[IMI-List] [0368] Syrien / Europäisches Lufttransportkommando
IMI
imi at imi-online.de
Di Mär 20 17:13:57 CET 2012
———————————————————-
Online-Zeitschrift “IMI-List”
Nummer 0368 ………. 16. Jahrgang …….. ISSN 1611-2563
Hrsg.:…… Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jonna Schürkes / Jürgen Wagner
Abo (kostenlos).. https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ……. http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
———————————————————-
Liebe Freundinnen und Freunde,
in dieser IMI-List finden sich
1.) eine Studie zur Diskussion um ein militärisches Eingreifen in Syrien;
2.) ein kurzer Text zum „Europäischen strategischen Lufttransportkommando“;
3) Links zu den neuesten Texten auf der IMI-Homepage.
1) Syrien: Die Militarisierung der Proteste
Mittlerweile ist es offiziell: Mitglieder des Golf-Kooperationsrates,
deren „Lösungsansätze“ in der Syrien-Frage die USA, EU und
Bundesregierung offen unterstützen, haben mit der Bewaffnung eines Teils
der Aufständischen, genauer gesagt der so genannten „Freien Syrischen
Armee“ begonnen. Jürgen Wagner beschreibt in seiner Studie, dass diese
Militarisierung des Protests eine weitere Eskalation und auch
weitergehende militärische Interventionen wahrscheinlicher macht – und
die Chancen auf Demokratie in Syrien auch langfristig verringert.
IMI-Studie 2012/07
Syrien: Die Militarisierung der Proteste und die strategische Unvernunft
der Gewalt
http://www.imi-online.de/2012/03/20/syrien-die-militarisierung-der-proteste-und-die-strategische-unvernunft-der-gewalt-2/
Jürgen Wagner (20.3.2012)
2) Das Europäische strategische Lufttransportkommando
IMI-Standpunkt 2012/014
Das kriegerische Kerneuropa verleiht sich Flügel
Zur Rolle des „Europäischen strategischen Lufttransportkommandos“
http://www.imi-online.de/2012/03/08/das-kriegerische-kerneuropa-verleiht-sich-flugel/
Claudia Haydt (8.3.2012)
Das kriegerische Kerneuropa verleiht sich Flügel
Zur Rolle des „Europäischen strategischen Lufttransportkommandos“
Eine gemeinsame europäische Armee ist keinesfalls nur Zukunftsmusik. Zu
dem bereits heute funktionsfähigen Kern einer Euroarmee gehört das
„Europäische strategische Lufttransportkommando“ (European Air Transport
Command/EATC). Dieses hat, weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit,
vor mehr als einem Jahr seine Arbeit aufgenommen.
Auf dem so genannten Pralinengipfel am 29.4.2003 beschlossen die
Vertreter von Deutschland, Frankreich, Belgien und Luxemburg, zukünftig
im Militärbereich verstärkt zusammenzuarbeiten. Das „Alte Europa“, das
kurz nach Ausbruch des Irakkrieges um seinen machtpolitischen Einfluss
fürchtete, wollte auf diesem Gipfel dokumentieren, dass es dazu in der
Lage ist, auch selbst militärisch etwas auf die Beine zu stellen. In den
Worten des damaligen Kanzlers Schröder: „Wer für sich in Anspruch nimmt,
…im Ernstfall auch zu differenzieren oder Nein zu sagen wie im Falle
Irak, der muss sich in die Lage versetzen, auch etwas aus eigener Kraft
zu leisten.“ In anderen Worten: Wer im Einzelfall einmal „Nein“ zu einem
Krieg sagt, muss in der Lage sein, einen anderen Krieg führen zu können,
um seine globale Machtposition zu sichern. Dies erfordert jedoch
zwingend die Fähigkeit zum strategischen Lufttransport, um Soldaten und
Kriegsgerät an die jeweiligen Einsatzorte verfrachten zu können. Heute,
neun Jahre später, ist einer der damals vereinbarten Meilensteine
erreicht. Mit dem gemeinsamen Transportkommando hat das militärische
Kerneuropa seine globale Handlungsfähigkeit trotz klammer öffentlicher
Kassen deutlich ausgebaut.
Effizient in jeden neuen Krieg
Das EATC ist verantwortlich für gemeinsame militärische Lufttransporte
mit Flugzeugen, nicht jedoch mit Hubschraubern. Das europäische Kommando
führt zwar keine „Kinetischen Einsätze“, also keine direkten
Kampfeinsätze durch, allerdings transportiert es durchaus Rüstung,
Munition und Soldaten, auch im direkten Kontext von Kriegen. Die
Einrichtung eines gemeinsamen Transportkommandos bedeutet, zumindest
teilweise auf nationale Souveränität zu verzichten. Das ist einer der
Gründe dafür, dass die konkrete Umsetzung des Beschlusses aus dem Jahr
2003 länger als geplant dauerte. 2007 einigten sich Belgien,
Deutschland, Frankreich und die Niederlande auf ein Konzept. Im
September 2010 wurde das EATC dann in den Niederlanden (Eindhoven)
aufgestellt. Luxemburg, das ursprünglich seine Bereitschaft zur
Teilnahme signalisierte, wird voraussichtlich erst 2013 beitreten. Um
das EATC langfristig zu regeln, soll 2013/14 ein Staatsvertrag
abgeschlossen werden und damit auch Nicht-NATO-Staaten integriert werden
können, wurde bewusst eine Lösung außerhalb der NATO-Struktur gesucht.
Es wird unter anderem mit dem Beitritt von Österreich, Spanien und der
Türkei gerechnet.
Der deutsche Beitrag zum EATC besteht aus 72 Soldaten und einem
Zivilmitarbeiter, die alle in der Zentrale in Eindhoven eingesetzt
werden. Im November 2011 waren zudem etwa 70 deutsche Transportflugzeuge
dem gemeinsame Transportkommando unterstellt. Die Flugzeuge werden
jeweils von nationalen Besatzungen geflogen, sie transportieren aber
Frachten für sämtliche der teilnehmenden Streitkräfte. Fünf der dem EATC
zugeordneten Maschinen sind A310Transportflugzeuge und der Rest besteht
aus Transportflugzeugen des Typs C-160 und C-160 ESS. Zukünftig sollen
auch die von EADS produzierten Airbus A400M im Rahmen des EATC
eingesetzt werden. Obwohl die volle Funktionsfähigkeit des
Transportkommandos erst im Mai 2011 erreicht wurde, wurde im selben Jahr
bereits eine umfangreiche Transportleistung abgewickelt: Insgesamt 7.712
Flüge statt, 3.650 davon waren deutsche Flüge.
Flüge, die für eine andere Nation durchgeführt werden, werden nicht
bezahlt, sondern lediglich erfasst. Durch den Einsatz des jeweils
passenden Flugzeuges, mit der jeweils passenden Transportkapazität soll
insgesamt ein Effizienzgewinn erzielt werden.
Libyen, Afghanistan – Kriegsbeteiligung als Routineaufgabe
Die Transportflugzeuge werden nicht nur in Europa eingesetzt, sondern
auch routinemäßig „auf dem afrikanischen und amerikanischen Kontinent.“
(1) Konkret wurde bisher die Unterstützung des Libyenkrieges, die
französischen Intervention in der Elfenbeinküste und der
Afghanistankrieg über das EATC durchgeführt. Die Unterstützungsflüge für
den ISAF-Einsatz in Afghanistan werden von deutschen Flugzeugen über
Termes/Usbekistan und von französischen Flugzeugen über
Duschanbe/Tadschikistan abgewickelt. Angesichts der seit November 2011
geschlossenen Grenze zu Pakistan, haben diese Transportrouten über
Usbekistan und Tadschikistan eine zentrale strategische Bedeutung.
Auch wenn durch das EATC keine Kampfeinsätze geflogen werden, so handelt
es sich doch in vielen Fällen um direkte Beihilfe zur Kriegsführung.
Laut Angaben aus dem Unterausschuss Sicherheit und Verteidigung im
Europaparlament (2) wurden im Verlauf des Libyenkrieges 11.000 Soldaten
und 3.300 Tonnen Ausrüstung durch das EATC transportiert. Dies fand als
direkte Unterstützung für 35 Kampfflugzeuge und Kampfdrohnen statt. Der
größte Teil dieser Transporte wurde durch französische Maschinen
abgewickelt, dennoch haben deutsche SoldatInnen immerhin etwa 10% der
Transporte durchgeführt. Zusätzlich waren in der Zentrale in Eindhoven
weitere Bundeswehrangehörige an der Durchführung des Libyenkrieges
beteiligt.
Am Libyenkrieg war Deutschland offiziell nicht beteiligt. Es gab
folglich auch kein Mandat durch den Bundestag, das eine Teilnahme
deutscher Soldaten an diesem Krieg ermöglicht hätte. Wie schon früher
bekannt wurde, waren über hundert deutsche Soldaten in NATO-Stäben
eingesetzt, die explizit für die Unterstützung des NATO-Krieges gegen
Libyen eingerichtet worden waren. Die Parlamentsbeteiligung und damit
die demokratische Kontrolle der Bundeswehr wird durch solche indirekten
Kriegseinsätze immer weiter ausgehöhlt.
Das Ende der Parlamentsarmee
Grundsatzentscheidungen über Krieg und Frieden werden zunehmend durch
Effizienzerwägungen ausgehebelt. Auch Staatssekretär Kossendey scheint
dieses Dilemma zu bemerken, indem er in seiner Unterrichtung an den
Verteidigungsausschuss anmerkt, dass Effizienzsteigerungen erkauft
werden durch „eine Verringerung der nationalen
Einflussmöglichkeiten.“(3) Es geht hier jedoch nicht um eine x-beliebige
Abwägung, sondern um eine demokratische Grundsatzfrage.
Das EATC ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer gemeinsamen
europäischen Armee. Wer diese will, spricht sich damit klar für einen
Abschied von der Parlamentsarmee aus. Die Bundeswehr im Einsatz ist
bereits heute, mit den noch existierenden Möglichkeit der
Parlamentsbeteiligung, kaum zu kontrollieren. Doch je mehr eine
europäische Armee Realität wird, umso stärker werden auch noch die
letzten Kontrollmöglichkeiten verschwinden. Die Tatsache, dass
Bundeswehrangehörige im Rahmen des EATC umfangreiche Kriegsunterstützung
geleistet haben, ohne öffentliche Debatte darüber, ohne Entscheidung des
Parlaments und ohne vorherige Information des Parlamentes – das alles
ist ein erster Vorgeschmack auf weitere Entwicklungen.
Anmerkungen:
(1) Mitteilung Staatssekretär Thomas Kossendey an den
Verteidigungsausschuss, vom 6.3.2012, S.4.
(2) Power Point Präsentation, Major General Jochen Both, 29.11.2011.
(3) Mitteilung Staatssekretär Thomas Kossendey an den
Verteidigungsausschuss, vom 6.3.2012, S. 6.
3) Links zu den neuesten Texten auf der IMI-Homepage
IMI-Studie 2012/07
Syrien: Die Militarisierung der Proteste und die strategische Unvernunft
der Gewalt
http://www.imi-online.de/2012/03/20/syrien-die-militarisierung-der-proteste-und-die-strategische-unvernunft-der-gewalt-2/
Jürgen Wagner (20.3.2012)
Dokumentation
„Ausweichend, widersprüchlich und unter Geheimhaltung“
Neues zum "Schulausflug zur Fallschirmspringerübung"
http://www.imi-online.de/2012/03/20/%e2%80%9eausweichend-widerspruchlich-und-unter-geheimhaltung%e2%80%9c/
(20.3.2012)
IMI-Standpunkt 2012/017
Auch deutsche Spezialkräfte werden trotz psychischer Beschwerden in
Einsätze geschickt
http://www.imi-online.de/2012/03/20/auch-deutsche-spezialkrafte-werden-trotz-psychischer-beschwerden-in-einsatze-geschickt/
Bernhard Klaus (20.3.2012)
IMI-Standpunkt 2012/016 - in: Friedensjournal 2/2012
Drohneneinsatz
Mordanschläge als verdeckte Kriegsführung
http://www.imi-online.de/2012/03/14/drohneneinsatz/
Michael Haid (14.3.2012)
IMI-Standpunkt 2012/015
Wem gehört der Fisch? Zur Ausweitung des ATALANTA-Einsatzes am Horn von
Afrika
http://www.imi-online.de/2012/03/09/wem-gehort-der-fisch-zur-ausweitung-des-atalanta-einsatzes-am-horn-von-afrika/
Christoph Marischka (9.3.2012)
IMI-Standpunkt 2012/014
Das kriegerische Kerneuropa verleiht sich Flügel
Zur Rolle des „Europäischen strategischen Lufttransportkommandos“
Claudia Haydt (8.3.2012)
http://www.imi-online.de/2012/03/08/das-kriegerische-kerneuropa-verleiht-sich-flugel/
IMI-Standpunkt 2012/013
EU-Grenzschutzexperten reisen nach Libyen
Bernhard Klaus (5.3.2012)
IMI-Standpunkt 2012/012
„Sicherheitslage im Vergleich zur Zeit des Gaddafi-Regimes verbessert“
Flüchtlingslager Lampedusa weiter geschlossen
http://www.imi-online.de/2012/03/02/%e2%80%9esicherheitslage-im-vergleich-zur-zeit-des-gaddafi-regimes-verbessert%e2%80%9c-fluchtlingslager-lampedusa-weiter-geschlossen/
Bernhard Klaus (2.3.2012)
Mehr Informationen über die Mailingliste IMI-List