[IMI-List] [0442] AUSDRUCK / Artikel EU-Afrika-Politik

imi imi at imi-online.de
Mi Jun 10 14:40:59 CEST 2015


----------------------------------------------------------
Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0442 .......... 18. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Thomas Mickan/ Jürgen Wagner / Christoph Marischka
Abo (kostenlos).. https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
----------------------------------------------------------


Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List finden sich

1.) die soeben erschienene Juni-Ausgabe unseres Magazins AUSDRUCK;

2.) ein Artikel zur katastrophalen EU-Politik gegenüber Afrika vor dem 
Hintergrund der dem Sterben auf dem Mittelmeer aufgepfropften Debatte.


1.) AUSDRUCK (Juni 2015)

Die soeben erschienene Ausgabe des IMI-Magazins AUSDRUCK steht wie immer 
komplett und gratis online zur Verfügung: 
http://www.imi-online.de/download/Juni2015_web.pdf (Mitglieder erhalten 
den AUSDRUCK auf Wunsch auch in Print: 
http://www.imi-online.de/mitglied-werden/)

INHALTSVERZEICHNIS

MIGRATION UND NORD-SÜD-VERHÄLTNIS
-- „Friedenssicherung“ als Reaktion auf das inferiore Außen – Eine 
Schulbuchanalyse zum Verhältnis zwischen Deutschland, EU, NATO und dem 
Rest der Welt (Franz Hamburger)
http://www.imi-online.de/download/Juni2015_01_Hamburger.pdf
-- „Seenotrettung“ als Teil des Problems: Dass Menschen ihr Leben 
riskieren müssen (Christoph Marischka)
http://www.imi-online.de/download/Juni2015_02_Marischka.pdf
-- Mehr Engagement in den Herkunftsländern? Katastrophale Bilanz der 
EU-Afrika-Politik – Instrumentalisierung der Flüchtlingskatastrophe 
(Christoph Marischka)
http://www.imi-online.de/download/Juni2015_03_Marischka.pdf

DEUTSCHLAND UND DIE BUNDESWEHR
-- Der „Tag der Bundeswehr“ – Kostspieliges Agit-Prop-Happening für die 
Truppe und den Krieg (Christian Stache)
http://www.imi-online.de/download/Juni2015_04_Stache.pdf
-- Die Grünen: Moralbemäntelte Geopolitik (Jürgen Wagner)
http://www.imi-online.de/download/Juni2015_05_Wagner

FRIEDENSBEWEGUNG
-- Waffen in den Nordirak: „Nicht in meinem Namen!“ – 
Gerichtsverhandlung gegen Protestierende (FrauenRat Dest Dan e.V. Berlin)
http://www.imi-online.de/download/Juni2015_06_Frauenrat.pdf
-- Die Friedensbewegung kann nur links sein oder sie ist keine wirkliche 
Friedensbewegung (Tobias Pflüger)
http://www.imi-online.de/download/Juni2015_07_Pflueger.pdf

DROHNEN
-- „Having transformed war, drones are getting ready to transform peace“ 
– Anmerkungen zur Etablierung eines EU-Binnenmarkts für Drohnen (Michael 
Haid)
http://www.imi-online.de/download/Juni2015_08_Haid.pdf


2.) Artikel EU-Afrika-Politik

IMI-Analyse 2015/022 - in: AUSDRUCK (Juni 2015)
Mehr Engagement in den Herkunftsländern?
Katastrophale Bilanz der EU-Afrika-Politik
http://www.imi-online.de/2015/06/05/mehr-engagement-in-den-herkunftslaendern/ 

Christoph Marischka (5. Juni 2015)

Es gehört zu den besonders üblen Phänomenen der aktuellen 
„Flüchtlingsdebatte“, dass sie derzeit von zahlreichen Akteuren dazu 
instrumentalisiert wird, eine „engagiertere“ westliche Afrika-Politik, 
einschließlich militärischer Interventionen, einzufordern. Dabei war und 
ist es nicht zuletzt diese Politik, die maßgeblich dafür verantwortlich 
ist, dass die Situation in vielen afrikanischen Ländern derart 
katastrophal ist, dass viele Menschen bereit sind, ihr Leben aufs Spiel 
zu setzen, um ihr zu entkommen.


Instrumentalisierung der Flüchtlingskatastrophe

So nahmen etwa Ronja Kempin und Ronja Scheler von der regierungsnahen 
Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in einer u.a. bei 
Tagesspiegel.de und Zeit.de veröffentlichten Stellungnahme die 
Katastrophe mit mehreren hundert Ertrunkenen auf dem Mittelmeer zum 
Anlass, eine aktivere militärische Außenpolitik der Europäischen Union 
einzufordern. Ihr Beitrag schließt mit den Worten: „Der Einsatz 
militärischer Mittel ebenso wie zahlreiche andere Maßnahmen, die die 
aktuelle Debatte beherrschen – die Ausweitung der Seenotrettung, die 
Revision des Dublin-Systems oder die Erleichterung legaler Migration – 
müssen … in eine aktive und umfassende Außenpolitik in den 
Herkunftsländern der Migranten integriert werden … Dabei dürfen EU und 
Mitgliedstaaten nicht davor zurückschrecken, sich auch in Konflikte, 
etwa in Syrien, einzumischen … Eine militärische Operation im Mittelmeer 
mag den Migrationsdruck auf die EU-Außengrenzen verringern. Den 
Flüchtlingen hilft indes nur ein umfassendes außenpolitisches Engagement 
Europas.“(1)

Ganz ähnlich argumentiert Henryk M. Broder auf Welt.de. Nachdem er 
zunächst seine Unkenntnis über das Internationale Flüchtlingsregime 
unter Beweis stellt und reichlich Ängste vor einer „Flüchtlingswelle [, 
die] auf Europa zu[rollt]“ schürt, ruft er nach dem Gewaltmonopol des 
Staates, um sogleich die Sationierung der Bundeswehr in mehreren 
afrikanischen Staaten einzufordern – aber natürlich nur, um den 
Flüchtlingen „wirklich“ zu „helfen“: „Wer ihnen wirklich helfen will, 
der müsste sich um ein ‘robustes Mandat’ für die Bundeswehr bemühen, in 
Afrika ‘sichere Zonen’ zu etablieren, in denen Recht und Ordnung 
herrschen und niemand wegen seines Glaubens, seiner Hautfarbe oder 
seiner Herkunft verfolgt wird. Ein halbes Dutzend solcher ‘safe havens’ 
zwischen Nyala im Osten, Bamako im Westen und Annaba im Norden würde das 
Problem nicht lösen, aber erst einmal das große Sterben stoppen. Das 
sind wir den Afrikanern schuldig. Vor allem wir als Deutsche.“(2) Schon 
vor den aktuellen Tragödien war diese Argumentation u.a. von Herfried 
Münkler im Rahmen der vom Auswärtigen Amt angestoßenen „Review 2014“ 
vorbereitet worden. Hier schrieb der Historiker und beliebte Vordenker 
einer aggressiveren deutschen Außenpolitik: „Die größte 
sicherheitspolitische Herausforderung des 21. Jahrhunderts wird nicht in 
der Gefährdung von Grenzen durch feindliche Militärverbände, sondern im 
Überschreiten dieser Grenzen durch gewaltige Flüchtlingsströme bestehen 
… Also bedarf es einer präventiven bzw. präemptiven 
Stabilisierungspolitik in der europäischen Peripherie, die verhindern 
soll, dass solche Flüchtlingsströme infolge ethnischer bzw. 
religiös-konfessioneller Auseinandersetzungen, wirtschaftlichem Elend 
sowie der damit verbundenen Perspektivlosigkeit oder aber 
machtpolitischer Rivalitäten in der Region entstehen.“(3)

Dass die Flüchtlinge dabei in übelster Weise instrumentalisiert werden, 
um die notorischen Forderungen nach einem verstärkten deutschen und 
EUropäischen Engagement in einer „erweiterten europäischen 
Nachbarschaft“, die es „friedlich und demokratisch zu gestalten“ gelte, 
zu erheben, zeigt dabei etwa ein Blick auf eine frühere gemeinsame 
Veröffentlichung der beiden oben zitierten SWP-Autorinnen. Anfang 2013 
geißelten sie gemeinsam noch die „Berliner Blockade“ bei der 
Zerschlagung Libyens durch die europäischen Partnerstaaten: „Besonders 
symbolisch für die Berliner Blockadehaltung steht die Enthaltung 
Deutschlands im März 2011, als der UN-Sicherheitsrat die Resolution 1973 
verabschiedete und den Weg ebnete, ‘alle notwendigen Maßnahmen’ zum 
Schutze der libyschen Bevölkerung zu ergreifen … Mit ihrer Enthaltung 
versagte die Regierung Merkel ihren europäischen Partnern Frankreich und 
Großbritannien die Unterstützung bei der nachfolgenden Luft- und 
Seeblockade sowie den Luftangriffen auf libysche Regierungstruppen und 
Militäreinrichtungen“.(4) Die damit angeblich heraufbeschworene 
„Spaltung wegen der Libyenkrise“ sei ein wesentlicher Grund dafür, dass 
„das operative Engagement der Mitgliedsstaaten spürbar abgenommen“ habe. 
Zuvor habe sich „die GSVP [Gemeinsame Sicherheits- und 
Verteidigungspolitik] zu einem dynamischen Politikbereich der EU“ 
entwickelt: „Allein zwischen 2003 und 2008 konnte die EU im Durchschnitt 
jährlich drei bis vier neue Missionen oder Operationen auf den Weg 
bringen. Die Tatkraft der EU-Mitgliedsstaaten geriet jedoch alsbald ins 
Stocken.“ Offensichtlich bildet die „Tatkraft“ das einzige Kriterium, 
denn eine Bilanz dieser Einsätze in der „erweiterten europäischen 
Nachbarschaft“ bleibt ebenso wie beim Libyenkrieg vollständig aus. Es 
sind nämlich nicht nur in Libyen und den angrenzenden Ländern eben die 
verheerenden Konsequenzen dieser „Tatkraft“, welche die 
Flüchtlingskatastrophen mit verursachen.


Umfassendes Militarisierungsprogramm von G8 und EU

Soweit Afrika betroffen war, haben die Interventionen der EU im 
genannten Zeitraum (2003-2008) in der Demokratischen Republik Kongo, im 
damaligen Sudan, dem Tschad, der Zentralafrikanischen Republik und 
Guinea-Bissau stattgefunden. Keines dieser Länder wurde dabei 
stabilisiert oder demokratisiert. Am Kongo wurde der Bürgerkrieg weiter 
internationalisiert, im Sudan eine Sezession mit anschließendem 
Bürgerkrieg und in Guinea-Bissau ein Putsch befördert. In allen 
betroffenen Staaten wurden im Zuge der Interventionen 
„Sicherheitskräfte“ aufgebaut oder ausgebildet, die sich an 
anschließenden innerstaatlichen Gewaltkonflikten beteiligten und bis 
heute die Zivilbevölkerung bedrohen. Aktuell finden EU-Missionen 
weiterhin am Kongo, in Mali, Niger, der Zentralafrikanischen Republik, 
in Somalia, am Golf von Aden und der Ostafrikanischen Küste von Djibouti 
bis nach Tansania sowie (auf Grund der Sicherheitslage praktisch 
ausgesetzt) in Libyen statt. Im Mittelpunkt dieser Missionen steht meist 
die Ausbildung lokaler Milizen, Polizei- und Militärkräfte. Die zugrunde 
liegende Strategie wurde von den G8-Staaten 2004 auf dem Gipfel in Sea 
Island als „Global Peace Operations Initiative“ (GPOI) formuliert. 
Vorgänger war das ACOTA-Programm (African Contingency Operations 
Training and Assistance) der USA, das hierin aufging. Begründet wurden 
diese Programme mit der Argumentation, dass in Afrika nicht ausreichend 
(gut ausgebildete) Soldaten vorhanden wären, um sich an 
„Friedensmissionen“ in anderen afrikanischen Staaten zu beteiligen. Im 
Rahmen von ACOTA waren zuvor bereits über 17.000 Soldaten aus 
afrikanischen Staaten trainiert worden, im Rahmen von GPOI sollten es 
zunächst 75.000 werden, doch dieses Ziel wurde bei weitem überschritten. 
Bis 2012 wurden im Rahmen von GPOI 153.000 Soldaten unmittelbar und 
weitere 43.000 durch Partnerstaaten ausgebildet, was sich alleine die 
USA 767 Mio. US$ kosten ließen. Von diesen knapp 200.000 Soldaten 
gehörten 168.000 den Armeen afrikanischer Staaten an, etwa 2.000 davon 
waren Frauen. Begleitend zur Ausbildung stellten die USA zusätzlich oft 
noch Ausrüstung und logistische Unterstützung bereit. Parallel dazu 
führten Spezialkräfte der US-Army ab 2007 unter der Leitung des neu 
eingerichteten US-Oberkommandos für Afrika (AFRICOM) – und teilweise mit 
Beteiligung des Kommandos Spezialkräfte der Bundeswehr – Übungen und 
gemeinsame Einsätze mit bewaffneten Gruppen in zahlreichen afrikanischen 
Staaten, insbesondere in der Sahel-Region und den Grenzgebieten zwischen 
der Zentralafrikanischen Republik, dem (Süd-)Sudan, Uganda und der 
Demokratischen Republik Kongo durch.

Der europäische Beitrag der Ausbildungsinitiative fokussierte auf 
explizit für den Einsatz in destabilisierten Gebieten aufgebaute 
„robuste“ Polizei- und Gendarmeriekräfte. Hierzu wurde im italienischen 
Vicenza das Center of Excellence for Stability Police Units (CoESPU) 
aufgebaut, an dem, wiederum mit US-amerikanischer Unterstützung, bis 
Dezember 2010 3.500 Polizeisoldaten überwiegend aus Afrika ausgebildet 
wurden. Das CoESPU koordiniert darüber hinaus gemeinsame Trainingszyklen 
sowohl europäischer Gendarmeriekräfte untereinander, als auch mit 
Drittstaaten. Das seit 2007 jährlich stattfindendende “European Union 
Police Forces Training” etwa wurde 2010 für nicht-EU-Staaten geöffnet 
und 2011 zu einem dreijährigen Programm ausgebaut, das Übungen in 
Spanien, Frankreich, Kenia, Kamerun, den Niederlanden und Italien 
umfasste. Beteiligt waren u.a. Gendarmeriekräfte aus Ghana, Nigeria, 
Ruanda und Südafrika.

Insbesondere aber legte sich die EU finanziell ins Zeug. Bereits im 
Dezember 2003 hatte der Ministerrat die Einrichtung einer Afrikanischen 
Friedensfazilität (APF) beschlossen, bei der es sich im Grunde um eine 
Umwidmung jener Mittel handelt, die zuvor im Rahmen des Europäischen 
Entwicklungsfonds ausbezahlt wurden. Zunächst wurden so 250 Mio. für den 
Zeitraum von drei Jahren für den Aufbau und Einsätze afrikanischer 
Truppen bereitgestellt, später wurde das Programm verlängert und das 
Budget kontinuierlich erhöht. Bis 2013 wurden über die APF fast 1.2 Mrd. 
Euro bereitgestellt, von denen über 90% in die Finanzierung von 
„Friedenseinsätzen“ in Afrika, 8.3% in den Kapazitätsaufbau und 1.3% in 
sogenannte Early Response-Mechanismen (ERM) flossen. Unter 
Kapazitätsaufbau werden dabei nicht nur Aufbau und Unterhalt (bis hin 
zur Zahlung der Gehälter) jener Strukturen der Afrikanischen Union (AU) 
und ihrer subregionalen Organisationen verstanden, die für die 
Zusammenarbeit mit der EU bei der politischen Vorbereitung und 
Entscheidung über Militäreinsätze zuständig sind, sondern auch 
internationale Manöver zur Führung multinationaler Truppen und 
Ausbildungszentren für Militärs auf kontinentaler und regionaler Ebene. 
Eine zivile und präventive Komponente stellen allenfalls die ERM dar, 
wobei auch etwa die Erarbeitung von Operationsplänen für Militäreinsätze 
hierüber finanziert wurde.

Neben der APF hat die Europäische Union mit dem Instrument für 
Stabilität (IfS) einen weiteren, noch deutlich flexibleren und nicht auf 
Afrika beschränkten Finanzierungsmechanismus eingerichtet, der es u.a. 
ermöglicht, an ungeliebten Regimen (etwa in Zimbabwe) vorbei direkt 
Organisationen der Zivilgesellschaft zu unterstützen. Eine genauere 
Betrachtung zeigt jedoch auch hier, dass ein wesentlicher Teil in den 
Aufbau so genannter Sicherheitskräfte floss und zwar häufig in jenen 
Ländern, wo diese anschließend an innerstaatlichen Auseinandersetzungen 
beteiligt waren. Der Jahresbericht 2012 etwa gibt – sehr ungenau – 
Auskunft über 196 Mio. Euro, die für kurzfristige Maßnahmen zur 
Krisenreaktion ausgegeben wurden, etwa ein Drittel davon auf dem 
afrikanischen Kontinent. Hiervon flossen 13.4 Mio. Euro nach Libyen, das 
angeblich in diesem Jahr „signifikante Fortschritte auf dem Weg zu 
demokratischen Transition“ vollzogen habe und wo u.a. eine 
Bedarfsanalyse für eine EU-Mission zur Verbesserung des Integrierten 
Grenzschutzes finanziert wurde. Im angrenzende Staat Niger wurde mit 
10.9 Mio. Euro u.a. eine EU-Mission zur Ausbildung von 
Gendarmeriekräften finanziert, weitere Projekte in Sub-Sahara-Afrika 
betrafen den Tschad (5 Mio.), die Zentralfrikanische Republik (4 Mio.) 
und Nigeria (4.5 Mio.). 2013 umfasste das IfS insgesamt knapp 310 Mio. 
Euro, von denen wiederum etwa ein Drittel auf Projekte in Afrika 
entfiel. Von den insgesamt 210 Mio. Euro für kurzfristige Maßnahmen 
gingen 20 Mio. nach Mali, um das dortige EU-Projekt zur 
Terrorismusbekämpfung sowie die EU-Trainingsmission für malische 
Soldaten zu flankieren. Weitere, nicht näher genannte Summen flossen 
wiederum nach Niger, Tschad und in die Côte d’Ivoire, wo die EU 2011 mit 
Sanktionen und Embargomaßnahmen einen Regimechange unter Führung 
Frankreichs unterstützt hatte. 44 Mio. Euro wurden für längerfristige 
Maßnahmen zur Bekämpfung überregionaler Bedrohungen ausgegeben. Darunter 
fiel u.a. die Stärkung der Bekämpfung des Drogenhandels in Westafrika, 
die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Geheimdiensten und Militärs 
bei der Bekämpfung des Terrorismus im Sahel (Niger, Mali, Mauretanien, 
Algerien, …) und die Bekämpfung der Piraterie am Golf von Guinea sowie 
vor der ostafrikanischen Küste.


Perpetuierung der Bürgerkriege

Alleine bis Ende 2013 flossen insgesamt knapp 580 Mio. Euro aus der APF 
in den Einsatz AMISOM mit gegenwärtig 22.000 Soldaten überwiegend aus 
Uganda (6.223), Burundi (5.432), Äthiopien (4.395), Kenia (3.664) und 
Djibouti (1.000) in Somalia. Sie bekämpfen seit 2008 jene Milizen und 
Fraktionen, die sich nach einer US-gestützten Invasion Äthiopiens nicht 
an einer von den UN, USA und EU eingesetzten und aus Exilpolitikern 
bestehenden Übergangsregierung beteiligen wollten und danach überwiegend 
in der radikalislamistischen Gruppe Al Shabab zusammengeschlossen haben. 
Flankiert von einer Trainingsmission der EU und weiteren bilateralen 
Ausbildungsprogrammen Frankreichs, Großbritanniens und der USA baut sie 
außerdem eine neue Nationale Armee für die überwiegend vom Ausland aus 
operierende Regierung aus. Letztlich handelt es sich dabei um ein 
Programm zur weiteren Militarisierung Somalias und Internationalisierung 
des Bürgerkriegs. De Facto bauen sowohl die beteiligten NATO-Staaten, 
wie die afrikanischen Nachbarstaaten hier jeweils auch untereinander 
konkurrierende und schwer zu kontrollierende Truppen auf. Ein besonderer 
Hemmschuh für eine friedliche Entwicklung besteht dabei darin, dass an 
AMISOM vor allem Nachbarstaaten Somalias beteiligt sind, die 
offensichtlich ein Interesse an einem schwachen und instabilen Somalia 
haben (Somalia hegt Gebietsansprüche auf den Territorien Kenias, 
Äthiopiens und Djiboutis).

Bis Anfang 2014 haben die EU und ihre Mitgliedstaaten insgesamt grob 
eine Mrd. Euro in diesen internationalen Bürgerkrieg gepumpt, indem sie 
die Einsätze der Nachbarstaaten finanziert und deren Soldaten 
ausgebildet haben. Etwa 300 Mio. Euro flossen aus der APF zwischen 2004 
und 2007 in die AMIS-Mission in Darfur, welche die EU zusätzlich durch 
Militär- und Polizeiausbilder sowie strategischen und taktischen 
Lufttransport unterstützte. Im Anschluss begann 2008 – begleitet von 
Interventionsdrohungen der USA gegen den Sudan – eine EU-Mission in den 
westlich an diesen grenzenden Staaten Tschad und Zentralafrikanische 
Republik. Von der proklamierten Zielsetzung her kam dieser Einsatz der 
Schaffung von ‘Safe Havens’ recht nahe, wurde er doch mit dem Schutz von 
Flüchtlingen aus Darfur begründet. Tatsächlich jedoch war er natürlich 
gegen das Regime in Khartum gerichtet, das in der Folge Rebellen im 
Tschad aufrüstete, woraufhin dort die Lage eskalierte und französische 
Kampfflugzeuge und Elitesoldaten der dortigen Regierung zu Hilfe eilen 
mussten.

Die EU-Mission lieferte zwar wertvolle ‘Lessons Learned’, also 
Erkenntnisse für zukünftige Einsätze in Wüstengebieten, konnte jedoch 
nur mit Unterstützung russischer Helikopter durchgeführt werden und 
wurde Anfang 2009 durch eine UN-Mission im Tschad und eine Mission der 
Afrikanischen Union in der Zentralafrikanischen Republik abgelöst. Beide 
hatten die Ausbildung von Polizei- und Gendarmeriekräften zum Ziel, in 
die auch die Mittel aus dem Instrument für Stabilität flossen, der 
Einsatz der AU wurde darüber hinaus bis 2013 mit knapp 70 Mio. Euro aus 
der APF finanziert. Das in beiden Staaten ohnehin kaum vorhandene 
Gewaltmonopol des Staates und die eher informelle Kontrolle der 
Sicherheitskräfte – das Regime in Tschad stützt sich in der Hauptstadt 
v.a. auf französische Soldaten, während es selbst in der Hauptstadt der 
Zentralafrikanischen Republik Soldaten stationiert hat, um die dortige 
Regierung zu „schützen“ bzw. kontrollieren – wurden durch die 
Aufstellung immer neuer bewaffneter Einheiten weiter unterlaufen. Ende 
2010 wurde die UN-Mission im Tschad nach Aufforderung der dortigen 
Regierung beendet – dafür hatten US-Spezialkräfte zwischenzeitlich im 
Grenzgebiet zum Sudan und der Demokratischen Republik Kongo Ausbildung 
für und die Führung gemeinsamer Einsätze mit tschadischen (und 
ugandischen) Soldaten übernommen. 2011 dann spaltete sich der christlich 
geprägte Südsudan unter Jubel der internationalen Gemeinschaft und nach 
vorherigem Aufbau und Aufrüstung durch die NATO-Staaten vom islamisch 
geprägten Zentralstaat ab – um ab Ende 2013 seinerseits im Bürgerkrieg 
zu versinken. Bereits Anfang 2013 hatte ein muslimisch geprägtes Bündnis 
unter massiver Beteiligung tschadischer Soldaten und offensichtlich mit 
Rückendeckung der dortigen Regierung gegen die Regierung der 
Zentralafrikanischen Republik geputscht und ist anschließend in 
marodierende Banden zerfallen. Spontan gebildete christliche Milizen 
reagierten mit Übergriffen auf die muslimische Zivilbevölkerung, die 
daraufhin in großen Teilen von französischen Soldaten außer Landes 
gebracht wurde. Von den zuvor mit viel europäischem Geld aufgebauten 
Sicherheitskräften in der Zentralafrikanischen Republik war sofort nach 
dem Putsch nichts mehr zu sehen – entweder sie desertierten oder 
schlossen sich einer der verschiedenen Milizen und Banden an.


Entgrenzter „Krieg gegen den Terror“ und Entmündigung der Bevölkerung

Während über die Zusammenhänge zwischen der Abspaltung des Südsudan und 
dem Konflikt in der Zentralafrikanischen Republik nur spekuliert werden 
kann, bezogen sich die Sezessionisten im Norden Malis ganz offen auf 
diesen afrikanischen Präzedenzfall. Im April 2012 erklärten sie in Folge 
der Zerschlagung Libyens den zu Mali gehörenden Azawad für unabhängig, 
verloren jedoch in weiten Teilen schnell die Kontrolle an 
radikalislamistische Kräfte. Gut ein Jahr zuvor hatte der neu gegründete 
Europäische Auswärtige Dienst als neue Superbehörde der EU-Außenpolitik 
(er fasst auf EU-Ebene die Funktionen nationaler Außen- und 
Verteidigungsministerien mit wirtschaftspolitischen, geheimdienstlichen, 
humanitären und entwicklungspolitischen Funktionen zusammen) eine 
umfassenden Strategie für den Sahel veröffentlicht und die Region 
zwischen Mauretanien und Niger damit zum Schwerpunkt der EU-Außenpolitik 
gemacht. Bereits zuvor wurden hier zahlreiche humanitäre und 
sicherheitspolitische Maßnahmen mit dem Ziel der Bekämpfung des 
Terrorismus und der Migration miteinander verzahnt und u.a. über das 
Instrument für Stabilität der Bau neuer Kasernen, Gefängnisse und 
Lagezentren sowie der Ausbau der Polizei- und Militärkooperation mit und 
zwischen den Staaten der Region finanziert. Spezialkräfte der US-Armee 
führten spätestens seit 2005 mit Beteiligung der Bundeswehr und des 
Kommandos Spezialkräfte Trainingsmaßnahmen und Übungen mit „einzelne[n] 
militärische[n] Gruppen aus westafrikanischen Staaten“ durch.(5) Von der 
lokalen Bevölkerung wurde diese Aufrüstung als Bedrohung ihrer Autonomie 
wahrgenommen, was gemeinsam mit dem Vorbild Südsudan und der 
Zerschlagung Libyens letztlich zur Unabhängigkeitserklärung führte. 
Diese wiederum löste in Mali einen Putsch und eine französische 
Militärintervention aus, die von mehreren EU-Missionen und einer 
UN-Mission flankiert wird. Deutschland und die EU beteiligen sich 
hierbei u.a. mit der Ausbildung malischer Soldaten und nigrischer 
Gendarmeriekräfte sowie mit einem unüberschaubaren Geflecht von 
Transportflügen afrikanischer Truppenkontingente quer über den Westen 
des afrikanischen Kontinents. Die Bundeswehr übernimmt auch die 
Luftbetankung französischer Kampfflugzeuge, sofern diese nach ihrer 
Auffassung im Rahmen des Mandates der UN-Mission tätig sind. Diese 
Einschränkung wurde nötig, da Frankreich seinen Einsatz in Mali 
mittlerweile zu einem eigenen „Krieg gegen den Terror“ ausgeweitet hat, 
der die Länder Mauretanien, Mali, Burkina Faso, Niger und Tschad 
umfasst, weitere Kontingente hat Frankreich im Senegal, der Côte 
d’Ivoire, der Zentralafrikanischen Republik und Djibouti stationiert – 
was in etwa die Großregion umreißt, in denen die USA in den vergangenen 
Jahren massiv die Präsenz von Überwachungsdrohnen ausgebaut haben und 
ebenfalls mit Unterstützung von Spezialkräften und lokalen Milizen den 
Terrorismus „bekämpfen“.

Weniger Ursache als Folge all dieser Aktivitäten ist die umfangreiche 
Militarisierung und Destabilisierung sowie die Entmündigung der lokalen 
Bevölkerung durch internationale Truppenpräsenz und lokale 
Stellvertreter, die eine Plünderung der Ressourcen und Enteignung des 
Landes gewährleisten. Wenn nun sinkende Flüchtlingsboote als Begründung 
zur Intensivierung dieser Maßnahmen herhalten, so ist es nur konsequent, 
dass auch die Bundesmarine ins Mittelmeer entsandt wird, um Boote zu 
versenken, mit denen Menschen dorthin zu kommen trachten, wo ihre 
Probleme – nicht nur in der Vergangenheit – ihren Ausgang nahmen.


Anmerkungen

(1) Ronja Kempin / Ronja Scheler: Migration nach Europa – Mehr 
außenpolitisches Engagement der EU in ihrer Nachbarschaft nötig, SWP 
„kurz gesagt“ vom 28.4.2015, URL: 
http://www.swp-berlin.org/publikationen/kurz-gesagt/eu-muss-migration-nach-europa-mit-mehr-aussenpolitischem-engagement-in-ihrer-nachbarschaft-begegnen.html.

(2) Henryk M. Broder: Wir sind den Afrikanern Bundeswehreinsätze 
schuldig, Welt.de vom 4.5.2015, URL: 
http://www.welt.de/debatte/henryk-m-broder/article140455149/Wir-sind-den-Afrikanern-Bundeswehreinsaetze-schuldig.html.

(3) Herfried Münkler: Die gefährliche Kluft zwischen Schein und Tun – 
Auf die Interessen kommt es an!, Beitrag im Rahmen des Review 2014 des 
Auswärtigen Amtes vom 23.5.2014, URL: 
http://www.aussenpolitik-weiter-denken.de/de/aussensicht/show/article/die-gefaehrliche-kluft-zwischen-schein-und-tun.html.

(4) Ronja Kempin / Ronja Scheler: Berliner Blockade, Berliner Republik 
2/2013. URL: http://www.b-republik.de/archiv/berliner-blockade.

(5) Quellen und Details zu diesen gemeinsamen „Übungen“ der Bundeswehr 
und der US-Army finden sich hier: Christoph Marischka: US-AfriCom und 
KSK seit Jahren in Mali aktiv, Telepolis vom 1.7.2013, URL: 
http://www.heise.de/tp/artikel/39/39411/1.html. Finanziert wurden sie 
von Seiten des Bundesverteidigungsministeriums über den Haushaltstitel 
„Sonstige Übungskosten“. Die Frage, in welchen Staaten hieraus zu 
welchem Zweck sonst noch Mittel verausgabt wurden, antwortete die 
Bundesregierung in Drucksache 18/1410: „Eine Datenerfassung hierzu 
erfolgt grundsätzlich nicht.“


Mehr Informationen über die Mailingliste IMI-List