[IMI-List] [0485] Analyse GETEX-Übung / Englische NATO-Broschüre / ZgK / Ausdruck (April 2017)
IMI-JW
imi at imi-online.de
Mi Apr 12 13:09:45 CEST 2017
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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0485 .......... 20. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jürgen Wagner / Christoph Marischka
Abo (kostenlos).. https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,
in dieser IMI-List findet sich
1.) Der Hinweis auf eine englische Übersetzung und Aktualisierung einer
Broschüre zur NATO;
2.) Der Hinweis auf die neue Zeitung gegen den Krieg;
3.) Alle Artikel des soeben erschienenen IMI-Magazins AUSDRUCK (April 2017);
4.) Eine IMI-Analyse zur GETEX-Inlandsübung von Bundeswehr und Polizei.
1.) NATO-Broschüre: Englische Übersetzung
Die letztes Jahr erschienene IMI-Broschüre “Die 360°-NATO: Mobilmachung
an allen Fronten“ wurde nun u.a. anlässlich der bevorstehenden Proteste
gegen den NATO-Gipfel Ende Mai 2017 aktualisiert, ins Englische
übersetzt und von der EU-Abgeordneten Sabine Lösing veröffentlicht:
http://www.sabine-loesing.de/kontext/controllers/document.php/73.d/7/7e77d8.pdf
Die Broschüre kann hier kostenfrei bestellt werden:
hannover at sabine-loesing.de
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The German Information Center on Militarization has finalized a brochure
that covers a broad range of NATO’s militaristic policies which has been
published by Sabine Lösing (MEP):
http://www.sabine-loesing.de/de/article/563.nr-12-360-nato-mobilization-on-all-fronts.html
Especially in order to make material for events for the mobilization to
the next NATO summit as easily available as possible, the brochure can
be ordered free of charge from:
Europabüro Sabine Lösing
Goseriede 8
30159 Hannover
or via Email: hannover at sabine-loesing.de
Table of Contents
I. INTRODUCTION
-- NATO’s 360 Degree Approach: Heading Towards Confrontation with Russia
and the Rest of the World (Juergen Wagner)
II. MISSIONS
-- Occupied, looted, divided: NATO in Kosovo (Juergen Wagner)
-- NATO in Afghanistan: A never ending story (Anne Labinski)
-- Mission accomplished: Why NATO has destroyed Libya and destabilized
the region (Juergen Wagner)
-- The Militarization of NATO’s Eastern Flank (Nathalie Schueler)
-- NATO’s (hybrid) role in Syria’s devastation (Christoph Marischka)
III. STRATEGIES
-- NATO Centres of Excellence – Planning the Next War (Christopher
Schwitanski)
-- NATO at sea… The Alliance as a maritime power (Claudia Haydt)
-- Cyberwar and information space: NATO and war on the fifth battlefield
(Thomas Gruber)
-- Militarization of information: NATO propaganda is now called
Strategic Communications (Christopher Schwitanski)
-- Allied Ground Surveillance: NATO’s eyes and ears above Eastern Europe
(Marius Pletsch)
-- Atomic Sabre-rattling: NATO’s Nuclear Offensive (Jürgen Wagner)
IV. PROTEST
-- Resistance against NATO structures in Germany - EUCOM in Stuttgart
(Thomas Mickan)
-- No NATO: Mapping the Protest Sites (Jacqueline Andres)
2.) Neue Zeitung gegen den Krieg
Zu den Ostermärschen gibt es wieder eine neue Zeitung gegen den Krieg.
Acht Seiten im Zeitungsformat // Bezugspreise [ACHTUNG: deutlich
gesenkte!] wie folgt (jeweils zuzüglich Porto & Verpackung): bei
Bestellungen von 1 – 99 Ex.: 25 Cent je Ex. / bei Best. ab 100 Ex: 15
Cent je Ex.
Bestellungen an: zeitung-gegen-den-krieg at gmx.de / Fax 030-227 76 179 +
Tel. 030 – 22 77 3179 (MdB-Büro H. Hänsel)
3.) AUSDRUCK (April 2017)
Ganze Ausgabe zum herunterladen:
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-83-2-2017_web.pdf
INHALTSVERZEICHNIS
KONFLIKTE UND MIGRATIONSBEKÄMPFUNG
-- Calais und die Grenzindustrie: Profiteure der EU-Migrationspolitik
(Keigh Bee)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-83-2-2017-KB.pdf
-- US-Militärbasen im Mittelmeer: Netzwerke der Kriegslogistik und des
Widerstand (Jacqueline Andres)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-83-2-2017-JA.pdf
-- Krieg in Mali: Uranabbau schützend – Migration und Flucht
verhindernd (Christoph Marischka )
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-83-2-2017-CM.pdf
-- Eine Pipeline in den Krieg: Waffenlienlieferungen und die Eskalation
in Syrien (Claudia Haydt)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-83-2-2017-CH.pdf
MILITARISIERUNG INLAND
-- Militarisierung der Polizei – Massive Aufrüstung im Namen der
Terrorabwehr (Martin Kirsch)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-83-2-2017-MK.pdf
-- GETEX: Polizei und Bundeswehr üben Anti-Terror-Einsatz im Inland
(Martin Kirsch)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-83-2-2017-MK2.pdf
-- Die Spionagebehörde ZITiS: Zivil-militärische Zusammenarbeit auf den
Bundeswehr-Campus (Matthias Monroy)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-83-2-2017-MM.pdf
-- Dem Frieden den Prozess machen. Anklage gegen Friedensaktivisten geht
in die vierte Runde (Thomas Mickan)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-83-2-2017-TM.pdf
TRANSATLANTISCHE BEZIEHUNGEN
-- Münchner Sicherheitskonferenz: „Operation Aufrüstung“ und
Transatlantische No-Go-Areas (Jürgen Wagner)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-83-2-2017-JW.pdf
-- Trump und Russland: Die Hysterie um eine neue Reset-Politik (Mirko
Petersen)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-83-2-2017-MP.pdf
4.) IMI-Analyse zur GETEX-Übung von Militär und Polizei
IMI-Analyse 2017/10 - in: AUSDRUCK (April 2017)
GETEX
Polizei und Bundeswehr üben Anti-Terror-Einsatz im Inland
http://www.imi-online.de/2017/04/12/getex/
Martin Kirsch (12. April 2017)
„Ich bin auch froh darüber, dass die politische Diskussion der
Jahrzehnte langen ideologischen Grabenkämpfe über die Frage des Ob
vorbei ist.“[1] Mit diesen triumphierenden Worten eröffnete der
saarländische Innenminister und politische Förderer der gemeinsamen
Übung von Polizei und Bundeswehr, Klaus Boullion, sein Statement bei der
abschließenden Bundespressekonferenz am 09. März 2017.
Vom 07. bis 09. März 2017 hatten Polizeien, Geheimdienste und Bundeswehr
in einer gemeinsamen Stabsrahmenübung den Einsatz der Armee im Inland
bei großen Terroranschlägen geübt. GETEX steht dabei für GEmeinsame
TErrorismusabwehr EXercise (dt. Übung). In sechs Bundesländern wurden
die Krisenstäbe hochgefahren, um Reaktionsfähigkeit und
Kommunikationswege der beteiligten Behörden in einem fiktiven Szenario
zu testen.
Damit scheint nach Bouillons Meinung der Damm für bewaffnete
Inlandseinsätze der Bundeswehr mit dieser Übung gebrochen. Diese
beeindruckend kreative Auslegung der Verfassung, die dieser Übung eine
juristische Grundlage verschafft, kam allerdings nicht von einem Tag auf
den anderen zustande, sondern brauchte jahrelange Vorbereitung.
Der Weg zur GETEX-Übung
Bereits seit den 1990er Jahren arbeiten Teile der CDU/CSU an der Option,
die Bundeswehr auch im Inland mit exekutiven Befugnissen einsetzen zu
können. Für die aktuelle Ausweitung der Befugnisse wurde der Startschuss
vom Bundesverfassungsgericht gegeben. In einem Urteil vom Juli 2012
hatte es Artikel 35/2 des Grundgesetzes, in dem die Katastrophenhilfe
geregelt wird, grundlegend neu interpretiert und mit Einschränkungen die
Verwendung von “spezifisch militärischen Waffen“ in diesem Rahmen
zugelassen.[2]
Zwar konnte sich Verteidigungsministerin von der Leyen in der Debatte um
das Weißbuch 2016 mit ihrer Position nicht durchsetzen, die Verfassung
selbst im Bezug auf Inlandseinsätze grundlegend umzuschreiben,
allerdings stimmte die gesamte Regierungskoalition einer nennenswerten
Neuinterpretation des Grundgesetzes zu. Aufbauend auf
Verfassungsgerichtsurteil und Weißbuch stieß der Wissenschaftliche
Dienst des Bundestages[3] im August 2016 mit einer Interpretation der
Interpretation die Tür für bewaffnete Inlandseinsätze der Bundeswehr zur
Terrorabwehr noch weiter auf und legte damit den Grundstein für die
GETEX-Übung.
Neben der juristischen Auseinandersetzung um Schranken des Grundgesetzes
wurde auch die politisch geförderte Terrorhysterie für die
Positionierung der Bundeswehr im Aufgabenspektrum der Inneren Sicherheit
aktiv genutzt. So erlaubte sich von der Leyen im Sommer 2016 nach einem
Amoklauf in München, der von den Behörden fälschlicherweise für einen
Terroranschlag gehalten wurde, 100 Soldat_innen in Alarmbereitschaft zu
versetzen, um in die Münchner Innenstadt auszurücken.[4] In der von ihr
angestoßenen Debatte wurde dann die Forderung nach einer gemeinsamen
Übung von Polizei und Bundeswehr, die ohnehin seit der Erstellung des
Weißbuchs 2016 geplant war, öffentlichkeitswirksam inszeniert.
Kommunikation statt Panzer?
GETEX war als sogenannte Stabsrahmenübung angelegt. Ein Planspiel der
jeweiligen Führungsebenen von Innenministerien, Verfassungsschutzämtern
und Polizeien der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Bremen,
Nordrhein-Westfalen, Saarland und Schleswig-Holstein, dem
Bundesinnenministerium mit Bundespolizei, BKA und Geheimdiensten, sowie
dem Verteidigungsministerium mit Bundeswehr.
Die beteiligten Stellen sollten Ansprechpersonen, Fähigkeiten,
Vorgehensweisen, Abläufe, Kommunikationswege und Sprache der
Kooperationspartner kennen lernen. Polizist_innen, Soldat_innen oder
Panzer wurden also nur als virtuelle Größen verschoben, ohne je die
Dienststube oder Kaserne zu verlassen. Die einzigen Bilder von
bewaffneten Ordnungskräften waren im Rahmen von Vorführungen zu sehen,
die das Begleitprogramm zu GETEX lieferten.
Was sich verhältnismäßig harmlos anhört, legt allerdings die Grundlage
für zukünftige Einsätze und führt zu einem Zusammenrücken von Armee und
Polizei – nicht nur in Extremsituationen, sondern auch im Alltag.
Dieses Vorgehen ist schon aus dem Katastrophenschutz bekannt, wo bereits
seit 2004 gemeinsame Übungen (LÜKEX – Länderübergreifende
Katastropenschutz Exercise) mit der Bundeswehr abgehalten werden. So
unterhält die Bundeswehr seit 2007 ein ganzes Netz von
Verbindungsoffizieren, die von der Provinz bis nach Berlin in den
Krisenstäben sitzen und das Militär als Lösungsfaktor im Inland aktiv
anpreisen.[5]
Das führte bereits zu einer massiven Ausweitung der sogenannten
Amtshilfe (§ 35/1 GG) und zu Großeinsätzen der Bundeswehr bei
Naturkatastrophen (§ 35/2 GG), wie z.B. während des Hochwassers 2013,
als zwischenzeitlich fast 20.000 Soldat_innen aktiv waren.
Eine ähnliche Entwicklung ist für die angelaufene Kooperation von Armee
und Polizei im Bereich der Terrorismusabwehr auch zu erwarten.
So drängen Verteidigungsministerin von der Leyen und einige
Länderinnenminister der CDU und CSU bereits auf weitere Übungen, in
denen Polizei und Bundeswehr auch auf den Straßen der Republik aktiv
werden sollen.[6]
Dass eine Kooperation von Bundeswehr und Polizei allerdings auch
deutlich unterhalb des gemeinsamen bewaffneten Einsatzes einen äußerst
fragwürdigen Charakter hat, zeigt eine Aussage der
Verteidigungsministerin, in der sie die Ausgangsbasis der aktuellen
Übung in der Kooperation von Innenministerien, Polizeien und Bundeswehr
während der „Flüchtlingskrise“ 2015 sieht.[7]
Rechtsgrundlage
Seit den Notstandsgesetzen von 1968 sieht das Grundgesetz vier Wege vor,
über die die Bundeswehr im Inland aktiv werden kann. Die sogenannte
Amtshilfe (§ 35/1 GG) regelt den Austausch von Personal und Material
zwischen allen staatlichen Behörden und damit auch der Bundeswehr. So
z.B. die Weitergabe von Zelten für die Unterbringung und Personal für
die Registrierung von Geflüchteten, aber auch von Überwachungstechnik
bei Gipfelprotesten. Juristisch wird die Amtshilfe der Bundeswehr nicht
als Inlandseinsatz gewertet.
Nach Artikel 35/2 GG, der sogenannten Katastrophenhilfe, kann die
Bundeswehr bei einer Naturkatastrophe oder einem besonders schweren
Unglücksfall aktiv werden. Beispiele sind Hochwasser, aber auch ein
großes Zugunglück mit vielen Verletzten, oder ein Reaktorunfall.
Darüber hinaus wurde 1968 der sogenannte Innere Notstand, Artikel 91/1,
im Grundgesetz verankert. Sollten die freiheitlich demokratische
Grundordnung und der Fortbestand eines Bundeslandes oder des Bundes
durch militärisch organisierte und bewaffnete Gegner im Inneren bedroht
werden, darf die Bundeswehr auch mit militärischer Gewalt gegen diese
Bedrohung vorgehen. Weitere Befugnisse im Inland erhält die Bundeswehr
im Spannungs- oder Verteidigungsfall (§ 115 GG), also im Falle der
akuten Kriegsvorbereitung oder eines Krieges, bei dem das Staatsgebiet
der Bundesrepublik Deutschland bedroht ist.
Für die GETEX-Übung sind allerdings v.a. die Amtshilfe und die
Katastrophenhilfe relevant, wobei der Katastrophenhilfe eine besondere
Rolle zukommt.
Bis zum Urteil des Verfassungsgerichts von 2012 war ein bewaffneter
Einsatz der Bundeswehr im Inland unterhalb des inneren Notstands, der im
Vergleich zu Nachbarländern wie Frankreich und Belgien relativ hohe
Hürden voraussetzt, nicht vorgesehen.
Beeinflusst durch die Debatten über den Krieg gegen den Terror entschied
die Mehrheit der Verfassungsrichter_innen 2012 allerdings, auch
Terroranschläge „katastrophischen Ausmaßes“ als von Menschen verursachte
Katastrophe zu interpretieren und der Bundeswehr damit eine aktive Rolle
in der Bekämpfung von Terrorist_innen, auch mit Waffengewalt,
einzuräumen.[8]
Neben der Erlaubnis zur Verwendung von Kriegswaffen ist das Urteil
besonders heikel, weil es Einsätze nicht nur als Reaktion auf einen
Anschlag oder eine Anschlagsserie zulässt, sondern auch wirksam wird,
wenn Anschläge mit katastrophaler Wirkung unmittelbar bevorstehen. Damit
erhält die Bundeswehr sogar präventive Befugnisse in der Terrorabwehr.
Die Folgen dieser Entscheidung wurden bereits im Rahmen der
Urteilsverkündung massiv kritisiert. So stellte sich Verfassungsrichter
Gaier gegen die Entscheidung seiner Kolleg_innen und fügte dem Urteil
eine neunseitige „Abweichende Meinung“ hinzu.[9] Darin wirft er dem
Gericht, begründet mit der Historie des Grundgesetzes und den
gesellschaftlichen Konsequenzen der Entscheidung, quasi eine Beugung der
Verfassung vor.
Neben diversen Widersprüchen zur aktuellen GETEX-Übung aus dem politisch
linken Spektrum treten aber auch Kritiker_innen aus dem Bereich der
Verwaltung auf den Plan. So z.B. Alexander Poretschkin, Lehrbeauftragter
an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer. Im
Bezug auf Artikel 87a GG, der die Aufstellung der Bundeswehr auf
Verteidigungszwecke beschränkt, kritisiert Poretschkin, dass ein
präventives Bereitstellen der Armee außerhalb des
Verteidigungsauftrages, also für Katastrophenschutz oder zur
Unterstützung der Polizei, sowie entsprechende Übungen, nicht
grundgesetzkonform seien.[10]
Ungeachtet der Kritik waren die neuen Befugnisse der Armee im Fall von
Terroranschlägen katastrophischen Ausmaßes neben der Koordination von
Polizei und Bundeswehr zentraler Bestandteil der GETEX-Übung. So liest
sich das vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe
erdachte Szenario nach Aussagen eines NDR-Journalisten wie ein „extremes
und wenig realistisches Terror-Armageddon“[11] um damit den Einsatz nach
Artikel 35/2 GG um jeden Preis möglich zu machen.
Übungsszenario
Bereits vor Übungsbeginn, so das Drehbuch, finden Anschläge in
Großbritannien, Spanien und den Niederlanden statt. Die Geheimdienste
haben Hinweise, dass ein Terrorkommando koordinierte Anschläge in
Deutschland plant und beginnen mit einer Vielzahl von Observationen und
darauf folgenden Razzien und Festnahmen. Diese Tätigkeiten bringen die
Polizeien von Bund und Ländern bereits an ihre Kapazitätsgrenzen, was
die Option eines Bundeswehreinsatzes auf den Plan ruft.
Kurz nach Übungsbeginn finden erste Anschläge in Deutschland statt. In
Bremen explodiert eine Bombe in einer Schule und in einer weiteren wird
geschossen. In Bayern tötet eine Bombe auf einem Bahnhof zwanzig
Menschen. Hinzu kommt die Entführung eines Busses, in dem Geiseln
erschossen werden, um die Ausstrahlung eines Videos in den
Fernsehnachrichten zu erpressen. In Nordrhein-Westfalen, am Flughafen
Düsseldorf explodiert eine weitere Bombe und tötet einige Menschen.
Zusätzllich wird eine Flugabwehrrakete auf dem Rollfeld des Flughafens
gefunden, die geeignet ist Passagierflugzeuge zum Absturz zu bringen. In
Baden-Württemberg findet ein Angriff auf ein Konsulat mit anschließender
Geiselnahme und ein weiterer auf die Trinkwasserversorgung statt.[12]
Während das Saarland mit einem durch einen Anschlag auf den
Berufsverkehr ausgelösten Verkehrskollaps umgehen muss, wird in
Schleswig-Holstein die Grenzsicherung massiv hochgefahren und es eine
Fähre und ein Kreuzfahrtschiff müssen evakuiert werden.[13]
Verlauf der Übung
Während von der Leyen die Übung in einer ersten Auswertung als Erfolg
darstellt, auch weil allein in der Vorbereitung die Bundeswehr einen
Einblick in die Polizeibehörden und ihre Arbeitsweisen erhielt, war es
während der Übung vor allem ihr Ministerium und die nachfolgenden
Stellen, die für Probleme sorgten.
So gab es während des ersten Tages Anträge der Polizei, die bis zu
fünfzehn Stunden auf eine Antwort warten mussten. In Polizeikreisen
kursiert laut NDR bereits der Spruch: „Am zweiten Tag kommen die
Bundeswehr-Soldaten, die du am ersten Tag angefordert hast.“[14]
Aber auch diese Schmach für das Verteidigungsministerium wurde von
Verteidigungsministerin von der Leyen als Übungserfolg dargestellt.[15]
So wurde das Genehmigungsverfahren für Einsätze der Bundeswehr in der
Nacht vom ersten auf den zweiten Übungstag umgestellt. Nicht mehr die
unteren Verbindungsebenen der Bundeswehr in den Bundesländern prüften
jetzt langwierig die Anträge, sondern reichten sie direkt an die
Jurist_innen im Verteidigungsministerium weiter.
Diese erteilten dann angeblich im Idealfall Antragsgenehmigungen im
Minutentakt. Die Landeskommandos waren nur noch für die Umsetzung der
genehmigten Anträge zuständig.
Aber auch die Verfügbarkeit von Teileinheiten der Bundeswehr konnte
getestet werden. So brauchten z.B. die ABC-Abwehrkräfte mindestens fünf
Stunden um nach Berlin zu kommen.
Von insgesamt 46 Anträgen der Polizeien wurden 44 genehmigt. Davon 30 im
Rahmen der Amtshilfe und 16 als Katastrophenhilfe mit exekutiven
Befugnissen. Genehmigte Bundeswehreinsätze nach Artikel 35/2 GG
beinhalteten die Identifikation und Entschärfung von Sprengfallen, das
Bereitstellen von geschützten Fahrzeugen (Panzerwagen) samt Personal,
die Verwundetenversorgung, v.a. von Schuss-, Brand- und Sprengwunden,
sowie Objektschutz und den Betrieb von Checkpoints mit
Verkehrskontrollen.[16]
Die zwei abgelehnten Anträge kamen aus Baden-Württemberg und Bayern. So
wurden Soldat_innen angefragt, um Objektschutz für alle Konsulate in
Bayern zu stellen, obwohl keine konkrete Bedrohung vorlag und das
Kommando Spezialkräfte sollte eine Geiselbefreiung in Stuttgart
durchführen, obwohl ein Spezialeinsatzkommando der Länderpolizei in der
Nähe war.[17]
Bremen stellte als Hotspot der Übung 12 Anträge an die Bundeswehr, die
dazu führten, dass rund 1.000 fiktive Soldat_innen in der Stadt
unterwegs waren.[18] Sie evakuierten Schulen, Kitas und Unis, versorgten
Verletzte, beschützten Krankenhäuser und andere kritische
Infrastrukturen und errichteten Kontrollstellen, wo sie Autos und
Fußgänger mit vorgehaltener Waffe kontrollierten.
Schneller am Drücker in der Terrorabwehr?
Während alle Beteiligten die Übung als Erfolg loben, werden die daraus
folgenden Konsequenzen, die Bundeswehr häufiger an der Seite der Polizei
einzusetzen, sogar von den Berufsverbänden der Polizei und Bundeswehr
kritisiert,[19] die sich sonst für keine Stimmungsmache zu schade sind.
Die Unstimmigkeiten zwischen CDU/CSU und SPD, die sich schon für das
Weißbuch 2016 nicht über eine Verfassungsänderung einig wurden, bleiben
allerdings bestehen.
Während die Union nicht genug von der Bundeswehr im Inland bekommen kann
und bereits über zukünftige Übungen mit Soldat_innen in den Straßen
sinniert, versuchen sich die Innen- und Verteidigungspolitiker_innen der
Sozialdemokraten in Zurückhaltung zu üben.
Die Entscheidung über einen Einsatz liegt im Fall der Fälle allerdings
bei den Landesinnenministern und dem Verteidigungsministerium. So
verkündete Innenminister de Maizière: „Und ehrlich gesagt ist es dann
unsere Aufgabe, als diejenigen, die in einer solchen Krise zu agieren
haben, und [die Aufgabe] der Länder zu sagen, wir erklären das jetzt zu
einer Terrorlage katastrophischen Ausmaßes und handeln. Und dann kann
später irgendein Gericht sagen, ihr habt den Begriff aber falsch
ausgelegt.“[20] Der Wille zum Einsatz der Streitkräfte scheint also
deutlich ausgeprägt zu sein, aller Kritik und juristischen
Unstimmigkeiten zum Trotz.
Vermutlich werden nach einer intensiven Auswertung, die bis April 2017
andauert, die Planungen für GETEX 2018 beginnen, um auch andere
Bundesländer in den „Genuss“ einer solchen Übung kommen zu lassen. Der
Grundstein für ein Zusammenwachsen von Polizeien und Bundeswehr in der
Terrorbekämpfung ist gelegt und weitere Vorstöße für die erneute
Ausweitung der Einsatzbefugnisse sind nur eine Frage der Zeit.
Unabhängig von zukünftigen Einsätzen der Bundeswehr hat die
Terrorhysterie, die auch in den Behörden durch eine solche Übung noch
weiter angeheizt wird, bereits jetzt Wirkung gezeigt.
So scheinen die Terrorszenarien einigen Polizeibeamt_innen in
Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg zu Kopf gestiegen zu sein.
Bereits am Tag nach der Übung wurde, wie bereits im Vorjahr in München,
ein Amoklauf in Düsseldorf für einen Anschlag gehalten und führte zu
einem Großeinsatz der Polizei, bei dem an Waffen und Rüstung nicht
gespart wurde.[21] Am 11. März 2017 kam es dann in Essen aufgrund eines
angeblich drohenden Terroranschlags auf ein Einkaufszentrum zur
Evakuierung des riesigen Gebäudekomplexes, der in der Folge von einem
schwerbewaffneten Polizeiaufgebot bewacht wurde. Die zwei festgenommenen
Tatverdächtigen wurden am 12. und 13. März 2017 aufgrund mangelnder
Beweise wieder entlassen.[22]
Und damit nicht genug, wurden im baden-württembergischen Offenbach in
der Nacht zum 12.März.2017 panisch mehrere Diskotheken von
Polizist_innen mit Maschinenpistole und kugelsicherer Weste geräumt,
weil aufgrund einer Drohung auch dort ein Terroranschlag vermutet wurde.
In den Folgetagen mussten die Ermittler_innen allerdings auch dort
feststellen, dass es sich um eine hohle Drohung gehandelt hatte.[23]
Diese Vorfälle reihen sich in eine zunehmende Zahl von
Anti-Terror-Einsätzen in den letzten zwei Jahren ein, denen, soweit
öffentlich bekannt, in den seltensten Fällen ein belastbarer
Anschlagsplan zugrunde lag. Die Polizei rüstet sich trotz alledem massiv
auf.[24]
Der wahrscheinlichste Fall eines Bundeswehr Einsatzes à la GETEX scheint
somit zu sein, dass die Behörden sich eine akute Terrorgefahr mit
möglichen katastrophischen Folgen herbei phantasieren. Aufgrund der
verbesserten Schnittstellen zur Bundeswehr und der Option auf deren
präventiven Einsatz, könnten dann Objektschutzaufgaben an zivilen
Objekten von Soldat_innen mit vorgehaltener Waffe übernommen werden.
Ein weiterer Schritt also, im Sinne der neuen Großmachtphantasien, die
Lehren aus der deutschen Geschichte bei Bedarf über Bord zu schmeißen
und den Sicherheitsapparat in einen noch eskalativeren Modus zu bringen.
In dieser Stimmung wäre es dann auch nicht mehr verwunderlich, wenn
früher oder später nicht mit Kanonen auf Spatzen, aber mit Kriegswaffen
auf Amokläufer_innen, vermeintliche Straftäter_innen, psychisch Kranke,
Störenfriede und Verdächtige geschossen werden würde, also auf all
diejenigen,die es wagen, die angestrebte Ruhe und Ordnung zu durchbrechen.
Noch vor einem solchen Vorfall wirkt allerdings die Abschreckung, dass
der Staat sich für alle Fälle rüstet und bereit ist, die Panzer aus
Afghanistan auch durch Aachen oder Augsburg rollen zu lassen.
Anmerkungen
[1] Klaus Boullion, Bundespressekonferenz, 09.03.2017, Minute 13 bis
14, abrufbar als Audiomitschnitt über augengeradeaus.net
[2] Bundesverfassungsgericht, – 2 PbvU 1/11 - , 03.07.2012,
bundesverfassungsgericht.de
[3] Aktueller Begriff – Die Verwendung der Bundeswehr im Inneren,
Wissenschaftliche Dienste – Deutscher Bundestag, Nr.20/16, 30.08.2016
[4] Martin Kirsch, Bundeswehr in den Straßen? - Einschätzungen zur
aktuellen Debatte um Bundeswehreinsätze zur Terrorabwehr in Deutschland,
IMI-Analyse 2016/33b - in: AUSDRUCK (Oktober 2016)
[5] Martin Kirsch, Bundeswehr in den Straßen?
[6] Boullion und von der Leyen, in Bundespressekonferenz, 09.03.2017
[7] Ursula von der Leyen, Bundespressekonferenz, 09.03.2017, Minute 7
[8] Michael Haid, Die Bundeswehr im Inneren nach dem Urteil des
Bundesverfasungsgerichts, Informationsstelle Militarisierung, Ausdruck
Dezember 6/2012, S. 7-10
[9] Abweichende Meinung des Richters Gaier zum Plenarbeschluss vom
3. Juli 2012 – 2 PbvU 1/11 -, bundesverfassungsgericht.de
[10] Alexander Poretschkin, Grundgesetz und Terrorbekämpfung durch die
Bundeswehr, Newsletter Verteidigung. Streitkräfte. Wehrtechnik, Nr. 178,
29.03.2017, S.2
[11] Björn Müller, NDR Info - Streitkräfte und Strategien, 25.02.2017
[12] Deutscher BundeswehrVerband, Polizei und Bundeswehr trainieren
zusammen für Terror-Ernstfall, 20.01.2017, dbwv.de
[13] Ministerium für Inneres und Bundesangelegenheiten
Schleswig-Holstein, Gemeinsame Übung von Polizei und Bundeswehr in
Schleswig-Holstein erfolgreich abgeschlossen, 09.03.2017
[14] Joachim Hagen, NDR Info - Streitkräfte und Strategien, 11.03.2017
[15] Ursula von der Leyen, Bundespressekonferenz, 09.03.2017, Minute 7
bis 8
[16] Ursula von der Leyen, Bundespressekonferenz, 09.03.2017, Minute 9
bis 10
[17] Ursula von der Leyen, Bundespressekonferenz, 09.03.2017, Minute
30 und 42
[18] Ulrich Mäurer, Bundespressekonferenz, 09.03.2017, Minute 11
[19] Deutscher BundeswehrVerband, Polizei und Bundeswehr trainieren
zusammen für Terror-Ernstfall, 20.01.2017, dbwv.de und Christian Unger,
Bund und Länder machen mit Terror-Übung auch Symbolpolitik, WAZ,
08.03.2017, waz.de
[20] Thomas de Maizière, Bundespressekonferenz, 09.03.2017, Minute 20
bis 21
[21] Axt-Angreifer kommt in psychatrische Klinik, WDR, 10.03.17, wdr.de
[22] Anschlag in Essen vereitelt – Festnahmen in Oberhausen, WDR,
11.03.2017, wdr.de und Anschlagspläne: Zweiter Festgenommener wieder
frei, WDR, 13.03.2017, wdr.de
[23] Drohung gegen Offenburger Disko – Ermittler: Keine
Anschlagsgefahr, SWR - AKTUELL, 14.03.2017, swr.de
[24] Siehe Artikel zur Militarisierung der Polizei in diesem Ausdruck.
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