[IMI-List] [0488] Konfliktphosphat / Aachener Friedenspreis

imi imi at imi-online.de
Di Mai 9 11:21:35 CEST 2017


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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0488 .......... 20. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jürgen Wagner / Christoph Marischka
Abo (kostenlos).. https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,

wir möchten an dieser Stelle nochmal auf unsere neue Broschüre „Kein
Frieden mit der Europäischen Union“ hinweisen, die hier heruntergeladen
werden kann:
http://www.imi-online.de/2017/05/08/eu-broschuere2017/
Für 3,50 pro Exemplar (zzgl. Porto) schicken wir die gedruckte Broschüre
(64S A4) auch gerne zu (ab 10 Exemplare für 3,- zzgl. Porto).
Bestellungen unter Tel. 07071/49154 oder an imi at imi-online.de.

Darüber hinaus findet sich in dieser IMI-List:

1.) eine Pressemitteilung zur Verleihung des Aachener Friedenspreises;

2) eine IMI-Analyse über den Phosphatabbau in Krisengebieten.


1.) Preisträger_innen des Aachener Friedenspreises 2017

Gestern gab der Aachener Friedenspreis bekannt, wem der Preis am 1.
September 2017 verliehen wird. Die Wahl fiel auf das Jugendnetzwerk für
politische Aktion (JunepA), das unter anderem Blockaden am
Atomwaffenstützpunkt Büchel durchgeführt hat und in Kürze ein Camp mit
Aktion beim Rüstungskonzern Rheinmetall nahe Celle plant.

Darüber hinaus geht der internationale Preis an die Bewegung No MUOS in
Sizilien, die sich dort primär gegen einen US-Militärstützpunkt richtet,
der Teil der globalen Kommando- und Kommunikationsstruktur der
US-Streitkräfte ist. Darüber hinaus engagiert sich die Bewegung jedoch
generell gegen militärische Interventionen, die Militarisierung der
Flüchtlingsabwehr und die Aufrüstung des Mittelmeers.

Die IMI als Trägerin des Aachener Friedenspreises seit 2011 gratuliert
beiden Gruppen und würdigt v.a. No MUOS in einer Pressemitteilung:

IMI-Mitteilung
IMI gratuliert Gewinnern des Aachener Friedenspreises 2017
Preisträger_innen sind das Jugendnetzwerk JunepA und die No
MUOS-Bewegung in Sizilien
http://www.imi-online.de/2017/05/08/imi-gratuliert-gewinnern-des-aachener-friedenspreises-2017/
IMI (8. Mai 2017)


2.) IMI-Analyse: Phosphatabbau in Kriegs- und Krisengebieten

IMI-Analyse 2017/24
Globale Landwirtschaft als Kriegsökonomie?
Phosphatabbau in Krisengebieten
http://www.imi-online.de/2017/05/08/globale-landwirtschaft-als-kriegsoekonomie/
Christoph Marischka (8. Mai 2017)


Ruckgrat globaler Landwirtschaft

„Phosphor ist ein wichtiger Baustein des Lebens. Für die moderne
Landwirtschaft ist Phosphor als Zusatzstoff für Futter- und Düngemittel
unverzichtbar.“ Mit diesen zutreffenden Worten beginnt eine Mitteilung
der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2013 „zur nachhaltigen
Verwendung von Phosphor“.(1) Seit den 1950er Jahren erfolgt die Zufuhr
von Phosphor nicht mehr primär über Dung aus der Landwirtschaft, sondern
durch Mineraldünger, die auf dem Abbau von Phosphatgestein beruhen.
Spätestens seit dem haben wir es mit globalen Produktionsketten auch in
der Landwirtschaft zu tun, denn in der EU beispielsweise verfügt nur
Finnland über geringe Vorkommen von Phosphatgestein. Auch in den USA
wird das dort v.a. in Florida vorkommende Phosphat zunehmend knapp und
längst nicht nur als Gestein oder konzentrierte Phosphorsäure, sondern
auch über Pflanzenfutter v.a. aus Lateinamerika importiert,(2) dessen
Vorräte jedoch ebenfalls begrenzt sind. Die dringendste Nachfrage
besteht aktuell in den bevölkerungsreichen Staaten Asiens. Die größten
Reserven werden auf der Arabischen Halbinsel und v.a. auf dem
afrikanischen Kontinent vermutet, wo selbst kaum Phosphatprodukte zur
Anwendung kommen. Die Größten Vorkommen konzentrieren sich auf einige
wenige Länder, und auch Länder mit mittleren Vorkommen und geringem
eigenen Verbrauch bauen gegenwärtig massiv ihre Förderkapazitäten aus.
Dabei ist zu beobachten, dass Phosphatabbau und -minen gegenwärtig in
zahlreichen Konflikten eine Rolle spielen und Länder mit großen
Vorkommen aufrüsten bzw. aufgerüstet werden.

Phosphatabbau im syrischen Bürgerkrieg

Als im Mai 2015 der Islamische Staat Palmyra im Zentrum Syriens einnahm,
war die Berichterstattung v.a. von der Zerstörung dortiger Kulturgüter
geprägt. Einige Medien berichteten damals jedoch darüber hinaus, dass
der IS auch die südlich von Palmyra gelegenen Phosphatminen erobert
hätte. Laut IS-Propaganda sei damit das Regime nicht nur „einer seiner
letzten großen Einkommensquellen beraubt“ sondern durch den zukünftigen
Abbau unter eigener Regie auch „Millionen Dollar“ für den IS zu
erwarten.(3) Im Januar 2017 berichtete u.a. der Deutschlandfunk, dass
der Iran für seine Unterstützung im syrischen Bürgerkrieg „vom
Assad-Regime mit lukrativen Kontrakten und Aufträgen belohnt“ worden
sei. U.a. dürften die iranischen „Revolutionswächter“ in Syrien ein
Mobilfunknetz aufbauen und betreiben, darüber hinaus würden ihnen „5.000
Hektar Agrarland und eine große Phosphat-Mine zur Verfügung“
gestellt.(4) Nach einem Bericht von Reuters handelt es sich dabei um die
al-Sharqiya-Minen 50km südöstlich von Palmyra.(5) Bei ihnen beginnt eine
Eisenbahnlinie, die von hier aus zunächst nach Westen verläuft, dort
nach gut 10km die zweitgrößte Phosphatmine bei Khunayfis passiert und
über Al-Qaryatayn, wo sich zwei weitere, kleinere Minen befinden, in
nordwestliche Richtung nach Homs weiterführt. Laut dem Jahresbericht des
U.S. Geological Survey für Syrien von 2011 gewann die staatliche
Minenbaugesellschaft GCOPHAM hier 2010 (nach eigenen Angaben) noch 3,1
Mio. Tonnen Phosphatgestein, das in Homs von der ebenfalls staatseigenen
General Fertilizers Co. zu 176.000t Dünger und 61.000t Phosphorsäure
weiterverarbeitet worden sei.(6) Zu diesem Zeitpunkt waren europäische
Staaten die Hauptabnehmer der syrischen Phosphorproduktion, die bis 2013
aufgrund des eskalierenden Bürgerkrieges und der EU-Sanktionen auf
(geschätzt) 1 Mio. Tonnen einbrach.(7)

Nach einem knappen Jahr unter Kontrolle des IS eroberte die syrische
Armee Palmyra im Frühjahr 2016 zurück, um die Stadt im Dezember
desselben Jahres wieder an den IS zu verlieren. Aktuell (April 2017)
gilt die Stadt nach liveuamap.com als umkämpft, aber vom IS
kontrolliert. Südlich der Stadt zieht sich demnach das zusammenhängende
Gebiet des IS entlang den Phosphatminen und der dazugehörenden Eisenbahn
am weitesten nach Westen und endet in Al-Qaryatayn.

Abbau in der besetzten Westsahara

2015 baute nach China, dessen Angaben jedoch als überschätzt gelten,
Marokko die größten Mengen Phosphatgesteins (29 Mio. Tonnen) ab, wobei
die völkerrechtswidrig von Marokko besetzte Westsahara die größten
Abbaugebiete beherbergt. Zusammengenommen werden Marokko und der
Westsahara 75% der globalen Phosphatreserven zugeschrieben.(8) Nach
Marokko (und damit der Westsahara) folgen in der weltweiten
Phosphatproduktion die Flächenstaaten USA (27,4 Mio. Tonnen) und
Russland (11,6 Mio. Tonnen), die jedoch überwiegend für den heimischen
Markt produzieren. Marokko ist demgegenüber seit Jahren größter
Exporteur von Phosphatgestein (40% Weltmarktanteil), Phosphorsäure (50%)
und fertigen Düngern (21%). Weltweit größter Importeur von
Phosphatprodukten sind trotz großer eigener Produktion die USA, die 2013
64% ihrer Importe aus Marokko (und der besetzten Westsahara) und den
Rest aus Peru bezogen.

Nicht nur wegen ihrer enormen Reserven, sondern auch den politischen
Rahmenbedingungen bildet die Westsahara ein geradezu optimales
Abbaugebiet: Die ursprünglich hier lebende Bevölkerung wurde im Zuge der
marokkanischen Besetzung Ende der 1970er Jahre politisch entrechtet, zu
großen Teilen vertrieben und durch staatlich alimentierte Siedler
ersetzt. Nach Westen ist das Gebiet vom Meer und nach Osten von
mehreren, häufig verminten und von Soldaten gesicherten Sperranlagen
begrenzt. Internationale Beobachter_innen und Organisationen erhalten
kaum Zugang zur Westsahara, von ihrer „Besetzung“ zu sprechen bzw. ihre
Zugehörigkeit zu Marokko zu bezweifeln, steht unter Strafe.
Demonstrationen und Versammlungen werden häufig gewaltsam aufgelöst,
Aktivist_innen von Militärgerichten verurteilt und gefoltert.(9) Unter
diesen Umständen wird bei Bou Craa die Wüste geradezu umgegraben und das
Phosphatgestein von hier aus von einem über 100km langen Förderband
(angeblich das längste der Welt) an die Küste transportiert. Die
tatsächliche Fördermenge aus der Westsahara kann nur geschätzt werden
und diese Schätzungen belaufen sich seit Jahren auf etwa 10% der
Gesamtproduktion Marokkos, 2013 etwa 2 Mio. Tonnen. Die Bundesregierung
hat mehrfach indirekt eingeräumt, dass ihr die Beteiligung deutscher
Firmen an Phosphatabbau und -aufbereitung bekannt ist, verweigert jedoch
seit Jahrzehnten eine Antwort auf Fragen danach, um welche Firmen es
sich handelt und worin ihre Beteiligung bestehen.(10) Sie unterstützte
jedoch den Ausbau der Aufbereitungsanlagen am Hafen von Jarf Lasfar
durch einen Kredit der staatlichen Förderbank KfW. Dort ansässig ist
u.a. das Unternehmen Euro-Maroc Phosphore, das Phosphorsäure herstellt
und zu einem Drittel der Chemischen Fabrik Budenheim KG gehört. Bei den
anderen Aufbereitungsanlagen in Jorf Lasfar handelt es sich v.a. um
Joint Ventures der staatlichen Phosphatgesellschaft OCP (Office
Chérifien des Phosphates) mit Düngemittelproduzenten aus Brasilien,
Indien und Pakistan.

Phosphatabbau in der sog. „Sahel-Region“

Auch jenseits Marokkos wird der Phosphatabbau in der Sahara und der
Sahelregion gegenwärtig massiv ausgebaut. In Mauretanien, südlich der
Westsahara, wird bislang v.a. Eisenerz abgebaut, das gemeinsam mit
Kupfer und Gold etwa 70% der Exporte des Landes ausmacht. Die
mauretanischen Staatseinnahmen sind hochgradig vom Bergbau abhängig und
fließen zu erheblichen Teilen in den Militärapparat, der die Politik
kontrolliert (mit wenigen Ausnahmen wurden alle Regierungen seit 1978
durch Militärputsche bestimmt) und darüber hinaus umfangreiche
Unterstützung aus den USA(11) und Frankreich erhält. In den vergangenen
Jahren wurden in Mauretanien jedoch auch zwei größere Lagerstätten von
Phosphat ausgemacht, deren Erschließung 2010 begann. 2013 sollte der
Abbau bei Bofal an der Grenze zu Senegal beginnen und 2015 eine
Aufbereitungsanlage gebaut werden, die Projekte verzögerten sich jedoch
zunächst.(12)

Das westlich angrenzende Mali war schneller in der Erschließung. Nach
eigenen Angaben begann die kanadische Firma Great Quest Fertilizer Ltd.
2008 mit der Untersuchung der Phosphatvorkommen und erwarb bis 2011 drei
Konzessionen für eine Fläche von 1.206qm im Distrikt Gao, zwischen
Bourem und Kidal. 2009 wurden bereits die ersten 1.900 Tonnen
Phosphatgestein dort abgebaut, bis 2012 sollte die Produktion bereits
auf 20.000t ansteigen.(13) 2012 jedoch stellte die Firma ihre
Tätigkeiten wegen „Unruhen“ ein. Der US Geological Survey, eine
Abteilung des US-Innenministeriums, urteilte: „Vor dem Beginn der
politischen Unruhen war Mali auf dem Weg, ein bedeutender Produzent von
Phosphatgestein in der Subsahara-Region zu werden … Die Weiterführung
bzw. Wiederaufnahme des Abbaus, von Erweiterungs- und
Explorationsprojekten wird jedoch absehbar von einer Beendigung der
Feindseligkeiten, der Konsolidierung des Friedens und der
Wiederherstellung von Frieden im Land abhängen“. Einer der Urspünge für
diese Unruhen war ein von der EU finanziertes Programm zur Aufrüstung
des nördlichen Malis 2010/2011, also just zu der Zeit, als die
Verhandlungen über die Abbaukonzessionen stattfanden.(14) Anfang 2013
intervenierte dann Frankreich und mittlerweile sind 1.000
Bundeswehrsoldaten in ihrem aktuell gefährlichsten Einsatz in Gao, etwa
200km südlich der Phosphatminen stationiert, von wo aus sie u.a. mit
Heron-I-Drohnen das Gelände überwachen sollen, das insbesondere nördlich
von Gao und in Kidal nicht unter Kontrolle der internationalen Truppen ist.

Dafür, dass der beginnende Abbau von Phosphat ein entscheidender Faktor
für den zugleich ausbrechenden Aufstand und die anschließende Sezession
des Nordens Malis war, gibt es keine Anzeichen. Allerdings steht außer
Frage, dass etwa die riesigen Uranminen bei Arlit im benachbarten Niger
wesentlich zur Entfremdung zwischen der ansässigen, (semi-)nomadischen
Bevölkerung und der Zentralregierung einschließlich ihrer
internationalen Verbündeten, allen voran Frankreich, beigetragen hat.
Die Entführung mehrerer dort tätiger Mitarbeiter des französischen
AREVA-Konzerns 2010 und ein Anschlag auf die Mine 2013 durch
islamistische Gruppen zielten durchaus darauf ab, bei diesen
Bevölkerungsgruppen Sympathien zu schaffen. Auch in Niger finden sich
umfangreiche Phosphatvorkommen, die jedoch bislang nur in sehr kleinem
Maßstab und jenseits des Exportes nach Nigeria überwiegend für den
Gebrauch im Inland abgebaut werden. 2008 jedoch sah die OECD in ihrem
„Economic Outlook Africa“ im Ausbau der Mine bei Tahoua eine mögliche
Triebfeder für zukünftiges und anhaltendes Wirtschaftswachstum im
Niger.(15) Auch dort sind aktuell französische Spezialeinheiten und die
Bundeswehr (im Rahmen ihres Mali-Einsatzes) stationiert, eine
EU-Trainingsmission begleitet den Aufbau von Gendarmerieeinheiten.

„Ertüchtigung“ und Phosphatabbau

Die Staaten, die nach wie vor große Reserven an Phosphaten aufweisen und
für den Export produzieren, liegen überwiegend in Nordafrika und auf der
Arabischen Halbinsel, der sog. MENA-Region. Es ist auffällig, dass jene
Staaten – sofern sie sich nicht wie Syrien in einem Bürgerkrieg befinden
– nahezu deckungsgleich sind mit denjenigen Staaten, die am
umfangreichsten Rüstungsgüter importieren oder – z.B. von Deutschland im
Rahmen der Ertüchtigungsinitiative – sogar kostenlos Rüstungsgüter und
Militärausbildung erhalten. Marokko etwa erhielt von Deutschland
zwischen 2001 und 2015 trotz katastrophaler Menschenrechtslage
Rüstungsgüter im Wert von über 100 Mio. Euro, darunter Panzer und
Fahrzeuge für über 25 Mio. Euro. Wichtiger noch als die Rüstungsexporte
dürfte jedoch die implizite Unterstützung der völkerrechtswidrigen
Besatzung des Westsahara sein, die sich u.a. darin ausdrückt, dass
Handelsabkommen und von der Durchführungsorganisation der deutschen
Entwicklungszusammenarbeit, giz, unterstützte Infrastrukturprojekte sich
wie selbstverständlich auch auf die Westsahara beziehen.

Obwohl Algerien, dem die weltweit drittgrößten Phosphatvorkommen
zugerechnet werden, sich in latentem Konflikt mit Marokko befindet,
wurden auch hierher allein seit 2011 Rüstungsexporte in Höhe von fast 2
Mrd. Euro genehmigt, darunter eine Fabrik für die Produktion von
Fuchs-Panzern der Firma Rheinmetall. Das östlich angenzende Tunesien
galt trotz eher geringer Reserven insbesondere vor der Revolte 2011 als
zumindest kurzfristig potenter Exporteur und war 2014 noch auf Platz
acht der wichtigsten Phosphor-Produzenten (2015 jedoch brach die
Produktion aufgrund von Streiks fast vollständig ein). Es ist auch ein
Schwerpunktland der deutschen „Ertüchtigungsinitiative“, die seit 2016
über einen eigenen Titel im Bundeshaushalt verfügt, wonach Auswärtiges
Amt und Verteidigungsministerium gemeinsam für 100 Mio. Euro
militärische Ausrüstung an Drittstaaten liefern können, im Fall
Tunesiens handelt es sich dabei v.a. um Systeme zur mobilen
Grenzüberwachung des Rüstungsunternehmens Airbus Defence and Space.(16)
Darüber hinaus werden tunesische Polizei-, Gendarmerie- und
Geheimdienstkräfte im Rahmen der „Transformationspartnerschaft“ von
Deutschland, insbesondere Angehörigen des BKA, aus- und fortgebildet.
Außerdem leistet Deutschland Hilfe bei der biometrischen Erfassung der
Bevölkerung.

Ägypten als sechstgrößter Phosphatproduzent 2015 gehört zwar nicht zu
den Hauptempfängerländern deutscher Rüstungsgüter – seit 2011 wurden
Exporte in Höhe von knapp 130 Mio. Euro genehmigt – was jedoch v.a. an
der engen Bindung an den US-amerikanischen Rüstungsmarkt liegen dürfte.
Denn Ägypten erhält nach Israel weltweit die höchsten Militärhilfen aus
den USA, seit 1987 jährlich 1,3 Mrd US$, die nahezu ausschließlich in
Waffenkäufe aus den USA umgesetzt werden.(17) Jenseits von
Rüstungsexporten und langsam wieder einsetzender Polizei- und
Militärkooperation unterstützt die Bundesregierung die Militärdiktatur
in Ägypten v.a durch Anerkennung und warme Worte: General Sisi, der 2013
die Macht in einem Militärputsch an sich riss, wurde vom heutigen
Außenminister Gabriel als „beeindruckender Präsident“ bezeichnet und von
Kanzlerin Merkel und dem damaligen Bundespräsident Gauck mit
militärischen Ehren in Berlin empfangen.

Ein weiteres Schwerpunktland der deutschen „Ertüchtigungsinitiative“ ist
Jordanien, dessen Reserven in etwa jenen Russlands entsprechen und das
sowohl hinsichtlich der Reserven als auch was die Fördermenge 2015
angeht auf Rang fünf weltweit rangiert. Jordanien soll allein im Jahr
2017 nicht nur 50 Schützenpanzer vom Typ Marder erhalten, sondern
darüber hinaus Abhörtechnologie im Wert von 6,6 Mio. Euro – beides
finanziert aus dem Bundeshaushalt. Saudi Arabien, das es von 2011 bis
2015 zum achtgrößten Produzenten von Phosphatgestein geschafft hat, gilt
im selben Zeitraum als zweitgrößter Importeur von Rüstungsgütern
weltweit.(18)

Mit diesen Zahlen und Schlaglichtern soll nicht behauptet werden, dass
Phosphat die heimliche Ursache des syrischen Bürgerkrieges oder die
eigentliche Triebfeder der Ertüchtigungsinitiative und vieler
Rüstungsexporte sei. Allerdings sollte zur Kenntnis genommen werden,
dass ein Rohstoff, der Rückgrat einer globalisierten, „arbeitsteiligen“
Landwirtschaft ist, knapper wird und bereits jetzt in vielen Konflikten
eine – wenn auch nachgeordnete – Rolle spielt. Der globale Handel mit
Phosphaten birgt darüber hinaus noch anderes Konfliktpotential und
ökologische Zerstörungskraft. Abbau und Aufbereitung von Phosphat geht
stets mit der Freisetzung giftiger und häufig auch radioaktiver Stoffe
einher, welche die Abbaugebiete belasten. Auf der – auch geografisch
gedacht – anderen Seite belastet das ausgewaschene Phosphat in Gebieten
mit hoher landwirtschaftlicher Produktion Gewässer und ganze Ökosysteme
bis zum Zusammenbruch. Tatsächlich jedoch könnte es eine Lösung geben:
„Der europäische Phosphorzyklus könnte vollständig geschlossen werden,
wenn die importierten chemischen Phosphatdünger komplett gegen
biologische und recyclte chemische Phosphordünger ersetzt würden… Doch
um das zu erreichen, müsste das Diktat der ‚Marktkräfte‘ überwunden
werden“, so Peter Clausing in einem Beitrag für welt-ernaehrung.de.(19)

Anmerkungen und Quellen

1) Europäische Kommission: COM(2013) 517 final.
2) Peter Clausing: „Fluch und Segen“, junge Welt (Thema-Seite Phosphat)
vom 9.6.2016.
3) Ruth Sherlock: „Isil seizes Syrian regime’s lucrative phosphate
mines“, http://www.telegraph.co.uk vom 27.05.2015, sowie: „Islamic State
Looks to Captured Phosphate Mines for Funding“, www.haaretz.com vom
27.05.2015.
4) Reinhard Baumgarten: „Die Unterstützung für Assad zahlt sich jetzt
aus“, www.deutschlandfunk.de vom 21.01.2017.
5) Bozorgmehr Sharafedin, Ellen Francis: „Iran’s Revolutionary Guards
reaps economic rewards in Syria“, http://uk.reuters.com vom 19.01.2017.
6) U.S. Geological Survey (USGS): 2011 Minerals Yearbook – Syria
(Advanced Edition).
7) USGS: 2013 Minerals Yearbook – Syria (Advanced Edition).
8) USGS: 2013 Minerals Yearbook – Morocco and Western Sahara (Advanced
Edition).
9) Human Rights Watch (HRW): World Report 2017 – Morocco and Western
Sahara, sowie: HRW: Morocco – Obstruction of Rights Group, www.hrw.org
vom 20.01.2017.
10) So fragte etwa bereits 1996 der Bundestagsabgeordnete Gerd Andres
(SPD) im Rahmen des parlamentarischen Fragerechts danach, ob „der
Bundesregierung Erkenntnisse vor[liegen], in welcher Art und Weise
deutsche Firmen oder die deutsche Volkswirtschaft an der Nutzung der
wirtschaftlichen Ressourcen der ehemaligen spanischen Sahara —
namentlich der Phosphatvorkommen und der Fischgründe — teilhaben?“. Die
Antwort beschränkte sich auf die Angabe, dass „laut Statistischem
Bundesamt … im Jahre 1995 vom OCP 7 926t Rohphosphat nach Deutschland
exportiert [wurden]. Das sind 2,7 % der Gesamtimporte von 288 878t. Aus
dem Rohphosphat wurden ca. 2 600t Konzentrat (P205) hergestellt, das i.
w. der Produktion von Düngemitteln, Futterzusätzen und chemischen
Produkten dient. Bezogen auf den geschätzten jährlichen P2O5-Verbrauch
in Deutschland wurde 1995 aus Marokko etwa 0,5% geliefert“
(BT-Drucksache 13/5544). 14 Jahre später antwortete sie auf die Frage,
ob „die Bundesregierung den Hinweisen nachgegangen [ist], wonach Schiffe
deutscher Reedereien am Abtransport von Phosphor/Phosphorsäure aus den
besetzten Gebieten beteiligt sind oder waren, und zu welchen Ergebnissen
… sie gelangt“ sei, mit der nicht minder ausweichenden Antwort: „Die
Bundesregierung weist in ihren Kontakten mit der Wirtschaft im Rahmen
ihrer Möglichkeiten auf politisch sensible Sachverhalte hin“
(BT-Drucksache 17/1521).
11) „Falling commodity prices in a volatile corner – Why ‚quiet‘
Mauritania is being watched closely“, Amil & Guardian Africa vom 24.11.2015.
12) USGS: 2013 Minerals Yearbook – Mauretania (Advance Release).
13) USGS: 2013 Minerals Yearbook – Mali and Niger (Advance Release).
14) Christoph Marischka: „Der Krieg in Mali als Folge der Formierung
EUropäischer Außenpolitik“, IMI-Studie 6/2017.
15) Afrikanische Entwicklungsbank (AfDB) u. OECD: African Economic
Outlook – Niger (2008).
16) Bundestags-Drucksache 18/9965.
17) Jeremy M. Sharp: „Egypt – Background and U.S. Relations“,
Congressional Research Service, März 2017.
18) SIPRI Yearbook 2016.
19) Peter Clausing: „Phosphor – Fluch und Segen eines Elements“,
www.welt-ernährung.de vom 10.10.2016.


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