[IMI-List] [0366] Militarisierung Hochschulen / Neue Texte AUSDRUCK / Artikel „Streitkräfteeinsatzgesetz“

IMI imi at imi-online.de
Mi Feb 15 07:35:03 CET 2012


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Online-Zeitschrift "IMI-List"

Nummer 0366 .......... 16. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563

Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.

Red.: IMI / Jonna Schürkes / Jürgen Wagner

Abo (kostenlos).. https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list

Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3

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Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List findet sich

1.) Drei Artikel und eine längere Studie rund um das Thema 
Militarisierung der Hochschulen;

2.) Zahlreiche neue Texte, frisch erschienen in der Februar-Ausgabe des 
AUSDRUCK;

3.) Ein Artikel zur Debatte um ein neues Gesetz für 
Bundeswehr-Auslandseinsätze.

1.) Militarisierung der Hochschulen

Soeben ist die IMI-Studie „Die Militarisierung von Forschung und Lehre. 
Ein kritischer Stadtrundgang durchs Tübinger Uni-Viertel“ erschienen. 
Anhand des Tübinger Beispiels wird darin gezeigt, auf wie viel 
unterschiedlichen Feldern sich die Militarisierung der Hochschulen 
niederschlagen kann: 
http://www.imi-online.de/2012/02/14/die-militarisierung-von-forschung-und-lehre/

Außerdem sind im aktuellen AUSDRUCK zwei weitere Beiträge zum Thema 
erschienen: erstens zur Tübinger Debatte über eine „zivile“ Universität 
(http://www.imi-online.de/2012/02/14/fur-eine-friedliche-universitat); 
und zweitens zur Zusammenarbeit der Universität Reutlingen und 
Bundeswehrhochschule in München 
(http://www.imi-online.de/download/Stache_Ausdruck1_2012.pdf). Ein 
weiterer aktueller Text zur Debatte um Zivilklauseln findet sich hier: 
http://www.imi-online.de/2012/02/12/keine-forschung-fur-das-militar/


2.) AUSDRUCK (Februar 2012)

Im Deutschland-Schwerpunkt finden sich Artikel zum Dresdner 
Militärmuseum, der Militarisierung der Hochschulen, zur ersten Bilanz 
des neuen freiwilligen Wehrdienstes der Bundeswehr sowie zur Debatte um 
ein Streitkräfteeinsatzgesetz (s.a. Artikel am Ende der Mail).

Neben der Militarisierung der Europäischen Union stellen die Konflikte 
in Afrika einen weiteren Schwerpunkt dar. Der Artikel „Sahara, der 
Libyenkrieg und die kommende Aufstandsbekämpfung“ beschäftigt sich mit 
der Destabilisierung Nordafrikas, während die Studie „Die vielen Formen 
des Krieges am Horn von Afrika“ Ostafrika in den Blick nimmt. 
Abschließend findet sich im AUSDRUCK noch eine Analyse der wichtigsten 
Aspekte der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz.

Die komplette Ausgabe zum Download: 
http://www.imi-online.de/download/februar2012_klein.pdf

DEUTSCHLAND UND DIE BUNDESWEHR

-- Lucius Teidelbaum / Thomas Mickan

Das Militärhistorische Museum in Dresden – zwei Blickwinkel

http://www.imi-online.de/download/TeidelbaumMickan_Ausdruck1_2012.pdf

-- Michael Haid - Eine deutsche „Blankettnorm“ zum Töten? Anmerkungen 
zur Debatte um ein Gesetz für den Auslandeinsatz der Bundeswehr

http://www.imi-online.de/download/Haid1_Ausdruck1_2012.pdf

-- Christian Stache

Erst kämpfen, dann studieren: Universität Reutlingen und 
Bundeswehrhochschule München weiten ihr Modell zivilmilitärischer 
Zusammenarbeit aus

http://www.imi-online.de/download/Stache_Ausdruck1_2012.pdf

-- Andreas Seifert

Für eine friedliche Universität: Zur Tübinger Debatte über eine „zivile“ 
Universität

http://www.imi-online.de/download/Seifert_Ausdruck1_2012.pdf

-- Michael Haid

Ab durch die Hecke! Erste Bilanz des freiwilligen Wehrdienstes der 
Bundeswehr

http://www.imi-online.de/download/Haid2_Ausdruck1_2012.pdf

EU-MILITARISIERUNG

-- Matthias Monroy

Augen aus dem All, Netzwerke der Satellitenaufklärung

http://www.imi-online.de/download/Monroy_Ausdruck1_2012.pdf

MILITARISIERUNG AFRIKAS

-- Jonna Schürkes

Die vielen Formen des Krieges am Horn von Afrika

http://www.imi-online.de/download/Schuerkes_Ausdruck1_2012.pdf

-- Christoph Marischka

Sahara, der Libyenkrieg und die kommende Aufstandsbekämpfung

http://www.imi-online.de/download/Marischka_Ausdruck1_2012.pdf

NATO

-- Jürgen Wagner

Münchner Sicherheitskonferenz: Deutsches Europa und Verhärtung der Fronten

http://www.imi-online.de/download/Wagner_Ausdruck1_2012.pdf

3.) Artikel zur Debatte um ein neues Gesetz für Bundeswehr-Auslandseinsätze

IMI-Standpunkt 2012/004 - in: AUSDRUCK (Februar 2012)

Eine deutsche „Blankettnorm“ zum Töten?

Anmerkungen zur Debatte um ein Gesetz für den Auslandeinsatz der 
Bundeswehr („Streitkräfteeinsatzgesetz“)

http://www.imi-online.de/download/Haid1_Ausdruck1_2012.pdf

Michael Haid (27. Januar 2012)

Die Online-Ausgabe der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« (FAZ) 
berichtete unlängst über eine Ende des letzten Jahres stattgefundene 
Veranstaltung des »Deutschen Instituts für Menschenrechte« und der 
»Deutschen Gesellschaft für Wehrrecht und Humanitäres Völkerrecht«. Der 
Titel des Artikels umreißt den Kern der dort geführten Debatte: 
„Blankettnorm für den Krieg. Braucht Deutschland ein Gesetz für 
Auslandseinsätze der Bundeswehr – oder reicht das Mandat?“.[1]

Das juristische Fachgespräch war mit dem Potsdamer Völkerrechtler 
Andreas Zimmermann und Ministerialrat Christof Gramm prominent besetzt. 
Ersterer ist VN-politischer und völkerrechtswissenschaftlicher Beirat 
des Auswärtigen Amtes. Letzterer ist Privatdozent der Universität 
Düsseldorf und der FAZ zufolge Vertreter des 
Bundesverteidigungsministeriums. Beide Kontrahenten stellten jeweils 
ihre eigenen Thesenpapiere vor, die im Folgenden erläutert werden.

Der Grund für diese Debatte kann im Wesentlichen wie folgt beschrieben 
werden: Es ist eine Kernentscheidung des Grundgesetzes, dass die 
Staatsgewalt, und dazu gehört auch seit ihrer Aufstellung 1956 die 
Bundeswehr, an die Grundrechte gebunden sind (Art. 1 Abs. 3 GG). Diese 
Grundrechtsbindung ist aber nicht territorial definiert (gilt also nicht 
nur in Deutschland), sondern kann überall dort zur Geltung kommen, wo 
deutsche Staatsgewalt ausgeübt wird (folglich auch bei Auslandseinsätzen 
der Bundeswehr).[2]

Das heißt nichts anderes, als dass etwaige Grundrechtseingriffe wie 
Festnahmen, Überstellungen von Verdächtigen an Drittstaaten oder gar 
Körperverletzungen an oder Tötungen von Personen durch deutsche Soldaten 
im Auslandseinsatz verfassungsrechtlich Deutschland zurechenbar sein 
können. Dies würde für die Betroffenen die Möglichkeit begründen, gegen 
die Bundesrepublik ihre Rechtsschutzmöglichkeiten vor deutschen 
Gerichten wahrzunehmen (Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG). Im Grunde genommen 
könnte dies für die deutsche Politik eine reale Gefahr erhöhter 
politischer und finanzieller Kosten bedeuten, wenn die Bundesregierung 
für von deutschen Soldaten begangene Grundrechtsverletzungen gerichtlich 
zur Verantwortung gezogen würde und beispielsweise Schadensersatz 
leisten müsste.

Dass Fälle durchaus eintreten können, bei denen militärisches Handeln 
gerichtliche Konsequenzen nach sich ziehen, lässt sich gut am Beispiel 
eines Urteils des Verwaltungsgerichts Köln zeigen (Urt. v. 11.11.2011, 
Az. 25 K 4280/09). Die Überstellung eines der Piraterie Verdächtigen 
durch die Bundesmarine an kenianische Behörden wurde von diesem Gericht 
für rechtswidrig erklärt, weil die dortigen Haftbedingungen nicht 
völkerrechtlichen Mindeststandards genügten.[3]

Grundsätzlich kann aber die Staatsgewalt in die Grundrechte von Personen 
eingreifen, wenn diese Grundrechtseingriffe durch eine gesetzliche 
Ermächtigung gerechtfertigt sind. Bei der angesprochenen Veranstaltung 
ging es um die Frage des Für und Wider eines ebensolchen Gesetzes, das 
vor allem die Eingriffsbefugnisse in die Grundrechte der Bevölkerung in 
den Einsatzgebieten der Bundeswehr im Ausland regeln würde. Bislang gibt 
es nur das aus dem Jahr 2005 stammende Parlamentsbeteiligungsgesetz 
(ParlBG), welches nur das „ob“ eines Einsatzes der Zustimmung des 
Bundestages unterwirft. Das diskutierte „Streitkräfteeinsatzgesetz“ 
würde das „wie“ eines Einsatzes regeln; letztlich im schlimmsten Fall 
Tötungen legalisieren.

Zimmermann sprach sich in seinem Thesenpapier für die Notwendigkeit 
einer gesetzlichen Ermächtigung für Grundrechtseingriffe durch die 
Bundeswehr im Kontext von Auslandseinsätzen aus. Nach seinem Vorschlag 
müsse ein „mögliches Auslandseinsatzgesetz“ (…) „den Besonderheiten 
solcher Einsätze Rechnung tragen“. Das Gesetz müsse „daher zum einen in 
großer Intensität Grundrechtseingriffe legitimieren bis hin zur 
gezielten Tötung gegnerischer Kämpfer bzw. Kombattanten“ und es müssten 
ferner „auch Grundrechtseingriffe in der Breite legitimiert werden um 
den Besonderheiten bewaffneter Konflikte bzw. den von Situationen knapp 
unterhalb solcher Konflikte Rechnung zu tragen.“ Aus 
„Praktikabilitätsgründen“ komme nur eine gesetzliche Regelung in der 
„Art einer Blankettnorm“, die „zu solchen Grundrechtseingriffen“ 
ermächtige, in Betracht.[4]

Hingegen hält Gramm ein „umfassendes Streitkräfteeinsatzgesetz“ für 
nicht erforderlich. Er sieht es sogar als „fraglich“ an, „ob und ggf. 
mit welcher Reichweite die Grundrechte beim Auslandseinsatz der 
Streitkräfte im Hinblick auf Dritte (Nichtdeutsche) überhaupt gelten“ 
würden. Er schlägt in seinem Thesenpapier vor, nach dem Vorbild 
Österreichs, die Eingriffsbefugnisse der Soldaten in einer Verordnung zu 
erfassen.[5] Eine Rechtsverordnung nach Artikel 80 des Grundgesetzes 
müsste nicht, wie das von Zimmermann favorisierte Gesetz, vom Bundestag 
verabschiedet werden. Es würde lediglich die Verabschiedung eines 
Gesetzes erforderlich sein, das Inhalt, Zweck und Ausmaß der 
Ermächtigung enthält. Ansonsten bliebe der Bundesregierung oder einem 
Bundesminister im Rahmen dieser Beschränkungen die inhaltliche 
Ausformulierung der Rechtsverordnung überlassen.

Beide Varianten stellen Versuche dar, von der Bundeswehr begangene 
Grundrechtsverstöße, etwa von ihr verursachte – so genannte – 
Kollateralschäden, rechtlich abzusichern. Damit würde den Betroffenen 
die Möglichkeit erschwert, vor deutschen Gerichten Rechtsschutz, 
Aufklärung des Vorfalls in einer unabhängigen Untersuchung oder 
Schadensersatz zu erlangen. Dass gerichtlicher Rechtsschutz auch auf 
europäischer Ebene durchaus erreichbar sein kann, zeigt die jüngste 
Rechtsprechung des »Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte« (EGMR) 
in seiner Entscheidung “Al-Skeini u.a. gegen Vereinigtes Königreich” 
(Aktenzeichen 55721/07). Der EGMR erklärte in diesem grundlegenden 
Urteil die »Europäische Menschenrechtskonvention« (EMRK) für den Einsatz 
britischer Truppen in Basra nach dem Irak-Krieg für anwendbar. Nach 
Auffassung des Gerichts habe Großbritannien dort Hoheitsgewalt ausgeübt. 
Aus der effektiven Kontrolle über ein Konfliktgebiet erfolge auch die 
menschenrechtliche Verantwortlichkeit für Rechtsverletzungen, so der 
EGMR weiter. Dieses Urteil ist richtungsweisend für den Einsatz 
europäischer Truppen und gilt damit auch für deutsche Auslandseinsätze. 
Die Angehörigen von sechs durch britische Soldaten zu Tode gekommenen 
irakischen Personen hatten auf Schadensersatz und Aufklärung der 
Todesfälle durch eine unabhängige Kommission geklagt, womit sie zuvor 
bei britischen Gerichten gescheitert waren, und nun im Juli 2011 vor dem 
EGMR Recht bekommen.[6]

*Anmerkungen:*

[1] Vgl. Reinhard Müller, Blankettnorm für den Krieg. Braucht 
Deutschland ein Gesetz für Auslandseinsätze der Bundeswehr – oder reicht 
das Mandat?, FAZ Online, 12. Januar 2012.

[2] Zum Meinungsstand in der Rechtswissenschaft und der Rechtsprechung 
des Bundesverfassungsgerichts zur exterritorialen Geltung der 
Grundrechte vgl. Dieter Wiefelspütz, Auslandseinsatz der Streitkräfte 
und Grundrechte, Neue Zeitschrift für Wehrrecht, Heft Nr. 3/2008, S. 
89-102, S. 89-98.

[3] Vgl. VG Köln. Übergabe somalischer Piraten an Kenia rechtswidrig, 
Legal Tribune Online, 11. November 2011; Tim René Salomon, Das VG Köln 
als Hüter der Menschenrechte, Legal Tribune Online, 22. November 2011.

[4] Andreas Zimmermann, Bundeswehr-Auslandeinsatzgesetz, Thesenpapier, 
http://dgwhv.de/media/Fachgespr%C3%A4ch%20AuslEinsatzG%202011/Thesenpapier%20Zimmermann.pdf 
(23. Januar 2012).

[5] Christof Gramm, Ein Streitkräfteeinsatzgesetz für die Bundeswehr? 
Juristisches Fachgespräch am 24. Oktober 2011 des Deutschen Instituts 
für Menschenrechte und der Deutschen Gesellschaft für Wehrrecht und 
Humanitäres Völkerrecht, 
http://dgwhv.de/media/Fachgespr%C3%A4ch%20AuslEinsatzG%202011/Thesen%20Gramm%20%281%29.pdf 
(23. Januar 2012).

[6] Vgl. Przemyslaw Roguski, Wer den Krieg exportiert, muss auch vor 
seinem Grauen schützen, Legal Tribune Online, 8. Juli 2011.


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