[IMI-List] [0508] GroKo / AUSDRUCK (Februar 2018)

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Mo Feb 12 17:25:52 CET 2018



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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0508 .......... 21. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jürgen Wagner / Christoph Marischka
Abo (kostenlos).. https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List findet sich

1.) ein Artikel zum Entwurf für einen Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD;

2.) Alle Texte der neuen Februar-Ausgabe des IMI-Magazins Ausdrucks.


1.) Artikel Koalitionsvertrag

IMI-Standpunkt 2018/005 (Update 12.2.2018)
Koalition gegen den Frieden!
Die Militärpolitik im künftigen Koalitionsvertrag der Großen Koalition
http://www.imi-online.de/2018/02/07/koalition-gegen-den-frieden/
Tobias Pflüger und Jürgen Wagner (7. Februar 2018)

Am 12. Januar hatten die Verhandler von CDU/CSU und SPD ihre 
Sondierungsgespräche abgeschlossen und hielten die Ergebnisse in einem 
Sondierungspapier fest, dessen problematische außen- und 
sicherheitspolitischen Aspekte leider in der anschließenden Debatte kaum 
eine Rolle spielten (siehe IMI-Standpunkt 2018/002). Am 7. Februar 2018 
einigten sich die Parteien dann auf einen Entwurf eines 
Koalitionsvertrags, der wohl weitgehend identisch mit der Fassung sein 
dürfte, über die die SPD-Mitglieder nun wohl abstimmen werden. Vieles 
wurde aus dem Sondierungspapier direkt übernommen, einige Passagen 
abgeändert und einige kamen – logischerweise angesichts eines Umfangs 
von 177 (Koalitionsvertrag) zu 28 (Sondierungspapier) Seiten – neu hinzu.

Die Absätze zur EU sind weitgehend gleich geblieben, insbesondere das 
flammende Bekenntnis zu PESCO, dem aktuell als „Meilenstein“ auf dem Weg 
zur weiteren Militarisierung der EU gehandelten Vorhaben, ist 
gleichgeblieben (siehe IMI-Standpunkt 2018/002 und IMI-Studie 2018/02). 
Allerdings wurde im Koalitionsvertrag ein Satz zur beabsichtigten 
Nutzung des geplanten „Europäischen Verteidigungsfonds“ hinzugefügt, 
ein  EU-Topf, aus dem in Kürze jährlich 500 Mio. für Rüstungsforschung 
und 5 Mrd. für Rüstungsbeschaffung bereitstehen sollen (siehe 
IMI-Analyse 2017/45). Neu ist beispielsweise auch, sich dafür einsetzen 
zu wollen, dass für „Ertüchtigungsprojekte im Sicherheitsbereich auf 
EU-Ebene (CBSD) rasch ein gesondertes Finanzinstrument außerhalb der 
EU-Entwicklungsfinanzierung eingerichtet wird.“ Ertüchtigung – die 
Aufrüstung und Ausrüstung „befreundeter Akteure“ – gewinnt als 
vermeintlich politisch wie finanziell „kostengünstigerer“ Weg zur 
indirekten Durchsetzung von Interessen immer mehr an Bedeutung. Aus 
diesem Grund wurde mit EU-Entwicklungshilfegeldern hierfür ein eigener 
Fonds eingerichtet (siehe IMI-Studie 2017/15). Die Entwicklungshilfe 
hier vom Militärhaken zu lassen, ist zwar gut, ein eigenes 
EU-Finanzinstrument zur Ertüchtigung einrichten zu wollen, wird diesen 
Bestrebungen aber nur weiter Vorschub leisten.

Auch bezüglich der Eurodrohne gab es im Vergleich zum Sondierungspapier 
eine Veränderung: Explizit ist nun die Rede von der Anschaffung der 
Heron TP als „Brückenlösung“ bis die Eurodrohne zur Verfügung steht, 
gleichzeitig wird die Frage der Bewaffnung vorbehaltlich einer 
Bundestagsentscheidung gestellt: „Als Übergangslösung wird die Drohne 
HERON TP geleast. Über die Beschaffung von Bewaffnung wird der Deutsche 
Bundestag nach ausführlicher völkerrechtlicher, verfassungsrechtlicher 
und ethischer Würdigung gesondert entscheiden.“

Eine weiterer interessanter Unterschied zwischen beiden Papieren: Im 
Sondierungspapier wurden lediglich „Völkerrechtswidrige Tötungen durch 
autonome Waffensysteme“ abgelehnt. Nun lautet die Formulierung: 
„Völkerrechtswidrige Tötungen lehnen wir kategorisch ab, auch durch 
Drohnen.“ Tatsächlich erfolgt kaum eine Drohnen-Tötung gerade seitens 
der USA – und zentral über Deutschland von Ramstein aus – aktuell 
vollautonom. Allerdings ist kaum davon auszugehen, dass sich die Große 
Koalition mit dieser Praxis anlegen will – weshalb dieser  Passus dann 
aber in dieser Form eingefügt wurde, ist recht unklar.

Was die Rüstungsexportpolitik anbelangt, wurde der umstrittene Satz aus 
dem Sondierungspapier beibehalten, keine Rüstungsgüter an Länder zu 
liefern, die am Jemen-Krieg beteiligt sind. Berichten zufolge sollen 
hier Vertreter von CDU und CSU versucht haben, eine Aufweichung zu 
erreichen, was augenscheinlich nicht gelang. Ansonsten bleiben die 
kritischen Anmerkungen zur bereits im Sondierungspapier bekundeten 
Absichtserklärung, die Rüstungsexporte „einschränken“ zu wollen, ebenso 
für den Koalitionsvertrag gültig (siehe IMI-Standpunkt 2018/002). Neu 
ist die explizite Ankündigung, die Rüstungssexportrichtlinien von 2000 
noch in diesem Jahr überabreiten zu wollen.

Auffällig und neu sind auch Passagen zur atomaren Rüstungskontrolle: 
„Wir wollen ein neues konventionelles und nukleares Wettrüsten auf 
unserem Kontinent vermeiden.“ Im besten Fall kann dies als eine Absage 
gegenüber den immer lauter werdenden Forderungen nach einer 
Stationierung weiterer US-Atomwaffen in Europa verstanden werden. Auf 
der anderen Seite wird aber der – eigentlich vom Bundestag 2010 von 
allen Fraktionen in einem gemeinsamen Antrag geforderten – Abzug der 
US-Atomwaffen in Deutschland an „erfolgreiche Abrüstungsgespräche“ 
gekoppelt, also angesichts der aktuellen westlich-russischen Konflikte 
einstweilen auf den St. Nimmerleinstag verschoben: „Erfolgreiche 
Abrüstungsgespräche schaffen die Voraussetzung für einen Abzug der in 
Deutschland und Europa stationierten taktischen Nuklearwaffen.“

Was die Bundeswehreinsätze anbelangt, hat sich zwischen 
Sondierungspapier und Koalitionsvertrag wenig verändert. Vor allem die 
Ankündigung, das Afghanistan-Kontingent aufstocken zu wollen, wurde 
beibehalten.

Angesichts zahlreicher aktueller Versuche zur Gegenkonversion, also dem 
Bestreben, frühere Bundeswehrliegenschaften zu reaktivieren oder sich 
neue Gelände unter den Nagel zu reißen (siehe IMI-Analyse 2017/038b), 
ist folgende neue Absichtserklärung von Interesse: „Vor einer 
endgültigen Abgabe von Liegenschaften der Bundeswehr werden wir vor dem 
Hintergrund der Trendwenden [Personal, Material, Finanzen] jeweils noch 
einmal den zukünftigen Bedarf prüfen. Unseren Bedarf werden wir auch in 
Hinblick auf Liegenschaften prüfen, deren Abgabe bereits vollzogen ist.“

Rüstungspolitisch wichtig ist zudem einerseits, dass eine starke 
Betonung auf die Rüstungskooperation in Europa und damit 
länderübergreifende Rüstungsprojekte gelegt wird. Hierdurch sollen 
Fusionen und Übernahmen und dadurch die Bildung sogenannte Eurochampions 
gefördert werden. Andererseits, dort nämlich, wo deutsche Konzerne aus 
dem großen Fressen nicht als Sieger hervorgehen könnten und so 
„nationale Schlüsseltechnologien“ in fremde Hände überzugehen drohen, 
sollen diese geschützt werden. Dieser Rüstungsprotektionismus war 
bereits ein Kernelement im "Strategiepapier der Bundesregierung zur 
Stärkung der Verteidigungsindustrie in Deutschland" vom 8. Juli 2015, 
von einer Möglichkeit, wie dies geschehen könnte, war darin damals 
allerdings noch keine Rede. Im Koalitionsvertrag heißt es nun, man wolle 
„prüfen, inwieweit der Ausnahmetatbestand des Art. 346 des Vertrages 
über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Beschaffungspraxis 
stärker herangezogen werden kann.“ Artikel 346 setzt die Regeln des 
Binnenmarktes für den Rüstungssektor aus. Das heißt, Rüstungsprojekte 
müssen unter Berufung auf diesen Artikel nicht europaweit ausgeschrieben 
– und die heimischen Konzerne damit einer ggf. stärkeren Konkurrenz 
ausgesetzt – werden, sofern ein Staat geltend macht, hier seien 
nationale Sicherheitsinteressen im Spiel.

Und schließlich ist vor allem ein Aspekt gleichgeblieben: Weiter soll 
alles „auf Grundlage des 51. Finanzplans“ finanziert werden, was zu 
deutlich saftigeren Steigerungen des Rüstungshaushaltes führen wird, als 
es unter einer Jamaika-Koalition wohl der Fall gewesen wäre. Insgesamt 
dürfte es sich hier um Mehrausgaben von zusammen mindestens 10,2 Mrd. 
Euro zwischen 2018 und 2021 handeln, möglicherweise sogar um noch mehr. 
Reuters rechnete beispielsweise bereits zum Sondierungspapier vor: „Das 
Entscheidende ist dabei der Verweis auf den 51. Finanzplan: Er hat zwar 
auch keine bindende Wirkung, ist aber die Absichtserklärung der 
bisherigen großen Koalition, wie sie sich die Entwicklung des 
Bundeshaushalts in den vier Jahren von 2018 bis 2021 vorstellt. Für den 
Wehretat sieht der Finanzplan für diesen Zeitraum eine Steigerung um 
knapp neun Milliarden Euro auf 42,4 Milliarden Euro vor. Sollte es zu 
einer Neuauflage der großen Koalition kommen, kann die Bundeswehr also 
mit einer Aufstockung ihres Budgets um neun Milliarden Euro plus ihrem 
Anteil an den zwei Milliarden Euro für Verteidigung und 
Entwicklungshilfe rechnen.“

Wohlgemerkt: Hierbei handelt es sich um die Mindesterhöhung, sobald 
zusätzliche „Spielräume“ entstehen, sollen diese zuerst dem Rüstungsetat 
zugeführt werden, wie explizit in den Koalitionsvertag eingeschrieben 
wurde. Streitkräfte und Strategien zitiert diesbezüglich den 
CDU-Abgeordneten Johann Wadephul: „Na immerhin steht drin, dass alle 
weiteren Haushaltsspielräume prioritär - und das  soll  halt  betont  
werden, und  das  war  auch  umstritten - für  diesen  Bereich 
eingesetzt werden sollen.“ In eigene Worte übersetzt dies Streitkräfte 
und Strategien noch einmal folgendermaßen: „Das heißt: wenn die 
Steuereinnahmen besser ausfallen als berechnet und weitere Milliarden 
übrig bleiben, dann soll die Bundeswehr zusätzliches Geld erhalten, 
‚prioritär‘, wie im Koalitionsvertrag steht.“

Pflichtschuldig haben SPD und CDU/CSU einen Koalitionsvertrag gegen den 
Frieden und für Krieg und Aufrüstung auf den Weg gebracht – und genau 
dies wird von ihnen quasi wörtlich auch noch so formuliert: „Wir stärken 
unsere Bundeswehr und die europäische Verteidigungsstruktur: Mehr 
Personal, beste Ausbildung und moderne Ausstattung bei der Bundeswehr 
durch einen höheren Verteidigungsetat. Ausbau der europäischen 
Verteidigungsunion mit PESCO, europäischem Verteidigungsfonds und 
weiteren Schritten auf dem Weg zur ‚Armee der Europäer‘.“

Es bleibt deshalb zu hoffen, dass die SPD-Mitglieder dem 
Koalitionsvertrag die Zustimmung bei der anstehenden Abstimmung 
verweigern, auch wenn die allermeisten es, sollte es dazu kommen, aller 
Wahrscheinlichkeit nicht aus friedenspolitischen Motiven tun werden.


2.) Ausdruck – Das IMI-Magazin (Februar 2018)

Soeben wurde die Februar-Ausgabe des IMI-Magazins AUSDRUCK online 
gestellt. Auf einige der darin enthaltenen Artikel wurde bereits mit 
früheren IMI-Lists verwiesen. Neu sind aber u.a. Beiträge zur 
Militarisierung der Polizei und zur Situation in Tunesien sowie über den 
problematischen Umgang mit der deutschen kolonialen Vergangenheit. Auch 
eine zweiteilige Studie über Bosnien und Herzegowina ist frisch 
erschienen, die wir in der nächsten Ausgabe fortsetzen werden.


AUSDRUCK – Das IMI-Magazin (Februar 2018)

Ganze Ausgabe zum download: 
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-2018-1-Web.pdf

DEUTSCHLAND UND DIE BUNDESWEHR
-- Kontinuität oder Bruch? Der Entwurf zu einem neuen Traditionserlass 
der Bundeswehr (Lucius Teidelbaum)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-2018-1-LT.pdf
-- Die Rehabilitierung des Kolonialismus? Umdeutungen kolonialer 
Geschichte und Gegenwart im Kontext der Kontroverse um die 
Straßenumbennung (Tobias Schmitt)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-2018-1-TS.pdf
-- Gegen den Frieden sondiert! Die GroKo zur Aufrüstung (Jürgen Wagner)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-2018-1-JW.pdf

MILITARISIERUNG DER POLIZEI
-- Neues Polizeigesetz in Baden-Württemberg: Militarisierung der Polizei 
und schwere Eingriffe in Grundrechte (Alexander Kleiß)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-2018-1-AK.pdf
-- Polizeiaufrüstung nach sächsischer Art? Über Polizeipanzer, rechte 
Stickereien und militarisierter Polizeieinheiten gegen Demonstrationen 
(Martin Kirsch)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-2018-1-MK.pdf

EU-MILITARISIERUNG
-- Die PESCO der Großmächte: Die EU auf dem Weg zur Aufrüstungs- und 
Interventionsunion (Florian Nesch) [Langfassung: 
http://www.imi-online.de/2018/02/02/die-pesco-der-grossmaechte/]
-- Pilotprojekt Bosnien und Herzegowina: EUropas neoliberaler 
Abenteuerspielplatz (Sven Wachowiak) [Langfassung folgt]
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-2018-1-SV.pdf

NORDAFRIKA & ARABISCHER OSTEN
-- Afrin: Entfesselte Geopolitik (Bernhardt Klaus)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-2018-1-BK.pdf
-- Luftschläge im Sinai sind kein stiller Gruß! Merkels fatales 
Kondolenztelegramm (Jacqueline Andres)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-2018-1-JA.pdf
-- ‚Freiheit, Würde, Arbeit‘: Ein leeres Versprechen von neun 
tunesischen Regierungen (Nabil Sourani)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-2018-1-NS.pdf



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