[IMI-List] [0354] 15 Jahre IMI! / Libyen

IMI imi at imi-online.de
Mi Sep 14 11:31:27 CEST 2011


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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0354 .......... 15. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jonna Schürkes / Jürgen Wagner
Abo (kostenlos).. https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List findet sich

1) Die Einladung zu unserem Jubiläumsfest (15 Jahre IMI!)

2) Ein Text zur deutschen Beteiligung am Libyen-Krieg


1) 15 Jahre IMI – Fest am 22. September in Tübingen

In diesem Jahr wird die IMI 15 Jahre alt! Diesen freudigen Anlass wollen 
wir am Donnerstag den 22. September gebührend feiern, wozu wir hiermit 
herzlich einladen möchten!

Es wird den ein oder anderen Schwank aus der bisherigen IMI-Geschichte 
geben, als Laudator konnten wir erfreulicherweise den Buchautor Wolfgang 
Schorlau gewinnen und auch für Musik ist gesorgt. Wir freuen uns 
deshalb, wenn viele Freunde der IMI vorbeikommen, um mit uns anzustoßen.

Die Feier beginnt ab 19h30 und findet in Tübingen statt (Ort: Sudhaus – 
Peripherie, Hechingerstr. 203).

Einladungsflyer: http://www.imi-online.de/download/IMI-Geburtstag-web.pdf



2) Artikel zur deutschen Beteiligung am Libyen-Krieg


IMI-Analyse 2011/035
Der Krieg nebenan, der niemanden interessiert
Oder: Deutsche Waffen, deutsches Geld morden mit in aller Welt, auch in 
Libyen
http://www.imi-online.de/2011.php?id=2345
14.9.2011, Tobias Pflüger

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Erweiterte Fassung eines Artikels, der in Zivilcourage, der Zeitschrift 
der DFG-VK, Nummer 3/2011 erscheint
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Die NATO führt(e) einen Krieg gegen Libyen, und es blieb erstaunlich 
ruhig in der bundesdeutschen Öffentlichkeit, aber auch der Antikriegs- 
und Friedensbewegung. An was das wohl liegen mag? Es hat sicher damit zu 
tun, dass Deutschland offiziell an diesem Krieg nicht teilnimmt, 
zumindest hat das der bundesdeutsche Außenminister Guido Westerwelle 
erklärt – dazu später mehr. Festzuhalten bleibt zunächst einmal: Ein 
Krieg läuft, täglich werden auch Zivilisten durch die NATO umgebracht - 
und es bleibt ruhig. „Das geht nicht“ und das darf so nicht bleiben, bei 
den „nächsten“ Kriegen, um es etwas drastisch auszudrücken.


Direkte deutsche Kriegsunterstützung

„Deutschland hat am Libyenkrieg nicht teilgenommen.“ Das ist (leider) 
eine Lüge. Caitlin Hayden, die stellvertretende außenpolitische 
Sprecherin von US-Präsident Barack Obama wird am 6. September im 
Tagesspiegel damit zitiert, Obama sei "sehr zufrieden mit der Rolle, die 
Deutschland spielt". Weiter schreibt der Tagesspiegel: „Der Präsident 
habe bereits bei Merkels Besuch im Juni im Weißen Haus betont: ‚Dies ist 
eine vollintegrierte Nato-Operation. Und das heißt, dass deutsche 
Soldaten aktiv in diese Aktionen innerhalb der Nato involviert sind.'“ 
Konkret bedeutet das, dass Bundeswehrsoldaten an der Zielplanung der 
NATO direkt beteiligt waren. Zuerst hieß es, so Staatssekretär Thomas 
Kossendey am 10.08 auf eine mündliche Anfrage im Deutschen Bundestag, 
dass 11 Bundeswehrsoldaten in Neapel (im Allied Joint Force Command) 
eingesetzt seien. Sie seien Teil der 250 Mann starken 
"Verstärkungsdienstposten", die dort extra wegen des Libyenkrieges 
eingerichtet wurden. Kossendey bestätigte auch, dass die 
Bundeswehrsoldaten "im Rahmen der Stabsarbeit an einzelnen Schritten des 
Zielauswahlprozesses teil(nehmen), ohne derzeit jedoch Führungs- oder 
Entscheidungsfunktion zu besitzen".

In einem Schreiben vom 8. September an den Bundestagsabgeordneten 
Hans-Christian Ströbele korrigiert dann der gleiche Staatssekretär die 
Anzahl der deutschen Soldaten deutlich nach oben. Jetzt waren es 
insgesamt "103 Soldatinnen und Soldaten (66 Offiziere und 37 
Unteroffiziere)" der Bundeswehr, die "mittels Dienstreisen bzw. 
Kommandierungen vorübergehend in die mit der Operation UNIFIED PROTECTOR 
beauftragten Headquarters entsandt" wurden. Weiter heißt es: "Wie die 
Bundesregierung bereits mitgeteilt hat, zählen zu den wahrgenommenen 
Tätigkeiten sowohl solche im Bereich der so genannten Zielauswahl wie 
auch solche in der Kommunikation mit den eingesetzten AWACS-Maschinen. 
In keinem dieser Bereiche werden durch deutsche Soldatinnen und Soldaten 
derzeit Führungs- und Entscheidungsfunktionen wahrgenommen." Über 100 
deutsche Soldaten waren bei der Zielauswahl im Libyenkrieg beteiligt!

Die deutsche Kriegsunterstützung geht allerdings über diese direkte 
Kriegsbeteiligung via NATO-Strukturen hinaus.


„Bewährter Bündnisalltag“

Entgegen den Bestimmungen des Grundgesetzes hat die Bundesregierung 
beschlossen, dass die Überflugrechte für die Kriegs- und 
Versorgungsbomber und die Zurverfügungstellung der militärischen 
Infrastruktur in Deutschland genehmigt wurden und werden. Konkret heißt 
das, dass z.B. von Spangdahlem aus direkt Flugzeuge zum Bombenabwurf 
nach Libyen geflogen sind. Einer dieser „Warzenschweine“ genannten 
Bomber stürzte beim Kriegsflughafen ab, bis heute ist nicht völlig 
ausgeschlossen, dass er nicht auch abgereichertes Uran (DU-Munition) an 
Bord hatte.

Außerdem besteht innerhalb der NATO eine so genannte 
Munitionsversorgung, d.h. wenn den bombenden Alliierten die Munition 
ausgeht, hilft z.B. Deutschland mit Munition aus. Ende Juni gab es 
Pressemeldungen, dass Deutschland innerhalb der NATO mit 
Präzisionswaffen ausgeholfen habe. Die Namsa ("Nato Maintenance and 
Supply Agency") habe eine Anfrage an alle Mitgliedsstaaten gestellt. Das 
Verteidigungsministerium hatte "die grundsätzliche Bereitschaft zur 
Lieferung von Bauteilen für Präzisionsmunition" signalisiert. In der 
Süddeutschen Zeitung wird Thomas de Maiziere wie folgt zitiert: "Wir 
haben eine Anfrage der zuständigen Nato-Logistik-Agentur Namsa erhalten 
und ich habe entschieden, sie positiv zu beantworten. Dies ist bewährter 
Bündnisalltag. So gleichen die Partner ihre logistischen Engpässe 
untereinander ständig aus."

Doch damit nicht genug: Mit dem Regime, das jetzt mit deutscher Hilfe - 
und unter Inkaufnahme von vielen Toten, darunter vielen Zivilisten - 
gestürzt wurde, hatten alle vorherigen Bundesregierungen intensiv 
zusammengearbeitet. So war der damalige SPD- Außenminister Frank-Walter 
Steinmeier 2006 und 2007 in Libyen. Zusammenarbeit gab es auch im 
Bereich der Geheimdienste: So gab es eine langjährige gute 
Zusammenarbeit mit dem BND, der Schwerpunkt war dabei der Austausch von 
Informationen und die Hilfe bei der Ausbildung von "Sicherheitskräften". 
Diese Kooperation sei "eine Normalität" gewesen, meinte der Ex-BND-Chef 
Hans-Georg Wieck. Dabei gehe es "nicht nach demokratischen Regeln, 
sondern nach Interessen". MI6 und CIA konnte die Zusammenarbeit mit 
Gaddafis Libyen auch im Bereich von Gefangenentransporten und auch 
Folter nachgewiesen werden.

Seit dem Besuch von Bundeskanzler Gerhard Schröder 2004 bei Gaddafi gab 
es deutsche Ausbildung für eine Spezialeinheit unter dem Befehl eines 
der Söhne von Gaddafi. Offiziell bildeten deutsche Polizisten und 
Bundeswehrler bis 2008 als private Söldner der deutschen Firmen Ebos 
Int. und BDB Protection GmbH aus. In diesem Zusammenhang war auch die 
Rede von Waffenlieferungen, Pistolen und die jetzt gefundenen G36 
Sturmgewehre wurden schon damals genannt.

Die deutsche Polizeigewerkschaft (DPoLG) will jetzt an diese Tradition 
anknüpfen: So heißt es im Handelsblatt vom 22.08.2011: "Die 
Polizeigewerkschaften meinen, Deutschland sollte beim Wiederaufbau mit 
Polizeiausbildern helfen - auch wenn es am Militäreinsatz nicht 
beteiligt war. … Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, 
Rainer Wendt, befürwortet die Entsendung deutscher Polizeiausbilder in 
ein Libyen nach Gaddafi und in den gesamten nordafrikanischen Raum. 'Wir 
haben ein elementares eigenes Interesse an der Herstellung von 
Rechtsstaatlichkeit und zur Grenzabsicherung in dieser Region', sagte er 
gegenüber Handelsblatt Online. Dabei gehe es nicht allein um Libyen, 
sondern um alle nordafrikanischen Länder von Libyen bis Marokko. Die 
deutsche Polizei könne ihre jahrelange Erfahrung bei derartigen 
Auslandseinsätzen einbringen. … Auch CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl 
befürwortet einen Ausbildungseinsatz der deutschen Polizei in dem 
nordafrikanischen Land. … 'Nicht nur aus migrationspolitischen 
Gesichtspunkten hat gerade Deutschland ein Interesse, sich in Libyen mit 
einem Polizeieinsatz zu engagieren'. Die Südgrenze des Landes müsse 
gegenüber organisierter Kriminalität und Menschenhändlern sicherer 
gemacht werden."


Kriegsprofiteure

Die Bild-Zeitung schreibt am 02.09.2011: "Deutschland war vor dem 
Umsturz der zweitwichtigste Handelspartner Libyens nach Italien. 
Produkte im Wert von 996 Millionen Euro wurden exportiert. Auch die 
Rüstungsindustrie profitierte." Auch daran will man jetzt wieder 
anknüpfen: Deutsche Konzerne und Unternehmen sind derzeit dabei sich ein 
wichtiges Stück am Kuchen des Geschäftemachens mit dem "neuen" Libyen zu 
sichern. Im Managermagazin vom 30.08 findet sich unter der Überschrift 
"Deutsche Konzerne drängen nach Libyen" eine Schilderung der Pläne 
deutscher Konzerne, die es lohnt ausführlich hier zitiert zu werden: 
"Deutschlands Handelskammern und der Afrika-Verein der deutschen 
Wirtschaft rechnen künftig mit intensiveren Wirtschaftsbeziehungen 
zwischen der Bundesrepublik und Libyen. Jetzt wollen erste Konzerne 
starten - so schnell wie möglich. … Beim Wiederaufbau bieten sich nach 
Expertenmeinung auch Geschäftschancen für deutsche Unternehmen, und das 
im großen Stil. 'Krankenhäuser, Strom- und Wasserversorgung und Straßen: 
In Libyen steht die Sanierung ganzer Stadtviertel an', weiß Hans Werner 
Meier-Ewert, Geschäftsführer des Afrika-Vereins der deutschen 
Wirtschaft. 'Und deutsche Technologie wird sehr geschätzt.' Davon will 
Deutschlands Wirtschaft natürlich profitieren. Zum Beispiel Siemens: Mit 
den Konzernteilen Energie, Infrastruktur und Gesundheitstechnik ist das 
Unternehmen bereits in Libyen vertreten. 'Sobald sich die 
Sicherheitslage wieder beruhigt, wollen wir unser Geschäft dort 
sukzessive wieder aufnehmen', sagt Siemens-Sprecher Wolfram Trost. 
Insgesamt hat der Konzern knapp 100 Mitarbeiter in dem arabischen Land. 
Davon wurden Anfang des Jahres ein paar Dutzend evakuiert. Auch der 
Anlagenbauspezialist Ferrostaal musste im Februar 600 internationale 
Mitarbeiter ausfliegen. Bevor die Kämpfe ausbrachen, baute das 
Unternehmen in Libyen Anlagen zur Öl- und Gasförderung. 'Wir möchten so 
schnell wie möglich wieder ins Land', erklärt Sprecher Hubert Kogel. Die 
Öl- und Gasförderunternehmen RWE Dea und Wintershall - eine BASF-Tochter 
- möchten ebenfalls schnell zurück. RWE-Dea-Sprecherin Daniela Puttenat 
betont, dass RWE Dea weiterhin daran interessiert sei, die Explorations- 
und Entwicklungsprojekte wieder aufzunehmen, sobald es die Lage zulässt. 
'Denn mit Aufnahme der Produktion würden wieder Einnahmen ins Land 
fließen', erklärt sie - und natürlich auch in die Unternehmenskassen. 
Erste Libyen-Investitionen sind dann auch bereits absehbar: RWE Dea 
beabsichtigt, rund 50 Millionen Dollar in neue Explorationstätigkeiten 
für die Ölförderung in Libyen zu investieren. Für die Entwicklung 
bestehender Ölfunde sind Investitionen in Höhe von 650 Millionen Dollar 
geplant. … Konkurrent Wintershall ist da schon weiter - war es zumindest 
schon einmal: Die BASF-Tochter förderte einst in Libyen bereits bis zu 
100.000 Fass Erdöl pro Tag. Grundsätzlich könne die Produktion jetzt 
innerhalb weniger Wochen wieder aufgenommen werden, erklärt Sprecher 
Stefan Leunig: 'Das Hochfahren der Produktion ist aber insbesondere 
abhängig vom Zustand der Exportinfrastruktur sowie einer stabilen 
Sicherheitslage in Libyen.'"

Offener kann man nicht sagen, dass dieser Krieg, bei dem Tausende auch 
durch NATO-Bomben mit deutscher Unterstützung getötet wurden, für 
wirtschaftliche Interessen geführt wurde. Wie hieß es einmal: 'Kein Blut 
für Öl!' Es ist Zeit, dass die Antikriegs- und Friedensbewegung sehr 
viel deutlicher herausarbeitet, dass das imperiale Kriege des Westens 
für Wirtschaftsinteressen sind, die da geführt werden.

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