[IMI-List] [0461] Studie NATO-Kompetenzzentren / Analyse Mali-Krieg
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imi at imi-online.de
Di Mai 31 12:12:47 CEST 2016
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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0461 .......... 19. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Thomas Mickan/ Jürgen Wagner / Christoph Marischka
Abo (kostenlos).. https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,
in dieser IMI-List findet sich
1.) eine neue IMI-Studie über die NATO-Kompetenzzentren;
2.) eine IMI-Analyse zum „robusten“ Bundeswehreinsatz in Mali.
1.) Studie: NATO-Kompetenzzentren
Die NATO hat inzwischen über 20 Kompetenzzentren eingerichtet, die eine
nicht zu unterschätzende Rolle bei der „Fortentwicklung“ des Bündnisses
spielen. Die soeben erschienene IMI-Studie „Planen für den Krieg“
arbeitet die Funktion dieser Zentren sowie die zentrale Rolle
Deutschlands in einigen davon heraus. Die Studie kann gedruckt bei uns
bestellt oder gratis von der Internetseite heruntergeladen werden:
IMI-Studie 2016/06
Nato-Exzellenzzentren
Planen für den nächsten Krieg
http://www.imi-online.de/2016/05/30/nato-exzellenzzentren/
http://www.imi-online.de/download/IMI-Analyse2016_6.pdf
Christopher Schwitanski (30. Mai 2016)
Einleitung
Im Zuge des 2002 auf dem Nato-Gipfeltreffen in Prag eingeleiteten Umbaus
der Nato-Kommandostruktur wurde die Neugründung des Alliierten Kommando
Transformation (ACT) beschlossen, mit der Aufgabe, die Transformation
der Allianz hin zu einem international agierenden militärischen
Interventionsbündnis voranzutreiben. Unterstützt wird das ACT dabei
durch die Etablierung einer neuen Struktur militärischer Denkfabriken,
sogenannten Exzellenzzentren[1] (Centre of Excellence – COE). Deren
Anzahl ist inzwischen auf 24[2] solcher Einrichtungen angewachsen
(Tendenz steigend), womit die Frage in den Vordergrund rückt, welche
Bedeutung diese für die Nato haben.
In einer ersten Kleinen Anfrage der Partei die Linke 2015 äußerten die
Abgeordneten bezüglich der Nato-Exzellenzzentren die Befürchtung, „dass
mit den Exzellenzzentren gezielt und mit Steuergeldern finanziert Foren
für Militärs und angehende Führungskräfte geschaffen werden, um
außerhalb der militärischen Befehlskette, politischen Kontrolle und
kritischen Öffentlichkeit auch in Spezialfeldern, wie der
Cyber-kriegsführung und der strategischen Kommunikation, eine
offensivere Doktrin der NATO zu entwickeln und dass dabei das
Völkerrecht kaum Beachtung findet.“[3]
Die vorliegende Arbeit wird u. a. der Frage nachgehen, inwieweit diese
Bedenken berechtigt sind und welche Bedeutung den Nato-Exzellenzzentren
innerhalb der Militärallianz zukommt.
Es gilt zu beachten, dass neben der genannten Kleinen Anfrage bislang
wenige neutrale oder kritische Quellen zu den Exzellenzzentren zu finden
sind. Wer sich die Quellenangaben genauer anschaut, wird feststellen,
dass die verwendete Literatur größtenteils von der Nato oder ihr
nahestehenden Einrichtungen stammt. Eine objektive oder gar kritische
Betrachtung ist naheliegender Weise in solcher Literatur kaum zu finden.
Entsprechend sind viele der gezogenen Schlussfolgerungen aus bestehenden
Nato-Darstellungen abgeleitet. Die vorliegende Arbeit soll einen ersten
Ansatzpunkt für eine kritische Problematisierung der Exzellenzzentren
als Teil der Nato bieten in der Hoffnung, dass dies zu einer notwendigen
weiteren Auseinandersetzung mit dem Thema anregt.
Hierfür werden im Folgenden zunächst die Exzellenzzentren im
Allgemeinen, ihre Entwicklung, Finanzierung und Arbeitsprinzipien
beschrieben. Anschließend werden einzelne Einrichtungen unter deutscher
Beteiligung konkret in den Blick genommen, ehe abschließend eine
kritische Bewertung der Exzellenzzentren als Teil des Alliierten
Kommando Transformation vorgenommen wird.
Zur Studie: http://www.imi-online.de/download/IMI-Analyse2016_6.pdf
2.) Bundeswehreinsatz mit Bodentruppen in Mali
IMI-Analyse 2016/14
Eintausend deutsche Soldaten in Mali
http://www.imi-online.de/2016/05/30/eintausend-deutsche-soldaten-in-mali/
Christoph Marischka (30. Mai 2016)
Mit überwältigender Mehrheit (503 zu 66 Stimmen bei sechs Enthaltungen)
hat der Bundestag am 28. Januar der „Fortsetzung und Erweiterung der
Beteiligung“ der Bundeswehr an der MINUSMA-Operation in Mali zugestimmt.
Anfang März dann besuchte die Verteidigungsministerin von der Leyen mit
hochrangiger Delegation für drei Tage das Land und auch die im Aufbau
befindlichen deutschen Container im von der niederländischen Armee
übernommenen Camp Castor im umkämpften Norden des Landes. Das sorgte
kurzfristig für etwas Berichterstattung über den Bundeswehreinsatz, die
danach aber schnell wieder abebbte. Das ist erstaunlich, denn die
Mission in Mali könnte bald Afghanistan als gefährlichsten Einsatz der
Bundeswehr ablösen.
Als von der Leyen Camp Castor besuchte, waren bereits etwa 200
Soldat_innen der Bundeswehr vor Ort. Mit als Erste waren bereits im
Februar Sanitätskräfte dort stationiert worden, die künftig verletzte
Bundeswehrangehörige versorgen sollen. Insgesamt umfasst das Mandat des
Bundestages den Einsatz von 650 Kräften der Bundeswehr, von denen etwa
400 im Norden, der Rest überwiegend in der Hauptstadt Bamako im Süden
stationiert sein werden. Dem Sanitätstrupp folgten Spezialpioniere aus
Husum, die für den Aufbau der Container und deren Sicherung u. a. mit
insgesamt 320.000 Sandsäcken zuständig waren. Ende Februar dann
übernahmen Objektschutzkräfte der Luftwaffe u. a. von bewaffneten
Wachtürmen aus den Schutz des Lagers. Mittlerweile hinzugekommen sind
Heeresaufklärer des einsatzerprobten Aufklärungsbataillons „Holstein“
aus Eutin. Falls die Spähtrupps außerhalb des Feldlagers in Gefechte
geraten, steht dort ein „Mobile Reaction Team“ mit etwa 40 Kräften in
Bereitschaft, um schnell und robust vor Ort sein und mitkämpfen zu
können. Wie hoch die Wahrscheinlichkeit bewaffneter Auseinandersetzungen
eingeschätzt wird, zeigt sich auch daran, dass die Bundeswehr in diesem
Einsatz nur mit gepanzerten Fahrzeugen – insgesamt etwa 60 überwiegend
vom Typ „Fennek“ und „Dingo“ sowie „Eagle IV“ und Transportpanzer
„Fuchs“ – unterwegs ist.
Die Heeresaufklärer sind neben dem Spürpanzer „Fennek“ v. a. mit Drohnen
ausgestattet. Dazu gehört die „Mikro-Aufklärungsdrohne für den
Ortsbereich“ (MIKADO), die mit einer Reichweite von etwa 1 km mit
handelsüblichen Kameradrohnen vergleichbar ist, sowie die gut 4 m breite
LUNA-Drohne. Die LUNA wird von einem Katapult gestartet und bei der
„Landung“ mit einem Netz aufgefangen. Insgesamt sind mehrere Fahrzeuge
und über 20 Personen notwendig, um sie zum Einsatz zu bringen, dann kann
sie in einem Radius von ca. 80 km mit verschiedenen Kameras das Gebiet
aufklären und in Echtzeit Bilder liefern. Nach ersten Tests im Camp
Castor soll die Drohne zukünftig auch außerhalb eingesetzt werden, um
Verbindungsstraßen zu überwachen und Bewegungen bewaffneter Gruppen zu
verfolgen. Die Luna-Drohne wird bereits seit Jahren in Afghanistan
eingesetzt und vom Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und
Bildauswertung (IOSB) wurde ihre Bilderkennung optimiert, sodass sie z.
B. eigenständig Fahrzeuge identifizieren und verfolgen kann. Die
Verteidigungsministerin kündigte bei ihrem Besuch in Mali außerdem an,
dass bis Ende des Jahres noch deutlich größere Drohnen des Typs Heron I
in Mali stationiert werden sollen, wie sie bislang von der Bundeswehr
nur in Afghanistan eingesetzt wurden und werden. Die Heron I ist eine
Drohne der MALE-Klasse (Medium Altitude, Long Endurance) und kann mit
einer Einsatzreichweite von etwa 400 km über 24 Stunden in der Luft
bleiben. Sie gehört nicht der Bundeswehr, sondern wird vom Hersteller
(IAI) über das deutsche Rüstungsunternehmen Airbus Defence and Space
geleast, das auch für die Ausbildung, Wartung und Teile der Steuerung
verantwortlich ist.
Nach Angaben der Zeit sollen zwei oder drei Heron-Drohnen nach Mali
verlegt werden und die Verteidigungsministerin begründet dies so: „Mit
kleineren Drohnen könne die Bundeswehr zwar die unmittelbare Umgebung
ihres Standortes in Gao überblicken, aber nicht die vielen hundert
Kilometer langen Straßen zwischen den Städten in der dünn besiedelten
Region... 'Es ist in dieser Wüstenregion so: Wer die Straße beherrscht,
der kann den Zugang zu einer Stadt ermöglichen oder die Stadt von der
Versorgung abschneiden', sagte von der Leyen in Gao“.[1]
Ein wesentlicher Teil der Arbeit des deutschen Kontingents besteht
tatsächlich darin, die „Rettungskette“ im Fall von Verwundeten und die
eigenen Versorgungswege unter Kontrolle zu halten. Diesem Ziel dienen
letztlich auch die sog. CIMIC-Teams, die „Erkundungsfahrten“ nach Gao
und in andere Siedlungen unternehmen um – neben vielen Fotos mit Kindern
und Frauen – „einen Beitrag zum zivilen Lagebild“ zu liefern, damit
entsprechende Erkenntnisse „bei militärischen Entscheidungen mit
berücksichtigt werden können.“[2]
Zur Sicherheitslage in und um Gao
Von der malischen Hauptstadt Bamako aus dem Fluss Niger folgend ist Gao
nach Timbuktu die letzte große Stadt vor der Grenze zum Staat Niger. Von
hier aus führen wichtige und traditionelle Verbindungsrouten in und
durch die Sahara. Wesentliche Teile des Transsahara-Handels und selbst
die Migration wurden jedoch in den letzten Jahren verstärkt
illegalisiert und entsprechend werden diese Routen heute von
kriminellen, oft auch als terroristisch eingestuften Gruppen
kontrolliert. Während Gao aus Sicht der Regierung im Süden Malis und
auch der UN-Truppe MINUSMA über die Versorgungswege entlang des Niger
versorgt und kontrolliert wird, bestehen wichtige und bislang kaum
kontrollierbare Verbindungen in den von Wüste geprägten Süden Algeriens,
den Niger und hierüber auch nach Libyen. Im Grenzgebiet zwischen
Algerien und Mali befindet sich das unübersichtliche Ifoghas-Gebirge, in
dem sich seit 2013 verschiedene als terroristisch oder sezessionistisch
eingestufte Kräfte verbarrikadiert und verlustreiche Kämpfe mit
französischen und tschadischen Truppen geliefert haben. Von Mali aus
liegt der Zugang zu diesem Gebirge in Kidal, das zugleich eine Provinz,
ein weiträumiges Siedlungsgebiet und eine Stadt ist. Trotz intensiver
Bemühungen haben es bislang französische Spezialeinheiten mit
Luftunterstützung und die v. a. aus dem Tschad und anderen
Nachbarstaaten stammenden Soldaten der MINUSMA nicht geschafft, diese
Region auch nur annähernd unter Kontrolle zu bringen. Eine große
Offensive mit 60 gepanzerten Fahrzeugen fand offenbar am 10. April 2016
statt und wurde dadurch bekannt, dass mindestens drei französische
Soldaten starben, als sie auf eine Mine fuhren, was auch in deutschen
Medien berichtet wurde. Über weitere Verluste ist wenig bekannt, laut
Statistik der UN sind jedoch bislang 86 Menschen, davon 80 Soldaten,
seit Juli 2013 im Rahmen der MINUSMA-Mission ums Leben gekommen. Damit
ist MINUSMA bereits jetzt die gefährlichste UN-Mission weltweit, wobei
unklar ist, welche Opfer überhaupt der MINUSMA zugeordnet werden, da
Frankreich mit Kontingenten aus denselben afrikanischen Staaten, welche
einen Beitrag zu MINUSMA leisten, auch im Zuge seiner Operation Barkhane
operiert, die die gesamte Region von Mauretanien an der Westküste bis
zum Tschad umfasst. In Mali unterstützen die MINUSMA-Truppen die
malische Armee bei der Rückeroberung des Nordens. Deren Verluste werden
ebenfalls nicht erfasst, sollen sich jedoch alleine bis zum Jahr 2014
auf etwa 500 belaufen haben. Die Zahl der offiziell bestätigten
Gefallenen der französischen Armee beläuft sich mit dem Vorfall am 10.
April bislang auf sieben, wobei in Wirklichkeit deutlich mehr
französische Soldaten gefallen sein dürften.
Insofern ist es allenfalls Ausdruck (neo)kolonialer militärischer
Arbeitsteilung, wenn Verteidigungsministerin von der Leyen für die
Bundeswehr in Mali von keinem „Kampfauftrag“ sprechen möchte und
versichert, dass die Bekämpfung von Terroristen keine Aufgabe der
Bundeswehr sei. Ziel ist es vielmehr, jene Aufklärung zu leisten, mit
der dann französische Spezialeinheiten mit Luftunterstützung und ihre
afrikanischen Hilfstruppen ins Gefecht geschickt werden; und eben die
Sicherung der Nachschubwege, der Aufklärungstrupps (durch Mobile
Reaction Teams) und des Camps selbst. Dass auch die 320.000 Sandsäcke
und die rund um die Uhr bemannten Wachtürme dabei alles andere als
symbolisch sind, wird u. a. daran deutlich, dass eben jenes Camp Castor,
das nun von der Bundeswehr geschützt wird, erst im Dezember 2015 –
damals noch unter niederländischer Führung – mit Granaten beschossen
wurde und bis heute nicht einmal das unmittelbare Umfeld – und schon gar
nicht Gao selbst – als sicher gelten kann.
Aufgrund seiner Lage und Funktion als Tor zur Sahara ist es wenig
verwunderlich, dass die im Oktober 2011 u. a. von aus Libyen
zurückgekehrten Tuareg gegründete MNLA (Mouvement National de Libération
de l'Azawad) Gao zur Hauptstadt des „Staates“ Azawad kürte, als sie im
April 2012 den Norden Malis für unabhängig erklärte. Gut zwei Monate
später gewannen jedoch islamistische Gruppen nach heftigen Gefechten in
der „Schlacht um Gao“ (26.-28.6.2012) die Oberhand in Gao, Timbuktu und
Kidal. Im Januar 2013 dann erfolgte die Intervention Frankreichs, mit
der Gao und Timbuktu zurückerobert wurden. Den französischen Soldaten
folgten Truppen der MINUSMA-Vorgängermission AFISMA aus den
Nachbarstaaten und anschließend Truppen der malischen Armee. Gerade
durch diese Truppen aus dem Süden Malis kam es im Zuge der Rückeroberung
im Schatten der französischen Intervention zu schweren Übergriffen auf
Tuareg als „Vergeltung“ für den Vormarsch der MNLA ein Jahr zuvor. Die
MNLA hat sich zwar von den Islamisten distanziert und bekämpft diese nun
in Koordination mit den französischen Truppen, will aber die Präsenz der
malischen Armee im Norden nicht dulden.
Wer aktuell die Oberhand und den Rückhalt der Bevölkerung in Gao selbst
hat, lässt sich schwer sagen. Nach dem französischen Vormarsch gab es
zwar viele Presse- und Radioberichte über jubelnde Bewohner, die
französische Fahnen schwenkten und von Aufbruchsstimmung war die Rede.
Mittlerweile aber ist die Berichterstattung aus Gao und Timbuktu wieder
zum Erliegen gekommen. Neben den Bildern der CIMIC-Teams der Bundeswehr,
die (stets mit Handschuhen bekleidete) Soldaten im harmonischen
Miteinander mit Frauen und Kindern zeigen, gibt es kaum Nachrichten aus
Gao, was schlicht damit zu tun hat, dass die Sicherheitslage für
(westliche) Journalist_innen zu gefährlich ist. Konvois mit Waren,
UN-Mitarbeiter_innen und anderen Zivilisten werden häufig auf den
Straßen von und nach Gao überfallen oder angegriffen. In der Stadt
dürfte weiterhin die MNLA sehr einflussreich sein, Islamisten aus dem
Umland können einsickern und Anschläge verüben. In den entlegeneren
Gegenden kann durchaus von Arrangements der MNLA mit islamistischen
Gruppierungen ausgegangen werden, von einer Zusammenarbeit mit eher
kriminell/ökonomisch motivierten bewaffneten Gruppen ohnehin. Der Krieg
ist hier zum Geschäft geworden.
Logistik vom Süden und von Niger aus
Das Mandat zur Beteiligung der Bundeswehr an MINUSMA sieht neben den
genannten Komponenten (sanitätsdienstliche Versorgung, Aufklärung,
Sicherung und Schutz, zivil-militärische Zusammenarbeit (CIMIC)) auch
Personal aus den Bereichen Führung(sunterstützung), militärisches
Nachrichtenwesen, Luftbetankung und Lufttransport sowie in Stäben und
Hauptquartieren vor. Während Führungsunterstützung und Nachrichtenwesen
zumindest anteilig auch in Gao stattfinden dürften, wird ein Großteil
dieser Fähigkeiten von Bamako im Süden aus bereitgestellt. Hier befindet
sich nicht nur das Hauptquartier der MINUSMA, sondern auch das Transit
Camp Midgard auf dem Flughafen der Hauptstadt. Dort sind Logistiker der
Bundeswehr stationiert, weil hier die Transportflugzeuge landen, deren
Fracht dann für den Weitertransport nach Gao auf der Straße oder
wiederum per Flugzeug verladen wird. Bereits bis 13. April 2016 sollen
dies „über 1.200 Tonnen Material, verteilt auf 16 Transportflugzeuge“,
darunter „Einsatzfahrzeuge mit Waffenanlagen, Funkgeräten und
Schutzausrüstung“ sowie 350 Soldaten gewesen sein.[3] Das Mandat umfasst
jedoch auch den taktischen Lufttransport von Soldaten aus den
Nachbarstaaten ins Einsatzgebiet sowie „bei Bedarf“ die Luftbetankung
von französischen Kampfflugzeugen.
Auf diese Weise unterstützte die Bundeswehr schon zuvor die MINUSMA und
die Vorgängermission AFISMA. Hierzu hatte sie parallel zur (angeblich
spontanen) Intervention Frankreichs im Januar 2013 auf dem Flughafen
Dakar in Senegal einen Luftwaffenstützpunkt aufgebaut und dort Maschinen
vom Typ Transall und ab März 2013 auch einen Airbus 310 zur
Luftbetankung stationiert. Bis zum 30. Juli 2014 haben die deutschen
Transportflugzeuge „auf mehr als 470 Unterstützungsflügen etwa 4.500
Passagiere sowie rund 520 Tonnen Material von und nach Mali“
transportiert[4] und damit einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet,
AFISMA und die darauf folgende MINUSMA-Mission zu realisieren. Die
größten Kontingente dieser 11.750 Kräfte umfassenden Mission stammen
(neben Bangladesch mit 1.442) aus den Staaten Burkina Faso (1.720),
Tschad (1.440), Togo (934), Niger (859), Guinea (850) und Senegal (666,
Stand aller Zahlen: 30.4.2016). Dabei handelt es sich um Staaten, die
eine tw. sehr enge militärische Kooperation mit Frankreich (und,
nachgeordnet, Deutschland) pflegen und in denen das Militär eine starke
innenpolitische Rolle spielt, die aber wenig bis gar keine eigenen
Fähigkeiten für den strategischen Lufttransport haben.
Die Luftbetankung gestaltete sich in der Umsetzung jedoch bald
völkerrechtlich kompliziert. Praktisch konnte sie nur französische
Kampfflugzeuge betreffen. Während die ursprüngliche Intervention
Frankreichs unter dem Operationsnamen „Serval“ nach Auffassung der
Bundesregierung und der UN noch mit dem Mandat der AFISMA zu vereinbaren
war, trat die offensive Bekämpfung des Terrorismus dabei immer klarer in
den Vordergrund. Spätestens als die französische Mission unter dem neuen
Namen „Barkhane“ auf Mauretanien, Burkina Faso, Niger und Tschad
ausgedehnt wurde, wurde jedoch eine Einzelfallprüfung nötig, ob der
jeweilige konkrete Auftrag des entsprechenden französischen Flugzeuges
unter das UN-Mandat fällt oder nicht. Entsprechend wurde der Airbus
zurückverlegt und mittlerweile unterstützt Deutschland Frankreich mit
derselben Fähigkeit in Syrien. Die Transalls und damit der Stützpunkt in
Senegal wurden zwischenzeitlich für den Einsatz zur Ebola-Bekämpfung in
Westafrika umgewidmet. Nun sollen die Transportmaschinen für Flüge nach
Gao im benachbarten Niger stationiert werden, von dessen Hauptstadt
Niamey es nur halb so weit zum Camp Castor ist, wie von Bamako aus.
Beihilfe zum Bürgerkrieg
Alle bisher genannten deutschen Kontingente finden offiziell im Rahmen
der MINUSMA statt. Zeitgleich mit dem Einsatz der Luftwaffe zur
Unterstützung der Mission AFISMA wurde vom Bundestag im Februar 2013
jedoch die Beteiligung an einer weiteren Militärmission im Rahmen der EU
beschlossen. Dabei handelt es sich um eine Ausbildungsmission für die
malischen Streitkräfte. 2013 betrug das Bruttoinlandsprodukt Malis mit
seinen etwa 16 Mio. Einwohner_innen knappe 17 Mrd. US$ (im Vergleich
Deutschland: 3.726 Mrd.), wovon etwa 1,5 % in eine Armee mit etwa 10.000
Kräften floss. Die erst kurz zuvor wieder verstärkt im Norden Malis
stationierten Einheiten waren in kurzer Zeit von der MNLA vernichtend
geschlagen und – zumindest in der Wahrnehmung ihrer im Süden
verbliebenen Kameraden – regelrecht massakriert worden. Aus Empörung
hierüber und insgesamt unzufrieden mit dem Krisenmanagement des
amtierenden Präsidenten Amadou Toumani Touré (dessen Amtszeit einen
Monat später geendet hätte) hatten im März 2012 junge Offiziere in der
Hauptstadt geputscht, was die Fähigkeiten von Regierung und Armee,
politisch oder militärisch auf den Tuareg-Aufstand im Norden zu
reagieren, weiter minimierte. International wurde der Putsch zwar
verurteilt, aber recht schnell Bereitschaft signalisiert, der Forderung
der Putschisten nach internationaler Unterstützung bei der Bekämpfung
der MNLA nachzukommen. Das Erstarken der Islamisten im Norden und das
Eingreifen Frankreichs, mit dem angeblich ein Vormarsch der Islamisten
nach Bamako verhindert wurde, ließen diese Bereitschaft weiter wachsen
und so beschloss die EU Anfang 2013, eine Ausbildungsmission nach dem
Vorbild eines entsprechenden EUTM-Einsatzes im Bürgerkriegsland Somalia.
Ziel war es, Soldaten auszubilden, die direkt danach in den Norden
geschickt werden. Deutschland beteiligte sich hieran zunächst mit 180
Kräften, weitete dieses Mandat jedoch schrittweise auf mittlerweile 350
Soldatinnen und Soldaten aus. Gegenwärtig stellt Deutschland damit nicht
nur das mit Abstand größte Kontingent der Mission, sondern hat im Sommer
2014 auch die Führung des Einsatzes übernommen.
Das Hauptquartier der EUTM liegt in einem ehemaligen Hotel in Bamako,
die Ausbildung findet auf dem nahegelegenen Stützpunkt Koulikoro statt
und umfasst inzwischen auch Artillerie-Übungen. Deutschland kann dabei
auf lange Erfahrungen bei der Zusammenarbeit mit den malischen
Streitkräften zurückblicken, die bereits in den 1970er Jahren begann. Im
Rahmen der Ausbildungs- und Ausstattungshilfe wurden viele (über die
Jahre wahrscheinlich hunderte) höherrangige malische Militärs in
Deutschland aus- und fortgebildet. Der amtierende malische Kommandant
des Feldlagers in Koulikoro konnte zum Beginn der EUTM-Mission die
deutschen Soldaten in ihrer Muttersprache begrüßen und dem
Deutschlandfunk Interviews auf Deutsch geben. Über viele Jahre, zuletzt
seit 2005, waren zudem Beratergruppen der Bundeswehr vor Ort und
organisierten die kostenlose Überlassung von militärischer Ausrüstung,
nicht jedoch von Waffen und Munition. Einen Schwerpunkt bildete dabei
schon traditionell das Pionierwesen und insbesondere der Brückenbau und
andere Methoden zum spontanen Überwinden von Gewässern.
Betrachtet man die Geografie des Binnenlandes Mali, ist diese
Priorisierung bemerkenswert. Schließlich strebt die Bevölkerung im
Norden bereits seit Jahrzehnten eine möglichst hohe Autonomie an und
wurden vergangene, meist von Tuareg dominierte Aufstände mehrfach durch
Zusagen befriedet, die Stationierung vom Süden kontrollierter
Sicherheitskräfte im Norden zu reduzieren. Während in Timbuktu das
Denkmal „Flamme de la Paix“ an die symbolische Verbrennung hunderter
Waffen nach einem solchen Friedensschluss im Jahr 1996 erinnerte,
lieferte Deutschland Ausrüstung und Know How, das es der malischen Armee
ermöglichte, mit großen Kontingenten unerwartet den Niger zu überqueren
und in den Norden vorzustoßen.
Die militärische Ausbildungs- und Ausstattungshilfe wurde nach dem
Putsch 2012 kurzzeitig eingestellt, offenbar mittlerweile aber wieder
aufgenommen. Im April 2016 nannte die Bundesregierung drei Projekte der
Ausstattungshilfe im Umfang von insgesamt 3.15 Mio. Euro für den
Zeitraum 2013-2016, darunter Instandsetzungsmaßnahmen an der
Zentralwerkstatt der Pioniere in Bamako und die „Nachsorge am
Ausbildungszentrum in Bapho (Wasserübungsplatz für Fähranlagen und
Brückenbau; Pontoneinsatz)“.[5] Die Zahl der hierfür eingesetzten
Berater wird von der Regierung mit zwei (vier ab Juli 2016) angegeben.
Die Bundeswehr berichtete jedoch bereits im März 2015 unter dem Titel
„Auf zu neuen Ufern“ von einer Ausbildungsmaßnahme mit „elf deutschen
Soldaten und ihre[n] knapp 60 'Azubis'“ in Segou, von Koulikoro etwa 100
km nordöstlich entlang des Niger gelegen: „Das Niger-Binnendelta ist
eine Lebensader für die malische Bevölkerung. Für die Streitkräfte des
westafrikanischen Landes hingegen ist er das größte Hindernis. Brücken
gibt es in Mali kaum. Nur in der Hochwasserzeit zwischen Oktober und
Januar kann der Fluss mit größeren Booten überquert werden. Mit der
Hilfe deutscher Pioniere aus Minden lernen die malischen Soldaten den
Fluss mit einfachen Mitteln zu überqueren“.[6]
Offenbar fand diese neunwöchige Ausbildung im Rahmen des EUTM-Einsatzes,
jedoch außerhalb des Standortes statt. Für die Zukunft ist die
Ausdehnung der EUTM auf mehrere Standorte entlang des Niger bis in den
umkämpften Norden geplant. Damit wird der Einsatz zwangsläufig
gefährlicher und „robuster“ und die Grenzen zum Kampfeinsatz
verschwimmen weiter.
Gefährlich ist jedoch auch die EUTM-Mission bereits jetzt. Am 21. März
meldete der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) einen Angriff auf deren
Hauptquartier in Bamako, bei dem ein Angreifer getötet worden sei. Wie
viele Angreifer es gab und wer an dem Gefecht beteiligt war, wurde
jedoch nicht veröffentlicht. Dass sich die Sicherheitslage weiter
verschärft, unterstreicht auch das Erstarken der erst seit Anfang 2015
existierenden „Front de libération du Macina“ im Gebiet um Mopti, das
wiederum nur gut 100 km nordöstlich von Segou liegt, wo die
Ausbildungsmaßnahme zur Überwindung des Niger stattfand. Diese
bewaffnete Gruppe rekrutiert aus der dort ansässigen Bevölkerungsgruppe
der Fulbe, die beim Konflikt zwischen Norden und Süden zwischen die
Fronten gerieten. Obwohl sie in Zentralmali und außerhalb des Azawad
leben, wird ihnen oft pauschal von den Sicherheitskräften Sympathie für
die Islamisten unterstellt. Bereits im Januar 2016 hatte Human Rights
Watch einen Bericht veröffentlicht, wonach zahlreiche Fulbe von der
malischen Armee misshandelt, willkürlich inhaftiert und in einigen
Fällen auch exekutiert wurden.[7] Womöglich wird der Konflikt auch von
einzelnen Fraktionen bewusst angeheizt und ethnisiert. Anfang Mai etwa
berichteten internationale Presseagenturen übereinstimmend, dass nahe
Mopti zunächst vier Vertreter der Fulbe in einem Restaurant von einer
regierungstreuen Miliz erschossen und bei der anschließenden Beerdigung
neun weitere Angehörige der Gemeinschaft getötet wurden.
Drohnenkrieg und Militarisierung – für seltene Erden?
Aktuell ist der Einsatz von 1.000 Soldaten der Bundeswehr in Mali
mandatiert. Darüber hinaus sind weitere deutsche Soldaten ohne Mandat
des Bundestages vor Ort, wie etwa die Beratergruppe und Personal an der
„Ecole de Maintien de la Paix“ (EMP), wo afrikanische Polizisten für den
Einsatz in „Friedensmissionen“ wie MINUSMA ausgebildet werden. Außerdem
hat Deutschland auch die Führung der im Januar 2015 begonnenen
zivil-militärischen Mission EUCAP Sahel Mali inne. Solche Missionen der
EU zum Kapazitätsaufbau gelten ansonsten meist als „zivile“ Einsätze, da
sie v. a. aus Berater_innen und Polizeikräften bestehen. Bei EUCAP Sahel
Mali jedoch spielt die European Gendarmerie Force (EGF) eine zentrale
Rolle und damit jene Einheiten der EU-Mitgliedsstaaten Spanien,
Frankreich, Italien, Niederlande, Portugal, Rumänien und Polen, die
sowohl unter zivilem Kommando, als auch militärisch mit
Kombattantenstatus eingesetzt werden können. Im Rahmen der EUCAP-Mission
in Mali werden zwar auch Lehrgänge für Verkehrspolizist_innen
veranstaltet, zugleich steht jedoch auch jenes für die EGF typische
Spektrum von Einsatzformen auf dem Programm, das vom Tränengas- und
Schlagstockeinsatz gegenüber Demonstrationen über den Personenschutz
inklusive Nahkampfausbildung bis hin zu geheimdienstlichen Ermittlungen
reicht.
Zusammenfassend kann mit Fug und Recht davon gesprochen werden, dass
Mali mit tatkräftiger Unterstützung Deutschlands umfassend militarisiert
wird. Das von der UN für MINUSMA erteilte Mandat ist entsprechend
ausgreifend und unbestimmt zugleich und damit völlig unrealistisch. In
Bundeswehrkreisen wird deshalb auch von einem Einsatz ausgegangen, der
Jahrzehnte dauern könnte. Sicherheitslage und regionales Umfeld sind in
vielerlei Hinsicht mit Afghanistan vergleichbar. 2017 soll die zukünftig
in Mali stationierte Drohne Heron I außerdem durch das Nachfolgemodell
Heron TP ersetzt werden, die bewaffnungsfähig ist. Es braucht dann nur
noch einen Vorfall mit einigen verwundeten oder verletzten
Bundeswehrangehörigen, und die Forderung wird laut werden, dass nun auch
Deutschland mit bewaffneten Drohnen auf die Jagd nach Terroristen gehen
soll.
Diese Militarisierung findet statt, während unter den beteiligten
europäischen Staaten keinerlei Einigkeit oder Konzept besteht, wie die
zugrundeliegenden Konflikte gelöst und der malische Staat zukünftig
organisiert werden soll. Zur Erinnerung: Die Bundeswehr bildet malische
Soldaten aus, die nicht nur Minderheiten attackieren, sondern ihrerseits
in einem schweren Konflikt mit der immer noch nach Unabhängigkeit
strebenden MNLA steht. Diese kämpft in Koordination mit Frankreich jene
Gebiete frei, die anschließend von MINUSMA und der Bundeswehr
kontrolliert werden können, damit hier wiederum die malische Armee
stationiert werden kann. Während im UN-Mandat das Ziel der territorialen
Integrität verankert ist, unterstellen Viele Frankreich als wichtigstem
militärischen Akteur jedoch ganz andere Ziele. Alexander Göbel etwa,
„Afrika-Korrespondent“ des Deutschlandfunks, mutmaßte bereits im Juni
2015: „Fakt ist: Wie im Nachbarland Niger gibt es auch im Norden Malis
Uran, außerdem Gold, Seltene Erden, Erdöl. Je näher die Tuareg-Rebellen
ihrem Ziel kommen - einem unabhängigen Staat Azawad -, desto leichter
dürfte es für Frankreich sein, später die Ressourcen zu kontrollieren.
Ein Friedensvertrag, gar ein wirklich souveräner und stabiler malischer
Staat, der würde dieser Strategie nur im Wege stehen.“[8] Vor allem
stabile und demokratische Staatswesen – in Mali, Niger dem Tschad und
allen anderen in diesen Konflikt gezogenen Ländern des Sahels – dürften
diesen Zielen noch viel mehr im Wege stehen.
Anmerkungen
[1] Bundesregierung verlegt Heron-Drohnen nach Mali, zeit.de vom 5.4.2016.
[2] „'Über Fußball kommt man immer ins Gespräch' – Eine Einsatzregion
verstehen durch CIMIC“, Einsatz.Bundeswehr.de, 31.3.2016.
[3] „MINUSMA: Wichtig für den Aufbau – Die Drehscheibe Bamako-Sénou“,
Einsatz.Bundeswehr.de, 13.4.2016.
[4] „Die Bundeswehr in Mali (MINUSMA)“, Einsatz.Bundeswehr.de, 5.4.2016.
[5] Bundestags-Drucksache 18/8086.
[6] „Auf zu neuen Ufern - deutsche und malische Pioniere überqueren
gemeinsam den Niger“, Einsatz.Bundeswehr.de, 31.3.2015.
[7] Human Rights Watch: Mali: Abuses Spread South - Islamist Armed
Groups’ Atrocities, Army Responses Generate Fear, 19.02.2016.
[8] Ein Friedensvertrag, gestützt auf lose Hoffnungen,
deutschlandfunk.de, 20.6.2015.
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