[IMI-List] [0409] BW-Gesellschaftsoffensive / Kongressbericht / Englische Rüstungsexportbroschüre

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Do Nov 28 17:02:09 CET 2013


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Online-Zeitschrift "IMI-List"

Nummer 0409 .......... 16. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563

Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.

Red.: IMI / Thomas Mickan/ Jonna Schürkes

Abo (kostenlos).. https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list

Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3

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Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List findet sich

1.) Der Hinweis auf den Bericht zum diesjährigen IMI-Kongress;

2.) Der Hinweise auf eine englische Broschüre zu EU-Rüstungsexporten;

3.) Ein Artikel zur jüngsten Bundeswehr-Gesellschaftsoffensive.

1.) IMI-Kongressbericht 2013: Krieg um die Köpfe

Der diesjährige IMI-Kongress am 16./17. November 2013 war aus unserer 
Sicht sehr gelungen. Nicht nur dass mit über 150 Leuten bereits bei der 
Anfangsveranstaltung ein Besuchsrekord zu verzeichnen war, vor allem 
auch die vielen positiven Rückmeldungen, insbesondere, dass das 
Wochenende viele Anregungen und Motivation für Gegenaktivitäten gebracht 
hätte, haben uns sehr gefreut. An dieser Stelle möchten wir allen, die 
auf die ein oder andere Art zum Erfolg des Kongresses beigetragen haben, 
herzlich danken. Für diejenigen, die nicht am Kongress teilnehmen 
konnten, haben wir einen ausführlichen Bericht angefertigt, der sich 
hier finden lässt: 
http://www.imi-online.de/2013/11/28/imi-kongressbereicht-2013-krieg-um-die-koepfe/

2.) Englische Broschüre zu EU-Rüstungsexporten

Die Broschüre EUropas Rüstungsexportoffensive ist soeben auch auf 
Englisch erschienen. Sie kann hier heruntergeladen werden: 
http://www.imi-online.de/2013/11/28/europe-exporting-arms-the-offensive-way/ 


Die Studie erschien in Zusammenarbeit mit der Europaabgeordneten Sabine 
Lösing und kann deshalb gratis in Print bestellt werden: 
europabuero-loesing at web.de <mailto:europabuero-loesing at web.de>

3.) Artikel zur jüngsten Bundeswehr-Offensive

IMI-Standpunkt 2013/066

Die Bevölkerung auf Kriegskurs bringen

Offensive zur Militarisierung von Schulen und Universitäten

http://www.imi-online.de/2013/11/25/die-bevoelkerung-auf-kriegskurs-bringen/ 


Michael Schulze von Glaßer (25. November 2013)

Die Debatten um die Anwesenheit von Bundeswehr-Soldaten an Schulen und 
die Militärforschung der deutschen Armee an Universitäten brodeln schon 
seit Jahren. Besonders die seit 2008 unterzeichneten 
Kooperationsvereinbarungen zwischen der Bundeswehr und den 
Schulministerien von mittlerweile acht Bundesländern haben Kritiker 
dieser fortschreitenden Militarisierung auf den Plan gerufen. An 
Universitäten streiten Studierende mit so genannten "Zivilklauseln" 
gegen den zunehmenden Einfluss des Militärs in den Bildungseinrichtungen.

Als Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) im April diesen 
Jahres an der Berliner Humboldt-Universität zur "Armee der Einheit -- 
Der Beitrag der Bundeswehr zum gesellschaftlichen Zusammenhalt" einen 
Vortrag halten wollte, wurde er von protestierenden Studenten so lange 
unterbrochen bis er die Veranstaltung schließlich abbrach.[1] Letztlich 
war es aber wohl die diesjährige Auszeichnung zweier Schulen, die sich 
gegen Besuche von Soldaten verwehren, mit dem renommierten "Aachener 
Friedenspreis", der für die Militärs und ihre Befürworter das Fass zum 
überlaufen brachte.[2]

Militaristische Offensive

Seit die Kritik am Agieren der Bundeswehr zunimmt, wird Sturm gegen alle 
gelaufen, die sich für friedliche Bildung und Forschung einsetzen. Waren 
es vor einigen Monaten noch Kolumnisten, die aus eigenem Antrieb für das 
Militär in die Bresche sprangen, kommen nun immer mehr Soldaten und 
Politiker prominent und direkt zu Wort. Thomas de Maizière appelliert 
aktuell im Online-Angebot der Tageszeitung Die Welt an den designierten 
Koalitionspartner SPD, auch in den sozialdemokratisch regierten 
Bundesländern weitere Kooperationsverträge zwischen Armee und 
Schulministerien abzuschließen.[3] Auf die Schulen angesprochen, die 
Soldaten den Zugang verwehren, sagte der Minister in dem gefilmtem 
Interview: "[E]in offener Boykott, eine offene Ausladung ist nicht 
hinzunehmen, und dafür brauchen wir öffentliche Unterstützung daß das 
nicht stattfindet und die Koalitionsvereinbarung stellt das jetzt 
sicher." Zum Vorfall an der Humboldt-Universität meinte de Maizière, 
dass zu einer"Diskussionskultur an einer wissenschaftlichen Universität" 
auch gehöre "sich ausreden" zu lassen sowie zuzuhören und strittiges zu 
diskutieren: "Die Verweigerung eines Dialoges ist nicht universitär."

Nachdem in der Wochenzeitung DIE ZEIT in den vergangenen Ausgaben 
mehrfach ganzseitige Anzeigen für die Bundeswehr geschaltet waren, 
durfte sich nun der Offizier Dominik Wullers über die Kritik an der 
Anwesenheit der Armee in Bildungseinrichtungen empören.[4] Der Soldat 
bemängelt in seinem Gastbeitrag, dass die "dogmatische Ideologie des 
bedingungslosen Pazifismus mit Steuergeld verbreitet" werde. Denn nichts 
anderes passiere, "wenn schon die Diskussion mit Soldaten als böse und 
falsch verweigert" werde. Für Wullers ist es ein "Skandal", dass die 
Mehrheitsmeinung des Parlaments, die von den Soldaten vertreten werde, 
an manchen Schulen ausgeschlossen sei: "Dass niemand den Soldaten 
beispringt und alle zusehen, wie dieses demokratiefeindliche Verhalten 
sich breitmacht, ist es ebenfalls", so der Offizier und stellvertretende 
Vorsitzende des Vereins "Deutscher Soldat e.V.".

Sowohl Thomas de Maizière als auch Dominik Wullers verkennen die 
Realität, denn an Schulen und Universitäten dominieren Bundeswehr und 
Verteidigungsministerium. Während die Armee knapp einhundert so genannte 
Jugendoffiziere beschäftigt, die ausschließlich dazu dienen, junge 
Leuten an Schulen von der deutschen Armee und ihrem von der Politik 
gegebenen -- umstrittenen -- Auftrag zu überzeugen, haben die Kritiker 
der Bundeswehr kaum Ressourcen, um an Schulen zu gehen. Während etwa 
Jugendoffiziere seit Sommer 2011 in Rheinland-Pfalz 500 Schulbesuche 
verzeichnen können, waren ihre Kritiker in dem Bundesland im selben 
Zeitraum nur sechs Mal an Schulen aktiv.[5] Deutschlandweit haben 
aktuell nur neun Schulen in ihren Schulkonferenzen Beschlüsse gefasst, 
die Soldaten den Zugang in die Klassenzimmer untersagen.[6] Die 
Jugendoffiziere der Bundeswehr haben 2012 bundesweit knapp 4.900 
Veranstaltungen an Schulen und Universitäten durchgeführt und dabei über 
143.000 junge Menschen erreicht.[7] Hinzu kommen noch 300 nebenamtliche 
Jugendoffiziere und über 350 Bundeswehr-"Karriereberater", die ebenfalls 
oft an Schulen, aber auch an Universitäten aktiv sind. Das 
Verteidigungsministerium plant zudem allein für das Haushaltsjahr 2013 
fast 4,8 Millionen Euro für Forschungsprojekte an Hochschulen auszugeben 
und schafft damit einen enormen finanziellen Anreiz für die 
Bildungsstätten.[8]

"Selbstverständliche Propaganda"

Verteidigungsminister Thomas de Maizière und Offizier Dominik Wullers 
versuchen die Bundeswehr als Opfer in einer Debatte darzustellen, die 
sie selbst begonnen haben und anführen. Diese Debatte ist aber nur eine 
Reaktion von denjenigen, die eine Veränderung -- eine zunehmende 
Militärpräsenz -- in Bildungseinrichtungen nicht hinnehmen wollen. Der 
Normalzustand ist nicht, dass Soldaten in Schulklassen unterrichten. Und 
dass Hochschulen eine Verantwortung haben, jeden militärischen Einfluss 
kritisch zu hinterfragen, ist eine aus der Historie gewachsene Konsequenz.

Dass die Militärs und ihre Fürsprecher trotz des eher geringen 
Widerstands bereits Alarm schlagen zeigt, wie viel Angst sie vor einer 
Diskussion um die Anwesenheit der Bundeswehr in Bildungseinrichtungen 
haben -- denn die könnte schließlich auch zum Ergebnis haben, dass 
Bildungsarbeit nicht zum Repertoire der Armee gehören sollte. Immerhin 
bezieht die Bundeswehr dabei als eigentlich exekutives Staatsorgan zu 
politischen Fragen Stellung und legitimiert die aktuelle 
Sicherheitspolitik. Zudem wird die Ablehnung von Soldaten in Schulen 
nicht nur von Friedensgruppen gefordert, sondern auch -- wie Offizier 
Dominik Wullers richtig schreibt -- von der Lehrergewerkschaft GEW sowie 
-- was Wullers nicht schreibt -- von Elternverbänden, 
Schülervertretungen und Kinderrechtsorganisationen wie "terre des 
hommes" und "UNICEF Deutschland".[9]

Regierungs-Politikern und Armee-Angehörigen geht es nicht darum, eine 
offene Debatte zu führen, sondern der Bevölkerung und besonders schon 
jungen Leuten ihre Meinung aufzuzwingen: die Menschen in Deutschland 
sollen gefälligst Militärinterventionen im Ausland begrüßen und ihre 
Kämpfer unterstützen. Dazu werden Soldaten an Schulen geschickt und 
militärische Forschungsprojekte auch im geisteswissenschaftlichen 
Bereich finanziert. Und genau deshalb stoßen die Versuche, die 
Bevölkerung mit aller Macht -- und teilweise unlauteren Mitteln wie dem 
Werben für das Militär über die Ausnutzung kindlicher 
Technikbegeisterung[10] -- auf Kriegskurs zu bringen, auch auf 
berechtigten Widerstand.[11]

Nirgends wird dieser Zusammenhang deutlicher als in der 
"Koalitionsvereinbarung CDU, CSU und SPD" der "AG Auswärtiges, 
Verteidigung, Entwicklungspolitik und Menschenrechte", die am 19. 
November 2013 veröffentlicht wurde. Kein Wunder, dass sich 
Verteidigungsminister Thomas de Maizière, wie oben beschrieben, positiv 
auf die Vereinbarung bezieht, denn geht es nach dem Papier, so soll 
künftig die -- angeblich -- bisher an den Tag gelegte "Kultur der 
Zurückhaltung" zugunsten einer offensiven Weltmachtpolitik endgültig ad 
acta gelegt werden.[12] Weil aber die Bevölkerung dem Militär und 
insbesondere Auslandseinsätzen der Bundeswehr mehrheitlich skeptisch 
gegenübersteht, soll sie mit einem als "Dialog" getarnten 
Propagandafeldzug vom Gegenteil überzeugt werden. So heißt es in der 
Koalitionsvereinbarung: "Der Dialog der Bundeswehr mit der Gesellschaft 
soll insbesondere mit jungen Menschen geführt werden. Die 
Jugendoffiziere leisten eine wichtige Arbeit bei der Information über 
den Auftrag der Bundeswehr. Wir begrüßen es, wenn möglichst viele 
Bildungsinstitutionen von diesem Angebot Gebrauch machen. Der Zugang der 
Bundeswehr zu Schulen, Hochschulen, Ausbildungsmessen und ähnlichen 
Foren ist für uns selbstverständlich."[13]

Anmerkungen

[1] Biederbeck, Max: Studentenprotest gegen Bundeswehr: De Maizière 
fehlen die Worte, in: www.spiegel.de, 10. April 2013.

[2] Schupelius, Gunnar: Wüste Propaganda -- Anti-Bundeswehr-Preis ist 
absurde Geste, in: www.bz-online.de, 18. Juni 2013.

[3] N. N.: Drei Fragen -- De Maizière über Jugendoffiziere an Schulen, 
in: www.welt.de, 21. November 2013.

[4] Wullers, Dominik: Soldaten -- Was glaubt ihr eigentlich, wer wir 
sind?, in: www.zeit.de, 24. November 2013.

[5] N. N.: Frieden will gelernt sein, in: Südwestdeutsche Zeitung, 18. 
November 2013.

[6] Völpel, Eva: Schulen erhalten Aachener Friedenspreis -- Die Truppe 
soll draußen bleiben, in: www.taz.de, 1. September 2013.

[7] Thiermann: Jahresbericht der Jugendoffiziere 2012, in: 
www.bundeswehr.de, 13. Mai 2013.

[8] Bundestags-Drucksache 17/14706.

[9] Cremer, Hendrik: Schattenbericht Kindersoldaten 2013, in: 
www.tdh.de, Januar 2013.

[10] Schulze von Glaßer, Michael: Kinderkriegsspiele, in: Ossietzky 23/2013.

[11] Für eine noch ausführlichere Kritik an Bundeswehr-Schulbesuchen 
siehe: Schulze von Glaßer, Michael: Soldaten im Klassenzimmer -- die 
Bundeswehr an Schulen, Köln 2012.

[12] Wagner, Jürgen: Verantwortung zum Krieg: Schwarz-Rote 
Weltmachtambitionen, IMI-Standpunkt 2013/065.

[13] Koalitionsvereinbarung CDU, CSU und SPD, AG Auswärtiges, 
Verteidigung, Entwicklungspolitik und Menschenrechte, 19. November 2013.

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