[IMI-List] [0405] DGB-Bundeswehr / Deutsche Geheimdienstforschung / Drohnen
IMI
imi at imi-online.de
Do Okt 10 16:52:13 CEST 2013
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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0404 .......... 16. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Thomas Mickan/ Jonna Schürkes
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Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,
in dieser IMI-List findet sich
1.) Der Hinweis auf neue IMI-Texte zu Drohnen und deutscher
Geheimdienstforschung;
2) Ein Artikel zum Thema DGB und Bundeswehr und dem „Friedens- und
Sicherheitspolitischen Workshop“ des DGB, der am 30. Oktober stattfinden
wird.
Apropos DGB und Bundeswehr: Unter anderem mit diesem Thema werden wir
uns auf dem diesjährigen IMI-Kongress „Krieg um die Köpfe“ beschäftigen,
der am 16./17. November stattfinden wird. Alles weitere hier:
http://www.imi-online.de/2013/10/07/imi-kongress-16-17-november-2013/
1.) Neue IMI-Artikel: Drohnen - Geheimdienstforschung
Soeben ist das neunte FAQ-Drohnen erschienen: Wieviele Drohnen hat die
Bundeswehr?
http://www.imi-online.de/download/FAQ_Drohnen8.pdf
Alle FAQs finden sich hier:
http://www.imi-online.de/themen/drohnen/faq-drohnen-kriege/
Ebenfalls zum Thema Drohnen soeben erschienen:
IMI-Standpunkt 2013/056
US-Drohnen über französischen Uranminen in Niger
http://www.imi-online.de/2013/10/08/us-drohnen-ueber-franzoesischen-uranminen-in-niger/
Christoph Marischka (8. Oktober 2013)
Hinweisen möchten wir auch auf folgenden neuen Artikel, der sich mit
deutscher Geheimdienstforschung und den dazugehörigen
Legitimationskonstrukten beschäftigt:
IMI-Analyse 2013/028
„…und irgendwann fahren Panzer drüber“
Ein Beispiel für Geheimdienstforschung und vielsagende Rechtfertigungen
http://www.imi-online.de/2013/10/08/und-irgendwann-fahren-panzer-drueber/
Christoph Marischka (8. Oktober 2013)
2.) Artikel zum „Friedens- und Sicherheitspolitischen Workshop“ des DGB
IMI-Analyse 2013/029
Sicherheitspolitischer Workshop des DGB: Ein Schlag ins Gesicht der
Friedens- und Antikriegsbewegung
http://www.imi-online.de/2013/10/10/sicherheitspolitischer-workshop-des-dgb-ein-schlag-ins-gesicht-der-friedens-und-antikriegsbewegung/
Christoph Marischka und Jürgen Wagner (10. Oktober 2013)
Im Februar 2013 kam es zu einem „denkwürdigen“ Treffen zwischen DGB-Chef
Michael Sommer und Verteidigungsminister Thomas de Maiziere, das von
vielen Seiten heftig kritisiert wurde, weil dort eine engere Kooperation
beider Institutionen vereinbart wurde. Zunächst hatte es daraufhin den
Anschein, als würde die DGB-Spitze aufgrund der mannigfaltigen Kritik
von ihrem Kuschelkurs gegenüber der Bundeswehr wieder abrücken. Dass dem
nicht der Fall ist, zeigt jedoch ein prominent angekündigter
„Sicherheitspolitischer Workshop“, der am 30. Oktober 2013 in Berlin
stattfinden wird. Das Programm kann nicht nur getrost als ein Schlag ins
Gesicht der Friedens- und Antikriegsbewegung gewertet werden, es zeigt
auch, dass jetzt Widerstand gegen diese Entwicklung dringend notwendig ist.
Empörung über Sommers Kuschelkurs
Der langjährige Gewerkschafter Manfred Dietenberger beschreibt das
Februar-Treffen zwischen de Maiziere und Sommer sowie dessen Tragweite
mit folgenden Worten: „In den 50er Jahren hatten sich die Gewerkschaften
also gegen die Wiederbewaffnung Deutschlands gestemmt. Die Bundeswehr
hatte sich wiederum lange gegen gewerkschaftliche Rechte für Soldaten
verwehrt. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass Meldungen aus dem
Februar 2013 für einige Aufmerksamkeit sorgten: ‘Lange Zeit standen die
Gewerkschaften der Bundeswehr äußerst kritisch gegenüber. Das scheint
vorbei. DGB-Chef und Verteidigungsminister demonstrieren bei einem
Treffen Einigkeit‘, so liest sich der Anfang einer dpa-Meldung. Der
DGB-O-Ton zu dieser höchst alarmierenden Meldung findet sich in den
Pressemeldungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) unter der
Überschrift ‚Gewerkschaften und Bundeswehr: Engerer Austausch geplant‘:
‚Nach dreißig Jahren war mit Thomas de Maizière wieder ein
Bundesverteidigungsminister zu Besuch beim Deutschen Gewerkschaftsbund.
De Maizière folgte einer Einladung des DGB. Vereinbart wurde eine engere
Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr und Gewerkschaften.‘”[1]
Nachvollziehbarer Weise war die Empörung hierüber groß und es hagelte
von vielen Seiten Kritik: „Wir empfinden es als vorsätzliche Missachtung
von uns als friedensbewegter Basis, wenn Du in unserem Namen den
Schulterschluss zum Minister der deutschen Kriegspolitik suchst“, hieß
es etwa in einem offenen Brief an Michael Sommer, den das
Friedensplenum/Antikriegsbündnis und der DGB-Arbeitskreis Tübingen
unterzeichnet hatten.[2] Vor diesem Hintergrund schien es zunächst, als
rudere der DGB-Chef wieder zurück, als er bei seiner Rede auf dem 27.
Gewerkschaftstag der GEW am 12. Juni 2013 einen breiten Dialog
ankündigte: „[E]s macht immer wieder Sinn, sich angesichts unserer
eigenen Geschichte kritisch mit der Rolle der Streitkräfte zu befassen.
Und wir sollten das weiterhin tun - vielleicht weniger mit
Unterstellungen und verkürzten Zitaten, aber mit aller Ernsthaftigkeit.
[…] Ich plane für den Herbst einen großen friedenspolitischen Workshop
des DGB zu veranstalten, auf dem alle zu Wort kommen sollen. Diejenigen,
die gewerkschaftlich in und mit der Bundeswehr arbeiten, Pazifisten und
Kritiker von Auslandseinsätzen der Bundeswehr genauso wie Menschen und
Organisationen, die sich für die Betreuung von Kriegsopfern oder
traumatisierten Soldaten einsetzen und natürlich auch diejenigen, die
sich mit Fragen der Konversionspolitik beschäftigen. Eine solche
Veranstaltung steht bewusst in der Tradition unserer Aufrufe zu den
Anti-Kriegstagen und soll sich auch seriös mit UNO-Blauhelm-Einsätzen
oder der moralischen Bewertung von neuen Militärtechnologien wie Drohnen
oder akustischen Waffen auseinandersetzen.“[3]
Sommers GEW-Rede konnte als ein versöhnliches Zeichen verstanden werden,
fehlte in seiner Aufzählung schließlich der Anspruch, einen Dialog mit
führenden Vertretenden des deutschen Militarismus führen zu wollen –
doch nun, da das endgültige Programm des „Friedens- und
Sicherheitspolitischen Workshops“ veröffentlicht wurde, macht sich
erneut Ernüchterung breit.[4]
Sicherheitspolitischer Workshop
Was sich die DGB-Spitze genau dabei gedacht hat, zu diesem Workshop mit
Herfried Münkler ausgerechnet einen der wichtigsten und gefährlichsten
Propagandisten der neuen deutschen Interventionspolitik einzuladen, muss
man sie schon selbst fragen – und es steht zu hoffen, dass dies
möglichst viele Menschen am 30. Oktober auch direkt tun werden. Da eine
ausführliche „Würdigung“ von Münklers Einfluss an dieser Stelle den
Rahmen sprengen würde[5], hier nur eine kleine Kostprobe, um einen
Einblick in dessen Denke zu erhalten. Für den Politikprofessor und
Merkel-Berater besteht das wichtigste Phänomen unserer Zeit darin, dass
eine zunehmende Zahl „neuer Kriege“ – so auch der Name seines
Hauptwerkes – an der Peripherie westlicher Wohlstandszonen entsteht.
Ursächlich für diese Konflikte sind laut Münkler im Wesentlichen lokale
Faktoren, eine westliche Verantwortung – Rüstungsexporte, Armut und
westliche Wirtschaftspolitik, Rohstoffsicherung etc., – spielt bei ihm
allenfalls eine untergeordnete Rolle. Die „Verdammten dieser Erde“ sind
aus seiner Sicht also primär selbst für ihre Situation verantwortlich.[6]
Mehr noch: Da diese Kriege eine akute Sicherheitsbedrohung darstellen
würden, bedürfe es westlicher Pazifizierungskriege, um Konfliktregionen
aus ihrer miserablen Lage zu befreien: Folgerichtig plädiert er für “die
Herstellung von imperialer Ordnung zwecks Absicherung von
Wohlstandszonen an den Rändern. In diesem Modell gibt es zentrale
Regionen, die müssen inkludiert, also territorial kontrolliert werden -
das ist zum Beispiel die Golfregion. […] Der Zwang zu einer zunehmenden
Politik der Intervention ist auch die Reaktion auf die Konsequenzen der
Globalisierung an der Peripherie. Es bleibt die Frage, ob es gelingt,
die zentralen Bereiche in die Wohlstandszonen zu inkludieren, also in
der Fläche Ordnung herzustellen, und den Rest zu exkludieren. Es steht
aber außer Frage, dass an diesen neuen ‘imperialen Barbarengrenzen’ der
Krieg endemisch wird, nämlich in Form von Pazifizierungskrieg aus dem
Zentrum in die Peripherie hinein und in Form von Verwüstungskrieg aus
der Peripherie ins Zentrum. [...] Dann entstehen an den Grenzen Europas
jene Gefällestrukturen, die typisch sind für imperiale Machtformen.
Deshalb werden wir lernen müssen, die Kategorie des Imperiums in Zukunft
[...] vielmehr als eine alternative Ordnungskategorie des Politischen,
nämlich als Alternative zur Form des Territorialstaates” zu denken.[7]
Soviel zu Münkler, doch auch dass mit dem Grünen Verteidigungsexperten
Winfried Nachtweih als einziger Politiker zielsicher eine Person
eingeladen wurde, die für große Teile der Friedensbewegung ein
dunkelrotes Tuch ist, spricht Bände. Dass sich Nachtweih in diesen
Kreisen nicht gerade beliebt gemacht hat, lag u.a. an seiner damaligen
Reaktion auf Forderungen der Friedensbewegung nach einer sofortigen
Beendigung von Krieg und Besatzung in Afghanistan: „Völlig negiert wird,
dass die Stabilisierung und Friedensförderung in Afghanistan von den
Vereinten Nationen mandatiert und unterstützt wird und dass sich ein
nicht unwichtiges VN-Mitglied wie die Bundesrepublik nicht einfach
einseitig aus diesem Prozess verabschieden kann. Die Friedensverbände
fordern das aber – und reden damit einer anderen Art von destruktivem
Unilateralismus das Wort, ausdrücklich nichtmilitärisch, aber indirekt
gewaltfördernd.“[8]
Und weil aus Nachtweihs Sicht zivile Handlungsoptionen, verstanden als
Absage an und grundlegende Alternative zu Militäreinsätzen Teufelszeug
sind, machte er sich in seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter auch
daran, solch pazifistischen Irrwegen eine Absage zu erteilen. Vor allem
geschah dies in dem bis heute als Referenzdokument geltenden Aktionsplan
"Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung", an
dessen Erarbeitung und Verabschiedung (im Juni 2004) der
Grünen-Politiker maßgeblich beteiligt war. Eine wichtige Botschaft des
Dokuments war (und ist es bis heute) laut Nachtweih: "Damit wird
zugleich Vorstellungen pazifistischer Friedensorganisationen eine Absage
erteilt, die hier und heute zivile Konfliktbearbeitung als Alternative
zum Militär sehen."[9]
Weshalb also viele Friedensbewegte nur noch fassungslos beim Namen
Nachtweih den Kopf schütteln, sollte hieraus verständlich werden.
Weniger aber, weshalb die DGB-Spitze vor allem diese Person als
geeigneten Gesprächspartner erachtet. Auch einige der anderen geladenen
Referenten sind alles andere als unproblematisch, allein diese beiden
genügen aber, um Zweifel an den hehren Motiven der DGB-Spitze aufkommen
zu lassen – zumal mit Rainer Braun lediglich ein prominenter Vertreter
der Friedensbewegung als einer von sechs Podiumsteilnehmern eingeladen
wurde.
Und das Motiv?
Was der DGB-Chef mit seinem Vorgehen genau bezweckt, bleibt natürlich
spekulativ. Es drängt sich in jedem Fall aber der Verdacht auf, dass er
der Auffassung ist, es sei nun nötig, die Gewerkschaftsbasis in der
Militarisierungsfrage buchstäblich sukzessive sturmreif zu schießen.[10]
Es dürfte deshalb wohl kein Zufall sein, dass sowohl Münkler als auch
Nachtweih, dessen „Aktionsplan“ sich prominent auf die „neuen Kriege“
beruft[11], beim „Sicherheitspolitischen Workshop“ eine prominente Rolle
eingeräumt wird. Beide eint als führende Vertreter der
Rechtfertigungsideologie des deutschen Interventionismus vor allem eine
Sichtweise: Dass Krieg ein normales, ja gar friedenspolitisch
notwendiges und positives Mittel der Politik darstellt, frei nach dem
Motto: „Deutsche Kriege, deutsche Waffen morden mit zum
Friedenschaffen“. Obwohl man der Auffassung sein sollte, dass einer
solchen Sichtweise zumindest in Gewerkschaftskreisen niemand auf den
Leim gehen sollte, scheint sie auch von DGB-Chef Sommer geteilt zu
werden. So verkündete er in seiner GEW-Rede: „Nie wieder Krieg heißt für
uns: Es darf keinen neuen Militarismus geben. Die Bundeswehr ist eine
Parlamentsarmee und – daran darf sich nichts ändern. Sie hat im Innern
nichts zu suchen und in der Welt ausschließlich mitzuhelfen, Frieden zu
sichern, Demokratie und Menschenrechte zu verteidigen.“[12]
Letztere Argumentation passt sich hervorragend in den Umbau der
Bundeswehr zur Armee im Einsatz ein und geht selbst über den 1956
nachträglich im Grundgesetz verankerten und bis heute gültigen
Verteidigungsauftrag der Bundeswehr weit hinaus. Die Begründung für die
neue Orientierung der Bundeswehr auf Auslandseinsätze mit der „Sicherung
des Friedens“ und der Verteidigung von Demokratie und Menschenrechten
entspricht nicht nur uralten imperialen Kriegslegitimationen, sondern
auch der Ausrichtung des Zentrums Internationaler Friedenseinsätze
(ZIF), dessen Direktorin, Almut Wieland-Karimi, ebenfalls an prominenter
Stelle am DGB-Workshop teilnehmen wird. Das ZIF wurde 2002 gegründet, um
die zivil-militärische Zusammenarbeit in Auslandseinsätzen zu verbessern
und arbeitet seit dem – finanziert überwiegend aus dem Bundeshaushalt –
daran mit, alle Bundeswehreinsätze in „Friedenseinsätze“ umzudeuten. Zum
zehnjährigen Bestehen forderte Wieland-Karimi etwa „[i]m Sinne eines
vernetzten Ansatzes“ des Verteidigungsministeriums, „alle deutschen
Teilnehmer von Friedenseinsätzen gemeinsam zu würdigen: Angehörige der
Bundeswehr und der Polizei, aber auch 'zivile Veteranen'“[13]. Bereits
ein Jahr später veranstaltete das ZIF gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt
mit dem „ersten deutschen Tag des Peacekeepers“ eine solche „vernetzte
Ehrung“ und gratulierte, gemeinsam mit den Innen- und
Verteidigungsministern Friedrich und De Maiziere „allen Peacekeepern zu
ihrem Einsatz für den Frieden“, wobei „Soldatinnen und Soldaten,
Polizeibeamtinnen und -beamte und zivile Expertinnen und Experten
gemeinsam auf der Bühne“ standen.[14]
In gewisser Weise konsequent ist es da, dass zum Thema Auslandseinsätze
der Polizei mit dem stellvertretenden Vorsitzenden der Gewerkschaft der
Polizei (GdP), Jörg Radek, ein expliziter Befürworter solcher Missionen
zum „Sicherheitspolitischen Workshop“ eingeladen wurde[15], obwohl diese
Einsätze vonseiten der Friedensbewegung ebenfalls teils heftig
kritisiert werden.[16]
Selbst die Ablehnung des Bundeswehreinsatzes im Inneren mag man DGB-Chef
Sommer unter diesen Umständen nicht so recht abnehmen, findet doch sein
Schulterschluss mit der Bundeswehr just zu dem Zeitpunkt statt, da die
Truppe mit ihren Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskompanien
(RSUKp) nach einem weitreichenden Urteil des Bundesverfassungsgerichtes
erstmals explizit Einheiten für den bewaffneten Einsatz im Inneren
jenseits des Verteidigungsfalles aufstellt.[17] Und das alles geschieht
unter jenem Verteidigungsminister, der nach dreißig Jahren wieder zum
DGB eingeladen wurde und ohne dass seitens der DGB-Spitze lautstarke
Kritik an den RSUKp oder dem Verfassungsgerichtsurteil zu vernehmen
gewesen wäre.
Fazit
Tatsächlich wäre ein kritischer Dialog in den Gewerkschaften dringend
notwendig, in dem eine Aufarbeitung erfolgt, mit welchen Mitteln und für
welche Kapital- und Machtinteressen solche Rechtfertigungsideologien der
neuen Kriege hoffähig gemacht werden – dieser Aufgabe hätte sich der
„Friedens- und Sicherheitspolitische Workshop“ widmen sollen. Dass
hierzu augenscheinlich in der DGB-Spitze allerdings wenig Bereitschaft
besteht, zeigt leider ein Blick ins Programm.
Angesichts dieser bestürzenden Entwicklungen regt sich erfreulicherweise
Widerstand. In Tübingen etwa veröffentlichte der DGB-Arbeitskreis einen
„Aufruf an Tübinger Gewerkschaftsmitglieder zur antimilitaristischen
Mitarbeit beim DGB-Kreisverband“, der sich „Gegen die
kriegsbefürwortende Vereinnahmung des DGB“ richtet. Abschließend sei aus
diesem Aufruf zitiert, der den Nagel auf den Kopf trifft: „Von deutschem
Boden soll kein Krieg mehr ausgehen! Dem zu Folge lehnen wir den Umbau
der Bundeswehr zur Interventionsarmee, Auslandseinsätze und
Rüstungsexporte ab. Diese Position wollen wir innerhalb des DGB wieder
nach vorne bringen. Der DGB darf unserer Ansicht nach nicht zu einer
weiteren Stimme im öffentlichen Chor werden, der Kriege als Mittel der
Außenpolitik gutheißt (siehe Bundespräsident Gauck am Tag der deutschen
Einheit in Stuttgart) und uns somit knapp 70 Jahre nach dem letzten
Weltkrieg schleichend in die Barbarisierung zurückführt.“
Anmerkungen
[1] Manfred Dietenberger: Brothers in Arms. Die Verbrüderung der
Gewerkschaftsspitze mit dem Militär, in: AUSDRUCK (Juni 2013). Der
Artikel weist im Übrigen darauf hin, dass das Treffen keineswegs
vollkommen aus heiterem Himmel kam, sondern es hier durchaus auch eine
lange Vorgeschichte gibt.
[2] Offener Brief an Michael Sommer zum Treffen mit
Verteidigungsminister De Maizière, DGB-Arbeitskreis Tübingen und
Tübinger Friedensplenum/Antikriegsbündnis, 24.03.2013:
http://friedensplenum.twoday.net/stories/326525214
[3] Michael Sommer, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes, 27.
Gewerkschaftstag der GEW am 12. Juni 2013 in Düsseldorf.
[4] Friedens- und Sicherheitspolitischer Workshop, 30. Oktober 2013,
10.30 Uhr, Kalkscheune, Johannisstr. 2, 10117 Berlin:
http://www.dgb.de/themen/++co++6b5db23c-2ff7-11e3-997d-00188b4dc422
[5] Vgl. zur Rolle und dem Einfluss Herfried Münklers Zelik, Raul:
„State Failure“ und „asymmetrische Kriege“ als Paradigmen von
Weltordnungspolitik“, in: PROKLA 147 (Juni 2007).
[6] Vgl. zur Kritik der „neuen Kriege“ Wagner, Jürgen: Intellektuelle
Brandstifter: »Neue Kriege« als Wegbereiter des Euro-Imperialismus, in:
Wissenschaft und Frieden 3/2006.
[7] Alte Hegemonie und Neue Kriege: Herfried Münkler und Dieter
Senghaass im Streitgespräch, in: Blätter 5/04, S. 539-552, S. 549f.
[8] Zit. bei Wagner 2006.
[9] Nachtwei, Winfried: Aktionsplan Krisenprävention: Großer Fortschritt
an Friedensfähigkeit, URL: http://www.nachtwei.de/pdf/ak_plan_ziv_wn.pdf
(eingesehen 15.10.06), S. 2.
[10] Hier dürfte sicher auch der Einfluss der Rüstungsindustrie in
Teilen der Gewerkschaften eine nicht unerhebliche Rolle spielen.
[11] Im Aktionsplan zeigt sich die Reichweite der Theorie der Neuen
Kriege überdeutlich. Die Kriegsursachenanalyse könnte direkt von
Herfried Münkler abgeschrieben worden sein: "Die Kriege, die seit dem
Ende der Blockkonfrontation das Konfliktgeschehen dominieren,
unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht von den Kriegen, die noch vor
1989 geführt wurden. Um veränderten Faktoren Rechnung zu tragen, hat
sich der Begriff der 'Neuen Kriege' eingebürgert. Ausgangspunkte der
meisten innerstaatlichen Konflikte sind nur formal oder rudimentär
existierende staatliche Strukturen bzw. der Zerfall von Staatlichkeit.
Die gegenwärtigen Konflikte werden oft über sehr lange Zeiträume hinweg
mit wechselnder Intensität ausgetragen. In der Realität der Neuen Kriege
verschwimmen die drei traditionellen Konfliktphasen immer mehr - die
krisenhafte Phase, bevor es zum Ausbruch der Gewalt kommt; die
eigentliche Kriegsphase, in der systematische Gewalt eingesetzt wird,
und die Phase der Friedenskonsolidierung nach formaler Beendigung der
bewaffneten Auseinandersetzung." Aktionsplan "Zivile Krisenprävention,
Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung", Berlin, 12. Mai 2004, S. 5.
[12] Sommer 2013.
[13] „10 Jahre ZIF“, Pressemitteilung vom 22.05.2012, www.zif-berlin.de.
[14] Tag des Peacekeepers - Deutsches Personal in Friedenseinsätzen,
ZIF, Pressemitteilung, 11. Juni 2013:
http://www.zif-berlin.org/de/ueber-zif/tag-des-peacekeepers.html
[15] Als es darum ging, Polizisten nach Libyen zu entsenden, meldete er
sich folgendermaßen zu Wort: "Ich habe keine grundsätzlichen Bedenken
gegen einen Auslandseinsatz in Libyen, aber dafür brauchen wir
zusätzliche Mittel. Solche Einsätze können nicht allein aus den
bestehenden Etats finanziert werden." Vgl. Jan Mallien und Hannes Vogel:
Polizisten befürworten deutschen Ausbildungseinsatz, Handelsblatt
Online, 22.08.2011.
[16] Vgl. hierzu ausführlich Gegen die Militarisierung des globalen
Südens! Keine „ferngesteuerten Bürgerkriege“ durch militärische und
polizeiliche Ausbildungs- und Ausstattungshilfe!, IMI-Positionspapier
2010/001.
[17] Vgl. hierzu Martin Kirsch: Der neue Heimatschutz der Bundeswehr,
in: AUSDRUCK (Juni 2013).
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