[IMI-List] [370] Broschüre EU-Militarisierung / Dresdner Erlass
IMI
imi at imi-online.de
Do Mär 29 16:25:13 CEST 2012
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Online-Zeitschrift “IMI-List”
Nummer 0370 ………. 16. Jahrgang …….. ISSN 1611-2563
Hrsg.:…… Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jonna Schürkes / Jürgen Wagner
Abo (kostenlos).. https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ……. http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,
in dieser IMI-List finden sich
1) der Hinweis auf eine soeben erschienene Broschüre zur Militarisierung
der Europäischen Union;
2) Ein Text über die Machtkonzentration in der Bundeswehr durch den
„Dresdner Erlass“
1) Broschüre EU-Militarisierung
Die EU als Rüstungstreiber: Aufrüstungsdruck, Kriegskassen und ein
Militärisch-Industrieller Komplex für die Weltmacht Europa, in:
Informationen zu Politik und Gesellschaft, Nr. 7/2012
Die Broschüre ist ein Kooperationsprojekt der IMI mit der
EU-Abgeordneten Sabine Lösing und erschien in der Reihe Informationen zu
Politik und Gesellschaft.
Sie kann hier heruntergeladen werden:
http://www.imi-online.de/download/Ruestungstreiber_online_2012.pdf
Die Kooperation ermöglicht es uns erfreulicherweise die Printversion der
Broschüre kostenlos zu versenden.
Bestellungen per Mail bitte an: sabine.loesing at europarl.europa.eu
Schriftlich: Sabine Lösing, MEP (z. H. Arne Brix), Verbindungsbüro
Europäisches Parlament / Europabüro, Unter den Linden 50, 10178 Berlin
ZUSAMMENFASSUNG:
Die Broschüre beschreibt zunächst die machtpolitisch-wirtschaftlichen
Triebfedern hinter der europäischen Expansionspolitik. Dieses
Interessenskonglomerat erfordert aus der Sicht von Politik und
Wirtschaft einen mächtigen EU-Militärapparat, nebst starker
rüstungsindustrieller Basis, die mit den entsprechenden finanziellen
Ressourcen ausgestattet werden müssen. Deshalb setzt die Europäische
Union - trotz angeblich unter Druck geratener Verteidigungshaushalte -
systematisch „Aufrüstungsanreize“, wodurch es gelingt, einen enormen
Militarisierungsdruck zu erzeugen. Dies hat zur Folge, dass die
Militäretats bei weitem nicht in dem Umfang sinken, wie dies von Politik
und Rüstungsindustrie derzeit suggeriert wird. Mehr noch: Immer mehr
militärrelevante Ausgaben werden im EU-Rahmen in andere Haushalte
verschoben, wodurch immer höhere versteckte Rüstungsausgaben entstehen.
Schließlich soll die Schaffung eines einheitlichen europäischen
Rüstungsmarktes, die Bündelung von Beschaffungsprojekten sowie die
massive Förderung von Rüstungsexporten bereits angelaufene
Konzentrationsprozesse in der europäischen Rüstungsindustrie massiv
vorantreiben. Ob gewollt oder ungewollt, die hierdurch beabsichtigte
Stärkung der rüstungsindustriellen Basis wird letztlich zwingend zur
Herausbildung eines Europäischen Militärisch-Industriellen Komplexes
führen, mit all den damit einhergehenden Folgen, zuallererst einer sich
immer stärker durchsetzenden Tendenz, Gewalt zur Durchsetzung der
eigenen Interessen einzusetzen.
http://www.imi-online.de/download/Ruestungstreiber_online_2012.pdf
2) Artikel zum Dresdner Erlass
IMI-Standpunkt 2012/020
Der Dresdner Erlass
Machtkonzentration durch die Umstrukturierung des Verteidigungsministeriums
http://www.imi-online.de/2012/03/29/der-dresdner-erlass/
Michael Haid (29. März 2012)
Gegenwärtig befindet sich die Reform der Bundeswehr in der sogenannten
Feinausplanung. In dieser Phase wurde jüngst die Kompetenzverteilung der
politischen und militärischen Führungsstruktur des Bundesministeriums
der Verteidigung (BMVg) und der Bundeswehr völlig neu geregelt. Lothar
de Maizière (CDU) unterzeichnete am 21. März 2012 im Militärhistorischen
Museum der Bundeswehr in Dresden die „Grundsätze für die
Spitzengliederung, Unterstellungsverhältnisse und Führungsorganisation
im Bundesministerium der Verteidigung und der Bundeswehr“.[1] Der
Dresdner Erlass trat am 1. April 2012 in Kraft. Er ist der dritte Erlass
dieser Art in der Geschichte der Bundeswehr nach dem Blankeneser Erlass
von 1970 und dem Berliner Erlass von 2005. In seiner die Unterzeichnung
begleitenden Rede bezeichnete der Bundesverteidigungsminister den Erlass
als den „zentralen Baustein der Neuausrichtung“[2] der Bundeswehr. Grund
genug also, diese Neuregelung im Folgenden genauer unter die Lupe zu nehmen.
Legitimation für die Gegenwart durch Abgrenzung von der Geschichte
Zunächst eine Anmerkung zur Bedeutung des Ortes, an dem die Vorstellung
des Erlasses stattfand. Die Wahl des Ortes für die Unterzeichnung sei
auf das Militärhistorische Museum der Bundeswehr in Dresden gefallen, um
den Unterschied der Funktion der Bundeswehr heute und die des deutschen
Militärs vor 1945 zu verdeutlichen. Der Minister betonte einleitend in
seiner besagten Rede: „Die Geschichte warf ihre Schatten. Aus diesem
Grund habe ich Sie für den heutigen Anlass hier in das
Militärhistorische Museum in Dresden gebeten. Dieses Museum ist ein
guter Ort, um drastisch den Unterschied vor Augen zu führen, ob Führung
im Militär aus undemokratischem Machtstreben oder aus demokratisch
gebundenem Verantwortungsbewusstsein heraus ausgeübt wird. In der
deutschen Geschichte findet sich dazu mancher Abgrund. Nie wieder sollte
eine wie auch immer geartete militärische Führung aus Deutschland zum
Nachteil anderer wirken.“[3] Und weiter: „Deshalb sind heute, 42 Jahre
nach dem Blankeneser Erlass, die Sorgen von früher gegenstandslos
geworden. Wir brauchen nicht mehr gegen Gespensterargumente antreten.
Wir müssen nicht mehr Organisationsentscheidungen aus Sorge vor
Missbräuchen treffen, sondern danach, was wir heute und für die Zukunft
brauchen und richtig finden.“[4] Offenbar versucht Lothar de Maizière
sich mit dieser Argumentation demonstrativ von der Vergangenheit
abzugrenzen, damit einen Lerneffekt aus der deutschen Geschichte zu
suggerieren und auf diese Weise letztendlich die gegenwärtigen Einsätze
der Bundeswehr sowie die Entscheidung, mit diesem Erlass die
Kompetenzverteilung in der Führungsebene von BMVg und Bundeswehr neu zu
ordnen, zu legitimieren.[5]
Zwar ist die heutige Bundeswehr in vielerlei Hinsicht nicht mit der
Rolle des deutschen Militärs in der Vergangenheit vergleichbar.
Gegenstandslos sind die Sorgen von früher auch heute jedoch keinesfalls
und dürfen es auch nie werden. Von grundlegender Bedeutung muss es nach
wie vor sein, dass über Vorgänge in der Bundeswehr die Öffentlichkeit
frühzeitig unterrichtet wird, wie eine Kommentatorin der Stuttgarter
Zeitung kritisiert: „Dennoch hat de Maizière einen schweren Fehler
gemacht. Denn in Abgrenzung zur Wehrmacht der Nazizeit wurden Fragen der
Machtbegrenzung und Kompetenzverteilung in den Streitkräften seit
Gründung der Bundeswehr stets als hochpolitische und öffentliche
Angelegenheiten behandelt. Das ist eine gute Tradition, die de Mazière
jetzt (…) geschliffen hat.“[6] Denn der Bundesverteidigungsminister habe
den Erlass wie eine geheime Kommandosache behandelt. Bis kurz vor der
Vorstellung in Dresden hätten selbst Offiziere und
Verteidigungspolitiker nichts vom Inhalt der Neuregelungen gewusst.
Des Weiteren müsste eine effektive parlamentarische Kontrolle eigentlich
eine Selbstverständlichkeit sein, wenn der Bundesverteidigungsminister
dem Anspruch einer Parlamentsarmee gerecht werden wollte. Aber auch hier
ist Vorsicht geboten, wie dieselbe Kommentatorin zurecht aufzeigt:
„Viele Verteidigungspolitiker sind auch verärgert, dass sie heftig
kämpfen mussten, um den Zugang des Ausschusses zu den Inspekteuren der
Truppe aufrechtzuerhalten. Zunächst sei geplant gewesen, dass die Chefs
der Teilstreitkräfte künftig nur noch auf Antrag im Ausschuss erscheinen
dürfen und dass sie sich jeden Auftritt im öffentlichen Raum unter
Nennung des jeweiligen Themas genehmigen lassen müssen. Drei Fragerunden
im Ausschuss habe es gebraucht, bis de Maizières Statthalter,
Staatssekretär Stéfane Beemelmans, diese Idee wieder fallengelassen
habe.“[7]
Kompetenzkonzentration in der neuen Stellung des Generalinspekteurs
Bislang war aus historischen Gründen die Kompetenzverteilung in der
Bundeswehr dezentral organisiert. Keine der Spitzenfunktionen bekam
besonders viel Macht zugeordnet, um eine Machtkonzentration in einer
oder wenigen Personen zu verhindern. Außerdem war die politische Leitung
des BMVg nach dem Grundsatz des Primats der Politik immer mit zivilem
Personal (bestehend aus dem Minister, seinen zwei parlamentarischen
Staatssekretären und zwei weiteren Staatssekretären) nie mit Militärs
besetzt. Auch galt eine strikte Trennung zwischen Zivilem und
Militärischem: in keiner staatlichen Verwaltung oder Behörde wurden
Stellen mit aktiven Soldaten besetzt, sie waren ausschließlich in der
Bundeswehr angesiedelt. Diese Grundsätze gehören seit dem Dresdner
Erlass der Vergangenheit an.
Die wesentlichsten Punkte des Erlasses sind, dass erstens die Stellung
des Generalinspekteurs der Bundeswehr wesentlich gestärkt wird. Diese
Neuerung betonte Lothar de Maizière in seiner Rede ganz besonders: „Der
Generalinspekteur wird mit alledem Befugnisse haben, wie kein
Generalinspekteur vor ihm. Auch international ist unser ‚CHOD‘ [Chief of
Defense, Anm. MH] stark im Vergleich zu vielen NATO-Partnern. Ich halte
das für richtig und auftragsangemessen.“[8] Im Einzelnen: Der
Generalinspekteur wird zukünftig eine Doppelfunktion einerseits als
truppendienstlicher Vorgesetzter aller Soldaten innehaben und
andererseits Teil der – bislang rein zivilen – Leitung des BMVg sein, in
dieser Funktion aber zumindest noch den Staatssekretären unterstellt
bleiben. Zur Wahrnehmung dieser Doppelaufgabe werden für ihn drei
Abteilungen mit den Bezeichnungen „Planung“, „Führung Streitkräfte“ und
„Strategie und Einsatz“ neu gegründet und ihm unmittelbar zugeordnet.
Daneben obliegt dem Generalinspekteur auch künftig die Steuerung der
Auslandseinsätze durch die Abteilung „Strategie und Einsatz“ sowie durch
das Einsatzführungskommando in Potsdam. Letzteres wird dadurch gestärkt,
dass der bisherige Dualismus zwischen einem Einsatzführungsstab im
Ministerium und einem Einsatzführungskommando außerhalb des Ministeriums
abgeschafft wird.
Als zweite Neuordnung wird die Position der Inspekteure der fünf
Teilstreitkräfte (Heer, Luftwaffe, Marine, Streitkräftebasis und
Sanitätsdienst) abgeschwächt und – anders als bisher – dem
Generalinspekteur unterstellt. Die bisherige Doppelrolle der Inspekteure
als Abteilungsleiter im Verteidigungsministerium und Führer der
jeweiligen Teilstreitkraft wird aufgegeben. Künftig nehmen sie nur noch
letztere Funktion außerhalb des Ministeriums wahr. Als dritte
Neuregelung werden die Abteilungen im BMVg, aber auch nachgeordete
Behörden und Dienststellen, die immer getrennt belegt waren, gemischt
mit militärischem und zivilem Personal besetzt.[9]
Die einleitend angesprochenen Grundsätze wurden mit der Gründung der
Bundeswehr 1956 eingeführt. Sie galten als Absicherung vor einer zu
starken Stellung der militärischen Führung im Staat. Mit dem Dresdner
Erlass wurde nun ein bedenklicher Schritt in die falsche Richtung
unternommen.
Anmerkungen:
[1] Lothar de Maizière: Grundsätze für die Spitzengliederung,
Unterstellungsverhältnisse und Führungsorganisation im Bundesministerium
der Verteidigung und der Bundeswehr, Dresden, 21. März 2012.
[2] Lothar de Maizière: Rede anlässlich der Vorstellung der
Nachfolgeregelung zum Blankeneser und Berliner Erlass am 21. März 2012
im Militärhistorischen Museum der Bundeswehr in Dresden.
[3] Lothar de Maizière: Rede, aaO.
[4] Lothar de Maizière: Rede, aaO.
[5] Zur legitimierenden Funktion des Militärhistorischen Museums der
Bundeswehr vgl. Thomas Mickan: Wenn der Kontext das Problem ist: Das
Militärhistorische Museum der Bundeswehr in Dresden, in: Thomas Mickan/
Lucius Teidelbaum: Das Militärhistorische Museum in Dresden – zwei
Blickwinkel, IMI-Standpunkt Nr. 3/2012.
[6] Bärbel Krauß: Schwerer Fehler, in: www.stuttgarter-zeitung.de, 22.
März 2012.
[7] Bärbel Krauß: De Maizière sorgt für Ärger, in:
www.badische-zeitung.de, 22. März 2012.
[8] Lothar de Maizière: Rede, aaO.
[9] Vgl. Lothar de Maizière: Grundsätze, aaO; ders.: Ergänzende
Festlegungen zu den Grundsätzen für die Spitzengliederung,
Unterstellungsverhältnisse und Führungsorganisation im Bundesministerium
der Verteidigung und der Bundeswehr, Dresden, 21. März 2012.
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