[IMI-List] [0365] Sicherheitskonferenz: deutsches Europa / Dresdner Militärmuseum

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Do Feb 2 15:02:03 CET 2012


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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0365 .......... 16. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jonna Schürkes / Jürgen Wagner
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Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List findet sich

1.) Infos zur Münchner Sicherheitskonferenz am kommenden Wochenende

2.) Zwei Artikel zum Militärmuseum in Dresden

3.) Links zu den neuesten Texten auf der IMI-Homepage


1) Münchner Sicherheitskonferenz

Am Wochenende (4./5. Februar) findet erneut die Münchner 
Sicherheitskonferenz statt. Es wird auch dieses Jahr eine große 
Gegendemonstration geben. Die Auftaktkundgebung beginnt am Samstag den 
4. Februar um 13h am Stachus. Weitere Infos zu Protesten, Gegenkonferenz 
etc.: http://sicherheitskonferenz.de/

Der Leiter der Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, ist auch 
Honorarprofessor in Tübingen. Deshalb gibt es auch einen „Tübinger 
Aufruf zur den Protesten gegen die NATO-Sicherheitskonferenz“, der 
Ischingers Rolle besonders beleuchtet: 
http://www.imi-online.de/2012/01/22/tubinger-aufruf-zur-den-protesten-gegen-die-nato-sicherheitskonferenz/

Apropos Ischinger: In einem kürzlich gegebenen Interview machte dieser 
klar, dass der Versuch, eine deutsche Führungsrolle in der Europäischen 
Union durchzudrücken, ganz wesentlich die Agenda der diesjährigen 
Sicherheitskonferenz bestimmen wird. Mehr dazu in einem aktuellen 
IMI-Standpunkt: 
http://www.imi-online.de/2012/02/02/munchner-sicherheitskonferenz-ischinger-deutsches-europa/ 



2) Das Militärhistorische Museum in Dresden – zwei Blickwinkel

IMI-Standpunkt 2012/003
Das Militärhistorische Museum in Dresden – zwei Blickwinkel
http://www.imi-online.de/2012/01/26/das-militarhistorische-museum-in-dresden-%E2%80%93-zwei-blickwinkel/ 

von: Lucius Teidelbaum / Thomas Mickan | Veröffentlicht am: 26. Januar 2012


Am 14. Oktober 2011 wurde das Militärhistorische Museum in Dresden nach 
einem Umbau wiedereröffnet. Im Folgenden finden sich zwei 
unterschiedliche Sichtweisen und Bewertungen des Museums.


Ein Gang durch das Militärhistorische Museum in Dresden

von Lucius Teidelbaum

Im Juli 2010 kam es zum Skandal, als bekannt wurde, dass ein Mitarbeiter 
des Dresdner Militärmuseums im NPD-Hausverlag „Deutsche Stimme“ ein Buch 
veröffentlicht hatte. Wolfgang Fleischer (* 1952) hatte das Buch 
„Sachsen 1945“ im Riesaer Verlag „Deutsche Stimme“ publiziert. 
Fleischers Co-Autor ist Roland Schmieder, ein Oberst der Reserve, der 
auch eine Zeit lang im Museum beschäftigt war. Fleischer selbst war seit 
den Anfängen des Militärmuseums 1972 dessen ziviler Mitarbeiter. 
Gegenwärtig ist er dort ein Fachgebietsleiter und hatte bisher laut der 
„Sächsischen Zeitung“ (SZ) einen „tadellosen Ruf als Experte“. Ganz 
stimmt das allerdings nicht. Der Fachgebietsleiter hatte bereits vor dem 
Skandal im Juli 2010 in einer Ausgabe des braunen Magazins „Deutsche 
Militärzeitschrift“ ein Interview gegeben.

Der Museumsleiter, Oberstleutnant Matthias Rogg, gab sich angesichts 
dieser Tatsachen schockiert und die SZ zitiert ihn mit den Worten: „Das 
ist uns alles äußerst unangenehm“. Immerhin wurde mit einer 
Pressekonferenz reagiert, auf der Rogg klarstellte, dass das Museum sich 
ausdrücklich von der „Deutschen Stimme“ distanziere. Die SZ gibt Rogg in 
ihrem Bericht wieder: „Der Mitarbeiter sei nicht vom Dienst suspendiert, 
‚wir haben den Fall zur gründlichen Bearbeitung weitergegeben. Die 
Wehrbereichsverwaltung Ost in Strausberg übernimmt die juristische 
Prüfung, das Militärgeschichtliche Forschungsamt in Potsdam die 
inhaltliche‘, so Rogg. ‚Erst danach können wir über weitere Maßnahmen 
nachdenken.‘ Im für ihn schlimmsten Fall muss Fleischer wohl mit seiner 
Entlassung rechnen.“ Solche Vorkommnisse ließen Schlimmes befürchten für 
das neueröffnete Museum. Doch es kam anders.


Ein Militärmuseum als Ort der Reflexion

Die Zeiten verstaubter Dioramen, an denen Hobbystrategen vergangene 
Siege und Niederlagen nacherleben können, sind offenbar vorbei. 
Jedenfalls gilt das für das Militärmuseum in Dresden. Das neueröffnete 
Militärhistorische Museum präsentiert sich als Ort der Reflexion. So 
schreibt die „Neue Züricher Zeitung“: „Ein Militärmuseum im 
Reflexions-Taumel. Erstaunlich. Man muss es gesehen haben.“ Das 
offenbart sich bereits im Äußeren. Dem amerikanischen Stararchitekten 
Daniel Libeskind ist es mit einem mehrgeschossigen Glas&Metall-Keil 
tatsächlich gelungen, die traditionelle wilhelminische 
Militärarchitektur aufzubrechen. Dieses moderne Bauelement hatte zu 
Kritik aus den Reihen der extremen Rechten geführt. Man schwafelte von 
einer „zweiten Bombardierung“ Dresdens. Dass der Architekt noch dazu ein 
US-Jude ist, sorgte nochmal extra dafür, dass gewisse Personen Schaum 
vor dem Mund hatten.

In der militär-affinen extremen Rechten findet sich allgemein eine 
vehemente Kritik an dem Museums-Umbau. Seit letztem Jahr ist bekannt, 
dass mehrere neurechte Offiziere die Reaktion von Campus, dem 
Studierenden-Magazin der Bundeswehr-Universität in Neubiberg bei München 
gekapert haben. Einer von ihnen ist der studierende Jung-Offizier Felix 
Springer, Jahrgang 1988, der seit 2010 Autor für „Sezession im Netz“ 
ist. Die Online-Publikation „Sezession im Netz“ ist Bestandteil des 
extrem rechten Thinktanks „Institut für Staatspolitik“ (IfS). Springer 
beklagt sich in seinem Online-Beitrag auf „Sezession im Netz“ über den 
Ist-Zustand der Bundeswehr: „Die in der Folge [gewisser 
Traditions-Bereinigungen] künstlich durch Verbot und Weisung 
herbeigeführte Verarmung der Bundeswehr an Traditionsbeständen aller Art 
muß als in der Geschichte des deutschen Militärs einzigartig gelten.“ 
Auch über die äußerliche Umgestaltung schimpft Springer: „Zu behaupten, 
man wolle nun in dieses vollkommen anorganische und nicht einmal 
halbherzig gelebte Stückwerk befohlener Identität noch “einen Keil 
treiben”, grenzt eigentlich an politisch-historische Nekrophilie.“ 
Überhaupt klagt Springer über das „identitären Trümmerfeld Bundeswehr“, 
die „hippiesque anmutende Emotionalisierung“ und sieht das Problem in 
der „seit Jahrzehnten bewußt und äußerst konsequent vollzogenen 
Entmilitarisierung von Militär und Staat“. Springer lässt ahnen, wie er 
sich ein Museum in seinem Sinne vorstellt: „Wo, wenn nicht im 
bundeswehreigenen Museum, soll aus der deutschen Militärgeschichte 
Identität für den tötenden und fallenden Parlamentssoldaten der 
Gegenwart und Zukunft gewonnen werden, wo sonst soll er einen Begriff 
von seiner historischen Aufgabe bekommen?“

Auch in der extrem rechten Wochenzeitung „Junge Freiheit“ kritisiert ein 
Autor die Neugestaltung des Museums. In der Ausgabe vom 6. Januar 2012 
beklagt der Autor Johannes Meyer: „Sympathie oder freundliches Interesse 
für den Gegenstand der Darstellung sucht man vergebens. […] Die 
verbindende Klammer des Grundthemas Gewalt ermöglicht es dabei sehr 
einfach, das Militär mit allem Negativen gleichzusetzen, das heute dem 
Stichwort Gewalt zugeschrieben wird.“

Insgesamt hat der Umbau des dreigeschossigen Gebäudes mehr als 60 
Millionen Euro gekostet und sollte schon 2008 fertig gestellt sein. Die 
Eröffnung erfolgte dann aber erst im Herbst 2011. Die Ausstellung 
beinhaltet mehr als 10.000 Exponate auf insgesamt 19.000m² 
Ausstellungsfläche.

Das Museum gibt sich weltläufig, die Beschriftungen sind in Deutsch und 
Englisch. Die neue Ausstellung wird einer modernen Museumspädagogik 
durchaus gerecht. Der Kurator Gorch Pieken nannte es „ein 
Denkstiftungs-, kein Sinnstiftungsmuseum“. Natürlich gibt es auch 
moderne Elemente wie Videosequenzen und an einer Stelle gibt es auch den 
„Geruch des Krieges“ nachzuschnuppern.

Die modernen Aspekte der Ausstellung äußern sich auch in der Beachtung 
des Themas Frauen und Militär. Auch die Armee der DDR, die NVA, wird 
ausreichend und kritisch vorgestellt. Der repressive Umgang mit den als 
„Bausoldaten“ bezeichneten Wehrdienstverweigerern in der DDR wird 
beispielsweise gut nachgezeichnet.

In der Konzeption der Ausstellung findet sich insgesamt eine Art 
Zweiteilung. Die ersten beiden Stockwerke stellen chronologisch die 
deutsche Militärgeschichte dar. Darüber werden verschiedene Aspekte der 
Verbindung von Militärischem und Zivilem dargestellt, beispielsweise 
„Militär und Mode“.

Die Betrachtung deutscher Militärgeschichte ist nicht eine rein 
darstellende, sondern häufig auch eine eher kritisch einordnende. Kritik 
an Krieg und Militär in der Ausstellung also durchaus seinen Platz. Die 
kritischen Aspekte der Ausstellung sind auch nicht in eine Nische 
abgeschoben worden oder wirken irgendwie pflichtschuldig hingestellt.

Die Kritik funktioniert auch über Gegenüberstellungen von 
Kurz-Biografien. Da wird der Bundeswehr-Generalinspekteur einem 
Kriegsdienstverweigerer oder der Matrose und Mitglied eines Soldatenrats 
einem Generalquartiermeister gegenüber gestellt. Die Kriegsverbrechen 
deutscher Armeen und der jeweilige politische Kontext wurden insgesamt 
ganz gut eingebaut. Ebenso eine generell militärkritische Note. 
Natürlich sind es keine höheren Weisheiten, aber wann hat man in 
militärhistorischen Museen schon Sätze wie die Folgenden gelesen?

„Menschen erschaffen Waffen, um mit Gewalt ihre Interesse durchsetzen 
oder sich gegen Angriffe zu verteidigen.“

„In jedem Krieg werden Menschen getötet oder körperlich oder psychisch 
verletzt. Sowohl Waffengewalt als auch Erlebnisse können tiefe Wunden 
hinterlassen.“

„In seiner letzten Konsequenz bedeutet Krieg die beständige Bedrohung 
des Lebens.“

Spätestens die ausgestellten Prothesen in der Abteilung „Leiden im 
Krieg“ oder die kritischen, modernen Kriegsfotografien entblößen für die 
Besucher die hässliche Seite am Krieg. Selbst die offiziell gerne 
verschwiegene Drangsalierung junger Soldaten auf der Stube findet in der 
Ausstellung Erwähnung.

An einer Stelle finden sich auch Porträts von aktuellen Minen-Opfern aus 
dem Kongo, Afghanistan oder Kambodscha. Das Deutschland inzwischen der 
weltweit fünftgrößte Rüstungsexporteur ist, wird dann aber doch lieber 
nicht erwähnt.

Weniger kritisch sind auch Tafeln wie „Bewährung im Inland“, wo es 
heißt: „Ob in Zukunft die Bundeswehr unterstützende Funktionen bei 
polizeilichen Aufgaben übernimmt […] ist jedoch sehr umstritten.“ Eine 
generelle Möglichkeit scheint der Inlandseinsatz also schon zu sein.


Fazit: Antimilitarismus made by Bundeswehr?

Im Grunde stellt das Militärhistorische Museum den eigentlich 
unmöglichen Versuch dar, das Zivile mit dem Militärischen auszusöhnen. 
Das funktioniert darüber, dass das Museum als Bundeswehr-Einrichtung 
nicht erkennbar ist. Selbst die Hoheitssymbole der Armee fehlen im 
Eingangsbereich weitgehend. Die Konzeption der Ausstellung entspricht 
der einer modernen Museumspädagogik und ist damit entsprechend kritisch. 
Das Museum ist jedenfalls eher keine Werbung für den Dienst an der 
Waffe. In Teilen konterkariert die Ausstellung die Selbstvermarktung der 
Bundeswehr als ganz normaler „Job“ unter anderen. Wer die Ausstellung 
durchwandert hat, dürfte eher weniger Lust auf den Dienst in der 
Bundeswehr verspüren als vorher. Ob so ein Effekt ursprünglich im Sinne 
der Bundeswehr war?

Anmerkungen
[1] Oliver Reinhard: Verlagswechsel ins Abseits, in: Sächsische Zeitung 
vom 16. Juli 2010.
[2] Joachim Güntner: Dieses Haus der Gewalt hat nicht seinesgleichen, 
Neue Zürcher Zeitung vom 15. Oktober 2011.
[3] Felix Springer: Militärgeschichte ohne Identität – das neue 
Militärhistorische Museum der Bundeswehr in Dresden, 
http://www.sezession.de/29753/militargeschichte-ohne-identitat-das-neue-militarhistorische-museum-der-bundeswehr-in-dresden.html
[4] Johannes Meyer: Keine Sympathie für das Militär, in: „Junge 
Freiheit“ Nr. 02/2012 vom 6. Januar 2012, Seite 6


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Wenn der Kontext das Problem ist: Das Militärhistorische Museum der 
Bundeswehr in Dresden

von Thomas Mickan

Kein Mensch käme auf die Idee, den Hund die Wurst bewachen zu lassen 
oder den Bock zum Gärtner zu machen. Doch eben jene sprichwörtliche 
Torheit ist mit der Neukonzeption des „Militärhistorischen Museums der 
Bundeswehr“ in Dresden (MHM) begangen worden. Die Gelegenheit blieb 
ungenutzt, dem architektonischen Bruch von Daniel Liebeskind ebenso 
einen Bruch mit der institutionellen Geschichtsschreibung durch das 
Militär an diesem traditionsreichen Ort beizufügen. Auch wenn der 
Direktor des MHM, Oberst Matthias Rogg, zu betonen sucht, sein Museum 
folge keiner „ideologischen Leitlinie“[1] , zeigt sich bei einem 
Rundgang durch die Ausstellung schnell, wie wenig der Direktor sein 
Museum zu kennen scheint. Dies betrifft weniger den historischen 
Rückblick bis zum Ende des Kalten Krieges, jedoch umso mehr die 
Darstellung jüngster deutscher Militärgeschichte und die 
zeitungebundenen thematischen Museumsareale (z.B. „Krieg und Spiel“). 
Die folgenden Ausführungen sollen skizzieren, wie die institutionelle 
Geschichtsschreibung sich als strukturelles Problem einer „kritischen 
und differenzierten“ Ausstellungsgestaltung darstellt. Sie beruhen auch 
auf den Beobachtungen eines persönlichen Museumsbesuchs Ende 2011.


Kontextualisierung und Wertsetzung

Weder ein Armee- oder Kriegsmuseum wie in vergangenen Tagen möchte das 
MHM mehr sein, noch militärische Gewaltmittel als Heilssymbole verehren 
oder gar Kriege verherrlichen. Diesem alten Militarismus wurde 
abgeschworen. Vielmehr solle eine „kritische, differenzierte und 
ehrliche Auseinandersetzung mit Militär, Krieg und Gewalt“[2] erfolgen. 
Als Anspruch steht dabei die Bemühung, die Exponate so zu hinterfragen, 
dass sie eine möglichst differenzierte Kontextualisierung erfahren. 
Direktor Rogg, gefragt nach seiner Reaktion auf die Kritiker_innen 
militärischen Pathos‘, umschreibt diese aufklärende Kontextualisierung 
so: „Weil wir die Dinge dekonstruieren. Das ist Teil unserer 
Inszenierung, nicht einfach unreflektiert übernehmen, sondern in ihrer 
Dekonstruktion befragen.“[3]

Doch genau in dieser vermeintlichen Dekonstruktion und 
Kontextualisierung des Militärischen liegt gleichsam eine Rekonstruktion 
neuer, neomilitaristischer Werte. In der Wertsetzung zerfällt so das 
Blendwerk angeblicher Ideologiefreiheit. Krieg wird in ihr als 
immerwährende conditio humana betrachtet. Schon am Eingang begrüßen die 
Clausewitzsche Erstausgabe von „Vom Kriege“ sowie eine Videoinstallation 
des Künstlers Charles Sandison. Clausewitz bezeichnete den Krieg als 
Chamäleon: sich immerzu ändernd, aber nie verschwindend. Sandison lässt 
die Wörter Liebe („love“) und Hass („hate“) auf einer Leinwand „Manöver“ 
vollziehen, sich jagen und so in einem endlosen Kampf zwischen Gut und 
Böse, zwischen Krieg und Frieden treten.[4] Von dieser ewigen Wiederkehr 
des Gleichen ausgehend, müsse der menschlichen Kriegs- und Gewaltneigung 
qualifiziert begegnet werden. Dieser notwendigen und daher umso 
ehrenvolleren Aufgabe stellten sich Menschen in Uniform unter Einsatz 
ihres Lebens. Das Militär sei damit stets und unlösbar in der Mitte der 
Gesellschaft verankert,[5] Krieg wird zum Dienst am Gemeinwohl. In der 
Ausstellung umfassend ausgeweidet wird so z.B. der Kampf der Bundeswehr 
gegen das Oderhochwasser und wie ein roter Faden begleitet die 
Ausstellung der Verweis auf die militärischen Wegmarken etwa für zivile 
Technik, Mode oder Sprache. So entsteht der Eindruck, dass nicht – wie 
proklamiert[6] – der Mensch im Mittelpunkt einer funktionierenden 
Gesellschaft stehe, sondern immer auch das Militär.


Doppelte Zivilisierungsthese

Im MHM wird die Entwicklung des deutschen Militärs als doppelte 
Zivilisierungsthese propagiert. Der erste Zivilisierungsprozess ist 
einer über die historische Zeit. Die Kriege vor dem frühen 19. 
Jahrhundert, die beiden Weltkriege samt ihrer Kriegsverbrechen und der 
Shoa sowie das Militärische in der DDR dienen dabei als negative 
Referenzpole, von denen die Bundeswehr abgesetzt wird. Diese 
stabilisierenden Narrativen der Vergangenheit werden so in letzter 
Konsequenz benutzt, um heutige militärische Gewaltausübung als 
schmerzhafte Lernerfahrungen darzustellen und so zu legitimieren. Dies 
führt direkt zu dem zweifelhaften Argument für Militäreinsätze gerade 
wegen der verheerenden deutschen Geschichte. Auch das zivilisatorische 
Hohelied auf die immer präzisere Technologie des Tötens, entworfen durch 
„militärische Planer und Rüstungsindustrie“,[7] zeugt von einem 
Antizipationsvermögen der Zukunft, welches jeder Kriegshistoriker_in 
unwürdig ist. Die Schautafeln zu den „Friedensutopien“ und der 
vermeintlich kritische Rückblick auf die Drangsalierungsrituale junger 
Soldat_innen sollen wohl Zeugnis der Unerreichbarkeit eines friedlichen 
Endpunktes sein.

Der zweite Zivilisierungsprozess erfolgt über geographische und 
kulturelle Räume. Wo dabei der zivilisierte Umgang mit Krieg und Gewalt 
verortet wird und wo der unzivilisiertere, bedarf leider keiner 
Erläuterung. Samuel Huntingtons These, der grundlegend verschiedenen und 
so notwendig konfliktträchtigen Kulturkreise, findet sich dann in 
auffällig suggestiver Form, lediglich mit einem Höflichkeitsfragezeichen 
versehen, in der Ausstellung wieder. Es gibt auch keine falsche Scheu, 
die Flüchtlingsleitern aus Ceuta und Melilla als sicherheitsrelevante 
Herausforderung des 21. Jahrhunderts darzustellen. Auf eine umfassende 
Kontextualisierung wird vom Museum aber an dieser Stelle dann doch 
verzichtet.[8] Umso weniger wird daran gespart, ein diffuses 
Bedrohungsbild im Zusammenhang mit dem Islam zu erschaffen. Zusammen 
ausgestellt werden dann z.B. ein Ausbildungshandbuch der Taliban neben 
einem Modell der Oper Idomeneo oder Zeitungen, in denen die 
„Mohammed-Karikaturen“ zu sehen sind. Die Vitrine wird unter dem Titel 
„Kriegsursachen“ dem Publikum offeriert.

Nach der einseitigen Verdammung kriegerischer Gewaltursachen der 
„Anderen“, wird der Blick beim Thema „Leiden im Krieg“ auf das „Eigene“ 
gewendet. Während es auf der einen Seite die barbarische namenlose Masse 
ist, die für die „schlechten“ Kriege sich verantwortlich zeigt, erzählt 
der Themenparcours „Leiden“ individuelle Schicksale z.B. „die 
Metallsplitter aus dem Körper von Tony Ewert“, deutsches soldatisches 
Anschlagsopfer in Afghanistan 2003.[9] Dies ist ein gelungener und 
wichtiger Teil der Ausstellung. Warum allerdings die durch 
Bundeswehrangehörige getöteten Menschen in Afghanistan und anderswo hier 
keine Erwähnung finden oder auch die möglichen Verstrickungen 
Bundeswehrangehöriger in Prostitution und Menschenhandel etwa auf dem 
Balkan, bleibt wohl das Geheimnis des richtigen Kontextes, für welches 
das MHM steht. Auch das für jedes Militär geltende soldatische 
Handwerkzeug des „Töten als Arbeit“[10] , welche die doppelte 
Zivilisierungsthese konterkariert, findet in Bezug auf die Bundeswehr im 
Abschnitt Leiden keine strukturelle Problematisierung.


Veranlagung und Kontext

Ein letztes Beispiel soll das generelle Problem des Kontextes für das 
MHM aufzeigen. Es ist die leichtfertige Vermischung der Kategorien 
Gewalt, Krieg und Militär. Im Museum scheint der Glaube zu herrschen, 
dass mit der Beweisführung einer kindlichen Veranlagung zur Gewalt sich 
quasi ein Automatismus zu Krieg und in dessen Folge zu Militär ergebe. 
Dass als Reaktion auf Gewalt – durchaus funktionell – zivil und 
gewaltfrei eine adäquate Antwort gegeben werden kann (Stichwort: Zivile 
Konfliktbearbeitung), scheint nicht in die suggerierte Seins-Genese des 
Militärs zu passen.

Insbesondere im Themenparcours „Krieg und Spiel“ wird äußerst subtil 
versucht, diese Seins-Genese abzubilden. Da ist etwa der Papierflieger 
des elfjährigen Antons. Dieser „darf weder militärisches Spielzeug noch 
kriegerische Computerspiele besitzen. Er akzeptiert diese Regel, umgeht 
sie jedoch auf kreative Weise.“[11] Als Beweis dafür, wird ein 
Papierflieger ausgestellt, welcher das Hoheitszeichen der Bundeswehr 
trägt. Was dieses Ausstellungsstück noch mit seriöser Museumsarbeit 
gemein hat, bleibt dahingestellt, ebenso wie die Antwort auf die Frage, 
warum es „differenziert und kritisch“ sei, das Eiserne Kreuz entgegen 
dem Verbot der Eltern als kreative Form des Widerstandes gegen den 
Pazifismus auf ein Stück Papier zu malen. In Reichweite von Antons 
Papierbomber befindet sich eine lange Vitrine, in welcher allerlei 
„militärisches“ Spielzeug stramm als Kolonne aufmarschiert. 
Kontextualisiert wird dies mit einem Zitat des Dresdner Lokalhelden 
Erich Kästner, in dem dieser freudig erregt aus seiner Kindheit und der 
eigenen Kriegsspielerei berichtet. Erklärend wird hinzugefügt: „So 
schreibt der Pazifist Erich Kästner…“. Warum ist es hier wichtig 
herauszustellen, dass selbst der „gute Pazifist“ Kästner als Kind 
Kriegsspielereien betrieb? Verleugnet Kästner etwa seine eigenen 
Leidenschaften im späteren Widerstand zum Krieg? Unkommentiert wird 
zudem in der Vitrine original Legospielzeug (Ritterfiguren) neben 
militärische, Legoähnliche Modelle (Panzer) gestellt. Dass es sich dabei 
um die „Nachahmerprodukte“ der Firmen Best-Lock bzw. Mega-Bloks 
handelt,[12] bleibt unerwähnt. Das positiv pädagogische Image der Firma 
Lego, welche explizit keine Modelle mit direktem Bezug zu aktuellen 
Kriegsgeschehen herstellt, wird für die Imagepflege der Militärspielerei 
instrumentalisiert. Die sonst so gepriesene Kontextualisierung ist eben 
auch immer vom passenden Kontext abhängig.


Neomilitaristische Geschichtsschreibung

Noch viele dieser detailliert kleinen oder umfassend großen 
problematischen Bezüge ließen sich finden. Die hier aufgeführten 
Beispiele wollen keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben und gewiss 
wurde das eine oder andere beim persönlichen Besuch übersehen.[13] 
Dennoch lässt sich ein zentraler Punkt festhalten. Der Anspruch des 
Direktors Matthias Rogg und seines Museums möchte es sein, „nicht eine 
historische Wahrheit, sondern mehrere Wirklichkeiten“[14] abzubilden. 
Doch wenn Wahrheit in Wirklichkeit transformiert wird, immunisiert sie 
sich gegen Kritik. Diese kann dann allzu einfach, als weitere Facette 
der Wirklichkeit abgetan werden. Sie läuft sogar Gefahr, selbst 
Bestandteil des eigentlich Kritisierten zu werden. Daher ist es 
entscheidend, die Wertgebundenheit des MHM und ihrer Protagonist_innen 
aufzuzeigen, die mit der strukturellen Aufstellung des Museums 
unauflöslich verbunden ist. Wer für sich Ideologiefreiheit in Anspruch 
zu nehmen sucht, erkennt bereits selbst seine eigene ideologische 
Belastung an. Das Militärhistorische Museum der Bundeswehr hat als 
Wahrheit eine neomilitaristische Geschichtsschreibung gewählt. Wenn es 
sich, wie sein Pressesprecher Lars Berg betont, als „ein Schaufenster 
der Bundeswehr“[15] versteht, täte es gut daran, den eigenen Wertekanon 
und die eigene Wahrheit transparent zu markieren und gegebenenfalls zu 
hinterfragen. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, wie der Hund die 
Wurst bewachen kann oder der Bock zum Gärtner wird.

Anmerkungen:

[1] Rogg, Matthias (2011a): Museum ohne Pathos? Interview mit Wolfgang 
Donsbach, Oktober 2011. In: in medias res, Sendung von Dresdeneins. URL: 
http://www.youtube.com, [rev. 10.1.2012], Min: 7:14.
[2] Rogg, Matthias (2011b): Der historische Ort. In: Pieken, Gorch/Rogg, 
Matthias (Hrsg.): Das Militärhistorische Museum der Bundeswehr. 
Ausstellungsführer. Dresden: Sandstein Verlag, S. 13.
[3] Rogg (2011a), Min: 12:12.
[4] Kilb, Andreas (2011): Ein Minenschaf zieht in den Krieg, FAZ am 
13.10.2011, URL: http://www.faz.net, [rev. 11.1.2012].
[5] Pieken, Gorch (2011): Konzeption und Aufbau der Dauerausstellung. 
In: Pieken/Rogg a.a.O., S. 21.
[6] Ebd., S. 23.
[7] Protte, Katja (2011): Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. In: 
Pieken/Rogg a.a.O., S. 190-192.
[8] Ebd.
[9] Stilidis, Avgi (2011): Leiden im Krieg. In: Pieken/Rogg a.a.O., S. 97.
[10] Sönke, Neitzel/Harald, Welzer (2011): Soldaten. Protokolle vom 
Kämpfen, Töten und Sterben. Bonn: Bpb, S. 422.
[11] Vitrine: „Gefalteter Papierflieger mit Hoheitszeichen der 
Bundeswehr, Dresden 2009“.
[12] Ich danke Samuel Littig für diesen kenntnisreichen Hinweis.
[13] Zum Beispiel das Jackett Joseph Fischers vom Farbbeutelanschlag 
1999 – kontextualisiert mit den Notizbuch eines deutschen 
Bundeswehrscharfschützen, der beobachtete wie durch Serben 
Vergewaltigungen begangen wurden. Im gleichen Ausschnitt des Notizbuchs 
findet sich auch der Verweis, dass der Soldat beim Papstbesuch 1997 in 
Sarajevo einen serbischen Heckenschützen erschoss! Ein Detail, welches 
zwar Aufnahme in den gedruckten Ausstellungsführer, jedoch nicht in die 
Ausstellung selbst gefunden hat, vgl. Pieken (2011), S. 35.
[14] Rogg (2011a), Min: 7:32.
[15] Berg, Lars (2011): Das Militärhistorische Museum Dresden – 
Interview mit Lars Patrik Berg (Pressesprecher des MHM), 
deinegeschichte.de, URL: http://www.youtube.com, [rev. 10.1.2012], Min: 
4:30.



3) Links zu den neuesten Texten auf der IMI-Homepage


IMI-Standpunkt 2012/005
Münchner Sicherheitskonferenz: Ischinger fordert deutsches Europa
http://www.imi-online.de/2012/02/02/munchner-sicherheitskonferenz-ischinger-deutsches-europa/ 

2. Februar 2012

Pressemitteilung vom 1.2.2012
Auch Informationsstelle Militarisierung fordert Stellungnahme des 
Oberschulamts bezüglich Fallschirmspringerübungen am 15.11.2011
http://www.imi-online.de/2012/02/01/auch-informationsstelle-militarisierung-fordert-stellungnahme-des-oberschulamts-bezuglich-fallschirmspringerubungen-am-15-11-2011/ 

1. Februar 2012

IMI-Standpunkt 2012/004
Eine deutsche „Blankettnorm“ zum Töten?
Anmerkungen zur Debatte um ein Gesetz für den Auslandeinsatz der 
Bundeswehr („Streitkräfteeinsatzgesetz“)
http://www.imi-online.de/2012/01/27/eine-deutsche-%e2%80%9eblankettnorm%e2%80%9c-zum-toten/ 

27. Januar 2012

IMI-Standpunkt 2012/003
Das Militärhistorische Museum in Dresden – zwei Blickwinkel
http://www.imi-online.de/2012/01/26/das-militarhistorische-museum-in-dresden-%e2%80%93-zwei-blickwinkel/ 

26. Januar 2012

IMI-Mitteilung
Tübinger Aufruf zur den Protesten gegen die NATO-Sicherheitskonferenz
http://www.imi-online.de/2012/01/22/tubinger-aufruf-zur-den-protesten-gegen-die-nato-sicherheitskonferenz/ 

22. Januar 2012

IMI-Standpunkt 2012/002
Erst kämpfen, dann studieren
Universität Reutlingen und Bundeswehrhochschule München weiten ihr 
Modell zivilmilitärischer Zusammenarbeit aus
http://www.imi-online.de/2012/01/20/erst-kampfen-dann-studieren-universitat-reutlingen-und-bundeswehrhochschule-munchen-weiten-ihr-modell-zivilmilitarischer-zusammenarbeit-aus/ 

20. Januar 2012

IMI-Standpunkt 2012/001
Ab durch die Hecke!
Erste Bilanz des freiwilligen Wehrdienstes der Bundeswehr
http://www.imi-online.de/2012/01/06/ab-durch-die-hecke/
6. Januar 2012

IMI-Studie 2012/01
Augen aus dem All
Netzwerke der Satellitenaufklärung
http://www.imi-online.de/2012/01/05/augen-aus-dem-all-netzwerke-der-satellitenaufklarung/ 

5. Januar 2012

Dokumentation: Offener Brief des Friedensplenum/Antikriegsbündnis Tübingen
Schulausflug zur Fallschirmspringerübung
http://www.imi-online.de/2012/01/05/schulausflug-zur-fallschirmspringerubung/ 

5. Januar 2012

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