[IMI-List] [0415] AUSDRUCK / Artikel Ukraine / Analyse Böll-Studie Drohnen

Informationsstelle Militarisierung imi at imi-online.de
Mi Feb 12 17:48:11 CET 2014


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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0415 .......... 17. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Thomas Mickan/ Jürgen Wagner
Abo (kostenlos).. https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List findet sich:

1.) eine IMI-Studie zur Situation in der Ukraine

2.) die aktuelle Ausgabe des IMI-Magazins AUSDRUCK (Februar 2014)

3.) eine Analyse einer Böll-Publikation zu Drohnen und Cyberwar



1) IMI-Studie zur Situation in der Ukraine erschienen

IMI-Studie 2014/02
Ukraine: Ringen um die Machtgeometrie
Neoliberales Assoziationsabkommen und europäisch-russische Machtkonflikte
http://www.imi-online.de/download/2014_02_wagner-web.pdf
von: Jürgen Wagner

Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Neoliberales Assoziationsabkommen
3. Geopolitisches Filetstück
4. Rent a Revolution
5. Politik der Äquidistanz
Anmerkungen


2) AUSDRUCK (Februar 2014)

Komplette Ausgabe: http://www.imi-online.de/download/februar2014klein.pdf

DEUTSCHLAND UND EUROPA
-- Münchner Sicherheitskonferenz: Generalangriff der Kriegstreiber 
(Jürgen Wagner)
http://www.imi-online.de/download/februar2014wagner.pdf
-- Rohstoffimperialismus. Deutsche und europäische Entwicklungspolitik 
im Dienste von Wirtschaft und Machtpolitik (Lukas Renz)
http://www.imi-online.de/download/2014_01_renz_web.pdf
-- Noch kein Grund zum Jubeln – Und noch viel weniger zum Jammern 
(Andreas Seifert)
http://www.imi-online.de/download/februar2014seifert.pdf
-- Gegen EU-Militarisierung und Rüstungslobbyismus. Vorstellung der 
Kampagne Ctrl + Alt + EU (Gunther Lippens)
http://www.imi-online.de/download/februar2014lippens.pdf
-- Der Krieg beginnt hier! (Tobias Pflüger)
http://www.imi-online.de/download/februar2014pflueger.pdf


AFRIKA
-- Vom Statebuilding zum Bürgerkrieg. Eskalation im Südsudan (Christin 
Bernhold)
http://www.imi-online.de/download/februar2014bernhold.pdf
-- Akteur werden in Afrika. Die EU-Einsätze in Mali, der 
Zentralafrikanischen Republik und darüber hinaus. (Christoph Marischka)
http://www.imi-online.de/download/februar2014marischka.pdf

ITALIEN
-- „Mare Nostrum“. Humanitäre Operation oder Deckmantel militarisierter 
Migrationspolitik? (Jacqueline Andres)
http://www.imi-online.de/download/februar2014andres.pdf
-- Drohnen und Militär gegen die Umweltmafia in Italien (Jacqueline Andres)
http://www.imi-online.de/download/februar2014andres2.pdf

REZENSION
-- Bücher über Drohnen: Von der Informationsflut eines geheimen Krieges 
(Thomas Mickan)
http://www.imi-online.de/download/februar2014mickan.pdf


3.) Analyse eine Böll-Publikation zu Drohnen und Cyberwar

IMI-Analyse 2014/006
Risiko Regulierung
Böll-Stiftung will zur Debatte anregen und läuft dabei Gefahr, sie 
abzuwürgen
von: Christoph Marischka


Die Heinrich-Böll-Stiftung hat in ihrer Reihe “Demokratie” einen Band 
unter dem Titel “High-Tech-Kriege – Frieden und Sicherheit in den Zeiten 
von Drohnen, Kampfrobotern und digitaler Kriegsführung” veröffentlicht, 
der erklärtermaßen zu einer “informierte[n] Öffentlichkeit und eine[r] 
breite[n] gesellschaftliche[n] Debatte” beitragen soll. Im Vorwort des 
Vorstandes der Stiftung, Ralf Fücks, und deren Referenten für Außen- und 
Sicherheitspolitik, Gregor Enste, heißt es: “Wie so oft entwickeln sich 
die neuen Militärtechnologien schneller als die gesellschaftliche 
Diskussion und die Bemühungen um ihre völkerrechtliche Einhegung. Diese 
Ungleichzeitigkeit zwischen technischer Innovation und politischer 
Regulierung ist beunruhigend. Sie lässt zu viel Raum für Entwicklungen, 
die sich jeder öffentlichen Kontrolle entziehen. Es wird höchste Zeit, 
die neuen Formen digitaler Kriegsführung aus der Grauzone von 
Forschungslabors, Rüstungsindustrie und Militär in das Licht der 
öffentlichen Debatte zu bringen. Auch die Parlamente müssen sich 
intensiver dieser Herausforderung widmen. Die vorliegende Publikation 
will Anregungen für die Meinungsbildung zu diesem brisanten Thema geben”.


Die zentralen Argumente

Den versammelten Autor_innen ist – mit Ausnahme Herfried Münklers, von 
dem der erste Beitrag stammt – eine grundsätzliche Skepsis gegenüber 
unbemannten militärischen Systemen, Vorbehalte gegen ihre Bewaffnung und 
eine Ablehnung der vollständigen Automatisierung oder Autonomisierung 
des Einsatzes von “Wirkmitteln”, also Waffengewalt, anzumerken. Die 
häufig vorgebrachten Argumente gegen Einsatz und Entwicklung von 
Kampfdrohnen werden fast alle genannt und häufig substantiiert: Dass sie 
“die Schwelle zur Gewaltanwendung” (Singer) zu senken drohen und bereits 
jetzt eine “erhebliche Rüstungsdynamik” (Sauer) bzw. einen “qualitativen 
Rüstungswettlauf” (Altmann) in Gang gesetzen haben; dass Drohnen 
“autonomer” werden und sich ihre “Einsatz- und Funktionsbreite” 
erweitert (Singer), dass bewaffnete Drohnen “eine massive und permanente 
Bedrohung im Alltagsleben der Zivilist/innen dar[stellen]” (Weber). Auch 
die drohende Entparlamentarisierung wird am Beispiel des Libyen-Krieges, 
wo mit der Begründung, wegen des “fast ausschließlichen Einsatz[es] hoch 
fliegender Kampfflugzeuge und Kampfdrohnen seien amerikanische 
Soldatinnen und Soldaten praktisch nicht gefährdet” (Schörning) eine 
Zustimmung der Legislative als obsolet erachtet wurde ebenso 
thematisiert, wie die Tatsache, dass bislang durch Drohnen 
“Geheimdienstmitarbeiter oder Industrievertreter [verstärkt] in die 
Tötung von Konfliktteilnehmern involviert werden” (Dickow und Linnenkamp).

Von einer “Totalisierung des Raumes der Kriegsführung” und seiner 
Überwachung aus einer “quasi göttlichen Perspektive” und einer drohenden 
“Playstation-Mentalität” und “Dehumanisierung” der Feinde (Weber) ist 
die Rede. Die “erheblichen psychischen Probleme” (Kurz und Rieger) der 
Drohnenpilot_innen werden ebenso angesprochen, wie die vermeintliche 
Präzision der Waffen infrage gestellt wird. Die Technik-Philosophin 
Jutta Weber meint sogar, dass “gerade diese Präzisionswaffen – wie zum 
Beispiel Roboter-drohnen für gezielte Tötungen – mehr zivile 
‘Kollateralschäden’ als traditionelle Bombardements” verursachen würden, 
“gerade weil die Rhetorik der ‘Präzision’ dem militärisch-politischen 
Komplex die nötige Rechtfertigung gibt, um explosives Material auch in 
zivilen Umgebungen einzusetzen”.

Eine große (und problematische) Rolle spielt in verschiedenen Beiträgen 
auch die Tatsache, dass das “amerikanische Drohnenmonopol” enden wird 
oder längst geendet hat (Singer) und auch “nicht-staatliche Akteure, 
welche sich nicht an die Regeln des bewaffneten Konflikts gebunden sehen 
oder diese bewusst missachten, Zugang zu dieser Technik erlangen” 
könnten und bereits erlangt haben (Stroh). Der (Ab-)Rüstungsexperte 
Altmann sieht in der zunehmenden Automatisierung, die nach Dickow und 
Linnenkamp sogar “zwangsläufig” aus der Nutzung bewaffneter Systemen 
folgt, “Gefahren bis zur Auslösung von Nuklearkrieg”, etwa wenn “sich 
zwei Flotten unbemannter Kampfflugzeuge an einer Grenze oder in 
internationalem Luftraum gegenseitig intensiv beobachten” würden und 
“auf automatische Reaktion programmiert” wären. Kurz, so lassen sich die 
Beiträge – bis auf Münkler, der “[p]ostheroische Gesellschaften” zur 
Vorsicht mahnt, wenn “sie über die Ethik des Krieges sprechen” – 
zusammenfassen, wird festgestellt, “dass bewaffnete unbemannte Fahrzeuge 
in verschiedener Hinsicht Gefahren mit sich bringen, deren Entwicklung 
man nicht einfach tatenlos zusehen sollte. Im Gegenteil, die 
internationale Gemeinschaft sollte sich bemühen, die Gefahren durch 
vereinbarte und unilaterale Beschränkungen einzudämmen.” (Altmann)


Expertismus

Zwischen diesen beiden Sätzen tut sich die Lücke auf, die das Problem 
des Bandes darstellt. “Man” sollte nicht tatenlos zusehen, handeln aber 
kann nur “die internationale Gemeinschaft”. Die genannten Argumente 
werden vorgebracht mit Formulierungen wie “dürfte vielen Menschen kaum 
bewusst gewesen sein …” (Kurz und Rieger), und: “für die Folgen einer 
solchen Taktik und Technologie scheint sich kaum jemand zu interessieren 
“(Weber). Von den Expert_innen wird eine Debatte eingefordert, über 
deren Stand sich die Autor_innen uneins sind, außer dass sie Defizite 
erkennen. “Endlich ist die Debatte über (Un)Sinn und Zweck des Einsatzes 
von bewaffneten Drohnen auch in Deutschland angekommen. Das ist gut 
so!”, beginnt Niklas Schörnig seinen Beitrag mit dem Untertitel: “Die 
Debatte über bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr steht erst am Anfang” 
, Dickow und Linnenkamp zufolge fehlt bislang eine “Debatte darüber, 
welche ethischen Konsequenzen der Trend zur automatisierten 
Kriegsführung hat” und sowohl Peter W. Singer vom Brookings Institute, 
Kurz und Rieger vom Chaos Computer Club und Niklas Schörnig von der 
Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung halten es für nötig, 
zu versichern, “dass es sich bei moderner Militärtechnik eben nicht mehr 
um ‘Science Fiction’, sondern längst um Realität handelt”, wie es 
Schörning ausdrückt. Sein Beitrag endet dann auch mit der Aufforderung 
“Aber sie [die Debatte] muss breiter geführt werden!”.

Wie breit die Debatte bereits geführt wird, dafür scheinen alle 
Autor_innen den Blick verloren zu haben. In der Vielfalt ihrer 
wissenschaftlichen Verortungen, konkreten Positionierungen und dem 
jeweiligen Expertismus widerspricht der Band selbst der These einer 
defizitären oder fehlenden Debatte zumindest auf Ebene der Eliten, die 
Defizite werden hingegen hinsichtlich einer “breiteren”, “informierten” 
oder allgemeinen “Öffentlichkeit” gesehen. Wer hingegen schon einmal 
Unterschriften für den Appell “Keine Kampfdrohnen” oder die Kampagne 
“gegen die Etablierung der Drohnentechnologie für Krieg, Überwachung und 
Unterdrückung” gesammelt hat, weiss, dass die genannten Argumente einem 
Großteil der zumindest interessierten Öffentlichkeit längst und 
substantiell bekannt sind. Insofern ist der Band ein erfrischendes 
Gegengewicht zur Argumentation der Drohnen-Befürwortenden, die der 
öffentlichen Diskussion allzu gerne Hysterie und zuviel Emotionalität 
attestieren – auf seine Art entmündigend ist er dennoch. Diese Kampagne, 
welche die aufgezählten Argumente längst genannt hat und in ihrem 
Newsletter 
(http://drohnen-kampagne.de/standpunkte-argumente/aktuelles-ende/) 
regelmäßig und deutlich aktueller substantiiert, wird im gesamten Band 
nicht einmal erwähnt – obwohl etwa der Bundesvorstand der bekanntlich 
der Böll-Stiftung nahestehenden Partei sowie der Chaos Computer Club 
Unterzeichner_innen ihres Appells sind. Das ist nicht nur ein 
politisches, sondern auch ein analytisches Problem: Von vielen 
Autor_innen sicherlich ungewollt führt die Negierung der bereits 
stattfindenden Debatten – ganz abgesehen von konkreten Aktionen und 
Interventionen – zu einer katastrophalen Einengung der 
Handlungsoptionen, die letztlich ausschließlich auf den Ebenen 
internationaler Abkommen und des internationalen Rechtes gesehen werden 
– also den Verhandlungen zwischen Staaten, die in der Entwicklung der 
Drohnentechnologie und ihrem Einsatz führend sind. Erstaunlich ist das 
etwa, wenn Constanze Kurz und Frank Rieger, beide Sprecher_innen des 
Chaos Computer Club, der den Menschen zahlreiche Instrumente liefert, um 
sich gegen Überwachung zu wehren, in einem frappierenden Fatalismus 
feststellen, wie die Zivilbevölkerung in der “Logik des Cyberkrieges 
ganz selbstverständlich … als Geisel genommen und ihre zivile 
Infrastruktur Schlachtfeld und unreguliertes Operationsgebiet wird”, 
ohne einen Ton dazu zu verlieren, wie sich die Menschen dagegen 
individuell oder kollektiv wehren oder zumindest davor schützen können. 
Auch der in der Friedensbewegung verortete Altmann gibt einer möglichen 
sozialen Bewegung eher unabsichtlich Hinweise für mögliche Forderungen, 
wenn er die möglichen Anwendungen bestehender Rüstungskontrollregime auf 
Drohnen andeutet. Zugleich denkt er aber bei zukünftigen Regimen die 
Kompromisse zwischen den in der Drohnentechnologie vorangehenden und 
kriegführenden Staaten gleich mit, die für eine Bewegung von Unten kaum 
anschlussfähig scheinen. So wird bereits für das vermeintlich 
wünschenwerteste, aber als wenig realistisch eingeschätzte 
internationale Regime festgehalten: “Unbewaffnete Fahrzeuge für 
Aufklärung, Kommunikation usw. wären nicht betroffen. Schon eingeführte 
Systeme mit Automatikmodus (z.B. zur Flugabwehr oder 
Schiffsverteidigung), bei denen menschliche Reaktion zu langsam wäre, 
sollten ausgenommen werden.”


Negierung politischer Gestaltungsräume

Es wird in dem Band vehement eine Debatte eingefordert, deren Zweck so 
letztlich unbestimmt bleibt und deren Ergebnisse dadurch in der Summe 
(von den Autor_innen tw. sicher nicht so gewünscht) vorbestimmt 
erscheinen: Aufklärungsdrohnen für alle Staaten, bewaffnete Drohnen für 
manche und die Automatisierung von Tötungen nach Möglichkeit weitgehend 
regulieren. Das entspricht letztlich frappierend dem technologischen 
Stand, den “realpolitischen” Möglichkeiten Deutschlands und dem 
transatlantischen Elitendiskurs, der die Kampagne “Stop Killer Robots” 
von Human Rights Watch in den Mittelpunkt stellt (die mehrfach im Band 
angesprochen wird). Als schlagendstes Argument erscheint dabei in der 
Summe die drohende Proliferation der Drohnentechnologien an 
nichtstaatliche Akteure, weil es eben ein Argument ist, das auch bei den 
bereits jetzt Drohnen militärisch nutzenden Staaten selbst Interesse an 
einer Regulierung hervorrufen könnte. Durch die Fokussierung auf 
internationale Abkommen und Verrechtlichung bringt die Böll-Stiftung mit 
ihrem Band weitergehende Forderungen tendenziell zum Schweigen, obwohl 
auch für diese Handlungsoptionen bestehen. Auch die einzelnen 
Autor_innen vermitteln eher den Eindruck einer unaufhaltsamen 
technischen Eigendynamik, über die die Menschen zwar diskutieren, die 
sie aber kaum beeinflussen oder gar aufhalten können. Die von den 
meisten im Prinzip wahrscheinlich geteilte Feststellung, “dass soziale 
und politische Entwicklungen … ebenso entscheidend wie der technische 
Fortschritt” zum rapide zunehmenden Einsatz von Militärdrohnen 
beitragen, wird somit nur von Frank Sauer, Politikwissenschaftler an der 
Universität der Bundeswehr München, formuliert. Letzlich sind es gerade 
die Autoren der der Bundesregierung nahestehenden “Stiftung Wissenschaft 
und Politik”, welche mit ihrer Beschreibung der auf verschiedenen Ebenen 
in nächster Zeit zu treffenden politischen Entscheidungen greifbare 
Ansatzpunkte für parlamentarische und außerparlamentarische 
Interventionen nennen. Indem sie immerhin die Möglichkeit sehen, dass 
Deutschland auf Kampfdrohnen verzichten und “Fähigkeitseinschränkung … 
bewusst hingenommen” werden könnten, wirkt ihr realpolitischer, auch 
Fragen der Wettbewerbsfähigkeit, der zivilen Markpotentiale und der 
Exportchancen einbeziehender Beitrag letzlich noch am optimistischsten. 
Vor allem wenn man ergänzen würde, dass diese Entscheidung nicht der 
Bundesregierung allein überlassen, sondern durch öffentlichen Druck 
erzwungen werden können. Auch hier wäre der Hinweis angebracht, dass die 
Kampagne “gegen die Etablierung der Drohnentechnologie für Krieg, 
Überwachung und Unterdrückung” die heute regierende SPD im Wahlkampf mit 
ihren Wahlprüfsteinen auf eine zurückhaltende Position zur Anschaffung 
bewaffneter Drohnen festgelegt hat und der SPD-Jugendverband – 
wohlgemerkt: nach der Regierungsübernahme durch die große Koalition – 
den Appell “Keine Kampfdrohnen” ebenso wie beide im Bundestag 
vertretenen Oppositionsparteien unterzeichnet hat. Ein bewusster 
Verzicht Deutschlands auf Kampfdrohnen und die mit ihnen verbunde 
Kriegführung könnte auch auf europäischer Ebene zumindest bremsend 
wirken und die Begehrlichkeiten in dieser Technologie weniger 
entwickelter Staaten drosseln. Er würde auch dazu beitragen, die 
Drohnenkriegführung der USA nicht zum neuen Völkergewohnheitsrecht 
werden zu lassen.


Auch Drohnen müssen landen

Ähnliches gilt für eine klare juristische Haltung gegenüber der Politik 
der gezielten Tötungen. Wie in den vergangenen Monaten v.a. durch 
mutigen Journalismus deutlich wurde, steuern die USA ihre 
Drohnenkriegführung wesentlich über Einrichtungen in der Bundesrepublik. 
Das Grundgesetz verbietet die Führung oder Vorbereitung eines 
Angriffskrieges von Deutschland aus und auch die teilweise klaren 
Verstöße gegen das Völkerrecht in dieser Kriegführung böten ausreichend 
Anlässe, die entsprechenden Einrichtungen von heute auf morgen zu 
schließen. Das Buch “Geheimer Krieg” von Christian Fuchs und John Goetz 
jedenfalls legt nahe, dass eine Schließung dieser Basen (oder auch das 
Kappen eines Glasfaserkabels von Deutschland in die USA) die 
US-Drohnenkriegführung mit einem Schlag unmöglich machen würde. 
Natürlich ist das aus bündnispolitischen Erwägungen von der 
Bundesregierung nicht zu erwarten und werden gegenwärtig Ersatzsysteme 
u.a. in Italien eingerichtet. Zugleich aber zeigen sich sowohl in 
Deutschland als auch in Italien und international wieder wachsende 
Bewegungen gegen diese Militäreinrichtungen. Ihr rechtlicher Stand ist 
darüberhinaus so prekär, dass einfache Beschlüsse eines 
Verwaltungsgerichts theoretisch zu ihrer Schließung führen könnte. 
Ähnliches gilt auch schon für die Ausbildung: Bundeswehrsoldaten wurden 
bislang in Israel und Afghanistan in der Bedienung der Heron-I-Drohnen 
ausgebildet, weil das in Deutschland luftfahrtrechtlich nicht möglich 
ist. Zwar werden hier wiederum – eng beschränkt auf gesperrten Luftraum 
– Übungsflüge der US-Armee mit Drohnen des Typs Raven, Hunter und Shadow 
durchgeführt, aber auch dagegen regt sich Widerstand: Die Friedens- und 
Bürgerinitiativen “Keine Drohnen in der Oberpfalz”, “Umwelt und 
Truppenübungsplatz” sowie die Ansbacher Bürgerinitiative “Etz langt´s!” 
haben sich zusammengeschlossen, um gemeinsam mehr Druck auf das 
Bundesverteidigungsministerium auuszuüben, die Stationierung von 
Kampfdrohnen in Westmittelfranken zu untersagen.
Auch die Drohnen selbst fallen nicht vom Himmel. Wenn Schörning in 
seinem Debattenaufruf zutreffend schreibt, dass “in den Labors der 
Rüstungsfirmen und Universitäten … immer mehr Ressourcen in Autonomie 
[von Waffensystemen] investiert ” werden, dann wäre auch hier ein 
Hinweis auf die Debatten um Zivilklauseln an Universitäten zu ergänzen. 
Die Vehemenz mit der etwa die Rüstungsindustrie auf diese reagiert und 
die umfassenden Bemühungen, wissenschaftlichen Nachwuchs an die 
Drohnenthematik heranzuführen und an sich zu binden, weist zumindest 
darauf hin, dass auch hier Potentiale bestehen, die Proliferation und 
die Weiterentwicklung der Technologien, vor denen die Autor_innen 
warnen, zumindest zu entschleunigen. Technik wird von Menschen gemacht 
und von Organisationen, in denen Menschen tätig sind. Dass die Debatte 
über Drohnen an all diesen Orten – vom Parlament über die Standorte bis 
zu den Universitäten – geführt wird und bereits konkrete 
Auseinandersetzungen hervorgebracht hat, wird von den Autor_innen und 
Herausgebern des Bandes vollkommen übersehen.


Frieden keine Option

Und noch ein letzter blinder Fleck sei genannt: Weltordnung, 
Konfliktkonstellationen und Formen der Kriegführung, welche die aktuelle 
Drohnentechnologie hervorgebracht haben und ihre Weiterentwicklung 
bestimmen, werden im Band entweder gar nicht angesprochen oder 
gewissermaßen überhistorisch auch für die Zukunft vorausgesetzt. Am 
frappierendsten zeigt sich das am Beispiel Afghanistan, wo der 
NATO-Truppenabzug bereits anstand, als die Beiträge verfasst wurden. Das 
Stationierungsabkommen, das auch darüber entscheiden wird, wie und ob 
die USA dort und in Pakistan weiter “gezielte Tötungen” werden 
durchführen können, ist bis heute nicht ausgehandelt. Einzig Schörning 
spricht diesen Aspekt an, wenn “vor dem Hintergrund des Abzugs deutscher 
Truppen aus Afghanistan” für Deutschland die Frage aufwirft, “wo die 
Bundeswehr denn zukünftige Einsatzszenarien deutscher Bodentruppen 
sieht, die die Beschaffung von Kampfdrohnen rechtfertigen”.
Natürlich war absehbar, dass sich die NATO und ihre Verbündeten neue 
Einsatzgebiete auch für ihre Drohnenkriegführung erschließen würden, wie 
es nun von Mali, über Niger und die Zentralafrikanischen Republik bis 
nach Somalia offensichtlich der Fall ist. Wenn diese Einsätze aber ihre 
proklamierten Stabilierungs- oder gar Demokratisierungsziele erreichen 
würden, so würden dort souveräne Staaten entstehen, die sich gezielte 
Tötungen durch Drittstaaten auf ihrem Territorium sicher verweigern 
würden. Das mag spitzfindig wirken, wer aber diese Fragen nicht bereit 
ist zu stellen, der hat die Politik, ganze Erdteile zum Schauplatz eines 
geheimdienstlich und drohnengestützten Krieg gegen den Terroro zu 
machen, längst akzeptiert – und braucht dann eigentlich über die 
Drohnentechnologie auch nicht mehr zu debattieren. Auch Politik wird von 
Menschen und Organisationen gemacht und ist veränderbar.


Debatten anregen oder abwürgen

Der Band “High-Tech-Kriege – Frieden und Sicherheit in den Zeiten von 
Drohnen, Kampfrobotern und digitaler Kriegsführung” der 
Heinrich-Böll-Stiftung versammelt die wichtigsten Argumente, ist aber 
angesichts der in ihm beschriebenen, drohenden Entwicklungen deutlich zu 
mutlos. Er droht damit auch die Leser_innen zu entmutigen und die 
eingeforderte Debatte gleich wieder abzuwürgen, indem er mögliche 
Handlungsoptionen nicht einmal andeutet. Das ist nicht primär den tw. 
engagierten Autor_innen vorzuwerfen, den Herausgebenden allemal. Ein 
Beitrag über die im Entstehen begriffenen Bewegungen gegen die 
Drohnenkriegführung zumindest in Pakistan, den USA und Europa wäre 
zwingend erforderlich gewesen, ebenso eine Reflexion über die 
zugrundliegende Weltordnung. Die aber scheint ebenso unhinterfragbar, 
wie die weitere technologische Entwicklung. Den Menschen scheint nur die 
Hoffnung zu bleiben, dass sich die mächtigen Regierungen einigen und 
dafür auf die Gefahr der Proliferation hinzuweisen. Die “quasi-göttliche 
Perspektive”, die den Drohnen zugeschrieben wird, scheint ihnen und 
ihrer Weiterentwicklung selbst einen göttlichen, unhinterfragbaren 
Charakter verliehen und zu einem tiefen Gefühl der Machtlosigkeit 
beigetragen zu haben. Zugleich zeigt der Band, wie leicht Dinge durch 
Experten – und wahrscheinlich auch durch Drohnen – übersehen werden 
können: In diesem Fall die vielen kleinen Widerständigkeiten und 
Auseinandersetzungen, die eine scheinbar erst beginnende Debatte bereits 
hervorgebracht hat.

Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg.): “Hightech-Kriege” – Frieden und 
Sicherheit in Zeiten von Drohnen, Kriegsrobotern und digitaler 
Kriegsführung”, Schriften zur Demokratie
Erscheinungsdatum: Dezember 2013
http://www.boell.de/sites/default/files/endf_high-tech-kriege.pdf



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