[IMI-List] [0485] Analyse GETEX-Übung / Englische NATO-Broschüre / ZgK / Ausdruck (April 2017)

IMI-JW imi at imi-online.de
Mi Apr 12 13:09:45 CEST 2017



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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0485 .......... 20. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jürgen Wagner / Christoph Marischka
Abo (kostenlos).. https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List findet sich

1.) Der Hinweis auf eine englische Übersetzung und Aktualisierung einer 
Broschüre zur NATO;

2.) Der Hinweis auf die neue Zeitung gegen den Krieg;

3.) Alle Artikel des soeben erschienenen IMI-Magazins AUSDRUCK (April 2017);

4.) Eine IMI-Analyse zur GETEX-Inlandsübung von Bundeswehr und Polizei.


1.) NATO-Broschüre: Englische Übersetzung

Die letztes Jahr erschienene IMI-Broschüre “Die 360°-NATO: Mobilmachung 
an allen Fronten“ wurde nun u.a. anlässlich der bevorstehenden Proteste 
gegen den NATO-Gipfel Ende Mai 2017 aktualisiert, ins Englische 
übersetzt und von der EU-Abgeordneten Sabine Lösing veröffentlicht: 
http://www.sabine-loesing.de/kontext/controllers/document.php/73.d/7/7e77d8.pdf 


Die Broschüre kann hier kostenfrei bestellt werden: 
hannover at sabine-loesing.de
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The German Information Center on Militarization has finalized a brochure 
that covers a broad range of NATO’s militaristic policies which has been 
published by Sabine Lösing (MEP): 
http://www.sabine-loesing.de/de/article/563.nr-12-360-nato-mobilization-on-all-fronts.html

Especially in order to make material for events for the mobilization to 
the next NATO summit as easily available as possible, the brochure can 
be ordered free of charge from:

Europabüro Sabine Lösing
Goseriede 8
30159 Hannover

or via Email: hannover at sabine-loesing.de

Table of Contents
I. INTRODUCTION
-- NATO’s 360 Degree Approach: Heading Towards Confrontation with Russia 
and the Rest of the World (Juergen Wagner)

II. MISSIONS
-- Occupied, looted, divided: NATO in Kosovo (Juergen Wagner)
-- NATO in Afghanistan: A never ending story (Anne Labinski)
-- Mission accomplished: Why NATO has destroyed Libya and destabilized 
the region (Juergen Wagner)
-- The Militarization of NATO’s Eastern Flank (Nathalie Schueler)
-- NATO’s (hybrid) role in Syria’s devastation (Christoph Marischka)

III. STRATEGIES
-- NATO Centres of Excellence – Planning the Next War (Christopher 
Schwitanski)
-- NATO at sea… The Alliance as a maritime power (Claudia Haydt)
-- Cyberwar and information space: NATO and war on the fifth battlefield 
(Thomas Gruber)
-- Militarization of information: NATO propaganda is now called 
Strategic Communications (Christopher Schwitanski)
-- Allied Ground Surveillance: NATO’s eyes and ears above Eastern Europe 
(Marius Pletsch)
-- Atomic Sabre-rattling: NATO’s Nuclear Offensive (Jürgen Wagner)

IV. PROTEST
-- Resistance against NATO structures in Germany - EUCOM in Stuttgart 
(Thomas Mickan)
-- No NATO: Mapping the Protest Sites (Jacqueline Andres)

2.) Neue Zeitung gegen den Krieg

Zu den Ostermärschen gibt es wieder eine neue Zeitung gegen den Krieg.

Acht Seiten im Zeitungsformat // Bezugspreise [ACHTUNG: deutlich 
gesenkte!] wie folgt (jeweils zuzüglich Porto & Verpackung): bei 
Bestellungen von 1 – 99 Ex.: 25 Cent je Ex. /  bei Best. ab 100 Ex: 15 
Cent je Ex.

Bestellungen an: zeitung-gegen-den-krieg at gmx.de / Fax 030-227 76 179 + 
Tel. 030 – 22 77 3179 (MdB-Büro H. Hänsel)


3.) AUSDRUCK (April 2017)

Ganze Ausgabe zum herunterladen: 
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-83-2-2017_web.pdf


INHALTSVERZEICHNIS

KONFLIKTE UND MIGRATIONSBEKÄMPFUNG
-- Calais und die Grenzindustrie: Profiteure der EU-Migrationspolitik 
(Keigh Bee)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-83-2-2017-KB.pdf
-- US-Militärbasen im Mittelmeer: Netzwerke der Kriegslogistik und des 
Widerstand (Jacqueline Andres)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-83-2-2017-JA.pdf
--  Krieg in Mali: Uranabbau schützend – Migration und Flucht 
verhindernd (Christoph Marischka )
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-83-2-2017-CM.pdf
-- Eine Pipeline in den Krieg: Waffenlienlieferungen und die Eskalation 
in Syrien (Claudia Haydt)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-83-2-2017-CH.pdf

MILITARISIERUNG INLAND
-- Militarisierung der Polizei – Massive Aufrüstung im Namen der 
Terrorabwehr (Martin Kirsch)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-83-2-2017-MK.pdf
-- GETEX: Polizei und Bundeswehr üben Anti-Terror-Einsatz im Inland 
(Martin Kirsch)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-83-2-2017-MK2.pdf
-- Die Spionagebehörde ZITiS: Zivil-militärische Zusammenarbeit auf den 
Bundeswehr-Campus (Matthias Monroy)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-83-2-2017-MM.pdf
-- Dem Frieden den Prozess machen. Anklage gegen Friedensaktivisten geht 
in die vierte Runde (Thomas Mickan)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-83-2-2017-TM.pdf

TRANSATLANTISCHE BEZIEHUNGEN
--  Münchner Sicherheitskonferenz: „Operation Aufrüstung“ und 
Transatlantische No-Go-Areas (Jürgen Wagner)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-83-2-2017-JW.pdf
-- Trump und Russland: Die Hysterie um eine neue Reset-Politik (Mirko 
Petersen)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-83-2-2017-MP.pdf


4.) IMI-Analyse zur GETEX-Übung von Militär und Polizei

IMI-Analyse 2017/10 - in: AUSDRUCK (April 2017)
GETEX
Polizei und Bundeswehr üben Anti-Terror-Einsatz im Inland
http://www.imi-online.de/2017/04/12/getex/
Martin Kirsch (12. April 2017)

„Ich bin auch froh darüber, dass die politische Diskussion der 
Jahrzehnte langen ideologischen Grabenkämpfe über die Frage des Ob 
vorbei ist.“[1] Mit diesen triumphierenden Worten eröffnete der 
saarländische Innenminister und politische Förderer der gemeinsamen 
Übung von Polizei und Bundeswehr, Klaus Boullion, sein Statement bei der 
abschließenden Bundespressekonferenz am 09. März 2017.

Vom 07. bis 09. März 2017 hatten Polizeien, Geheimdienste und Bundeswehr 
in einer gemeinsamen Stabsrahmenübung den Einsatz der Armee im Inland 
bei großen Terroranschlägen geübt. GETEX steht dabei für GEmeinsame 
TErrorismusabwehr EXercise (dt. Übung). In sechs Bundesländern wurden 
die Krisenstäbe hochgefahren, um Reaktionsfähigkeit und 
Kommunikationswege der beteiligten Behörden in einem fiktiven Szenario 
zu testen.

Damit scheint nach Bouillons Meinung der Damm für bewaffnete 
Inlandseinsätze der Bundeswehr mit dieser Übung gebrochen. Diese 
beeindruckend kreative Auslegung der Verfassung, die dieser Übung eine 
juristische Grundlage verschafft, kam allerdings nicht von einem Tag auf 
den anderen zustande, sondern brauchte jahrelange Vorbereitung.


Der Weg zur GETEX-Übung

Bereits seit den 1990er Jahren arbeiten Teile der CDU/CSU an der Option, 
die Bundeswehr auch im Inland mit exekutiven Befugnissen einsetzen zu 
können. Für die aktuelle Ausweitung der Befugnisse wurde der Startschuss 
vom Bundesverfassungsgericht gegeben. In einem Urteil vom Juli 2012 
hatte es Artikel 35/2 des Grundgesetzes, in dem die Katastrophenhilfe 
geregelt wird, grundlegend neu interpretiert und mit Einschränkungen die 
Verwendung von “spezifisch militärischen Waffen“ in diesem Rahmen 
zugelassen.[2]

Zwar konnte sich Verteidigungsministerin von der Leyen in der Debatte um 
das Weißbuch 2016 mit ihrer Position nicht durchsetzen, die Verfassung 
selbst im Bezug auf Inlandseinsätze grundlegend umzuschreiben,  
allerdings stimmte die gesamte Regierungskoalition einer nennenswerten 
Neuinterpretation des Grundgesetzes zu. Aufbauend auf 
Verfassungsgerichtsurteil und Weißbuch stieß der Wissenschaftliche 
Dienst des Bundestages[3] im August 2016 mit einer Interpretation der 
Interpretation die Tür für bewaffnete Inlandseinsätze der Bundeswehr zur 
Terrorabwehr noch weiter auf und legte damit den Grundstein für die 
GETEX-Übung.

Neben der juristischen Auseinandersetzung um Schranken des Grundgesetzes 
wurde auch die politisch geförderte Terrorhysterie für die 
Positionierung der Bundeswehr im Aufgabenspektrum der Inneren Sicherheit 
aktiv genutzt. So erlaubte sich von der Leyen im Sommer 2016 nach einem 
Amoklauf in München, der von den Behörden fälschlicherweise für einen 
Terroranschlag gehalten wurde, 100 Soldat_innen in Alarmbereitschaft zu 
versetzen, um in die Münchner Innenstadt auszurücken.[4] In der von ihr 
angestoßenen Debatte wurde dann die Forderung nach einer gemeinsamen 
Übung von Polizei und Bundeswehr, die ohnehin seit der Erstellung des 
Weißbuchs 2016 geplant war, öffentlichkeitswirksam inszeniert.


Kommunikation statt Panzer?

GETEX war als sogenannte Stabsrahmenübung angelegt. Ein Planspiel der 
jeweiligen Führungsebenen von Innenministerien, Verfassungsschutzämtern 
und Polizeien der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, 
Nordrhein-Westfalen, Saarland und Schleswig-Holstein, dem 
Bundesinnenministerium mit Bundespolizei, BKA und Geheimdiensten, sowie 
dem Verteidigungsministerium mit Bundeswehr.

Die beteiligten Stellen sollten Ansprechpersonen, Fähigkeiten, 
Vorgehensweisen, Abläufe, Kommunikationswege und Sprache der 
Kooperationspartner kennen lernen. Polizist_innen, Soldat_innen oder 
Panzer wurden also nur als virtuelle Größen verschoben, ohne je die 
Dienststube oder Kaserne zu verlassen. Die einzigen Bilder von 
bewaffneten Ordnungskräften waren im Rahmen von Vorführungen zu sehen, 
die das Begleitprogramm zu GETEX lieferten.

Was sich verhältnismäßig harmlos anhört, legt allerdings die Grundlage 
für zukünftige Einsätze und führt zu einem Zusammenrücken von Armee und 
Polizei – nicht nur in Extremsituationen, sondern auch im Alltag.

Dieses Vorgehen ist schon aus dem Katastrophenschutz bekannt, wo bereits 
seit 2004 gemeinsame Übungen (LÜKEX – Länderübergreifende 
Katastropenschutz Exercise) mit der Bundeswehr abgehalten werden. So 
unterhält die Bundeswehr seit 2007 ein ganzes Netz von 
Verbindungsoffizieren, die von der Provinz bis nach Berlin in den 
Krisenstäben sitzen und das Militär als Lösungsfaktor im Inland aktiv 
anpreisen.[5]

Das führte bereits zu einer massiven Ausweitung der sogenannten 
Amtshilfe (§ 35/1 GG) und zu Großeinsätzen der Bundeswehr bei 
Naturkatastrophen (§ 35/2 GG), wie z.B. während des Hochwassers 2013, 
als zwischenzeitlich fast 20.000 Soldat_innen aktiv waren.

Eine ähnliche Entwicklung ist für die angelaufene Kooperation von Armee 
und Polizei im Bereich der Terrorismusabwehr auch zu erwarten.

So drängen Verteidigungsministerin von der Leyen und einige 
Länderinnenminister der CDU und CSU bereits auf weitere Übungen, in 
denen Polizei und Bundeswehr auch auf den Straßen der Republik aktiv 
werden sollen.[6]

Dass eine Kooperation von Bundeswehr und Polizei allerdings auch 
deutlich unterhalb des gemeinsamen bewaffneten Einsatzes einen äußerst 
fragwürdigen Charakter hat, zeigt eine Aussage der 
Verteidigungsministerin, in der sie die Ausgangsbasis der aktuellen 
Übung in der Kooperation von Innenministerien, Polizeien und Bundeswehr 
während der „Flüchtlingskrise“ 2015 sieht.[7]


Rechtsgrundlage

Seit den Notstandsgesetzen von 1968 sieht das Grundgesetz vier Wege vor, 
über die die Bundeswehr im Inland aktiv werden kann. Die sogenannte 
Amtshilfe (§ 35/1 GG) regelt den Austausch von Personal und Material 
zwischen allen staatlichen Behörden und damit auch der Bundeswehr. So 
z.B. die Weitergabe von Zelten für die Unterbringung und Personal für 
die Registrierung von Geflüchteten, aber auch von Überwachungstechnik 
bei Gipfelprotesten. Juristisch wird die Amtshilfe der Bundeswehr nicht 
als Inlandseinsatz gewertet.

Nach Artikel 35/2 GG, der sogenannten Katastrophenhilfe, kann die 
Bundeswehr bei einer Naturkatastrophe oder einem besonders schweren 
Unglücksfall aktiv werden. Beispiele sind Hochwasser, aber auch ein 
großes Zugunglück mit vielen Verletzten, oder ein Reaktorunfall.

Darüber hinaus wurde 1968 der sogenannte Innere Notstand, Artikel 91/1, 
im Grundgesetz verankert. Sollten die freiheitlich demokratische 
Grundordnung und der Fortbestand eines Bundeslandes oder des Bundes 
durch militärisch organisierte und bewaffnete Gegner im Inneren bedroht 
werden, darf die Bundeswehr auch mit militärischer Gewalt gegen diese 
Bedrohung vorgehen. Weitere Befugnisse im Inland erhält die Bundeswehr 
im Spannungs- oder Verteidigungsfall (§ 115 GG), also im Falle der 
akuten Kriegsvorbereitung oder eines Krieges, bei dem das Staatsgebiet 
der Bundesrepublik Deutschland bedroht ist.

Für die GETEX-Übung sind allerdings v.a. die Amtshilfe und die 
Katastrophenhilfe relevant, wobei der Katastrophenhilfe eine besondere 
Rolle zukommt.

Bis zum Urteil des Verfassungsgerichts von 2012 war ein bewaffneter 
Einsatz der Bundeswehr im Inland unterhalb des inneren Notstands, der im 
Vergleich zu Nachbarländern wie Frankreich und Belgien relativ hohe 
Hürden voraussetzt, nicht vorgesehen.

Beeinflusst durch die Debatten über den Krieg gegen den Terror entschied 
die Mehrheit der Verfassungsrichter_innen 2012 allerdings, auch 
Terroranschläge „katastrophischen Ausmaßes“ als von Menschen verursachte 
Katastrophe zu interpretieren und der Bundeswehr damit eine aktive Rolle 
in der Bekämpfung von Terrorist_innen, auch mit Waffengewalt, 
einzuräumen.[8]

Neben der Erlaubnis zur Verwendung von Kriegswaffen ist das Urteil 
besonders heikel, weil es Einsätze nicht nur als Reaktion auf einen 
Anschlag oder eine Anschlagsserie zulässt, sondern auch wirksam wird, 
wenn Anschläge mit katastrophaler Wirkung unmittelbar bevorstehen. Damit 
erhält die Bundeswehr sogar präventive Befugnisse in der Terrorabwehr.

Die Folgen dieser Entscheidung wurden bereits im Rahmen der 
Urteilsverkündung massiv kritisiert. So stellte sich Verfassungsrichter 
Gaier gegen die Entscheidung seiner Kolleg_innen und fügte dem Urteil 
eine neunseitige „Abweichende Meinung“ hinzu.[9] Darin wirft er dem 
Gericht, begründet mit der Historie des Grundgesetzes und den 
gesellschaftlichen Konsequenzen der Entscheidung, quasi eine Beugung der 
Verfassung vor.

Neben diversen Widersprüchen zur aktuellen GETEX-Übung aus dem politisch 
linken Spektrum treten aber auch Kritiker_innen aus dem Bereich der 
Verwaltung auf den Plan. So z.B. Alexander Poretschkin, Lehrbeauftragter 
an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer. Im 
Bezug auf Artikel 87a GG, der die Aufstellung der Bundeswehr auf 
Verteidigungszwecke beschränkt, kritisiert Poretschkin, dass ein 
präventives Bereitstellen der Armee außerhalb des 
Verteidigungsauftrages, also für Katastrophenschutz oder zur 
Unterstützung der Polizei, sowie entsprechende Übungen, nicht 
grundgesetzkonform seien.[10]

Ungeachtet der Kritik waren die neuen Befugnisse der Armee im Fall von 
Terroranschlägen katastrophischen Ausmaßes neben der Koordination von 
Polizei und Bundeswehr zentraler Bestandteil der GETEX-Übung. So liest 
sich das vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe 
erdachte Szenario nach Aussagen eines NDR-Journalisten wie ein „extremes 
und wenig realistisches Terror-Armageddon“[11] um damit den Einsatz nach 
Artikel 35/2 GG um jeden Preis möglich zu machen.


Übungsszenario

Bereits vor Übungsbeginn, so das Drehbuch, finden Anschläge in 
Großbritannien, Spanien und den Niederlanden statt. Die Geheimdienste 
haben Hinweise, dass ein Terrorkommando koordinierte Anschläge in 
Deutschland plant und beginnen mit einer Vielzahl von Observationen und 
darauf folgenden Razzien und Festnahmen. Diese Tätigkeiten bringen die 
Polizeien von Bund und Ländern bereits an ihre Kapazitätsgrenzen, was 
die Option eines Bundeswehreinsatzes auf den Plan ruft.

Kurz nach Übungsbeginn finden erste Anschläge in Deutschland statt. In 
Bremen explodiert eine Bombe in einer Schule und in einer weiteren wird 
geschossen. In Bayern tötet eine Bombe auf einem Bahnhof zwanzig 
Menschen. Hinzu kommt die Entführung eines Busses, in dem Geiseln 
erschossen werden, um die Ausstrahlung eines Videos in den 
Fernsehnachrichten zu erpressen. In Nordrhein-Westfalen, am Flughafen 
Düsseldorf explodiert eine weitere Bombe und tötet einige Menschen. 
Zusätzllich wird eine Flugabwehrrakete auf dem Rollfeld des Flughafens 
gefunden, die geeignet ist Passagierflugzeuge zum Absturz zu bringen. In 
Baden-Württemberg findet ein Angriff auf ein Konsulat mit anschließender 
Geiselnahme und ein weiterer auf die Trinkwasserversorgung statt.[12] 
Während das Saarland mit einem durch einen Anschlag auf den 
Berufsverkehr ausgelösten Verkehrskollaps umgehen muss, wird in 
Schleswig-Holstein die Grenzsicherung massiv hochgefahren und es eine 
Fähre und ein Kreuzfahrtschiff müssen evakuiert werden.[13]


Verlauf der Übung

Während von der Leyen die Übung in einer ersten Auswertung als Erfolg 
darstellt, auch weil allein in der Vorbereitung die Bundeswehr einen 
Einblick in die Polizeibehörden und ihre Arbeitsweisen erhielt, war es 
während der Übung vor allem ihr Ministerium und die nachfolgenden 
Stellen, die für Probleme sorgten.

So gab es während des ersten Tages Anträge der Polizei, die bis zu 
fünfzehn Stunden auf eine Antwort warten mussten. In Polizeikreisen 
kursiert laut NDR bereits der Spruch: „Am zweiten Tag kommen die 
Bundeswehr-Soldaten, die du am ersten Tag angefordert hast.“[14]

Aber auch diese Schmach für das Verteidigungsministerium wurde von 
Verteidigungsministerin von der Leyen als Übungserfolg dargestellt.[15] 
So wurde das Genehmigungsverfahren für Einsätze der Bundeswehr in der 
Nacht vom ersten auf den zweiten Übungstag umgestellt. Nicht mehr die 
unteren Verbindungsebenen der Bundeswehr in den Bundesländern prüften 
jetzt langwierig die Anträge, sondern reichten sie direkt an die 
Jurist_innen im Verteidigungsministerium weiter.

Diese erteilten dann angeblich im Idealfall Antragsgenehmigungen im 
Minutentakt. Die Landeskommandos waren nur noch für die Umsetzung der 
genehmigten Anträge zuständig.

Aber auch die Verfügbarkeit von Teileinheiten der Bundeswehr konnte 
getestet werden. So brauchten z.B. die ABC-Abwehrkräfte mindestens fünf 
Stunden um nach Berlin zu kommen.

Von insgesamt 46 Anträgen der Polizeien wurden 44 genehmigt. Davon 30 im 
Rahmen der Amtshilfe und 16 als Katastrophenhilfe mit exekutiven 
Befugnissen. Genehmigte Bundeswehreinsätze nach Artikel 35/2 GG 
beinhalteten die Identifikation und Entschärfung von Sprengfallen, das 
Bereitstellen von geschützten Fahrzeugen (Panzerwagen) samt Personal, 
die Verwundetenversorgung, v.a. von Schuss-, Brand- und Sprengwunden, 
sowie Objektschutz und den Betrieb von Checkpoints mit 
Verkehrskontrollen.[16]

Die zwei abgelehnten Anträge kamen aus Baden-Württemberg und Bayern. So 
wurden Soldat_innen angefragt, um Objektschutz für alle Konsulate in 
Bayern zu stellen, obwohl keine konkrete Bedrohung vorlag und das 
Kommando Spezialkräfte sollte eine Geiselbefreiung in Stuttgart 
durchführen, obwohl ein Spezialeinsatzkommando der Länderpolizei in der 
Nähe war.[17]

Bremen stellte als Hotspot der Übung 12 Anträge an die Bundeswehr, die 
dazu führten, dass rund 1.000 fiktive Soldat_innen in der Stadt 
unterwegs waren.[18] Sie evakuierten Schulen, Kitas und Unis, versorgten 
Verletzte, beschützten Krankenhäuser und andere kritische 
Infrastrukturen und errichteten Kontrollstellen, wo sie Autos und 
Fußgänger mit vorgehaltener Waffe kontrollierten.


Schneller am Drücker in der Terrorabwehr?

Während alle Beteiligten die Übung als Erfolg loben, werden die daraus 
folgenden Konsequenzen, die Bundeswehr häufiger an der Seite der Polizei 
einzusetzen, sogar von den Berufsverbänden der Polizei und Bundeswehr 
kritisiert,[19] die sich sonst für keine Stimmungsmache zu schade sind.

Die Unstimmigkeiten zwischen CDU/CSU und SPD, die sich schon für das 
Weißbuch 2016 nicht über eine Verfassungsänderung einig wurden, bleiben 
allerdings bestehen.

Während die Union nicht genug von der Bundeswehr im Inland bekommen kann 
und bereits über zukünftige Übungen mit Soldat_innen in den Straßen 
sinniert, versuchen sich die Innen- und Verteidigungspolitiker_innen der 
Sozialdemokraten in Zurückhaltung zu üben.

Die Entscheidung über einen Einsatz liegt im Fall der Fälle allerdings 
bei den Landesinnenministern und dem Verteidigungsministerium. So 
verkündete Innenminister de Maizière: „Und ehrlich gesagt ist es dann 
unsere Aufgabe, als diejenigen, die in einer solchen Krise zu agieren 
haben, und [die Aufgabe] der Länder zu sagen, wir erklären das jetzt zu 
einer Terrorlage katastrophischen Ausmaßes und handeln. Und dann kann 
später irgendein Gericht sagen, ihr habt den Begriff aber falsch 
ausgelegt.“[20] Der Wille zum Einsatz der Streitkräfte scheint also 
deutlich ausgeprägt zu sein, aller Kritik und juristischen 
Unstimmigkeiten zum Trotz.

Vermutlich werden nach einer intensiven Auswertung, die bis April 2017 
andauert, die Planungen für GETEX 2018 beginnen, um auch andere 
Bundesländer in den „Genuss“ einer solchen Übung kommen zu lassen. Der 
Grundstein für ein Zusammenwachsen von Polizeien und Bundeswehr in der 
Terrorbekämpfung ist gelegt und weitere Vorstöße für die erneute 
Ausweitung der Einsatzbefugnisse sind nur eine Frage der Zeit.

Unabhängig von zukünftigen Einsätzen der Bundeswehr hat die 
Terrorhysterie, die auch in den Behörden durch eine solche Übung noch 
weiter angeheizt wird, bereits jetzt Wirkung gezeigt.

So scheinen die Terrorszenarien einigen Polizeibeamt_innen in 
Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg zu Kopf gestiegen zu sein. 
Bereits am Tag nach der Übung wurde, wie bereits im Vorjahr in München, 
ein Amoklauf in Düsseldorf für einen Anschlag gehalten und führte zu 
einem Großeinsatz der Polizei, bei dem an Waffen und Rüstung nicht 
gespart wurde.[21] Am 11. März 2017 kam es dann in Essen aufgrund eines 
angeblich drohenden Terroranschlags auf ein Einkaufszentrum zur 
Evakuierung des riesigen Gebäudekomplexes, der in der Folge von einem 
schwerbewaffneten Polizeiaufgebot bewacht wurde. Die zwei festgenommenen 
Tatverdächtigen wurden am 12. und 13. März 2017 aufgrund mangelnder 
Beweise wieder entlassen.[22]

Und damit nicht genug, wurden im baden-württembergischen Offenbach in 
der Nacht zum 12.März.2017 panisch mehrere Diskotheken von 
Polizist_innen mit Maschinenpistole und kugelsicherer Weste geräumt, 
weil aufgrund einer Drohung auch dort ein Terroranschlag vermutet wurde. 
In den Folgetagen mussten die Ermittler_innen allerdings auch dort 
feststellen, dass es sich um eine hohle Drohung gehandelt hatte.[23]

Diese Vorfälle reihen sich in eine zunehmende Zahl von 
Anti-Terror-Einsätzen in den letzten zwei Jahren ein, denen, soweit 
öffentlich bekannt, in den seltensten Fällen ein belastbarer 
Anschlagsplan zugrunde lag. Die Polizei rüstet sich trotz alledem massiv 
auf.[24]

Der wahrscheinlichste Fall eines Bundeswehr Einsatzes à la GETEX scheint 
somit zu sein, dass die Behörden sich eine akute Terrorgefahr mit 
möglichen katastrophischen Folgen herbei phantasieren. Aufgrund der 
verbesserten Schnittstellen zur Bundeswehr und der Option auf deren 
präventiven Einsatz, könnten dann Objektschutzaufgaben an zivilen 
Objekten von Soldat_innen mit vorgehaltener Waffe übernommen werden.

Ein weiterer Schritt also, im Sinne der neuen Großmachtphantasien, die 
Lehren aus der deutschen Geschichte bei Bedarf über Bord zu schmeißen 
und den Sicherheitsapparat in einen noch eskalativeren Modus zu bringen.

In dieser Stimmung wäre es dann auch nicht mehr verwunderlich, wenn 
früher oder später nicht mit Kanonen auf Spatzen, aber mit Kriegswaffen 
auf Amokläufer_innen, vermeintliche Straftäter_innen, psychisch Kranke, 
Störenfriede und Verdächtige geschossen werden würde, also auf all 
diejenigen,die es wagen, die angestrebte Ruhe und Ordnung zu durchbrechen.

Noch vor einem solchen Vorfall wirkt allerdings die Abschreckung, dass 
der Staat sich für alle Fälle rüstet und bereit ist, die Panzer aus 
Afghanistan auch durch Aachen oder Augsburg rollen zu lassen.

Anmerkungen
[1]     Klaus Boullion, Bundespressekonferenz, 09.03.2017, Minute 13 bis 
14, abrufbar als Audiomitschnitt über augengeradeaus.net
[2]     Bundesverfassungsgericht, – 2 PbvU 1/11 - , 03.07.2012, 
bundesverfassungsgericht.de
[3]     Aktueller Begriff – Die Verwendung der Bundeswehr im Inneren, 
Wissenschaftliche Dienste – Deutscher Bundestag, Nr.20/16, 30.08.2016
[4]     Martin Kirsch, Bundeswehr in den Straßen? - Einschätzungen zur 
aktuellen Debatte um Bundeswehreinsätze zur Terrorabwehr in Deutschland, 
IMI-Analyse 2016/33b - in: AUSDRUCK (Oktober 2016)
[5]     Martin Kirsch, Bundeswehr in den Straßen?
[6]     Boullion und von der Leyen, in  Bundespressekonferenz, 09.03.2017
[7]     Ursula von der Leyen, Bundespressekonferenz, 09.03.2017, Minute 7
[8]     Michael Haid, Die Bundeswehr im Inneren nach dem Urteil des 
Bundesverfasungsgerichts, Informationsstelle Militarisierung, Ausdruck 
Dezember 6/2012, S. 7-10
[9]     Abweichende Meinung des Richters Gaier zum Plenarbeschluss vom 
3. Juli 2012 – 2 PbvU 1/11 -, bundesverfassungsgericht.de
[10]   Alexander Poretschkin, Grundgesetz und Terrorbekämpfung durch die 
Bundeswehr, Newsletter Verteidigung. Streitkräfte. Wehrtechnik, Nr. 178, 
29.03.2017, S.2
[11]   Björn Müller, NDR Info - Streitkräfte und Strategien, 25.02.2017
[12]   Deutscher BundeswehrVerband, Polizei und Bundeswehr trainieren 
zusammen für Terror-Ernstfall, 20.01.2017, dbwv.de
[13]   Ministerium für Inneres und Bundesangelegenheiten 
Schleswig-Holstein, Gemeinsame Übung von Polizei und Bundeswehr in 
Schleswig-Holstein erfolgreich abgeschlossen, 09.03.2017
[14]   Joachim Hagen, NDR Info - Streitkräfte und Strategien, 11.03.2017
[15]   Ursula von der Leyen, Bundespressekonferenz, 09.03.2017, Minute 7 
bis 8
[16]   Ursula von der Leyen, Bundespressekonferenz, 09.03.2017, Minute 9 
bis 10
[17]   Ursula von der Leyen, Bundespressekonferenz, 09.03.2017, Minute 
30 und 42
[18]   Ulrich Mäurer,  Bundespressekonferenz, 09.03.2017, Minute 11
[19]   Deutscher BundeswehrVerband, Polizei und Bundeswehr trainieren 
zusammen für Terror-Ernstfall, 20.01.2017, dbwv.de und Christian Unger, 
Bund und Länder machen mit Terror-Übung auch Symbolpolitik,  WAZ, 
08.03.2017, waz.de
[20]   Thomas de Maizière,  Bundespressekonferenz, 09.03.2017, Minute 20 
bis 21
[21]   Axt-Angreifer kommt in psychatrische Klinik, WDR, 10.03.17, wdr.de
[22]   Anschlag in Essen vereitelt – Festnahmen in Oberhausen, WDR, 
11.03.2017, wdr.de und Anschlagspläne: Zweiter Festgenommener wieder 
frei, WDR, 13.03.2017, wdr.de
[23]   Drohung gegen Offenburger Disko – Ermittler: Keine 
Anschlagsgefahr, SWR - AKTUELL, 14.03.2017, swr.de
[24]   Siehe Artikel zur Militarisierung der Polizei in diesem Ausdruck.


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