[IMI-List] [0417] Ukraine-Studie

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Mi Mär 26 17:14:16 CET 2014


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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0417 .......... 17. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Thomas Mickan/ Jürgen Wagner
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Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List findet sich der Hinweis auf die deutlich erweiterte 
und aktualisierte Fassung der IMI-Studie 2014/02 zur Ukraine.

IMI-Studie 2014/02b
Ukraine: Ringen um die Machtgeometrie
Neoliberales Assoziationsabkommen und europäisch-russische Machtkonflikte
http://www.imi-online.de/download/2014_02b_jwagner.pdf
Jürgen Wagner (26. März 2014)

INHALTSVERZEICHNIS

1. Neoliberales Assoziationsabkommen
2. Geopolitisches Filetstück: Heute die Ukraine…
3. Testlauf für die neue deutsche Weltmachtpolitik
4. Innerimperialistische Reibereien
5. Eskalation oder Politik der Äquidistanz

Kästen:
Militärisches Assoziationsabkommen
Ukrainische "Zivilgesellschaft" - Ein Praxisbeispiel
Ukraine: Braune Revolution

Die komplette Studie gibt’s hier: 
http://www.imi-online.de/download/2014_02b_jwagner.pdf


Einleitung

Im November 2013 fällte der ukrainische Präsident Wiktor Janukowitsch 
die Entscheidung, die Verhandlungen seines Landes über die 
Unterzeichnung eines Assoziationsabkommens mit der Europäischen Union 
auf Eis zu legen. Für die daraufhin erfolgte gewaltsame Eskalation, die 
zum Sturz des Präsidenten sowie zu einer der schwersten Krisen zwischen 
dem Westen und Russland seit Ende des Kalten Krieges führte, sind eine 
Reihe von Faktoren verantwortlich. Zunächst einmal gilt es festzuhalten, 
dass solche Assoziationsabkommen das zentrale Expansionsinstrument der 
Europäischen Union in den erweiterten Nachbarschaftsraum darstellen. Sie 
zielen darauf ab, die angrenzenden Länder als Investitions- und 
Absatzmärkte, als Niedrigsteuerländer und verlängerte Werkbänke 
dauerhaft in den großeuropäischen Wirtschaftsraum und damit in die 
EU-Einflusszone zu integrieren. Allein deshalb war es aus westlicher 
Sicht hochgradig ärgerlich, dass sich die Ukraine diesem Bestreben 
verweigerte.

Hinzu kam aber noch, dass es sich bei der Ukraine um ein Land von 
herausragender geopolitischer Bedeutung in den Auseinandersetzungen 
zwischen zwei sich zunehmend feindlich gegenüberstehenden Blöcken 
handelt, der Europäischen Union und der von Moskau initiierten 
Zollunion. Auffällig ist dabei, dass Deutschland hier buchstäblich an 
vorderster Front agiert: „Der Kampf um die Ukraine ist einer zwischen 
dem russischen Präsidenten und der deutschen Kanzlerin. […] Fast 25 
Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges geht es darum, wer es schafft, 
die früheren Sowjetrepubliken der Region in seinen Einflussbereich zu 
ziehen. Es geht um Geopolitik, um das ‚Grand Design‘, wie es die 
Experten gern nennen.“ (Spiegel 50/2013)

Die Ukraine ist somit auch zu einer Art Testlauf für den seit Anfang des 
Jahres vollmundig erklärten Anspruch geworden, Deutschland müsse künftig 
eine ambitioniertere und stärker an der Durchsetzung eigener Interessen 
orientierte Weltmachtpolitik betreiben. Neu ist dabei allerdings vor 
allem, dass nun offen ausgesprochen und aggressiver betrieben werden 
soll, was ohnehin seit Jahren stattfindet. Denn was die Ukraine 
anbelangt, haben dort nicht nur die USA, sondern auch die Europäische 
Union und vor allem Deutschland über viele Jahre hinweg beträchtliche 
Summen in den Aufbau und die Stärkung pro-westlicher Oppositionsparteien 
investiert.

Diese „Vorarbeiten“ stießen angesichts der problematischen sozialen 
Situation auf einen fruchtbaren Boden.[1] Doch auch wenn es vollkommen 
nachvollziehbar war, dass zahlreiche Menschen gegen die hochgradig 
korrupte Janukowitsch-Regierung auf die Straße gegangen sind[2], 
repräsentierten die Parteien, die als Dreierbündnis die Führung der 
Proteste an sich rissen, weder die Mehrheit der Bevölkerung und noch 
weniger deren Interessen. Dazu gehört einmal die faschistische Partei 
„Swoboda“ („Freiheit“) mit Oleg Tjagnibok an der Spitze. Sie sorgte 
während der Proteste mit ihren Schlägertrupps unter anderem dafür, dass 
linke Studenten und Gewerkschafter regelrecht vom zentralen 
Protestplatz, dem Maidan in Kiew, weggeprügelt wurden und stellt 
mittlerweile mehrere Minister in der neuen „Regierung“ (siehe Kasten 
„Braune Revolution“). Washington setzt vor allem auf die Partei 
„Batkiwschtschina“ („Vaterland“), die Teile der Oligarchie repräsentiert 
und von der ebenfalls korrupten Julia Timoschenko angeführt wird. 
Deutschland machte sich wiederum vor allem um „Udar“ („Schlag“) mit dem 
Aushängeschild Witali Klitschko „verdient“. Vor diesem Hintergrund kam 
es bereits während der Proteste zu heftigen innerimperialistischen 
Reibereien, wessen Protegé künftig in der Ukraine das Sagen haben soll. 
Diese endeten vorläufig mit einem Punktsieg für Washington, nachdem die 
Timoschenko-Partei alle wesentlichen Posten besetzte und nun – unter 
maßgeblicher Beteiligung der Faschisten – faktisch die Kontrolle 
übernommen hat, während „Udar“ weitgehend außen vor blieb. Wichtiger als 
diese innerimperialistischen Auseinandersetzungen sind jedoch die nahezu 
deckungsgleichen Ziele, die von der neuen „Regierung“ in Kiew 
pflichtschuldig kurz nach ihrer Machtübernahme in Angriff genommen 
wurden: Schnellstmöglich sollen „schmerzhafte“ Sozialkürzungen 
vorgenommen, der Ausverkauf des Landes auf den Weg gebracht, das 
Assoziationsabkommen schnellstmöglich komplett unter Dach und Fach 
gebracht und die Mitgliedschaft in der NATO angestrebt werden.

Wie spätestens die Reaktion auf der Krim-Halbinsel zeigte, ist Russland 
offensichtlich nicht gewillt, dem Westen das Feld zu überlassen. So 
droht im schlimmsten Fall eine weitere Eskalation, zumindest aber dürfte 
die Ukraine und ihre Bevölkerung auf absehbare Zeit als Spielball und 
Schauplatz der Konflikte zwischen dem Westen und Russland zu leiden 
haben. Die einzig andere gangbare Option wäre, wenn sich die 
interessierten Großmächte auf eine kategorische Blockfreiheit der 
Ukraine verständigen würden, auch wenn dies zum gegenwärtigen Zeitpunkt 
eher unrealistisch erscheint.

Die komplette Studie gibt’s hier: 
http://www.imi-online.de/download/2014_02b_jwagner.pdf

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