[IMI-List] [0458] Facebook / Rüstungshaushalt / Libyen-Krieg

IMI imi at imi-online.de
Mo Mär 21 17:11:48 CET 2016




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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0458 .......... 19. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Thomas Mickan/ Jürgen Wagner / Christoph Marischka
Abo (kostenlos).. https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List findet sich

1.) der Hinweis auf den Facebook-Auftritt der IMI;

2.) Hintergründe zur deutschen Rüstungsoffensive und der anstehenden 
Erhöhung des Militärhaushaltes;

3.) eine IMI-Analyse zum Libyen-Krieg und den westlichen Interessen.


1.) IMI auf Facebook

Viele haben es wahrscheinlich längst gemerkt. Schon seit einiger Zeit 
ist IMI auf Facebook zu finden: https://www.facebook.com/IMI.FB/

Wir sind uns bewusst, dass Facebook eine riesige Datenkrake ist, dennoch 
mussten wir feststellen, dass neben allen herkömmlichen 
Kommunikationskanälen die sozialen Medien auch helfen können, politische 
Inhalte zu verbreiten und vor allem relativ einfach Debatten darüber zu 
führen oder Nachfragen zu beantworten. Aus diesem Grund haben wir uns 
entschlossen, das Medium stärker als bisher zu nutzen. Und deswegen 
würden wir uns freuen, auch Feedback (bei allem gebotenen Schutz von 
persönlichen Daten) zu erhalten. Natürlich freuen wir uns über likes 
oder über die Aufforderung an andere Facebook-Nutzer*innen unsere Seite 
zu besuchen. Es motiviert uns, wenn  Informationen weiter geteilt werden 
und hilft uns, wenn kritische Nachfragen gestellt werden.


2.) Deutsche Rüstungsoffensive und die Erhöhung des Rüstungshaushaltes

Berichten zufolge geht das Verteidigungsministerium bei den am Mittwoch 
stattfindenden Verhandlungen über den Haushalt 2017 und die 
mittelfristige Finanzplanung bis 2020 in die Vollen. Obwohl der 
Rüstungshaushalt in den letzten Jahren bereits rasant angestiegen ist, 
will es nun noch einmal jährlich im Schnitt 3,5 Mrd. Euro mehr erhalten. 
Dies ist mehr oder weniger das direkte Resultat der Rüstungsoffensive 
von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, bei der sie Ende 
Januar 2016 Neuanschaffungen im Umfang von 130 Mrd. Euro bis 2030 (50 
Mrd. mehr als ursprünglich geplant) angekündigt hatte. Die nochmalige 
Erhöhung des  Rüstungsetats ist vor diesem Hintergrund zwingend und hat 
leider auch gute Chancen durchzukommen. Siehe zu den Hintergründen 
dieser Rüstungsoffensive auch:

IMI-Analyse 2016/02
„Karten klar auf den Tisch“
Von der Leyens Rüstungsoffensive zugunsten deutscher Weltmachtambitionen
http://www.imi-online.de/2016/01/29/karten-klar-auf-den-tisch/
http://www.imi-online.de/download/IMI-Analyse2016-02-Ruestungsoffensive.pdf
Jürgen Wagner (29. Januar 2016)


3.) Analyse: Libyen-Krieg und westliche Interessen

Am 19. März 2016 jährte sich der Beginn des westlichen Angriffskrieges 
gegen Libyen zum fünften Mal. Inzwischen zugängliche Mails der damaligen 
US-Außenministerin Hillary Clinton eröffnen dabei  neue Einblicke in die 
Hintergründe der Intervention, wie der folgende Artikel zeigt:

IMI-Analyse 2016/10
Die Clinton-Mails und der Libyen-Krieg
Dreiste Menschenrechtslügen und tatsächliche Interessen
http://www.imi-online.de/2016/03/18/die-clinton-mails-und-der-libyen-krieg/
Jürgen Wagner (18. März 2016)

Der Krieg gegen Libyen wurde am 19. März 2011 von einer Ad-hoc-Koalition 
unter Führung von Frankreich, Großbritannien und den USA begonnen. Am 
31. März 2011 ging die gesamte Kriegsführung dann auf die „Operation 
Unified Protector“ (OUP) und damit auf die NATO über. Nach 26.500 
Lufteinsätzen, bei 9.700 davon erfolgten Bombardierungen, endete die 
Operation am 30. Oktober 2011, acht Tage zuvor war der libysche 
Machthaber Muammar al-Gaddafi auf grausame Weise ermordet worden. 
Seither versinkt das Land im Chaos und die Auseinandersetzungen nehmen 
kein Ende. Inzwischen sind erneut – oder vielleicht auch immer noch – 
westliche Spezialeinheiten im Land aktiv und es wird sogar wieder laut 
über eine großangelegte Intervention nachgedacht, diesmal womöglich auch 
mit deutscher Beteiligung.

Schätzungen zufolge, sollen allein bei den NATO-Bombardierungen zwischen 
30.000 und 50.000 Menschen ums Leben gekommen sein.[1] Als 
Rechtfertigung wurden vom Westen stets massive 
Menschenrechtsverletzungen ins Feld geführt. Die kürzlich über den 
Freedom of Information Act veröffentlichten Mails der damaligen 
US-Außenministerin Hillary Clinton legen jedoch nahe, dass vieles, wenn 
nicht sogar alles davon erstunken und erlogen war.[2] Die Mails bringen 
darüber hinaus auch noch etwas Licht in die Frage, was die eigentlichen 
Interessen hinter diesem Krieg waren. Vor allem aber legen sie den 
Schluss nahe, dass Clinton, die wohl wichtigste treibende Kraft hinter 
der westlichen Intervention[3], sogar bewusst Falschmeldungen gestreut 
und der Kriegsagenda widersprechende Informationen gezielt unterdrückt 
hat. Ihr diesbezüglicher Umgang mit der Wahrheit ist so schockierend, 
dass einem angesichts der Tatsache, dass sie derzeit als 
aussichtsreichste Kandidatin für das US-Präsidentenamt gilt, angst und 
bange werden kann.

Vermeintliche Menschenrechtsverletzungen…

Ganz sicher war das System unter Muammar al-Gaddafi repressiv, dies gilt 
aber in mindestens demselben Ausmaß für eine ganze Reihe „befreundeter“ 
Staaten, die vom Westen in Ruhe gelassen werden. Anfang 2011 begannen 
die Proteste gegen die libysche Regierung, was schließlich zur 
Verabschiedung der UN-Resolution 1973 führte, die zwar u.a. die 
Einrichtung einer Flugverbotszone vorsah, allerdings keineswegs einen 
Blankoscheck für den Sturz Gaddafis ausstellte, auch wenn sie vom Westen 
völlig haltlos so zurechtinterpretiert wurde.[4] Die Regierung sei 
aufgrund der Androhung von Massakern in Bengasi ihrer in der 
UN-Resolution betonten „Verantwortung zum Schutz“ der Bevölkerung nicht 
nachgekommen, was ihren Sturz legitimiere, so die damalige Begründung 
der Angriffe. Schon damals gab es allerdings viele Hinweise, dass es 
sich hierbei um bestenfalls fragwürdige, meist sogar falsche 
Behauptungen handelte.

So schrieb etwa Alan Kuperman, Professor für öffentliche Angelegenheiten 
an der Universität von Texas: „Gaddafi hat niemals mit einem Massaker an 
der Zivilbevölkerung in Bengasi gedroht, wie Obama behauptete. Die 
Warnung ‚es werde kein Pardon gegeben‘ vom 17. März richtete sich 
ausschließlich gegen die Aufständischen, wie die New York Times 
berichtete. Zudem habe der libysche Machthaber denjenigen eine Amnestie 
versprochen, die ‚ihre Waffen wegwerfen‘, Gaddafi bot den Rebellen sogar 
einen Fluchtweg und offene Grenzübergänge in Richtung Ägypten an, um 
einen ‚Kampf bis zum bitteren Ende‘ zu vermeiden.“[5] Auch andere 
Vorwürfe haben sich als weitgehend haltlos herausgestellt: „[N]ach 
Studien der UN und von Amnesty International [hat sich] die Begründung 
der damaligen Militärintervention als falsch erwiesen. Zwar kam es im 
Bürgerkrieg zu Verbrechen und schweren Menschenrechtsverletzungen auf 
beiden Seiten. Systematische Massaker, Luftangriffe gegen Demonstranten, 
organisierte Massenvergewaltigungen und weitere schwere Vorwürfe, die 
Gaddafis Regime angelastet wurden, sollen jedoch nie verübt worden sein.“[6]

Ein erster Hinweis, dass Hillary Clinton Kenntnis davon gehabt haben 
muss, dass die Vorwürfe gegen Gaddafi und seine Truppen auf sehr 
wackeligen Beinen standen, fand sich in einem Bericht der Washington 
Times vom Januar 2015. Unter Verweis auf jüngst erhaltene 
Gesprächsmitschnitte aus Tripolis sowie auf Aussagen hochrangiger 
damaliger Regierungsbeamter wurde darin berichtet: „Mehrere von der 
Times interviewte US-Offizielle bestätigten, dass Frau Clinton und nicht 
Herr Obama führend in der Forderung war, NATO-Militärkräfte einzusetzen, 
um Gaddafi als Anführer Libyens des Amtes zu entheben und dass sie 
wiederholt die Warnungen von Beamten aus dem Verteidigungs- wie auch dem 
Militärapparat in den Wind geschlagen hat. […] Frau Clintons Argument 
bestand darin, dass Gaddafi kurz davor stand, einen Völkermord gegen 
Zivilisten in Bengasi zu begehen, wo die Rebellen ihr Machtzentrum 
hatten. Aber Geheimdienstbeamte aus dem Verteidigungsministerium konnten 
diese Bedenken nicht bestätigen und kamen in der Tat zu der 
Einschätzung, dass es Gaddafi wohl kaum riskieren würde, sich aufgrund 
der Tötung zahlreicher Menschen den Zorn der Welt auf sich zu ziehen. 
[…] Im Ergebnis wandten sich Verteidigungsminister Robert M. Gates und 
Generalstabschef Mike Mullen entschieden gegen Frau Clintons Forderung 
nach dem Einsatz von Gewalt.“[7]

Nun ließe sich argumentieren, bei diesen Meldungen handele es sich um 
ein Komplott der den Republikanern nahestehenden Washington Times, um 
die damals wie heute aussichtsreichste demokratische 
Präsidentschaftskandidatin zu sabotieren. Allerdings bestätigen nun eine 
Reihe ihrer eigenen Mails, dass Clinton einen geradezu skandalösen 
Umgang mit der Frage der Verletzung von Menschenrechten in Libyen an den 
Tag legte.

… und was die Clinton-Mails dazu sagen

Auch wenn sich die Kriegsbefürworter primär auf das vermeintlich 
bevorstehende Massaker in Bengazi stützten, wurde auch immer wieder 
argumentiert, seit Ausbruch der Proteste seien im großen Stil 
Menschenrechte massiv mit Füßen getreten worden. In einer Mail vom 21. 
Februar 2011 berichtete jedoch der damalige Mitarbeiter Clintons, Human 
Abedin (Doc No. C05778494), bereits kurz nach Ausbruch der Proteste über 
die vergleichsweise ruhige Lage in Bengasi: “Auf Grundlage zahlreicher 
Augenzeugen-Berichte kommt die Botschaft zu dem Ergebnis, dass die 
Regierung Bengasi nicht mehr länger unter Kontrolle hat. […] Die 
Stimmung in Bengasi und Ajdabiyah ist dem Vernhemen nach ‘feierlich’ und 
alle Poster von Gaddafi wurden abgehängt.“ Am 2. März 2011 lieferte 
Harriet Spanos von USAID in einer weiteren Mail (Doc No. C05778340) 
einen Situationsbericht ab, der ebenfalls nicht nach großangelegten 
Menschenrechtsverletzungen klang: „Verfügbare Berichte legen den Schluss 
nahe, dass bestimmte Formen ökonomischer Tätigkeiten in Bengasi 
stattfinden, wenn auch etwas langsamer als gewöhnlich. Grundbedürfnisse 
wie Nahrung sind verfügbar, werden aber täglich knapper. Läden und 
Banken sind Berichten zufolge geöffnet. Mobil- und Festnetztelefone 
funktionieren und das Internet ist auch wieder verfügbar.“

Wie wenig sich Clinton um die Menschenrechte scherte, geht aus einer 
Mail von Sidney Blumenthal, einem der engsten Mitarbeiter der damaligen 
Außenministerin, vom 27. März 2011 hervor (Doc No. C05782401). Darin 
wird ihr mitgeteilt, die vom Westen unterstützten Rebellen würden alle 
Söldner im Dienste Gaddafis erschießen: „Unter strikter Wahrung seiner 
Anonymität gab ein Rebellenkommandeur an, dass seine Truppen weiter 
summarische Hinrichtungen aller ausländischen Söldner durchführen, die 
bei den Kämpfen gefangen genommen werden.“

Nach Recherchen der Huffington Post dürfte es sich dabei aber eher um 
Massenexekutionen schwarzafrikanischer Gastarbeiter gehandelt haben, was 
Clinton wohl bewusst gewesen sein dürfte: „Die Mails zeigen einen 
vollständigen Mangel, was die Sorge um Menschenrechtsverletzungen durch 
pro-NATO-Rebellen anbelangt. […] Summarische Hinrichtungen selbst von 
bewaffneten Kombattanten sind klare Verstöße gegen die Genfer 
Konventionen. Aber weder Blumenthal noch Hillary zeigen sich über derlei 
Bagatellen allzu besorgt. Noch Besorgnis erregender ist, dass sich im 
Laufe der NATO-Invasion herausstellte, dass die Vorwürfe, ausländische 
Söldner würden in den Reihen Gaddafis kämpfen, falsch waren. Tatsächlich 
handelte es sich bei den fraglichen Söldnern um afrikanische 
Gastarbeiter. Was wirklich passiert ist war, dass die Rebellen in großer 
Zahl Menschen summarisch inhaftierten und ermordeten, nur auf der Basis, 
dass sie schwarz waren. Mit anderen Worten, es waren die Rebellenfreunde 
der USA, die faktisch einen Genozid in Libyen verübten, und die NATO, 
die ein UN-Mandat zum Schutz von Zivilisten hatte, half ihnen dabei.“[8]

In einer weiteren Mail von Sidney Blumenthal (Doc No. C05789307) 
berichtet dieser ebenfalls am 27. März 2011 von der umfassenden 
Verabreichung von Viagra, zur Unterstützung systematischer 
Massenvergewaltigungen. Allerdings handele es sich dabei um ein Gerücht, 
das von den Rebellen stamme und nicht unabhängig bestätigt sei: „Quellen 
sagen nun, erneut ein Gerücht (das heißt, diese Information kommt von 
Rebellenseite und wurde nicht unabhängig von westlichen 
Nachrichtendiensten bestätigt), dass Gaddafi eine Vergewaltigungspolitik 
verfolgt und sogar Viagra an seine Truppen verteilt hat.“ Obwohl der 
Wahrheitsgehalt dieser Meldung nie erhärtet wurde, wurde sie später 
prominent aufgegriffen: „Die bizarre Viagra-Vergewaltigungsgeschichte 
wurde Teil einer Präsentation vor den Vereinten Nationen durch die 
damalige UN-Botschafterin der USA, Susan Rice, die die 
Viagra-Anschuldigung in einer Diskussion über die Übeltaten von Gaddafis 
Regime aufbrachte. Ein UN-Diplomat, der an einer geschlossenen Sitzung 
am 28. April 2011 teilnahm, sagte dem Guardian: ‚Es ereignete sich 
während einer Diskussion darüber, ob die Truppen Gaddafis und der 
Rebellen moralisch äquivalent seien. Rice listete 
Menschenrechtsverletzungen durch Gaddafis Truppen auf, einschließlich 
von Scharfschützen, die Kinder ermorden und der Viagra-Geschichte.‘“[9] 
Obwohl eine Untersuchung von Amnesty International keine Hinweise für 
systematische Vergewaltigungen durch Gaddafi-Anhänger finden konnte[10], 
äußerte sich Clinton noch im Juni 2011, sie sei “tief besorgt”, weil sie 
ihnen genau dies vorwarf.[11]

Diese Episoden zeigen Clintons geradezu gemeingefährlichen Umgang mit 
der Wahrheit: Meldungen werden gefälscht oder unterschlagen, ganz nach 
dem, was der Unterstützung ihrer Kriegsagenda dienlich ist.

Am 30. März 2011 gab erneut Clinton-Berater Sidney Blumenthal dann an 
(Doc No. C05789481), es sei nicht weiter zielführend, "humanitäre 
Motive" als Begründung des Krieges anzuführen: „Das humanitäre Argument 
ist limitiert, kontextabhängig und bezieht sich auf eine bestimmte, in 
der Vergangenheit liegende Situation. Ein Massaker in Bengasi verhindert 
zu haben und hierfür ständig Kredit zu verlangen (sowohl von der 
libyschen als auch der amerikanischen öffentlichen Meinung), wird sich 
in Bälde als kontraproduktiv erweisen.“ Wohlgemerkt, er thematisiert in 
diesem Absatz nicht die hochumstrittene Frage, ob in Bengasi tatsächlich 
ein Massaker gedroht hat, sondern nur die, ob diese Behauptung als 
Begründung weiter taugt, um noch monatelang weiterzubombardieren. Statt 
sich auf die Menschenrechtsfrage zu versteifen, schlägt Blumenthal vor, 
andere Interessen hervorzuheben, die er auch klar benennt.

Klartext: Westliche Interessen

Es dürfte selten sein, dass ein Krieg aus einer einzigen Motivationslage 
heraus vom Zaun gebrochen wird – für eine solch weitreichende 
Entscheidung braucht es zumeist eine kritische Masse verschiedener 
Interessen. Im Falle des Libyen-Krieges wurden zahlreiche solcher Motive 
angeführt, die eine Rolle gespielt haben dürften: Darunter etwa die 
Absicht, mit der „Verantwortung zum Schutz“ eine neue 
Interventionsdoktrin zu etablieren, das libysche Öl unter Kontrolle zu 
bringen, sich eines unsicheren Kantonisten zu entledigen und 
gleichzeitig zu versuchen, die soeben begonnenen Arabischen Revolutionen 
in „genehme“ Bahnen zu kanalisieren.[12]

Auch Sidney Blumenthal ist in seiner bereits angesprochenen Mail vom 30. 
März 2011 (Doc No. C05789481), in der er vorschlägt, nicht mehr 
humanitäre Motive buchstäblich ins Feld zu führen, der Auffassung, dass 
eine ganze Reihe konkreter Interessen den Sturz Gaddafis („Q“) 
nahelegen: „Die positiven Argumente, aus nationalen Interessen den Sturz 
von Q zu befürworten, liegen auf der Hand: die Stabilisierung 
Nordafrikas, die Sicherung von Demokratie in Ägypten und Tunesien, 
wirtschaftliche Entwicklung, die Auswirkungen auf die ganze arabische 
Welt und auf Afrika, die Ausweitung des amerikanischen Einflusses, ein 
Gegengewicht zum Iran, etc.“

Doch Blumenthal liefert noch weitere, weit brisantere Einblicke in das 
Interessensgeflecht. Eine schon früh vertretene These war auch, dass der 
Angriff auch im Zusammenhang mit der libyschen Afrika-Politik und den 
diesbezüglichen Versuchen zu sehen sei, den Kontinent vom Westen zu 
emanzipieren. Hierzu schrieb Lühr Henken in IMI-Analyse 2011/25: „Wenige 
Monate vor dem NATO-Angriff auf sein Land forderte er [Gaddafi] die 
arabischen und afrikanischen Staaten auf, eine neue gemeinsame Währung 
einzuführen, um sich der Macht des Dollars und des Euros zu entziehen. 
Grundlage sollte der Gold-Dinar sein, der auf dem 144 Tonnen schweren 
libyschen Goldschatz beruht, der in der staatlichen Zentralbank lagert. 
Dieser Initiative waren bereits geheime diesbezügliche Konferenzen 1996 
und 2000 vorausgegangen. Die meisten afrikanischen Länder unterstützten 
dieses Vorhaben. Sollte dies gelingen, wäre Frankreich der größte 
Verlierer, denn das bedeutete das Ende des CFA-Franc in den 14 
frankophonen Ländern Afrikas, und damit auch das Ende der postkolonialen 
Kontrolle Frankreichs über diese. Drei Schlüsselprojekte hatte Gaddafi 
in Planung, die den Grundstein für eine afrikanische Föderation bilden 
sollten: Die Afrikanische Investmentbank im libyschen Sirte, die 
Afrikanische Zentralbank mit Sitz in Abuja, der Hauptstadt Nigerias, 
sowie die für 2011 geplante Einrichtung des Afrikanischen Währungsfonds 
in Jaunde (Kamerun), der über einen Kapitalstock von 42 Milliarden 
Dollar verfügen soll.“[13]

Dass derlei Überlegungen zumindest mit eine Rolle für die 
Kriegsentscheidung Frankreichs gespielt haben, wird nun in einer 
weiteren Mail Blumenthals vom 2. April 2011 (Doc No. C05779612) unter 
dem Betreff „France's client & Q's gold“ spektakulär bestätigt: „Am 2. 
April 2011 gaben Quellen mit Zugang zu Beratern von Salt al-Islam 
Qaddafi[14] unter strengster Vertraulichkeit an, dass das Einfrieren der 
Bankkonten Gaddafi zwar ernsthafte Schwierigkeiten bereite, seine 
Fähigkeit zur Ausrüstung und Aufrechterhaltung der bewaffneten Truppen 
und des Geheimdienstes dadurch aber intakt bleiben. Gemäß sensibler 
Informationen, die diesen Personen zugänglich sind, verfügt die 
Gaddafi-Regierung über 143 Tonne Gold und eine ähnliche Zahl an Silber. 
Ende März wurden diese Vermögenswerte nach SABHA (südwestlich in 
Richtung der libyschen Grenze mit dem Niger und Tschad) verfrachtet; 
entnommen wurden sie den Tresoren der libyschen Zentralbank in Tripolis. 
Dieses Gold wurde vor Ausbruch der aktuellen Rebellion angesammelt und 
war dafür gedacht, eine pan-arabische Währung auf Basis des libyschen 
Gold-Dinar ins Leben zu rufen. Dieser Plan wurde mit dem Ziel entworfen, 
den frankophonen Ländern eine Alternative zum CFA-Franc zur Verfügung zu 
stellen. […] Gemäß kenntnisreicher Individuen, beläuft sich der Wert 
diese Menge an Gold und Silber auf 7 Mrd. Dollar. Französische 
Geheimdienstoffiziere entdeckten den Plan kurz nachdem die aktuelle 
Rebellion begann und hierbei handelte es sich um einen der Faktoren, die 
die Entscheidung des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy 
beeinflussten, Frankreich auf einen militärischen Angriff festzulegen. 
Nach Angaben dieser Individuen, werden Sarkozys Pläne von folgenden 
Faktoren beeinflusst:
1.Den Wunsch einen größeren Anteil an der libyschen Ölproduktion zu 
erhalten,
2.Den französischen Einfluss in Nordafrika auszuweiten,
3.Die innere politische Lage in Frankreich zu verbessern,
4.Dem französischen Militär die Möglichkeit zu bieten, seiner Position 
in der Welt wieder Geltung zu verschaffen,
5.Die Sorgen seiner Berater über Gaddafis langfristige Pläne, Frankreich 
als dominierende Macht im frankophonen Afrika abzulösen zu adressieren.“

Aus diesem Interessensbündel dürfte sich die exponierte Rolle 
Frankreichs erklären, dass bei der Kriegsführung von Anfang an ganz 
vorne mit dabei war. Sicher handelt es sich bei dieser Mail nicht um 
einen abschließenden Beweis, was die tatsächlichen Gründe für die 
Intervention waren. Viel näher an die Überlegungen, die in solchen 
Fragen im US-Außenministerium angestellt werden, dürfte man aber selten 
kommen.

Bravo Hillary!

Die Folgen des Libyen Krieges waren und sind fatal: Nicht nur das Land 
selbst versinkt in Chaos und Krieg, auch die ganze Region wurde 
destabilisiert. Ein Kollateralschaden ist etwa die Eskalation in Mali, 
die nicht unwesentlich mit dem Libyen-Krieg zusammenhängt.[15] Und eine, 
wenn nicht die Hauptverantwortliche ist die potenzielle demokratische 
Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton. Dies geht auch aus einer 
weiteren Mail hervor, die von der humanitären Interventionistin 
Anne-Marie Slaughter verfasst wurde. Als zwischenzeitliche Leiterin der 
wichtigen Politikplanungsabteilung bekleidete sie eines der höchsten 
Ämter in Clintons Außenministerium: “In einer Mail mit dem Betreff 
‘bravo!’, die am 19. März 2011 gesendet wurde – dem Tag, an dem die USA 
und ihre Verbündeten mit der Bombardierung Libyens begannen – schien die 
Cliton-Vertraute und ehemalige Angestellte Anne-Marie Slaughter die 
damalige Außenministerin dafür zu bejubeln, einen widerstrebenden 
Präsidenten Obama überzeugt zu haben, Militäraktionen in Libyen 
durchzuführen. ‚Ich kann mir nicht vorstellen, wie erschöpft Du nach 
dieser Woche sei musst. Aber ich war NIE stolzer mit Dir gearbeitet zu 
haben‘, schreibt Slaughter […]. ‚POTUS [Obama] in dieser Frage umgedreht 
zu haben, ist ein großartiger Erfolg für alles, wofür wir gearbeitet 
haben.‘“[16]

Neue Interventionspläne

Ende Februar 2016 berichtete Le Monde, französische Spezialeinheiten 
seien in Libyen aktiv, Präsident Holland habe “inoffizielle 
Militäraktionen” autorisiert.[17] Auch amerikanische Spezialeinheiten 
sollen in Libyen operieren, dem vernehmen nach aber weniger in direkten 
Kampfeinsätzen, sondern zur Ausbildung lokaler Milizen. Unterstützt 
werden sie schon seit einiger Zeit durch punktuelle Luftschläge, 
erstmals griffen die USA im November 2015 Ziele des Islamischen Staates 
an und seit Mitte Februar 2016 können von Sizilien aus Drohnenangriffe 
gestartet werden.[18] Auch Pläne für umfassende Luftschläge sollen in 
den USA bereits fertiggestellt worden sein.[19]

Und auch Deutschland will dieses Mal mit dabei sein. Im Jahr 2011 hatte 
sich die Regierung noch geweigert, sich an der Bombardierung zu 
beteiligen, was innerhalb des sicherheitspolitischen Establishments 
regelrechte Schockwellen ausgelöst hatte. Diese Weigerung war u.a. 
Anstoß für das Projekt „Neue Macht – Neue Verantwortung“, das die 
späteren Auftritte von Bundespräsident Joachim Gauck, 
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Außenminister 
Frank-Walter Steinmeier bei der Münchner Sicherheitskonferenz Anfang 
2014 vorbereitet hatte. Seither lautet die lauthals verkündete 
Botschaft: Kein Krieg ohne uns!

Und das dürfte auch für Libyen gelten. Zumindest will sich Deutschland 
an der Ausbildung libyschen Militärs beteiligen – allerdings fehlen 
hierfür bisher sowohl ein UN-Mandat als auch eine funktionsfähige 
Regierung.[20] Doch augenscheinlich werden auch weit umfassendere 
Überlegungen angestellt. So berichtet der Journalist Björn Müller über 
einen Vortrag des Leiters der Abteilung Politik im 
Verteidigungsministerium, Géza Andreas von Geyr, in dem es u.a. um 
Libyen ging: „‘Greif nicht in ein Wespennest, doch wenn du greifst, dann 
greife fest – und wir wollen fest zugreifen‘, so der gelernte Diplomat. 
In der Folge nannte der Politikchef des BMVgs vier Punkte, die aus 
seiner Sicht bei einer Intervention zur Stabilisierung Libyens 
essenziell seien:

1.Die Errichtung einer ‚Grünen Zone‘ in der Hauptstadt der angestrebten 
Einheitsregierung Libyens.
2.Die Milizen in eine einheitliche Sicherheitsstruktur überführen (Hier 
käme dann wohl ein Ausbildungskontingent der Bundeswehr zum Tragen. […]).
3.Den Islamischen Staat in den Regionen Libyens direkt bekämpfen, in 
denen er sich ausgebreitet hat.
4.Die ‚Schleuserstrukturen‘ konsequent bekämpfen. Laut Geyr sei es wohl 
notwendig, hierbei auch in den Territorialgewässern Libyens aktiv zu 
werden und ‚an Land zu gehen‘. […]

Die forschen Ausführungen von Geyrs können als Indiz gewertet werden, 
dass das Verteidigungsministerium bzw. die Bundesregierung mit ihren 
Planungen für eine Beteiligung der Bundeswehr in dem Krisenstaat schon 
sehr weit sind und vor allem, dass das deutsche Engagement sehr 
umfassend ausgelegt ist“.[21]

Anmerkungen
[1] Chivers, C.J. und Schmitt, Eric: In Strikes on Libya by NATO, an 
Unspoken Civilian Toll, New York Times, 18.12.2011.
[2] Alle Mails finden sich über die Suchfunktion des „Virtual Rading 
Room”, auch diejengen, für die sich in diesem Artikel kein Link finden 
lassen konnte, auf folgender Seite: 
https://foia.state.gov/search/results.aspx
[3] Die zentrale Rolle Clintons als regelrechte Kriegstreiberin wird 
u.a. anhand eines jüngst erschienen ausführlichen Artikels ersichtlich, 
der sich umfassender Primärquellen, insbesondere von Präsident Obama 
selbst bedient. Demnach soll aus dem inneren Kreis neben Obama noch 
Viezepräsident Joe Biden gegen den Angriff gewesnen sein. Dafür waren 
aber Susan Rice, Ben Rhodes, Samantha Power und eben Clinton. Siehe 
Goldberg, Jeffrey: The Obama Doctrine, The Atlantic, 10.03.2016.
[4] Siehe zur völkerrechtlichen Einordnung von Resolution 1973 Paech, 
Norman: Libyen und das Völkerrecht, in: Becker, Johannes (Hg.): Der 
Libyen-Krieg : das Öl und die "Verantwortung zu schützen", Münster2012, 
S. 61-76.
[5] Kuperman, Alan J.: False pretense for war in Libya?, The Boston 
Globe, 14.04.2011.
[6] Hager, Marius: Der endlose Bürgerkrieg Libyens, in: AUSDRUCK 
(Dezember 2015), S. 5-6, S. 6.
[7] Secret tapes undermine Hillary Clinton on Libyan war, Washington 
Times, 28.01.2015.
[8] Clinton Emails on Libya Expose The Lie of 'Humanitarian 
Intervention', Huffington Post, 22.01.2016.
[9] Parry, Robert, What Hillary Knew about Libya, Consortiumnews, 
12.01.2016.
[10] Cockburn, Pattrick: Amnesty questions Libyan mass rape, nzherald, 
25.06.2011.
[11] Libya: Clinton condemns rape as weapon of war, BBC, 17.06.2011.
[12] Siehe Wagner, Jürgen: Der Libyenkrieg und die Interessen der NATO, 
in: Becker 2012, S. 109-130.
[13] Henken, Lühr: Krieg gegen Libyen – Ursachen, Motive und Folgen, 
IMI-Analyse 2011/025.
[14] Der zweitälteste Sohn Muammar al-Gaddafis.
[15] Marischka, Christoph: Sahara, der Libyenkrieg und die kommende 
Aufstandsbekämpfung, in: AUSDRUCK (Februar 2012), S. 28-32.
[16] ‘Bravo!’ Email Appears To Show Clinton’s Friend Congratulating Her 
on Bombing of Libya, Antiwar.com, 27.02.2016.
[17] La guerre secrète de la France en Libye, Le Monde, 24.02.2016.
[18]  "Islamischer Staat" in Libyen: Amerikas nächster Krieg, Spiegel 
Online, 17.02.2016.
[19] Pentagon Has Plan to Cripple ISIS in Libya With Air Barrage, New 
York Times, 08.03.2016.
[20] Ausbildungsmission für Libyen: Jetzt auch die Kanzlerin, 
Augengeradeaus, 29.01.2016.
[21] Müller, Björn: „Wir wollen fest zugreifen“ – Leiter 
Politik-Abteilung BMVg zu Libyen, Pivot Area, 26.01.2016.

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