[IMI-List] [0460] Kryptologie / IT-Rekrutierung
imi
imi at imi-online.de
Di Apr 26 15:02:14 CEST 2016
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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0460 .......... 19. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Thomas Mickan/ Jürgen Wagner / Christoph Marischka
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Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,
in dieser IMI-List findet sich
1.) der Hinweis auf eine neu erschienene Studie zur Militarisierung der
Kryptologie;
2.) ein kurzer Text zur aktuellen Rekrutierungskampagne von IT-Fachkräften.
1.) Militarisierung der Kryptologie
Am 27. April 2016 kommen zum 30. Mal Führungskräfte des deutschen
Militärs mit Firmen und Forschungsgruppen aus der Informations- und
Kommunikationstechnik zusammen, um über die Herausforderungen und
Chancen einer militärischen Anwendung informations- und
kommunikationstechnologischer Konzepte zu sprechen und zu verhandeln.
Unter der Schirmherrschaft des Bonner Oberbürgermeisters veranstaltet
das Anwenderforum für Fernmeldetechnik, Computer, Elektronik und
Automatisierung (AFCEA) hierbei eine Messe, die den Schulterschluss
ziviler Forschungsgruppen und deutscher Unternehmen mit der Bundeswehr
und namhaften Rüstungskonzernen vorantreiben soll.
Diese Verquickung zwischen militärischen Interessensfeldern mit der
informationstechnologischen Forschung und Entwicklung spiegelt sich auch
im zivilen Forschungssektor wider. Mit der Militarisierung der
Kryptologie aus Sicht der Wissenschaft befasst sich daher die folgende
IMI-Studie.
IMI-Studie 2016/05
Die Militarisierung der kryptologischen Forschung in Deutschland
http://www.imi-online.de/2016/04/26/die-militarisierung-der-kryptologischen-forschung-in-deutschland/
Thomas Gruber (26. April 2016)
2.) Rekrutierungskampe von IT-Fachkräften
IMI-Standpunkt 2016/016b
Zu den Waffen, Nerds
IT-Fachkräfte gesucht: Bundeswehr rekrutiert für Krieg im "Cyberspace"
http://www.imi-online.de/2016/04/07/zu-den-waffen-nerds/
Christian Stache (7. April 2016)
Derzeit zieren 18.000 Plakate des neuen Bundeswehr-Rekrutierungsfeldzugs
„Projekt Digitale Kräfte“ nahezu unübersehbar die Werbeflächen in
deutschen Städten. Von Mitte März bis Mitte Mai versucht das
Bundesverteidigungsministerium, nach Eigenangaben „Talente und digitale
Fachkräfte für den Bereich Informationstechnologie (IT)“ anzuheuern.
Dazu lässt es „Anzeigen in 25 Printtiteln“ und Reklame auf „45
Online-Seiten mit Tagesfest- und Rotationsplatzierungen“ schalten.
Zahlreiche Promotion-Videos und -Lebensläufe aktiver Soldaten und
Soldatinnen im zivilen und militärischen Dienst, vom einfachen IT-Lanzer
bis zur karriereorientierten Juniorprofessorin für
Mensch-Maschine-Interaktion, schmücken die Internetseite der Kampagne.
Selbstverständlich bespielt der Presse- und Informationsstab des
Verteidigungsministeriums auch das gesamte Ensemble der „sozialen“
Netzwerke und Medien. Die Gesamtkosten liegen laut Angaben der
Bundeswehr bei „rund 3,6 Millionen Euro“ aus dem Jahresgesamtetat 2016
für „Nachwuchswerbung“ von 35,3 Millionen Euro.
Die drei Kampagnenslogans sind provokativ. Mit der Losung „Gegen
virtuellen Terror hilft kein Dislike-Button“ wird die Notwendigkeit
militärischen Handelns im Internet und anderen virtuellen Netzwerken
nahegelegt. Ähnliches gilt für die Suggestivfrage „Wie können wir
Kriegstreiber im Netz deinstallieren?“. Die politische Marschrichtung
der Werbe- und der Rekrutierungsoffensive gibt die Parole „Deutschlands
Freiheit wird auch im Cyberraum verteidigt“ vor.
Das „Projekt Digitale Kräfte“ gründet auf der 12,5 Millionen Euro teuren
„Arbeitgeberkampagne“ der Bundeswehr „Mach, was wirklich zählt“ aus dem
vergangenen Jahr. Diese sollte laut Bundesverteidigungsministerium nur
bis Februar 2016 laufen. Sebastian Wanninger vom Presse- und
Informationszentrum Personal der Bundeswehr bestätigte auf Anfrage der
Tageszeitung junge Welt (jW), dass es sich um „die zweite Phase der
›Mach, was wirklich zählt‹-Kampagne“ handele. Sie adressiere eine der
Problemzonen der Militärs. „Auch für andere Teilbereiche der Bundeswehr“
seien Kampagnen geplant.
Wanninger bestätigte gegenüber der jW ebenfalls, dass das „Projekt
Digitale Kräfte“ wie auch schon „Mach, was wirklich zählt“ in
Zusammenarbeit mit der Düsseldorfer Werbeagentur Castenow umgesetzt
werde. Zu Castenows Kunden zählen neben der Bundeswehr McDonald’s
Deutschland, die Leih- und Zeitarbeitsfirma DIS AG und der Fernsehsender
Super RTL.
Lühr Henken, Sprecher des Bundesausschuss Friedensratschlag, kritisierte
gegenüber der jW die Nachwuchswerbung dafür, dass mit
LKW-Führerscheinen, Abenteurertum, Technikbegeisterung und guten
Verdienstmöglichkeiten geworben wird, anstatt die harten Realitäten der
Auslands- und Kampfeinsätze zu zeigen. Ralf Buchterkirchen,
Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft-Vereinigte
KriegsdienstgegnerInnen, pflichtete bei: „Die heile Welt der Videos ist
nur Fassade.“ Bundeswehr-Vertreter Wanninger räumte ein, es sei im
Rahmen einer Kampagne immer schwierig, alle Facetten des militärischen
Berufs darzustellen. „Natürlich ist das Plakat erst einmal dazu da,
Aufmerksamkeit zu erregen.“
Markus Gross vom Netzwerk Schule ohne Bundeswehr NRW sieht in der
forcierten Anwerbung von IT-Arbeitskräften „im Kern eine
Angriffsbefähigung der Bundeswehr im Cyberspace.“ Prononciert äußerte
sich Sevim Dagdelen, Sprecherin für Internationale Beziehungen der
Fraktion DIE LINKE im Bundestag und Mitglied des Auswärtigen
Ausschusses: „Die Bundeswehr sucht ›Laptop-Krieger‹. Die Soldaten von
heute kämpften „mit Keyboard und Maus“. „Ohne IT bleiben Killerdrohnen
am Boden.“
Tatsächlich beabsichtigte die Hardthöhe, „die offensiven Fähigkeiten der
Bundeswehr (…) als unterstützendes, komplementäres oder substituierendes
Wirkmittel“ zu entwickeln und einzusetzen. „Das Potenzial und die
Chancen des Cyber-Raums sind hier auch in der Ausrüstung und operativen
Aufstellung zu nutzen, um die Wirksamkeit des Handelns der Bundeswehr zu
steigern“, heißt es weiter in der im Jahr 2015 geleakten „Strategische
Leitlinie Cyber-Verteidigung“ des Bundesverteidigungsministeriums. Auf
eine kleine Anfrage der Bundestagsfraktion DIE LINKE zum „Krieg im
›Cyber-Raum‹“ antwortete das Ministerium in Drucksache 18/69689, dass
den „Cyberfähigkeiten (…) eine Rolle zum Schutz der eigenen Kräfte oder
zur Erhöhung eigener Wirkung“ zukomme. Auch in einem Ende April 2016 an
die Öffentlichkeit gelangten internen Konzeptpapier der Bundeswehr, wird
der Cyberspace als „militärischer Operationsraum“ bezeichnet.
Falk Grabsch, ein Sprecher des Chaos Computer Clubs, sagte gegenüber dem
Internetportal netzpolitik.org, dass „digitale Angriffe den Charakter
von Streubomben“ besäßen und „ein hohes Risiko für weite Bereiche der
Zivilbevölkerung darstellen“. Er fügte hinzu: „Wir brauchen keine neuen
Wege, noch mehr Kriege zu führen.“ Das Forum InformatikerInnen für
Frieden und gesellschaftliche Verantwortung fordert von der
Bundesregierung in einem Appell entsprechend, auf eine offensive
Cyberstrategie zu verzichten, keine Cyberwaffen zu entwickeln und
anzuwenden und sich für ein internationales Abkommen zur weltweiten
Verbannung von Cyberwaffen einzusetzen (www.cyberpeace.fiff.de).
Patrik Köbele, Vorsitzender der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP),
ordnete die Kampagne der Bundeswehr ein und wies gegenüber der jW darauf
hin, dass die IT-Kämpfer, die über das „Projekt Digitale Kräfte“
rekrutiert werden, für dieselben Ziele eingesetzt würden wie alle
anderen Soldaten. Bei den Reklame-Offensiven gehe es um nichts anderes,
als ums „Werben fürs Töten und Sterben für die Interessen des
Imperialismus“. Entsprechend rät Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin
der Linksfraktion im Bundestag und Obfrau für ihre Fraktion im
Innenausschuss: „Macht, was wirklich zählt und sagt Nein zu Militarismus
und Krieg!“
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