sabine-loesing.de
Postalisch bei Europabüro Sabine Lösing; Goseriede 8; 30159 Hannover.

INHALTSVERZEICHNIS
Vorwort
1. Einleitung: Ein Füllhorn der Instrumente
2. Eine kurze Geschichte der Militarisierung des Sahels

3. Die EU in Nordafrika
3.1. Stunde Null in Libyen
3.2. Tunesien: Neoliberale Zurichtung und Krieg gegen den Terror
3.3. Algerien und Marokko: konkurrierende Aufrüstung in eigener Regie
3.4. Regionale Vernetzung und Einflusssphären

4. Die EU und die G5-Sahel
4.1. Diagnose: Schwache Staatlichkeit
4.2. Die Sahel-Strategie des neu gegründeten EAD
4.3. Unified Protector und Serval: Interventionen als Türöffner
4.4. Krieg in Mali und darüber hinaus
4.5. Die G5-Sahel als Einsatzraum und Strategie der Rekolonialisierung

5. EU-Missionen in der Region
5.1. Von EUFOR zu EUCAP und EUTM
5.2. Das Netzwerk der EU-Missionen
5.2.1. EUNAVFOR MED
5.2.2. EUBAM Libya
5.2.3. EUCAP Sahel Niger
5.2.4. EUCAP Sahel Mali und EUSTAMS
5.2.5. EUTM Mali

6. Rekolonialisierung im Teufelskreis der Aufrüstung

Ganze Broschüre: 
http://www.imi-online.de/2018/07/11/vernetzte-sicherheit-und-rekolonialisierung/ 



2.) IMI-Artikel zum NATO-Gipfel

IMI-Standpunkt 2018/25
Nato-Gipfel: Teure Eskalation
http://www.imi-online.de/2018/07/12/nato-gipfel-teure-eskalation/
Jürgen Wagner (12. Juli 2018)

Man hätte es kaum für möglich gehalten, aber der NATO gelang es 
tatsächlich auf ihrem Gipfeltreffen in Brüssel (11./12.7.2018), das 
Absurditätslevel, mit dem die beiden dominierenden Themen – die Debatte 
um die finanzielle Lastenteilung im Bündnis und die Eskalation im 
Verhältnis zu Russland – abgearbeitet wurde, noch einmal auf neue 
Rekordhöhen hochzuschrauben.

Anti-russische Eskalationsrhetorik

Das Bündnis hat es tatsächlich geschafft, den ohnehin rauen Ton, der 
gegenüber Russland angeschlagen wird, noch einmal deutlich zu 
verschärfen. In der Abschlusserklärung des Gipfels wird zunächst die 
„illegale und illegitime Annexion der Krim“ und die „anhaltende 
Destabilisierung des Ostens der Ukraine“ kritisiert. Weiter werden 
Moskau „provokative militärischen Handlungen“ vorgeworfen. Darüber 
hinaus werden die „beträchtlichen Investitionen in die Modernisierung 
seiner strategischen Kräfte“ hervorgehoben, was angesichts eines 
vierstelligen Milliardenbetrages, den die NATO-Mitglieder in diesem Jahr 
in ihre Rüstungshaushalte pumpen werden, doch reichlich grotesk anmutet. 
Zumal laut SIPRI-Angaben der russische Etat im vergangenen Jahr um 20% 
auf 66,3 Mrd. Dollar sank.

Generell vermeidet es das Bündnis tunlichst, sich auch einmal an die 
eigene Nase zu fassen. Wenn etwa Russland die „Aggressivität seiner 
Nuklearrhetorik“ vorgeworfen wird, so mag das nicht völlig falsch sein. 
Die offen angestellten Überlegungen im Bündnis, „einsetzbare“ Atomwaffen 
zu entwickeln und eventuell eine neue Generation Marschflugkörper in 
Europa stationieren zu wollen, tragen aber auch nicht gerade zur 
Deeskalation bei – im Gegenteil.

Und schließlich wird in der Abschlusserklärung dann auch noch der 
„Angriff mit einem Nervenkampfstoff“ im britischen Salisbury 
„verurteilt“, der mehr oder minder direkt Russland zu einem Zeitpunkt in 
die Schuhe geschoben wird, an dem mehr und mehr Fragen zu den genauen 
Umständen des Ereignisses auftauchen. Dennoch heißt es unbeirrt in der 
Gipfelerklärung: „Laut der Einschätzung des Vereinigten Königreichs ist 
es sehr wahrscheinlich, dass die Russische Föderation für den Angriff 
verantwortlich ist und es keine plausible alternative Erklärung gibt. 
Wir stehen solidarisch hinter dieser Einschätzung des Vereinigten 
Königreichs.“

Es hat fast den Anschein, als wollte das Bündnis wirklich ganz sicher 
gehen, dass beim anstehenden Gipfeltreffen zwischen Wladimir Putin und 
Donald Trump ganz sicher keine Deeskalation der aufgeheizten Stimmung 
zustande kommt. Das ernüchternde Fazit über die NATO-Abschlusserklärung 
der Süddeutschen Zeitung lautet: „Das Dokument […] lässt praktisch keine 
Hintertüren offen für eine Wende in der Russlandpolitik.“

Gleichzeitig wurde diese aggressive Rhetorik aber auch mit handfesten 
anti-russischen Initiativen untermauert.

Logistikkommando und 4X30

Mit Blick auf Russland wurden auf dem NATO-Gipfel vor allem zwei 
weitreichende Entscheidungen getroffen. Einmal ist das die „Initiative 
zur Reaktionsfähigkeit“, die nun ins Leben gerufen wurde – auch „4X30“ 
genannt: Bis 2020 will die NATO 30 Bataillone, 30 Flugzeugstaffeln und 
30 Schiffe in 30 Tagen zum Einsatz bringen können. Dazu heißt es im 
Abschlussdokument: „Aus dem Gesamtpool an Streitkräften werden die 
Verbündeten zusätzlich 30 größere Kampfschiffe, 30 schwere oder mittlere 
Infanteriebataillone und 30 Kampfflugzeugstaffeln mit 
Unterstützungskräften in eine Reaktionsfähigkeit von 30 Tagen oder 
weniger versetzen.“

Und zweitens wurde ein in Ulm beheimatetes Logistikkommando beschlossen, 
das künftig die „militärische Mobilität“ und die schnelle 
Verlegefähigkeit in Richtung Osteuropa ‚verbessern‘ soll. In der 
Abschlusserklärung des Gipfels heißt es dazu konkret: „Wir haben auch 
weitreichende Beschlüsse gefasst, um die NATO-Kommandostruktur – das 
militärische Rückgrat des Bündnisses – anzupassen und zu stärken. […] 
Wir werden […] ein Gemeinsames Unterstützungs- und Befähigungskommando 
(Joint Support and Enabling Command) in Deutschland zur Gewährleistung 
der Operationsfreiheit und der Durchhaltefähigkeit im rückwärtigen Raum 
zur Unterstützung schneller Transporte von Truppen und Ausrüstung nach, 
durch und aus Europa aufbauen.“

Finanzdebatte: Trump als nützlicher Idiot

Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht über den massiven Druck aus den 
USA berichtet wird, mit dem die Verbündeten zu höheren Rüstungsausgaben 
gedrängt werden sollen. Zuletzt hatte Präsident Donald Trump im Vorfeld 
des NATO-Gipfels Brandbriefe an mehrere europäische Staaten verschickt, 
in denen sie mit einer Wortwahl, die den üblichen diplomatischen Stil 
wohl etwas vermissen ließ, genau hierzu aufgefordert wurden.

Ganz sicher passt den europäischen Verbündeten der Ton, den der 
US-Präsident ihnen gegenüber anschlägt, ganz und gar nicht. Allerdings 
wissen sie seine Forderung nach höheren Rüstungsausgaben zu nutzen, um 
ihrerseits gegenüber ihrer demgegenüber skeptischen Bevölkerung genau 
dies umzusetzen. Das Spiel läuft schon länger, dass unter Verweis auf 
Trump höhere Rüstungsausgaben begründet werden – wahlweise mit dem 
Argument, nur so könnten die USA im Bündnis gehalten werden oder damit, 
dies sei erforderlich, um sich für einen möglicherweise bevorstehenden 
Rückzug Washingtons aus der NATO zu wappnen.

Jedenfalls veröffentlichte die NATO kurz vor Gipfelbeginn ihre jüngsten 
Rüstungsdaten, die eine klare Sprache sprechen. Demzufolge stiegen die 
NATO-Rüstungsausgaben von 895 Mrd. Dollar 2015 auf geschätzte 1013 Mrd. 
Dollar in diesem Jahr an. Der Anteil der europäischen Länder kletterte 
dabei von 222 Mrd. (2015) auf 286 Mrd. (2018) ebenfalls steil nach oben. 
Daran hat Deutschland maßgeblichen Anteil, das allein zwischen 2014 
(32,45 Mrd. Euro) und 2018 (38,5 Mrd.) den Rüstungshaushalt deutlich 
anhob. Mit der jüngsten Ankündigung, von Verteidigungsministerin Ursula 
von der Leyen, die später auch von Kanzlerin Angela Merkel gestützt 
wurde, bis 2024 1,5% des BIP für den Militärhaushalt einstellen zu 
wollen, müsste er Berechnungen der Bundeswehr zufolge bis dahin auf über 
60 Mrd. Euro steigen!

Seit Jahren drängen interessierte Kreise auf höhere Rüstungsausgaben, 
sehen sich aber einer Bevölkerung gegenüber, die dies mit deutlicher 
Mehrheit ablehnt. Das charmante an der aktuellen Konstellation ist nun 
für die Bundesregierung, dass sie heldenhaft darauf pochen kann, der 
US-Forderung von 2% des BIP für den Rüstungshaushalt, also etwa 85 Mrd. 
Euro, eine Absage erteilt und sich „nur“ auf besagte 1,5% eingelassen zu 
haben.

Überaus geschickt erweckt die Bundesregierung dabei den Eindruck, sie 
sei dennoch in der Pflicht, mehr als in früheren Jahren auszugeben, 
schließlich habe man sich ja eigentlich auf dem NATO-Gipfel in Wales auf 
das 2%-Ziel verpflichtet – da sei es ja schon ein Erfolg, wenn es nur 
1,5% würden. Bei der Wales-Vereinbarung handelt es sich aber um eine 
rechtlich nicht-bindende Absichtserklärung, sich „in Richtung“ dieser 
Zahl zu bewegen – vager geht es eigentlich nicht mehr. Insofern ist auch 
das „unerschütterliche Bekenntnis“ zu diesem Ziel, das sich in der 
Abschlusserklärung des NATO-Gipfels findet, eigentlich nichts anderes 
als Schall und Rauch. Es existiert keine rechtliche Aufrüstungspflicht, 
nur ein Aufrüstungswillen und die 2%-Debatte ist das Mittel, um diesem 
Willen zur Durchsetzung zu verhelfen.

Das „Beste“ kam dann natürlich von Donald Trump am Schluss, der es 
schaffte der ganzen verqueren Debatte die Krone aufzusetzen. Erst soll 
er am zweiten Gipfeltag gefordert haben, alle Verbündeten hätten das 
2%-Ziel sofort und nicht erst 2024 umzusetzen. Und dann ließ er über 
seine Pressesprecherin Sarah Huckabee verkünden, alle Verbündeten 
sollten künftig 4% des BIP in den Rüstungshaushalt stecken – im Falle 
von Deutschland würde das eine Größenordnung von jährlich 130 bis 160 
Mrd. Euro bedeuten!



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