[IMI-List] [0408] IMI-Kongress am Wochenende / Schwarz-Rote Kriegspolitik

IMI imi at imi-online.de
Mi Nov 13 13:54:19 CET 2013




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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0408 .......... 16. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Thomas Mickan/ Jonna Schürkes
Abo (kostenlos).. https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List findet sich

1.) Noch einmal die herzliche Einladung zum IMI-Kongress am kommenden 
Wochenende;

2.) Ein Artikel zu den aktuellen Koalitionsverhandlungen und der 
künftigen Schwarz-Roten Kriegspolitik.


1.) IMI-Kongress 16./17. November (Auftaktveranstaltung Freitag 15. 
November)
Krieg um die Köpfe? Über die Mobilisierung von Zustimmung und die 
Demobilisierung von Protest

Schlafplätze (mit Schlafsack) können wir vermitteln, aber bitte meldet 
Euch dafür im IMI-Büro, damit wir das koordinieren können 
(imi at imi-online.de).

Der IMI-Kongress beginnt wie immer am Freitag-Abend mit einer geselligen 
Auftaktveranstaltung mit
Vokü/Küfa ab 19:00 Uhr in der Hausbar der Schellingstrasse 6: 
Anschließend, nachdem wir uns gestärkt haben:

"The Front-Show: Stars und Sternchen für den Krieg" mit Michael Schulze 
von Glaßer.


Samstag (Tübingen, Schlatterhaus, Österbergstr. 2):

12:00 – 12:10: Begrüßung
12:10 – 12:30: Einführung: Die Drohnendebatte und der Krieg um die Köpfe

12:30 – 13:45: Die mediale Konstruktion von Bedrohung und die 
Normalisierung von Krieg (Claudia Haydt)

14:00 – 15:15: Alles ist Front: Die Militarisierung von Forschung und 
Wissenschaft (Frank Reichherzer)

15:45 – 17:00: Rüstungs- und „Sicherheitsindustrie“: 
Rechtfertigungsstrategien einer „bedrohten“ Branche (Malte Lühmann)

17:15 – 19:00: Podium: Banale Militarisierung: Ehrenmäler und Orden, 
Kindertagesstätten und Schulbücher (Thomas Mickan, Jonna Schürkes und 
Frank Brendle)

19:30 – 21:00: Workshops
- Schulterschluss zwischen Militär und Gewerkschaften?
- Bundeswehr an Schulen
- Militarisierung der Hochschulen
- Feministische Drohnenkritik

Sonntag (Tübingen, Schlatterhaus, Österbergstr. 2):

09:30 – 11:00: Das Kommando Territoriale Aufgaben: Einsatz und 
Desinformation an der „Heimatfront“ (Martin Kirsch)

11:15 – 12:45: Polizei und Geheimdienste als Linienrichter der 
sicherheitspolitischen Debatte (Heiner Busch und NN)

13:00 -14:30: Das neue Bild vom Krieg: Schwierigkeiten und Perspektiven 
der antimilitaristischen Bewegung (Johannes Becker und Tobias Pflüger)

Der Kongress wird unterstützt von: Friedensplenum/Antikriegsbündnis 
Tübingen, DFG-VK Tübingen, attac Tübingen, Rosa-Luxemburg-Stiftung Baden 
Württemberg

Alle weiteren Infos: 
http://www.imi-online.de/2013/08/30/imi-kongress-16-17-november-2013/


2.) Artikel: Schwarz-Rote Weltmachtambitionen

IMI-Standpunkt 2013/065
Verantwortung zum Krieg: Schwarz-Rote Weltmachtambitionen
http://www.imi-online.de/2013/11/07/3956/
Jürgen Wagner (Update 13. November 2013)

Auf etwa einem Dutzend Seiten haben die Verhandlungsführer von CDU/CSU 
und SPD während der aktuellen Koalitionsverhandlungen die Marschroute 
für die künftige Außen- und Militärpolitik niedergeschrieben. Laut der 
FAZ (6.11.2013), die sich auf Quellen aus dem Verhandlungskreis beruft, 
sei man sich darin in den meisten Punkten einig: „In der Außenpolitik 
haben die Koalitionsunterhändler […] fast vollständig vom selben Blatt 
gesungen. Die Positionen und Standpunkte […] unterscheiden sich nur noch 
in ganz wenigen Punkten.“

Als wesentlichen „Fortschritt“ zu früheren Schwarz-Roten Papieren macht 
der Artikel die inzwischen offen reklamierten Großmachtambitionen aus: 
„Einen Unterschied zum Koalitionsfundament des Jahres 2005 markiert die 
außenpolitische Präambel des aktuellen Entwurfes. Die Formulierungen 
markieren einen Abschied von der Kultur außenpolitischer Zurückhaltung, 
die frühere Grundsatztexte prägte. Stattdessen haben die Teilnehmer, wie 
es aus der Verhandlungsrunde heißt, eine selbstbewusste Rolle 
Deutschlands beschrieben, die mit dem Bekenntnis beginnt, die 
Bundesregierung wolle die globale Ordnung aktiv mitgestalten.“

Natürlich kommen diese Töne nicht aus dem Nichts, worauf etwa 
German-Foreign-Policy.com (7.11.2013) hinweist: „Die offensiven 
Ankündigungen des gemeinsamen Strategiepapiers knüpfen unmittelbar an 
jüngste Vorstöße aus Berlin an, die in den vergangenen Wochen ein 
deutlich stärkeres deutsches Ausgreifen in alle Welt gefordert haben.“ 
Neben zahlreichen Journalisten wie etwa Klaus-Dieter Frankenberger 
(IMI-Aktuell 2013/232) oder Sicherheitsexperten wie Markus Kaim 
(IMI-Aktuell 2013/226), die die – angebliche – „Kultur der 
Zurückhaltung“ geißelten, erwies sich vor allem auch Bundespräsident 
Joachim Gauck als Wegbereiter des neuen deutschen Weltmachanspruches, 
wie German-Foreign-Policy.com betont: „In enger Abstimmung mit dem 
außenpolitischen Establishment in der deutschen Hauptstadt hat etwa 
Bundespräsident Joachim Gauck in seiner Rede zum diesjährigen 
Nationalfeiertag erklärt, Deutschland sei ‚bevölkerungsreich, in der 
Mitte des Kontinents gelegen und die viertgrößte Wirtschaftsmacht der 
Welt‘; er lehne es ab, ‘dass Deutschland sich klein macht.‘"

Zuletzt übernahm ein von 50 führenden Vertretern des außenpolitischen 
Establishments erstelltes Papier nahezu wortgleich diesen Gedanken. Der 
vielsagende Titel des von „Stiftung Wissenschaft und Politik“ und 
„German Marshall Fund“ veröffentlichten Papiers lautet: „Neue Macht - 
Neue Verantwortung“. In dem zwischen November 2012 und September 2013 
erarbeiteten Pamphlet heißt es etwa: „Deutschland war noch nie so 
wohlhabend, so sicher und so frei wie heute. Es hat – keineswegs nur 
durch eigenes Zutun – mehr Macht und Einfluss als jedes demokratische 
Deutschland vor ihm. Damit wächst ihm auch neue Verantwortung zu.“ 
Deutschland habe ein großes Interesse an der Aufrechterhaltung der 
internationalen Ordnung und habe hierfür als eine der Führungsmächte des 
Systems künftig größere Verantwortung zu tragen, so die Kernaussage des 
Papiers. Ein Dissens herrschte zwischen den einzelnen an der Erstellung 
des Papiers beteiligten Exponenten deutscher Großmachtambitionen dabei 
lediglich, ob militärische Gewalt ausschließlich mit einem Mandat der 
Vereinten Nationen ausgeübt werden dürfe oder – natürlich nur im 
„Ausnahmefall“ – auch ohne. Über die grundsätzliche Frage, dass nämlich 
Störer des für Deutschland so hochprofitablen Systems gegebenenfalls 
militärisch zur Ordnung gerufen werden müssen, herrschte traute 
Einigkeit: „Da aber, wo Störer die internationale Ordnung in Frage 
stellen; wo sie internationale Grundnormen (etwa das Völkermordverbot 
oder das Verbot der Anwendung von Massenvernichtungswaffen) verletzen; 
wo sie Herrschaftsansprüche über Gemeinschaftsräume oder die kritische 
Infrastruktur der Globalisierung geltend machen oder gar diese 
angreifen; wo mit anderen Worten Kompromissangebote oder 
Streitschlichtung vergeblich sind: Da muss Deutschland bereit und 
imstande sein, zum Schutz dieser Güter, Normen und 
Gemeinschaftsinteressen im Rahmen völkerrechtsgemäßer kollektiver 
Maßnahmen auch militärische Gewalt anzuwenden oder zumindest glaubwürdig 
damit drohen zu können.“

All diese Überlegungen flossen nun in die Koalitionsverhandlungen ein, 
wobei nicht der Fehler begangen werden sollte zu denken, die SPD müsste 
hier zum Jagen getragen werden, wie etwa der Tagesspiegel (05.11.2013) 
betont: „Zur Vorgeschichte des offensiven Ansatzes gehört, dass die SPD 
in den vergangenen vier Jahren immer wieder kritisiert hatte, die 
Außenpolitik unter Minister Guido Westerwelle (FDP) bleibe unter ihren 
Möglichkeiten und nutze in Konflikten wie Iran, Naher Osten und Syrien 
ihren Handlungsspielraum und ihren potenziellen Einfluss nicht aus.“[1] 
Verhandlungsführer für die CDU ist Verteidigungsminister Thomas de 
Maizière, der schon im Mai 2011 in seiner „Rede zur Neuausrichtung der 
Bundeswehr“ die heutige Marschroute vorgab, als er sagte, der „Einsatz 
von Soldaten“ könne auch dann erforderlich sein, „wenn keine 
unmittelbaren Interessen Deutschlands erkennbar sind. Für andere 
demokratische Nationen ist so etwas längst als Teil internationaler 
Verantwortung selbstverständlich. Wohlstand erfordert Verantwortung.“

Doch dieses Gerede von der – militärisch umzusetzenden – internationalen 
Verantwortung ist nichts anderes als der wenig verklausulierte Versuch, 
mit der „Kultur der Zurückhaltung“ zugunsten einer auf Gewalt gestützten 
Weltmachtpolitik endgültig aufzuräumen. So schreibt etwa der 
Politikprofessor Gunther Hellmann in einem Beitrag für die 
Internationale Politik, nach eigenem Bekunden „Deutschlands führende 
außenpolitische Zeitschrift“, über die machtpolitischen Hintergründe 
dieser Verantwortungsrhetorik: „Deutschland, so heißt es, hat 
‚Führungsverantwortung‘ zu übernehmen. Eine ‚Kultur der Zurückhaltung‘, 
wie sie in Bonner Zeiten verstanden wurde, ist mit einer derart 
gewachsenen außenpolitischen ‚Verantwortung‘ nicht mehr vereinbar, sei 
es im Kontext der EU oder in Afghanistan. […] Berlin sagt ‚Verantwortung 
übernehmen‘, meint aber ‚Macht ausüben‘.“


[1] Westerwelle setzte sich in einem Interview in der Welt (10.11.2013) 
mit dieser Kritik auseinander und hielt ihr entgegen: „Ich bin in meinem 
politischen Leben oft dafür kritisiert worden, dass ich mich mehrmals 
gegen eine deutsche Beteiligung an militärischen Interventionen gestellt 
habe. Aber wie ist denn heute die Lage im Irak? Oder in Libyen? Ich kann 
nicht sehen, warum eine politische Reifung des wiedervereinigten 
Deutschlands mit mehr militärischen Interventionen einhergehen muss. 
Politische und diplomatische Lösungen haben für mich Vorrang. Wir 
sollten bei der Kultur der militärischen Zurückhaltung bleiben. Deutsche 
Außenpolitik ist Friedenspolitik. Die Pickelhaube steht uns nicht.“


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