[IMI-List] [0335] IMI-Kongress / Text zum Umbau der Bundeswehr

IMI imi at imi-online.de
Mi Nov 3 11:41:18 CET 2010


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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0335 .......... 14. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jonna Schürkes / Jürgen Wagner
Abo (kostenlos).. https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List findet sich

1) Die Einladung zum IMI-Kongress, der dieses Wochenende in Tübingen 
stattfinden wird;

2) Ein Text über den Bericht der Strukturkommission zum Umbau der 
Bundeswehr.


1) IMI-Kongress am kommenden Wochenende (6./7. November)

Hiermit möchten wir nochmal herzlich zum IMI-Kongress am Wochenende 
einladen:

EUropas Staatsbildungskriege: Zerschlagen – Umbauen – Dirigieren

Der Kongress wird am Samstag den 6. November um 12h beginnen (Ort: 
Schlatterhaus, Österbergstr. 2, 72074 Tübingen). Alle weiteren Infos und 
v.a. natürlich das Programm finden sich hier: 
http://www.imi-online.de/2010.php?id=2174

Am Freitagabend wird es in der Hausbar der Schellingstrasse 6 (ab 19h) 
einen gemütlichen Auftakt mit Volxküche und Nachrichten zum 
Staatszerfall der fiktiven Inselrepublik „Sumeru“ geben. Hierzu laden 
wir alle - vor allem auch die, die von weit her bereits am Freitag 
anreisen - ein.



2) Text zum Umbau der Bundeswehr

IMI-Standpunkt 2010/041
Radikaler Umbau statt Kosmetik – Zum Bericht der Strukturkommission der 
Bundeswehr
http://www.imi-online.de/2010.php?id=2189
28.10.2010, Michael Haid

Die von Verteidigungsminister zu Guttenberg (CSU) am 12. April 2010 
eingesetzte Strukturkommission zur Reform der Bundeswehr hat nun am 26. 
Oktober 2010 ihren Bericht mit dem Titel „Vom Einsatz her denken - 
Konzentration, Flexibilität, Effizienz“ vorgestellt. „Dieser Bericht 
zielt auf eine (…) radikale Erneuerung hin zu kompakten, effizienten und 
zugleich hochqualifizierten Streitkräften“ (S.3). So stellt die 
Kommission ihre Arbeit selbst vor. Gemeinsam mit dem am 31. August 2010 
erschienenen „Bericht des Generalinspekteurs der Bundeswehr zum 
Prüfauftrag aus der Kabinettsklausur vom 7.Juni 2010“ (vgl. hierzu 
IMI-Analyse 2010/34) bildet der Kommissionsbericht die Grundlage für den 
radikalsten Umbau der Bundeswehr seit ihrer Gründung 1955.

Bereits vor rund zehn Jahren gab es den am 23. Mai 2000 vorgelegten 
Bericht der Kommission „Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der 
Bundeswehr“ (sog. Weizsäcker-Kommission), der ähnlich wie heute eine 
drastische Reform der Bundeswehr vorsah. Allerdings wurden die damaligen 
Empfehlungen aufgrund von politischen und bundeswehrinternen 
Widerständen nicht verwirklicht. Allem Anschein nach dürfte dieses mal 
dem gegenwärtigen Bericht eine Umsetzung weniger im Wege stehen. Auf der 
Homepage seines Ministeriums ließ sich der Verteidigungsminister aus 
Anlass der Übergabe des Berichts durch die Kommission wie folgt 
zitieren: „Alle vorliegenden Analysen und Empfehlungen unterstreichen 
die Notwendigkeit tiefgreifender Änderungen. Mit kosmetischen Maßnahmen 
allein wird es nicht getan sein.“


Hauptziel: Fähigkeit zur Intervention und zur Aufstandsbekämpfung

Das Hauptziel der Reform ist die Interventions- und 
Aufstandsbekämpfungsfähigkeit der Bundeswehr dramatisch zu steigern. 
Priorität müsse daher haben, die derzeitige Fähigkeit der Bundeswehr als 
Höchstgrenze 7.000 Soldatinnen und Soldaten in Auslandseinsätze 
entsenden zu können, „durchhaltefähig wenigstens [zu] verdoppeln“ 
(S.10). Hierfür soll der Streitkräfteumfang von derzeit circa 250.000 
auf ca. 180.000 Soldatinnen und Soldaten verkleinert, das zivile 
Personal von heute 75.000 auf künftig ca. 50.000 Dienstposten reduziert 
und die Anzahl der Stellen im Bundesverteidigungsministerium (BMVg) von 
gegenwärtig 3.000 auf unter 1.500 mehr als halbiert werden. Diese 
Maßnahmen sollen einerseits Kosten einsparen, andererseits dienen sie 
dazu, die Bundeswehr von Personal zu befreien, das nicht für die 
Auslandsverwendung oder ihre Unterstützung geeignet ist.

Das Leitmotiv für die Einsätze im Ausland bildet das Konzept der 
Vernetzten Sicherheit, das in Afghanistan mit furchtbaren Folgen für die 
dortige Bevölkerung ein Beispiel dafür abgibt, dass dieser Ansatz 
vollständig gescheitert ist. Trotzdem wird die Vernetzte Sicherheit im 
Bericht als „richtungsweisend für die gesamtstaatliche 
Sicherheitsvorsorge“ bezeichnet: „Das ganze Spektrum von weichen bis hin 
zu harten Faktoren von Macht – Wissen, Werte, Wirtschaft, Waffen – muss 
in Betracht gezogen und wenn nötig aktiviert werden, will man 
nachhaltige Sicherheit und Stabilität erreichen“ (S.16).

Eine weitere wesentliche Empfehlung des Berichtes besteht darin, die 
Position des Generalinspekteurs der Bundeswehr künftig zu einem 
Oberkommandierenden der Streitkräfte (Chief of Defence) auszubauen. Der 
Bericht fordert, diesen Posten „als die zentrale militärische Stelle in 
der Bundeswehr auszugestalten“ (S.31) und sieht die Übernahme einer 
Führungsfunktion für alle Teilstreitkräfte sowie für alle 
Auslandseinsätze vor. Damit dürfte sie der historischen Bedeutung eines 
Generalstabschefs sehr nahe kommen. Gleichzeitig solle eine der heute 
zwei Staatssekretärsstellen im BMVg entfallen und durch die des 
Generalinspekteurs ersetzt werden.

Es ist keine Überraschung mehr, dass die Kommission weiterhin empfiehlt, 
die Wehrpflicht auszusetzen. Stattdessen schlägt der Bericht vor, einen 
freiwilligen, bis zu 23-monatigen Dienst einzuführen. Als Ersatz für den 
ebenfalls entfallenden Zivildienst könnten dem Plan des Berichts zufolge 
auf freiwilliger Basis männliche und weibliche Erwachsene diesen Dienst 
in den bisherigen klassischen Zivildienstbereichen oder eben bei der 
Bundeswehr wahrnehmen. Dafür sei die Einrichtung eines freiwilligen 
militärischen Dienstes mit einem Stellenumfang von bis zu 15.000 Posten 
vorzusehen. Die Ausbildung der Freiwilligen solle die Teilnahme an den 
Auslandseinsätzen ermöglichen, weshalb eine Dienstzeit von mindestens 15 
Monaten erforderlich sei.


Forderung zu Guttenbergs nach einer „nationalen Sicherheitsstrategie“

Parallel zum geplanten Umbau der Bundeswehr, initiiert zu Guttenberg 
eine Strategie-Debatte, welche die angebliche Notwendigkeit, die 
Bundeswehr massiv auf ihre Interventions- und 
Aufstandsbekämpfungsfähigkeit hin auszurichten, unterlegen soll. 
Ebenfalls auf der BMVg-Homepage werden die Ausführungen des 
Verteidigungsministers am 18.Oktober 2010 auf der Zeit-Konferenz 
„Internationale Sicherheitspolitik“ in Hamburg dokumentiert, auf der er 
eine „nationale Sicherheitsstrategie“ forderte. Darin solle als 
Bedrohung scheiternde und gescheiterte Staaten, der internationale 
Terrorismus, die Proliferation von Massenvernichtungswaffen, die Folgen 
der weltweiten demografischen Entwicklung und der Klimaveränderung 
genauso aufgenommen werden wie das Thema Ressourcensicherheit und 
Cyberwar. Auch im Hinblick auf die sich vollziehenden globalen 
Machtverschiebungen seien in die strategische Analyse, so der Minister 
auf der Konferenz weiter, nicht nur China und Indien, sondern auch 
Länder wie Indonesien, Brasilien und der südafrikanische Raum 
einzubeziehen. Dadurch könnten sich die Beziehungen zu diesen Staaten 
künftig deutlich konfrontativer gestalten. Angesichts der „vielfältigen 
sicherheitspolitischen Herausforderungen und Bedrohungen“ zog der 
Minister auf der Zeit-Konferenz den Schluss, „dass mit Blick auf unsere 
Sicherheits- und Außenpolitik eine sich alleine auf den Aspekt einer 
Kultur der Zurückhaltung beschränkenden Herangehensweise wir 
wahrscheinlich nicht weiterkommen werden, sondern wir dem Gedanken einer 
Kultur der Verantwortung insgesamt hier näher kommen müssen und wir das 
in strategische Überlegungen aufzunehmen haben“.

Wenn der Verteidigungsminister von einer „Kultur der Verantwortung“ 
spricht, so dürfte damit Machtpolitik, die sich mit der anstehenden 
Reform der Bundeswehr zukünftig noch nachdrücklicher auf das Militär 
abstützen würde, gemeint sein. Der Frankfurter Politikprofessor, Gunther 
Hellmann, verdeutlicht in seinem Artikel "Normativ abgerüstet, aber 
selbstbewusst", der in gekürzter Fassung in der kommenden 
Novemberausgabe der „Internationalen Politik“ veröffentlicht wird, was 
sich hinter diesen Begrifflichkeiten tatsächlich verbirgt: „Wenn die 
deutsche Diplomatie heute ihre 'Bereitschaft' erklärt, 'mehr 
Verantwortung zu übernehmen', ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon 
auszugehen, dass es um den deutschen Machtanspruch auf einen ständigen 
Sitz im UN-Sicherheitsrat geht.“ Und Hellman weiter: „Von 'Macht' ist 
(…) in deutschen Ansprachen zwar nach wie vor nicht die Rede. Zu sehr 
erinnert dieser Begriff an frühere deutsche 'Machtstaats'-Traditionen, 
mit denen in Berlin niemand in Verbindung gebracht werden will (…). Wenn 
die Bundesregierung in Brüssel 'selbstbewusst deutsche Interessen' 
wahrnimmt oder ihre 'Bereitschaft' erklärt, international 'mehr 
Verantwortung zu übernehmen', ist allen Adressaten allerdings klar, dass 
hier im Kern Machtfragen verhandelt werden.“


Der weitere Fahrplan der Reform

Die Umsetzung der oben genannten Empfehlungen würde eine Zeitspanne von 
fünf bis sieben Jahren umfassen. Der Homepage des 
Bundesverteidigungsministeriums kann die weitere geplante Vorgehensweise 
entnommen werden. Danach seien die politischen Grundsatzentscheidungen 
zur Wehrpflicht sowie zum künftigen Gesamtumfang der Streitkräfte und 
der Bundeswehrverwaltung auf Grundlage der Berichte des 
Generalinspekteurs und der Strukturkommission für Dezember 2010 zu 
erwarten. Letzterer Bericht werde bis Januar 2011 durch einen 
BMVg-Arbeitsstab mit dem Auftrag ausgewertet, einen Gesamtplan zur 
Neuorganisation des Bundesverteidigungsministeriums zu entwickeln. 
Zeitgleich sollen auch die konzeptionellen Grundlagen zur Neuausrichtung 
der Bundeswehr vorgestellt werden. Schließlich erfolge im ersten 
Halbjahr 2011 die detaillierte Ausplanung des Verteidigungsministeriums 
und der Bundeswehr mit Blick auf Personal, Ausrüstung und 
Modernisierung. Auf Grundlage dieser Detailausplanung wird dann ein 
neues Stationierungskonzept erarbeitet werden, das ab Mitte 2011 
erwartet werde. Damit können bedauerlicherweise die Weichen für eine 
Bundeswehr, die primär der Aufstandsbekämpfung in Konfliktgebieten 
dient, als gestellt gelten.



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