[IMI-List] [0445] AUSDRUCK / Analyse zur Syrien-Strategie

imi imi at imi-online.de
Do Aug 6 15:16:37 CEST 2015


----------------------------------------------------------
Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0445 .......... 18. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Thomas Mickan / Jürgen Wagner / Christoph Marischka
Abo (kostenlos).. https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
----------------------------------------------------------


Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List finden sich

1.) die soeben erschienene Juni-Ausgabe unseres Magazins AUSDRUCK;

2.) Eine Analyse zu den aktuellen Luftschlägen in Syrien und ihrer 
Vorgeschichte

Zuvor jedoch noch einmal der Hinweis in eigener Sache: Da das Programm 
noch ein wenig dauern wird, bis es fertig ist, hier nochmal der Termin 
zum Vormerken. Der diesjährige IMI-Kongress wird am 14./15. November 
(wie immer mit einer gemütlichen Auftaktveranstaltung am Freitag zuvor) 
stattfinden.


1.) AUSDRUCK (August 2015)

Die soeben erschienene Ausgabe des IMI-Magazins AUSDRUCK steht wie immer 
komplett und gratis online zur Verfügung: 
http://www.imi-online.de/download/August2015_web.pdf (Mitglieder 
erhalten den AUSDRUCK auf Wunsch auch in Print: 
http://www.imi-online.de/mitglied-werden/)

INHALTSVERZEICHNIS

EU_MILITARISIERUNG UND PARLAMENTSBETEILIGUNG
-- EU-Armee: Machtpolitische Imperative und Stolpersteine (Sabine Lösing 
und Jürgen Wagner)
http://www.imi-online.de/download/IMI-Studie7_2015wagner.pdf
-- Bericht der Rühe-Kommission: Sicherung der militärischen 
Interventionsfähigkeit statt Stärkung der Parlamentsrechte (Michael Haid)
http://www.imi-online.de/download/MH_Ruehe.pdf
-- Demokratie statt Rühe! (Max Bömelburg)
http://www.imi-online.de/download/MJB_Ruehe.pdf

WEITERE THEMEN
-- Microdrones GmbH: „Höchste Zeit für die Drohne“ (Michael Haid)
http://www.imi-online.de/download/MH_Microdrones.pdf
-- Die Informatik in der modernen Kriegsführung (Thomas Gruber)
http://www.imi-online.de/download/TG_Informatik.pdf
-- Schweiz: Eine unheilige Allianz der Vernunft (Andreas Weibel)
http://www.imi-online.de/download/AW_Schweiz.pdf
-- No Exit – No Voice? Die Bekämpfung des Terrorismus und der Migration 
im Sahel (Christoph Marischka)
http://www.imi-online.de/download/CM_Sahel.pdf
-- Iran-Deal: Petro-Geopolitik gegen Russland? (Jürgen Wagner)
http://www.imi-online.de/download/JW_Iran_Petro.pdf


2.) Analyse zu den aktuellen Luftschlägen in Syrien und ihrer Vorgeschichte

IMI-Analyse 2015/029
Syrien: Wie Luftabwehr und Völkerrecht ausgehebelt wurden
http://www.imi-online.de/2015/08/06/syrien-wie-luftabwehr-und-voelkerrecht-ausgehebelt-wurden/
Christoph Marischka (6. August 2015)

Planlose Außenpolitik der USA?

Bereit seit Monaten fliegt die US-Luftwaffe Angriffe auf Stellungen des 
Islamischen Staates in Syrien und ermöglichte es somit v.a. kurdischen 
Kämpfern am Boden, Städte gegen Angriffe des IS zu verteidigen und 
Gebiete zu erobern. Seit dem Anschlag auf ein Jugendcamp zum 
Wiederaufbau Kobanes in Suruç am 20. Juli 2015 beteiligt sich auch die 
Türkei an Angriffen auf syrisches Territorium, die jedoch überwiegend 
PKK-nahen Kämpfern gelten. Mittlerweile haben sich die Türkei und die 
USA auf die Einrichtung einer „Schutzzone“ in Syrien geeinigt, die 
jedoch in erster Linie verhindern soll, dass sich ein zusammenhängendes 
Gebiet unter kurdischer Kontrolle an der Grenze zur Türkei bildet. Die 
USA geben das Ziel vor, dass von dort aus pro-westliche und teilweise 
von den USA ausgebildete Kämpfer gegen den IS operieren sollen und 
kündigten an, diese auch gegen Angriffe durch die syrische Luftwaffe zu 
verteidigen. Doch die Zahl tatsächlicher pro-westlicher Kämpfer in der 
Region liegt im niedrigen dreistelligen Bereich. Wahrscheinlicher ist, 
dass sich auch hier islamistische Kämpfer breit machen, die u.a. gegen 
die Kurden und regimetreue Kräfte vorgehen, die sich zunehmend in 
Auflösung befinden.

Die Syrienpolitik der USA wird in den Medien, von Korrespondenten und 
den Sprechern bewaffneter Gruppen in Syrien gerne als „planlos“ und 
„sprunghaft“[1] bezeichnet. Die Ziele der türkischen Regierung hingegen 
werden nüchtern und klar benannt: Im Ringen um die Vorherrschaft in der 
gesamten Region insbesondere mit dem Iran strebt sie seit dem Beginn der 
ersten Proteste in Syrien 2011 den Sturz des iranischen Verbündeten 
Assad an, wobei sie sich radikaler sunnitischer Kräfte bedient, sogar 
den Islamischen Staat tolerierte und unterstützte. Zugleich versucht 
sie, eine starke Rolle insbesondere linker kurdischer Kräfte und ein 
zusammenhängendes Gebiet unter deren Kontrolle zu verhindern. Dass die 
Türkei nun neben vielen pro-kurdischen Politikern und Stellungen auch 
vermeintliche Anhänger des IS verhaften und bombardieren lässt, wird als 
rein taktisches Zugeständnis an die USA interpretiert, die im Gegenzug 
deren Angriffe auf jene kurdischen Kämpfer toleriert, welche sie mit 
ihren Luftangriffen im Kampf gegen den IS indirekt unterstützt.

So absurd diese Politik auf den ersten Blick scheinen mag und so blutig 
ihre Folgen für die Bevölkerung in Syrien sind, zeigt sie doch auch für 
die USA klare geopolitische Präferenzen und bei ihrer Verfolgung 
Kontinuitäten auf, die von der Strategischen Gemeinschaft auch klar 
erkannt werden. Seit langem unterstützen die USA in der gesamten Region 
meist sunnitische gegen schiitische Kräfte und zielen dabei auf eine 
Schwächung des Iran und seiner Verbündeten im Irak, Libanon und Syrien 
ab. Bereits 2011 bekannte sich die US-Administration klar dazu, dass das 
Assad-Regime gestürzt werden müsse, jedoch ohne eigene Bodentruppen 
einzusetzen. Auch für sie lag ein staatsähnliches Gebilde unter 
Kontrolle der PKK-nahen kurdischen Kräfte in Syrien nie im Interesse. 
Demgegenüber sind die USA zur einfacheren Kontrolle des Irak bereit, den 
kurdischen Kräften im Nordirak, die auch schon länger mit der türkischen 
Regierung im Sinne einer Schwächung der PKK zusammenarbeiten, mehr 
formale Autonomie zuzugestehen, als die Türkei. Dies ist jedoch eine 
eher marginale Meinungsverschiedenheit, wenn es um die Zerschlagung 
Syriens geht.

Ein Regime Change trotz Luftabwehr

Dass ein Regime Change ohne eigene Bodentruppen keine einfache und 
kurzfristig zu bewerkstelligende Angelegenheit ist, zeigt die desaströse 
Lage im heutigen Libyen. Hinzu kommt noch, dass Syrien – anders als 
Libyen – sowohl militärisch potente Verbündete in der Region und 
international hatte als auch über eine (im Zuge des Konfliktes mit Hilfe 
Russlands nochmals verstärkte) Luftabwehr und -waffe verfügte. 
Überspitzt gesagt und grob vereinfacht machte das ein umgekehrtes 
Vorgehen notwendig: Während in Libyen die Kräfte des Regimes aus der 
Luft so weit geschwächt wurden, dass die (vermeintlichen) Verbündeten am 
Boden die Kontrolle übernehmen konnten, mussten die (vermeintlichen) 
Verbündeten in Syrien zunächst in einem zähen, blutigen Prozess weite 
Teile des Gebietes der Kontrolle des Regimes entziehen, bevor die 
NATO-Staaten schrittweise moderierend aus der Luft eingreifen konnten. 
Hierfür war es zunächst auch egal, ob es sich bei diesen Verbündeten um 
Anhänger der Al Kaida, den Islamischen Staat oder linke kurdische 
Guerillas handelte. Die Fragmentierung Syriens war schließlich nicht nur 
im streng militärischen Sinne notwendig oder hilfreich, sondern auch im 
völkerrechtlich-diskursiven: Anders als in Libyen hätte eine 
Flugverbotszone in Syrien (wegen der oben genannten Verbündeten) kein 
Mandat durch den UN-Sicherheitsrat erhalten, während für die jetzigen 
Luftschläge der USA, der Türkei und ihrer Partner ein solches überhaupt 
nicht mehr für notwendig erachtet wird. Um es klar zu sagen: Auch die 
frühen Unterstützungsleistungen der USA, der Türkei, der Golfstaaten und 
auch Deutschlands für alle möglichen Fraktionen der „Rebellen“ 
widersprachen wie die quasi-Anerkennung mehrerer Exilregierungen ganz 
überwiegend dem Völkerrecht. Aber nur diese Vorarbeit durch kleine 
Verstöße und die damit heraufbeschworenen Grausamkeiten machte es 
möglich, dass heute Luftschläge über syrischem Territorium stattfinden, 
ohne dass eine völkerrechtliche Grundlage überhaupt diskutiert oder für 
nötig erachtet wird.

Die neben den syrischen Aufständischen von der Türkei am frühesten und 
vehementesten vorgetragene Forderung nach einer Flugverbotszone wurde 
auch innerhalb der US-Regierung und ihrer Strategischen Gemeinschaft 
früh und offen diskutiert und trug damit sowohl zur Motivation und 
Rekrutierung der Rebellen als auch zur Demontage der Souveränität 
Syriens bei. Konkrete militärische Vorarbeiten für ein solches 
Eingreifen waren jedoch kaum erkennbar. Zurückgewiesen wurde eine solche 
Intervention nicht primär aus (unmittelbar) militärischen Erwägungen 
heraus, sondern mit dem Verweis auf die „Zerstrittenheit“ der damals 
noch überwiegend als zusammenhängend gedachten „syrischen Opposition“ 
und der fehlenden politischen Kontrolle durch die eilig im Ausland 
aufgestellten Exilregierungen. Das stand früh in einem gewissen 
Widerspruch dazu, dass westliche Regierungen in ihrer Außendarstellung 
lange am (gegenwärtig wieder reaktivierten) Bild einer demokratischen 
und von der Freien Syrischen Armee dominierten Opposition festhielten 
und die Urheberschaft jedes Kriegsverbrechens und Massakers sofort auf 
Seiten des syrischen Regimes und seiner Armee sahen.

Gefahr durch Islamisten lange bekannt – und toleriert

Ein im Mai 2015 veröffentlichtes Dokument der US-Geheimdienste aus dem 
August 2012 gibt demgegenüber Einblicke in den Erkenntnisstand der 
US-Regierung und vermutlich auch ihrer Verbündeten zum damaligen 
Zeitpunkt. Darin heißt es bereits einleitend zur „generellen Situation“, 
dass der Konflikt eine klare Tendenz zur Konfessionalisierung aufweise 
und „Salafisten, die Muslimbruderschaft und die Al Kaida die 
wesentlichen Kräfte hinter dem Aufstand in Syrien sind“.[2] Al Kaida sei 
mit Syrien vertraut und habe „die syrische Opposition von Anfang an 
sowohl ideologisch, als auch durch die Medien unterstützt“. Unter 
„Annahmen über die zukünftige Entwicklung der Krise“ wird davon 
ausgegangen, dass sich die Situation zu einem „Stellvertreterkrieg“ 
entfalten werde, bei dem das Regime mit Hilfe Russlands, Chinas und 
Irans seine Kontrolle in den Küstenregionen aufrecht erhalten kann, die 
Opposition hingegen versuchen werde, die östlichen Regionen entlang der 
Grenzen zum Irak und der Türkei zu kontrollieren. Hierzu heißt es 
eindeutig: „Westliche Staaten, die Golfstaaten und die Türkei 
unterstützen diese Bemühungen“. Diese Situation werde „hilfreich dabei 
sein, Rückzugsgebiete (Save Havens) unter internationalem Schutz 
vorzubereiten, ähnlich dem, was sich in Libyen entwickelt hat, nachdem 
Bengasi als Kommandozentrum der Übergangsregierung ausgewählt wurde“. 
Unter den möglichen Effekten im Irak wird sogar das Entstehen des 
islamischen Staats in etwa seiner heutigen Form prognostiziert: „Es 
besteht die Möglichkeit, dass ein erklärtes oder unerklärtes 
salafistisches Hoheitsgebiet (‚Principality‘) im Osten Syriens (Hasaka 
und Der Zor) entsteht und das ist exakt das, was die Unterstützer der 
Opposition wollen, um die syrische Regierung, die als strategisches 
Rückgrad (‚strategic depth‘) der schiitischen Expansion (Irak und Iran) 
angesehen wird, zu isolieren“. Auch die weiteren Konsequenzen für den 
Irak wurden bereits vorweggenommen: „Damit sind ideale Bedingungen für 
Al Kaida geschaffen, um in ihre Hochburgen in Mosul und Ramadi 
zurückzukehren und unter der Ideologie eines geeinten Jihad der 
irakischen und syrischen Sunniten neue Kraft zu gewinnen… ISI könnte 
durch die Vereinigung mit anderen terroristischen Organisationen in 
Syrien und Irak auch einen Islamischen Staat ausrufen, was eine schwere 
Bedrohung hinsichtlich der Einheit und des Schutzes des irakischen 
Territoriums bedeuten würde“.

Auf die Friedensbemühungen im Rahmen der UN, den in Genf verhandelten 
Sechs-Punkte-Plan und die Vermittlungsrolle zunächst Kofi Annans geht 
der Bericht mit keinem Wort ein. Annan legte sein Amt als 
Sondergesandter der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga für 
Syrien wegen mangelnder internationaler Unterstützung im August 2012 nieder.

Insgesamt war der Spätsommer 2012 jener Zeitpunkt, zu dem westliche 
Regierungen und Thinktanks zunehmend die Beteiligung militanter 
Islamisten am Aufstand in Syrien einräumten, während Medien und NGOs 
noch deutlich undifferenzierter das Bild einer aus Deserteuren 
gebildeten Freien Syrischen Armee als Selbstverteidigungskräfte der 
demokratischen Opposition vermittelten. Dieses Bild unterstützte auch 
die Bundesregierung etwa noch in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage 
vom 10. September 2012, in der sie behauptete: „Die Massenproteste der 
syrischen Bevölkerung haben über mehrere Monate hinweg ihren friedlichen 
Charakter beibehalten, trotz des Einsatzes militärischer Gewalt durch 
die Regierung Assads. Mit zunehmendem Einsatz von Waffengewalt durch das 
Regime kam es im weiteren Verlauf zur Bildung erster ‚Bürgerwehren‘ und 
darüber hinaus auch zu lokalen Angriffen auf die Streit- und 
Sicherheitskräfte, die durch Bewohner mit guten Ortskenntnissen 
durchgeführt wurden. Die Bewaffnung von Oppositionsanhängern nahm nach 
Kenntnis der Bundesregierung ihren Anfang, als reguläre Soldaten aus 
Gewissensgründen den Einsatz gegen unbewaffnete Zivilisten abgelehnt und 
sich zur Desertion entschlossen. Dies führte mit zur Gründung der 
‚Freien Syrischen Armee‘ Ende Juli 2011“.[3] Es wird jedoch eingeräumt: 
„Neben der FSA haben sich nach bisherigen Erkenntnissen Splittergruppen 
gegründet oder von der FSA abgespalten. Darunter sind u. a. Jihadisten 
und islamistische Gruppen.“ Drei Tage zuvor hatte die Regierung erstmals 
die Präsenz jihadistischer Elemente, die nicht klar von der FSA 
abzugrenzen sind, eingestanden: „Der Begriff FSA wird häufig als 
Sammelbegriff für den bewaffneten syrischen Widerstand verwendet. In 
Wahrheit existieren häufig unabhängig agierende bewaffnete Verbände, die 
nur in loser Beziehung zueinander oder zur FSA stehen. Es gibt Hinweise 
(u. a. Selbstdarstellung im Internet) auf die Existenz dschihadistischer 
bewaffneter Gruppen in Syrien. Zuordnung und Abgrenzung sind jedoch 
aufgrund rudimentärer Organisationsformen schwierig. Über die Stärke 
dieser Gruppen liegen der Bundesregierung keine sicheren Erkenntnisse 
vor“.[4] Insgesamt ging die Bundesregierung zu dieser Zeit offiziell von 
„mindestens 5 000 Personen im bewaffneten Widerstand in Syrien aus“.[5]

Diese gegenüber dem US-Geheimdienstbericht recht beschönigende 
Darstellung war u.a. nötig geworden, weil zur selben Zeit die 
vielfältige Unterstützung für die Opposition bekannt und ausgebaut 
wurde. Im Juli 2012 hatte die Türkei gemeinsam mit Katar und Saudi 
Arabien ein militärisches Kommandozentrum für die Rebellen bei der 
wichtigen Luftwaffenbasis Incirlik 100 km nördlich der syrischen Grenze 
eingerichtet, über das auch Waffenlieferungen, geheimdienstliche 
Unterstützung und Ausbildungshilfe für die Rebellen koordiniert 
wurden.[6] Die USA beteiligten sich hieran über Mittelsmänner und 
bildeten in Jordanien Kämpfer der Rebellen aus. Die Bundesregierung 
hatte gemeinsam mit den Vereinigten Arabischen Emiraten in den 
Räumlichkeiten der Deutschen Gesellschaft für Internationale 
Zusammenarbeit (GIZ) in Berlin eine Arbeitsgruppe Wirtschaftlicher 
Wiederaufbau eingerichtet und mit 550.000 Euro aus dem Bundeshaushalt 
finanziert. Partner dabei war der Syrische Nationalrat, der von den 
„Freunden Syriens“ – sozusagen der Koalition für den Regime Change aus 
Golf- und NATO-Staaten und weitgehend identisch mit den im 
Geheimdienstbericht genannten „Unterstützern der Opposition“ – als 
„legitimer Vertreter der Syrer, die nach einem friedlichen, 
demokratischen Wandel streben“ anerkannt wurde.[7] Im November 2012 
begrüßte die EU eine in Doha gegründete „Nationale Koalition der 
oppositionellen und revolutionären Kräfte“ als „wichtigen Schritt zur 
notwendigen Einigung der syrischen Opposition“ und „legitimen Vertreter 
der Bestrebungen des syrischen Volkes“.[8] Zuvor hatten die USA den 
Syrischen Nationalrat wegen mangelnder Effizienz und Sichtbarkeit in 
Syrien kritisiert und die US-Außenministerin Clinton hatte sich dafür 
ausgesprochen, im neuen Bündnis „jene zu stärken, die ‚an der Front‘ 
stünden“[9] – wohl wissend, dass unter jenen längst militante Islamisten 
dominierten. Im Oktober hatte auch die International Crisis Group 
festgestellt, dass eine „mächtige salafistische Strömung unter den 
syrischen Rebellen nicht mehr zu leugnen sei“ und machte dafür die 
Golfstaaten verantwortlich, die gemeinsam mit EU und NATO-Staaten als 
„Freunde Syriens“ Sanktionen und Unterstützung für die Rebellen 
koordinierten.[10]

Ein Beispiel aus Deutschland: Die SWP

Dass nach dem Sturz des formal säkularen Assad-Regimes Islamisten eine 
größere Rolle spielen würden als zuvor, schien jedoch bereits Anfang 
2012 für die Planer_innen des Regime Change absehbar. Mit finanzieller 
Unterstützung des US-Außenministeriums wurde im Januar unter der Regie 
der regierungsnahen Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin 
ein (zunächst geheimes) Projekt unter dem Titel „Day After“ gestartet, 
das auch die wirtschaftliche Ordnung Syriens nach Assads Sturz mit 
möglichen künftigen Führungspersonen, darunter auch Vertreter der Freien 
Syrischen Armee, diskutieren sollte. Als das Projekt Ende Juli 2012 
bekannt wurde, wurde seine Durchführung in Deutschland u.a. damit 
begründet, „dass es kaum möglich gewesen wäre, die Teilnehmer aus dem 
islamistischen Spektrum in die USA zu bringen“.[11] Die Bundesregierung 
hingegen ermöglichte das Projekt durch die „Unterstützung bei der 
Visumbeantragung und -vergabe“.[12] Als weitere Begründung wurde 
genannt, dass in Berlin „mit [dem Direktor der SWP, Volker] Perthes und 
der Projektleiterin Muriel Asseburg langjährige Kenner Syriens vor Ort 
verfügbar“ gewesen seien.[13] Beide spielten in jener Zeit eine zentrale 
Rolle bei der Kommentierung des syrischen Bürgerkrieges und dabei – aus 
Unwissenheit oder bewusst? – die Rolle der Jihadisten herunter, um mehr 
internationale Unterstützung für die Rebellen einzufordern. Ende Oktober 
etwa veröffentlichte Perthes auf Qantara.de einen Artikel unter dem 
Titel „Kleinster gemeinsamer Nenner“, in dem er die „Weigerung“ der 
„Freunde Syriens“, „an der Grenze zu den Nachbarländern eine Schutzzone 
für syrische Zivilisten einzurichten oder eine Flugverbotszone gegen 
syrische Kampfflugzeuge zu verhängen“ damit erklärt, dass „die 
internationale Gemeinschaft darauf [wartet], dass sich die 
desorganisierte syrische Opposition in eine in sich geschlossene, 
effektive Kraft verwandelt“: „Die syrische Opposition muss eine 
Dachorganisation einrichten, die von allen, und d.h. auch den faktischen 
zivilen und militärischen Führern, die in den letzten anderthalb Jahren 
hervorgetreten sind, akzeptiert werden. Diese Gruppen teilen bereits ein 
gemeinsames Ziel – den Sturz des Assad-Regimes – und von ein paar 
ultramilitanten Ausnahmen abgesehen hoffen die meisten, einen 
friedlichen, alle Gruppen einschließenden, demokratischen Staat zu 
errichten.“[14]

Einen Monat zuvor erschien jedoch ein Buchbeitrag Perthes‘, der noch 
während der Laufzeit des Projekts „Day After“ verfasst wurde und vier 
mögliche „Szenarien zur näheren Zukunft Syriens“ auflistet. Davon geht 
nur eines davon aus, dass eine Ende des Assad-Regimes – welches die 
„Arbeitshypothese“ des „Day After“-Projektes gebildet hatte – bald 
bevorstünde. Quasi als Voraussetzung geht dieses Szenario (Rasches Ende, 
geordneter Übergang) zunächst von einer Eskalation aus: „Nach dem 
endgültigen Abzug der VN-Beobachter verschärfen sich die Kämpfe; zudem 
droht die Türkei nun offen mit einem militärischen Eingreifen“. Dies 
führe entweder zu einer von Russland arrangierten Ausreise Assads und 
seiner Familie oder zu einem Putsch. „Allein unter diesem Szenario, in 
welcher Variante auch immer, besteht die Chance, wenigstens einen Teil 
der Pläne und Ideen Realität werden zu lassen, die in den Monaten zuvor 
von engagierten Syrer im In- und Ausland für die Organisation von 
Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit in der Übergangszeit, für notwendige 
Startmaßnahmen zur Wiederbelebung der Wirtschaft und vor allem für einen 
Versöhnungs- und einen Verfassungsprozess erstellt worden sind“, so 
Perthes, wobei dem Text anzumerken ist, dass dies nicht als besonders 
realistisch erachtet wird. Das liegt auch daran, dass es in keinem der 
Szenarien den Rebellen aus eigener Kraft gelingt, das Regime zu stürzen 
oder es zu einem entschlossenen militärischen Eingreifen Dritter mit 
dieser Absicht kommt.

Nur eines der Szenarien („More of the same“: Asad bleibt – zunächst) 
geht davon aus, dass die „Rebellen … allmählich eine einheitliche 
Kommandostruktur [entwickeln]“ und „einzelne Stadteile und Ortschaften 
halten“ können. In diesem Falle käme es zu besonders vielen Opfern und 
Massakern, „aber weder die NATO noch die arabischen Nachbarstaaten sind 
zum Eingreifen bereit. Das einzige, worauf die Staatengemeinschaft, die 
syrische Regierung und die Rebellen sich einigen, sind humanitäre 
Hilfslieferungen in die von den Kämpfen am meisten betroffenen Städte. 
Die EU verschärft ihre Sanktionen gegen führende Köpfe und Unterstützer 
des Regimes; einzelne arabische und westliche Staaten organisieren 
Waffenlieferungen an die Rebellen, um eine gewisse Balance im 
Bürgerkrieg aufrechtzuerhalten.“

Die übrigen zwei Szenarien (Das Regime gräbt sich ein und Agonie und 
Fragmentierung) gehen von einem Zerfall des syrischen Staates in 
unterschiedliche Herrschaftsgebiete konkurrierender bewaffneter Kräfte 
aus. In einem Fall „erklärt der Sicherheitsrat die von den Rebellen 
gehaltenen Enklaven zu ‚Schutzzonen‘, die von den USA „aus der Luft … 
patrouilliert“ werden, während vereinzelte Vorstöße der Regimekräfte 
„mit der Zerstörung einzelner Militäreinrichtungen durch amerikanische 
Cruise Missiles geahndet werden.“ Das Regime bleibt an der Macht, ist 
aber „international nahezu völlig isoliert, nachdem ein weitreichendes 
Wirtschaftsembargo verhängt worden ist und auch Passagierflüge von und 
nach Syrien verboten worden sind“. Das letzte Szenario (Agonie und 
Fragmentierung) geht von der größten Zersplitterung aus, in der 
[v]erschiedene Teile der Armee und diverse Milizen … je einzelne 
Landstriche, Städte oder Stadtteile [kontrollieren]“. Als mögliche 
lokale Akteure werden u.a. eine „Koalition alawitischer Generäle und 
Stammesältester“, kurdische Parteien, sunnitisch-arabische Stämme, eine 
„von den Muslimbrüdern dominierte städtische Koalitionsregierung“ 
genannt sowie „eine ‚patriotische‘ Regierung [in Damaskus], die sich aus 
Vertretern der FSA, der Muslimbruderschaft, der Handelskammer und 
kleinerer liberaler Gruppen zusammensetzt.“ Nur in diesem Szeanrio 
spielen Jihadisten in Perthes‘ Prognosen überhaupt eine, wenn auch eher 
nachgeordnete Rolle: „In Idlib hat eine al-Qa’ida nahestehende Gruppe 
eine Islamische Republik Orontes ausgerufen“. Nicht von den 
Kräfteverhältnissen her, aber vom Grad der Fragmentrierung kommt dieses 
Szenario der aktuellen Lage am nächsten. „[D]as Regime [löst] sich eher 
auf, als dass es ‚gestürzt‘ würde oder ‚abtritt‘ … Ob das Ende Asads 
dann durch einen Palastcoup, ein Attentat, den ungeklärten Absturz 
seines Hubschraubers oder durch einen Sturmangriff einer FSA-Einheit auf 
den Präsidentenpalast in Damaskus zustande kommt, spielt keine Rolle mehr“.

Strategie der Fragmentierung

Die Darstellung der von Perthes entwickelten Szenarien stehen 
beispielhaft dafür, dass innerhalb der strategischen Gemeinschaft und 
von den westlichen Regierungen ein umfassendes militärisches Eingreifen 
zum Sturz des Assad-Regimes kaum ernsthaft in Betracht gezogen wurden. 
Die völlige Marginalisierung demokratischer und überkonfessioneller 
Kräfte gegenüber terroristischen und militanten Islamisten wurde zwar 
angedeutet, um das Ausbleiben von Luftschlägen zu begründen, aber 
heruntergespielt, um begrenztes militärisches Eingreifen zu 
legitimieren, Drohungen einer umfassenden Intervention aufrecht zu 
erhalten und die Schwächung des Regimes und die Fragmentierung Syriens 
zu forcieren. Gemeinsam mit der starken Rolle des in dieser 
Fragmentierung – mit Unterstützung einiger Freunde Syriens – gediehenen 
islamischen Staates stellt diese nun die Rahmenbedingungen her, in denen 
interessierte Dritte ohne jede völkerrechtliche Grundlage „Schutzzonen“ 
einrichten, Luftschläge gegen verschiedene Milizen durchführen und damit 
am Boden konkurrierende Kräfte unterstützen. Damit soll nicht gesagt 
sein, dass spätestens seit Mitte 2012 ein einheitlicher und klar 
formulierter Plan von den Freunden Syriens verfolgt worden wäre, um die 
syrische Luftabwehr und das Völkerrecht auszuhebeln. Die genannten 
Zitate aus der Strategischen Gemeinschaft diesseits und jenseits des 
Atlantik unterstreichen jedoch, dass diese Entwicklung absehbar war und 
ihr weder durch eine Offenlegung des jihadistischen Charakters des 
Bürgerkrieges noch durch eine kategorische Absage an eine militärische 
Intervention entgegengewirkt wurde. Im Spiel der innen- wie 
außenpolitischen Kräfte, der Geheimdienste, Regierungen, Thinktanks und 
NGOs hat sich jene Situation entfaltet, die von Anfang an aufgrund der 
Interessenlagen und der strategischen Bedingungen absehbar war: ein 
internationalisierter, brutalisierter Bürgerkrieg mit dem Ziel der 
Zerschlagung Syriens zur Schwächung der schiitischen Kräfte und 
insbesondere Irans. Das Handeln der USA und ihrer Verbündeten (wie auch 
der Unterstützer des Assad-Regimes) ist somit keineswegs 
personalisierend als „planlos“ oder „sprunghaft“ zu bezeichnen, sondern 
schlicht: Geopolitik in Zeiten eines erodierenden Völkerrechts – sehr 
zum Leid der Menschen in Syrien und der ganzen Region.

Anmerkungen

[1] Aktuelle etwa Marcus Pindur in seinem Kommentar für den 
Deutschlandfunk am 1.8.2015, 
http://www.deutschlandfunk.de/unterstuetzung-fuer-tuerkei-die-sprunghafte-syrienpolitik.720.de.html?dram:article_id=327101.

[2] Alle Zitate in diesem Absatz stammen aus dem „Information Report“ 
der Defence Intelligence Agency über den Irak vom August 2012, 
veröffentlicht von der (den US-Konservativen nahestehenden) NGO Judical 
Watch infolge eines Prozesses nach dem Freedom of Information Act unter 
http://www.judicialwatch.org/document-archive/pgs-394-398-396-from-jw-v-dod-and-state-14-812/. 
Die Relevanz des Dokuments wie auch die Interpretation einiger, sehr 
knapp gehaltener Aussagen sind umstritten. Dass eine solche Einschätzung 
über die Rolle von Jihadisten zu jenem Zeitpunkt innerhalb der 
Administration existierte, geht daraus jedoch eindeutig hervor.

[3] Bundestags-Drucksache 17/10632.

[4] Bundestags-Drucksache 17/10619.

[5] Ebd.

[6] Regan Doherty, Amena Bakr: Exclusive – Secret Turkish nerve center 
leads aid to Syria rebels, Reuters.com vom 27.7.2012.

[7] Bundestags-Drucksache 17/ 10632.

[8] Schlussfolgerungen des Rates (auswärtige Angelegenheiten) vom 19. 
November 2012.

[9] „Verhandlungen über Exilregierung“, faz.net vom 4.11.2015.

[10] ICG: Tentative Jihad: Syria’s Fundamentalist Opposition , Crisis 
Group Middle East Report N°131 vom 12.10.2012.

[11] Jörg Lau: Das neue Syrien kommt aus Wilmersdorf, Zeit.de vom 25.7.2015.

[12] Bundestags-Drucksache 17/ 10619.

[13] Jörg Lau 2012, a.a.O.

[14] Volker Perthes: Die syrische Opposition – Kleinster gemeinsamer 
Nenner, Qantara.de vom 29.10.2012.


Mehr Informationen über die Mailingliste IMI-List