[IMI-List] [0349] AUSDRUCK Juni 2011 / Afghanistan / Schulmaterial

IMI imi at imi-online.de
Mi Jun 8 13:17:55 CEST 2011


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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0349 .......... 15. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jonna Schürkes / Jürgen Wagner
Abo (kostenlos) https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List findet sich

1) die Juni-Ausgabe des IMI-Magazins AUSDRUCK;

2) Zwei Texte zur gegenwärtigen Eskalation in Afghanistan und 
Schulmaterialien der FDP-nahen „Stiftung Jugend und Bildung“



1) AUSDRUCK (Juni 2011)

Die aktuelle Ausgabe unseres Magazins ist soeben erschienen und kann 
hier heruntergeladen werden: 
http://www.imi-online.de/download/juni2011_web.pdf

Neben dem Schwerpunkt zum Umbau der Bundeswehr finden sich in dieser 
Ausgabe auch Artikel über das SITCEN, der zu einer Art EU-Geheimdienst 
geworden ist, über die politisch-strategische Orientierung Russlands, 
den Konflikt in der Elfenbeinküste, gezielte Tötungen sowie Chinas 
Aufrüstung. Außerdem enthalten sind noch zwei Beiträge über die 
gegenwärtige Eskalation in Afghanistan und über Schulmaterialien der 
„Stiftung Jugend und Bildung“, die eng mit der FDP zusammenarbeitet. Die 
beiden letzten Artikel finden sich auch am Ende dieser IMI-List.


SCHWERPUNKT: DEUTSCHLAND UND DIE BUNDESWEHR

-- Jürgen Wagner:
Krieg trotz Kassenlage: De Maizieres „Eckpunkte für die Neuausrichtung 
der Bundeswehr“
http://www.imi-online.de/download/01wagner_juni2011.pdf

-- Claudia Haydt:
Wehrpflicht als Auslaufmodell: Warum für weltweite Militärinterventionen 
keine Wehrpflichtigen gebraucht werden
http://www.imi-online.de/2011.php?id=2304

-- Jonna Schürkes:
Eskalation in „Bad Taloqan“
http://www.imi-online.de/2011.php?id=2307

-- Jürgen Wagner
„Es gibt keine gerechten Kriege - aber notwendige“ - Wolfgang Ischinger 
wird Honorarprofessor in Tübingen
http://www.imi-online.de/2011.php?id=2301

-- Michael Haid:
Wann ist Krieg erlaubt - Anmerkungen zu skandalösen Schulmaterialien
http://www.imi-online.de/2011.php?id=2308


AUßERHALB DES SCHWERPUNKTS:

-- Tim Schumacher:
Europas Geheimdienst: Das Joint Situation Centre
http://www.imi-online.de/2011.php?id=2309

-- Michael Haid
Osama bin Laden – werden völkerrechtswidrige Tötungen hoffähig?
http://www.imi-online.de/2011.php?id=2299

-- Mirko Petersen:
Russland, Quo Vadis? Machtpolitik zwischen Asien und Europa
http://www.imi-online.de/2011.php?id=2312

-- Christoph Marischka:
Côte d´Ivoire: erste Bilanz eines angekündigten Bürgerkrieges
http://www.imi-online.de/download/09marischka_juni2011.pdf

-- Andreas Seifert
Shi Lang: Chinas erster Flugzeugträger
http://www.imi-online.de/2011.php?id=2310


2) Texte zu Afghanistan und Schulmaterialien

IMI-Standpunkt 2011/032 - in: AUSDRUCK (Juni 2011)
"Wann ist Krieg erlaubt?"
Anmerkungen zu skandalösen Schulmaterialien
http://www.imi-online.de/2011.php?id=2308
2.6.2011, Michael Haid

Mit der Frage „Wann ist Krieg erlaubt?“ beginnt der letzte Abschnitt im 
Arbeitsblatt für den Monat Mai des Internetangebots »Frieden & 
Sicherheit – Infos für die Schule« mit dem Titel „Der Aufstand in 
Libyen“. Am Beispiel des dortigen aktuellen Kriegs werden sieben 
Situationen beschrieben, anhand derer diskutiert und begründet werden 
soll, so der Arbeitsauftrag des Blattes, ob und wann ein kriegerisches 
Eingreifen eines Staates in das Hoheitsgebiet eines anderen als letztes 
Mittel erlaubt sein könnte.[1] Nun müsste es eigentlich völlig 
unstrittig sein, die Frage der Legitimität von Kriegen einfach mit 
niemals zu beantworten. Insbesondere ist es im höchsten Maße 
besorgniserregend, dass Lehrer diese Materialien massenhaft für ihren 
Unterricht verwenden und so den Schülern vermitteln, in dieser Frage 
gäbe es Diskussionsspielraum. Im Wesentlichen begründet der Beitrag, 
dass dieses Arbeitsmaterial eine suggestive Wirkung hinsichtlich des 
Verständnisses von Legalität und Legitimität eines Krieges für Schüler 
haben könnte, da es beispielsweise mit keinem Wort das Kriegsverbot der 
UN-Charta und die generelle internationale Ächtung von Kriegen erwähnt.

Das Medienpaket »Frieden & Sicherheit« besteht aus einem Schülermagazin, 
einer Lehrerhandreichung und einer Internetplattform, die laut ihres 
dortigen Auftritts für Lehrende und Lernende konzipiert ist. Dort kann 
die Lehrerschaft zudem didaktische und methodische Hinweise für die 
Unterrichtsgestaltung erhalten. Das Onlineportal bietet explizit für 
Lehrkräfte zur Verwendung im Unterricht Arbeitsblätter und 
Übungsmaterialien zu außen- und sicherheitspolitischen Themen zum 
kostenlosen Download oder zur postalischen Verschickung an. So richtet 
sich das Blatt zu Libyen an die Schüler der Jahrgangsstufen 9 bis 12/13 
für die Fächer Politik, Geschichte, Erdkunde und Sozial- und 
Gemeinschaftskunde. Problematisch an diesem Angebot ist ihre 
offensichtliche mangelnde Objektivität in der Vermittlung von 
Wissensinhalten. Denn Herausgeberin von »Frieden & Sicherheit« ist die 
»Stiftung Jugend und Bildung« in Berlin, welche eng mit der FDP 
verknüpft ist und die Unterrichtsmaterialien unter der alleinigen 
fachlichen Beratung des Bundesministeriums der Verteidigung erstellen 
lässt. Eine fachliche und parteipolitische Unabhängigkeit, wie sie für 
die Unterrichtsgestaltung als selbstverständlich vorausgesetzt werden 
sollte, scheint kaum gewährleistet zu sein.[2]

Die Konzeption des Arbeitsblattes

Im Folgenden sind die sieben Situationen des Arbeitsblattes aufgeführt, 
über die die Schüler zur Frage, ob und wann Krieg erlaubt sein könnte, 
diskutieren sollen.

-- Wenn ein Staat das eigene oder ein verbündetes Land mit Waffen 
angreift oder versucht, es zu besetzen.

-- Bei Völkermord: Wenn in einem Staat Menschen, die zu bestimmten 
Bevölkerungsgruppen gehören, verfolgt und getötet werden.

-- Bei Vertreibung: Wenn aus einem Staat Menschen, zum Beispiel aus 
ethnischen Gründen, vertrieben werden.

-- Bei Unterdrückung: Wenn in einem Staat Menschenrechte, zum Beispiel 
aus politischen Gründen, massiv verletzt werden.

-- Bei Terrorismus: Wenn ein Staat Terroranschläge in anderen Ländern 
initiiert oder unterstützt.

-- Bei einer massiven Notlage: Wenn zum Beispiel in einem Staat infolge 
eines Bürgerkriegs eine Hungersnot entsteht.

-- Bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit: Wenn ein Staat systematisch 
Mord, ethnische Ausrottung, Versklavung, Deportation der 
Zivilbevölkerung betreibt oder die Zivilbevölkerung aus rassistischen, 
politischen und religiösen Motiven verfolgt.

Auffallend an der Konzeption des Arbeitsblattes ist das Fehlen jeglicher 
Hinweise auf das grundsätzliche Gewalt- und Interventionsverbot in den 
zwischenstaatlichen Beziehungen als Verletzung des völkerrechtlichen 
Prinzips der staatlichen Souveränität sowie auf die Ächtung von Krieg im 
Allgemeinen. Diese Prinzipien kommen in vielen völkerrechtlichen 
Abkommen und auch staatlichen Verfassungen seit Beginn des 20. 
Jahrhunderts in Abkehr von der Annahme eines freien Kriegsführungsrechts 
der Staaten zum Ausdruck. Kerngehalt des UN-Kriegsverhütungsrechts ist 
die Souveränität eines jeden Staates, die durch das Verbot der 
grenzüberschreitenden Androhung oder Anwendung militärischer Gewalt 
(Artikel 2 Abs. 4 UN-Charta) und durch das völkergewohnheitsrechtlich 
anerkannte Interventionsverbot (die Einmischung in die inneren 
Angelegenheiten eines fremden Staates unterhalb der Kriegsschwelle durch 
Kommandoaktionen, Sabotage, Unterstützung bewaffneter Oppositioneller 
etc.) besonders geschützt ist. Von diesem Grundsatz gibt es lediglich 
zwei eng gefasste Ausnahmen:

(1) das individuelle und kollektive Selbstverteidigungsrecht im Falle 
eines bewaffneten Angriffs durch einen anderen Staat (Artikel 51 
UN-Charta), das als erste Situation sogar im Arbeitsblatt umschrieben 
ist; mit Verweis auf die fünfte Situation muss klargestellt werden, dass 
der »Internationale Gerichtshof« (IGH) eine Auslösung des 
Selbstverteidigungsrechts durch substaatliche Akteure wie Terroristen 
ausdrücklich verneint und

(2) ein Mandat des UN-Sicherheitsrats nach der Feststellung einer 
Bedrohung oder eines Bruchs des Friedens oder einer Angriffshandlung 
durch einen anderen Staat (Artikel 39 und 42 der UN-Charta).

Eine entsprechende Darstellung dieser Grundsätze ist für eine seriöse 
Besprechung dieses Themas im Unterricht unabdingbar. Insbesondere hätte 
zu einer sachgerechten Wiedergabe diesbezüglicher gesellschaftlicher 
Debatten und rechtlicher Entwicklungen im Unterricht durch eine 
entsprechende Gestaltung der Materialien thematisiert werden müssen, 
dass seit über zehn Jahren eine Tendenz zur Erosion des 
Kriegsverhütungsrechts unübersehbar vorhanden ist, da beide 
Ausnahmeregelungen von kriegswilligen Staatsführungen selektiv 
eingesetzt, massiv missbraucht und zur Rechtfertigung von Kriegen 
herangezogen werden, die Wortlaut und Intention der UN-Charta eben 
gerade verhindern will bzw. auf ein Minimum an Gewaltanwendung 
beschränken möchte. Darauf wurde aber bei der Erstellung des 
Arbeitsblattes verzichtet. Hingegen werden allein die oben aufgeführten 
Situationen vorgestellt, die zumeist innerstaatliche Verbrechen 
beschreiben. Auf diese Weise wird den Schülern suggeriert, die ihnen 
vorgelegten Fälle könnten völkerrechtlich anerkannte Rechtfertigungen 
für militärisches Eingreifen sein. Solch abscheuliche Taten stellen 
unzweifelhaft (völker-) strafrechtliche Delikte dar. Das Recht fremder 
Staatsführungen in dem betroffenen Land Krieg zu führen, wird dadurch 
aber sicherlich nicht begründet. Genau dies zu suggerieren, scheint die 
Absicht zu sein, was den Schülern durch die Konzeption des 
Arbeitsblattes vermittelt werden soll.


Anmerkungen
[1] Vgl. Stiftung Jugend und Bildung (Hrsg.): Der Aufstand in Libyen 
(Stand Mai 2011), 
http://www.frieden-und-sicherheit.de/files/72/Arbeitsblatt_Libyen_1.pdf.
[2] Vgl. dazu ausführlicher Schulze von Glaßer, Michael: Die Eroberung 
der Schulen. Wie die Bundeswehr in Bildungsstätten wirbt, IMI-Studie 
Nr.2/2010, S. 6 ff..



IMI-Standpunkt 2011/031 - in: AUSDRUCK (Juni 2011)
Eskalation in "Bad Taloqan"
http://www.imi-online.de/2011.php?id=2307
2.6.2011, Jonna Schürkes

Taloqan im Nordosten Afghanistans galt lange als einer der ruhigsten 
Flecken im Land, weshalb Die ZEIT ihn noch vor einem Jahr als Kurort - 
als „Bad Taloqan“ - betitelte, um damit auf die vermeintlich 
erfolgreiche Arbeit des Regionalen Beraterteams der Bundeswehr und die 
gute Zusammenarbeit mit der afghanischen Polizei in dieser Region 
hinzuweisen (Die ZEIT, 17.05.10). Vor dem Stützpunkt eben jenes 
Beraterteams wurden jedoch am 17.Mai bei Protesten gegen die 
NATO-Truppen ISAF und die afghanische Regierung mindestens 14 Menschen 
von Bundeswehrsoldaten und afghanischen Polizisten erschossen, ca. 80 
Menschen wurden verletzt.

Anlass der Demonstration war die Tötung von vier Menschen in der Nacht 
zuvor. Der Nachtangriff („night raid“), der nach Angaben der ISAF von 
US-Spezialkräften und afghanischen Sicherheitskräften durchgeführt 
wurde, war demnach gegen einen Führer der Islamischen Bewegung 
Usbekistans gerichtet. Auf dem Gelände, das von den Soldaten angegriffen 
wurde, wurde der Gesuchte allerdings offenbar nicht angetroffen. 
Stattdessen wurden vier Personen getötet, davon zwei Frauen.

Während ISAF erklärte, bei den vier getöteten Menschen habe es sich um 
Aufständische gehandelt, sind nicht nur die Demonstranten sondern auch 
der lokale Polizeichef und Präsident Karsai der Überzeugung, dass vier 
Zivilisten starben.

Night raids gelten auch dem Auswärtigen Amt zufolge als probates Mittel 
zur Aufstandsbekämpfung (Spiegel Online, 22.05.11). Im August 2010 
erklärte der ISAF-Kommandeur David Petraeus, innerhalb von 90 Tagen 
hätten fast 3000 solcher Nachtangriffe stattgefunden. Die Zahl dieser 
Art von Angriffen nimmt weiter zu, obwohl die Trefferquote von Petraeus 
selbst als extrem schlecht eingestuft wird: Für jede gesuchte Person, 
die getötet oder gefangen genommen wird, würden drei Menschen, die nicht 
Ziel der Angriffe sind, getötet und vier weitere festgenommen (IPS-News, 
15.09.10). Ein kürzlich erschienener Bericht von Oxfam und anderen NGOs 
stuft Night Raids als schwerwiegende Menschenrechtsverletzung ein: „Auch 
wenn es in den letzten zwei Jahren einige Verbesserungen gegeben hat, 
schließen Night Raids in vielen Fällen die exzessive Gewaltanwendung, 
die Zerstörung und/oder den Diebstahl von Eigentum und die Misshandlung 
von Frauen und Kindern mit ein.“(Oxfam: No time to lose, 10.05.11)

Angesichts dessen ist es allzu verständlich, dass die afghanische 
Bevölkerung gegen diese Form der Kriegsführung protestiert. Insgesamt 
ist festzustellen, dass es in Afghanistan immer häufiger Demonstrationen 
gegen die NATO-Truppen und die afghanische Regierung gibt. Die 
Bundesregierung hingegen versucht diese Demonstrationen als Ausdruck des 
Protestes zu verunglimpfen, indem sie behauptet, sie seien von den 
Taliban inszeniert. Diese Darstellung deckt sich jedoch in keinster 
Weise mit den Berichterstattungen über diese Proteste.

Die Demonstration vom 17. Mai begann am Morgen mit zunächst ca. 2000 
Menschen in der Stadt. Es wurden die Leichen der vier getöteten Menschen 
durch die Stadt getragen, die Protestierenden „riefen Schmährufe gegen 
die USA und Präsident Hamid Karsai. ‚Tod Karsai! Tod den USA!‘ hieß es“ 
(Die Welt, 18.05.11). Bereits zu diesem Zeitpunkt ging die Polizei 
gewaltsam gegen die Demonstration vor, es gab erste Verletzte und Tote. 
„Die Menge sei später auf 15.000 angewachsen, darunter viele Schüler, 
die zum Teil bewaffnet gewesen seien, örtliche Einrichtungen angegriffen 
und Geschäfte und Autos demoliert hätten. Dabei seien Handgranaten über 
die Einfriedung des deutschen PAT [Stützpunkt des Regionalen 
Beraterteams] geworfen und nach afghanischen Angaben zwei deutsche 
Soldaten und drei afghanische Wachleute verletzt worden“ (taz, 18.05.11).

Zunächst hieß es, die Bundeswehrsoldaten hätten „nur“ Warnschüsse 
abgegeben und auf die Beine von gewaltbereiten und bewaffneten 
Demonstranten geschossen. Erst später gab das Einsatzführungskommando 
der Bundeswehr bekannt, in mehreren Fällen hätten die Soldaten auf den 
„Rumpfbereich beziehungsweise Arme und Hände“ und den „Hals-Kopfbereich“ 
geschossen.

Am nächsten Tag demonstrierten die Menschen erneut vor einer 
Polizeistation in Taloqan, wieder versuchte die Polizei die 
Demonstration gewaltsam aufzulösen, erneut wurden Menschen verletzt.

Obwohl in den Berichten alles darauf hindeutet, dass sich die Proteste 
gegen das Vorgehen der NATO und der afghanischen Polizei richteten, 
wurde auch in diesem Fall vonseiten der Bundesregierung versucht, die 
Demonstration zu delegitimieren und damit zugleich ihre Niederschießung 
zu rechtfertigen. So sprach Verteidigungsminister De Maizière von einer 
von den Taliban inszenierte Demonstrationen (NDR, 30.05.11). Werner 
Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt, führte diese Behauptung am 25. 
Mai im Bundestag weiter aus: „[Es] liegen Erkenntnisse vor, dass diese 
Gewaltausbrüche von regierungsfeindlichen Kräften und lokalen 
Machthabern langfristig geplant waren. Das war keine spontane Aktion, 
die aus der vorangegangenen Erfahrung vom Vortag erwachsen ist. Es war 
eine geplante Aktion“.

Inwiefern allerdings die von der Bundeswehr getöteten Zivilisten dabei 
eingeplant gewesen sein sollten, die den Anlass für die Proteste gaben, 
hierauf ging Hoyer nicht ein (BT-Drs. 17/12549).

Noch widersprüchlicher wird die Argumentation der Bundesregierung 
allerdings, wenn Hoyer nur wenige Sätze später behauptet, die 
Protestaktion hätte „offensichtlich eher etwas mit einer Unzufriedenheit 
von Teilen der afghanischen Gesellschaft zu tun..., die auf den geringen 
Möglichkeiten zur Partizipation an politischen und ökonomischen 
Prozessen beruht. Von daher war das gar nicht gegen ISAF gerichtet “.

Nur wenige Tage später, am 28. Mai traf sich der deutsche 
ISAF-Kommandeur Markus Kneip mit dem Gouverneur von Taloqan, dem 
örtlichen Polizeichef und dem Polizeikommandeur, um über das weitere 
Vorgehen nach der Niederschlagung der Proteste zu beraten. Ein 
Sprengsatz in dem Gebäude tötete neben den beiden Polizeichefs auch zwei 
deutsche Soldaten und zahlreiche weitere Menschen, Kneip wurde verletzt. 
Auch hier wurde schnell von der Bundesregierung behauptet, der Anschlag 
habe der afghanischen Polizei, nicht aber dem deutschen General 
gegolten. Zugespitzt sei die Bombe also eher zufällig gerade zu dem 
Zeitpunkt explodiert, als hochrangiger ISAF-Besuch anwesend war.

Offensichtlich versucht die Bundesregierung mit ihren 
Falschdarstellungen, den Misserfolg ihrer Strategie zu verleugnen. Weder 
die Schüsse auf Demonstranten, noch der Anschlag könnten Deutschland 
davon abbringen, diese Strategie in Afghanistan weiter zu verfolgen, 
erklärte Westerwelle eilig (NZZ, 29.05.11). Ernst-Reinhard Beck, 
verteidigungspolitischer Sprecher der CDU, forderte hingegen, die 
Bundeswehr müsse nun reagieren (obwohl sie doch gar nicht gemeint war), 
und dass nun ein entsprechender Gegenschlag gegen die 
Taliban-Organisation in dieser Provinz erfolgen müsse (Spiegel Online, 
30.05.11). Offenbar setzt die Bundeswehr weiter auf Eskalation und 
Aufstandsbekämpfung im klassischen Sinne, bei der alle Gegner der 
Besatzer oder reine Sympathisanten zu Taliban und damit zu militärischen 
Gegnern erklärt werden. Mit weiteren zivilen Opfern, (gewalttätigen) 
Demonstrationen und deren Niederschießungen wird also zu rechnen sein.


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