[IMI-List] [0332] Frauen in der Bundeswehr / IMI-Kongress 6./7. November

IMI imi at imi-online.de
Do Okt 7 12:03:50 CEST 2010


----------------------------------------------------------
Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0332 .......... 14. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jonna Schürkes / Jürgen Wagner
Abo (kostenlos).. https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
----------------------------------------------------------


Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List findet sich

1) nun auch Flyer und Plakate für den IMI Kongress "EUropas 
Staatsbildungskriege" am 6./7. November in Tübingen;

2) Eine Analyse zu Frauen in der Bundeswehr;

3) Weitere neue Texte auf der IMI-Homepage.



1) IMI-Kongress 6./7. November: EUropas Staatsbildungskriege: 
Zerschlagen – Umbauen – Dirigieren

Mittlerweile sind auch der Einladungsflyer sowie das Plakat zum 
IMI-Kongress auf der IMI-Internetseite. Wie freuen uns über jede 
Unterstützung bei der Bewerbung des Kongresses!

Auf Wunsch schicken wir dafür gerne Plakate und/oder Flyer zu, einfach 
eine Mail an imi at imi-online.de schicken.

Flyer: http://imi-online.de/download/IMI-Kongressflyer2010.pdf

Plakat: http://imi-online.de/download/IMI-Kongressplakat2010.pdf



2) IMI-Analyse 2010/033 - in: AUSDRUCK (Oktober 2010)

Emanzipation an der Waffe? Frauen in der Bundeswehr
http://www.imi-online.de/2010.php?id=2179
http://imi-online.de/download/CH-AUSDRUCK-10-2010.pdf
7.10.2010, Claudia Haydt


Mit strahlendem Gesicht robbt eine Frau im Bundeswehrflecktarnanzug 
durch einen militärischen Übungsparcours und die Bildunterschrift 
verkündet stolz: „Trotz Hindernissen in die Gleichberechtigung“.[1] So 
illustriert die Bundeswehr auf ihrer Homepage die Situation der Frauen 
in der Bundeswehr. Gut zehn Jahre ist es her seit am 11. Januar 2000 
Tanja Kreil vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg das Recht 
erhielt „an der Waffe zu dienen“, Zeit für einen neuen Blick auf die 
Bedeutung von Frauen in der Bundeswehr und für die Bundeswehr.


Neues Kanonenfutter

Tanja Kreil hatte diese Klage damals mit Unterstützung des 
Bundeswehrverbandes betrieben, da innerhalb der Bundeswehr ein starkes 
Interesse daran bestand, die im Grundgesetz verankerte Beschränkung des 
Einsatzes von Frauen in der Bundeswehr zu überwinden. Bereits damals war 
klar, dass die Bundeswehr als Wehrpflichtarmee ein Auslaufmodell ist und 
dass die Rekrutierung von Nachwuchs für die Einsätze der Bundeswehr in 
aller Welt ein wachsendes Problem sein wird. Durch die neue Möglichkeit 
nun auch Frauen für den "Dienst an der Waffe" auszubilden, hat sich der 
Pool für die Rekrutierung faktisch verdoppelt.

Zurzeit sind etwa 16.900 Soldatinnen beim Heer (10.400), der 
Luftwaffe(4.300) und der Marine(2200) tätig. Es fällt auf, dass bei der 
Verteilung der Frauen auf die einzelnen Verwendungsbereiche immer noch 
klassische Rollenmuster zum Vorschein kommen. 42% der Frauen entscheiden 
sich für den Sanitätsdienst und weitere 22% sind in eher unterstützender 
Tätigkeit in der Streitkräftebasis eingesetzt. Insgesamt sind 9 Prozent 
der Bundeswehrangehörigen weiblich.

Unter den Bundeswehrsoldaten, die im Auslandseinsatz sind, ist der 
Anteil regelmäßig etwas niedriger und liegt bei 5%, zurzeit sind 370 
Soldatinnen in den verschiedenen Kriegs- und Besatzungseinsätzen tätig. 
Bei den Spezialeinheiten der Bundeswehr wie dem Kommando Spezialkräfte 
(KSK) und Kampfschwimmern der Marine sind übrigens nach wie vor keine 
Frauen im Einsatz (außer in unterstützender Funktion). Die Bundeswehr 
peilt im Sanitätsdienst einen Frauenanteil von 50% an und in der übrigen 
Bundeswehr 15%. Bei den neuen Rekruten hat sie diesen Anteil ungefähr 
erreicht, da allerdings Frauen gerade in der ersten Zeit (und nach 
ersten Erfahrungen mit der Bundeswehr) immer wieder abspringen, ist 
nicht davon auszugehen, dass sie ihre Zielvorgaben so schnell erreicht - 
es sei denn, die wirtschaftliche Zwangslage spitzt sich weiter zu.


Frauen schaffen Akzeptanz

Im Verhältnis zur niedrigen Anzahl der Frauen in den 
Bundeswehrauslandseinsätzen tauchen diese Frauen erstaunlich häufig auf 
Bildern auf, mit denen die Bundeswehr ihre Tätigkeit an die 
Öffentlichkeit transportiert. Dahinter steht eine bewusste Strategie, da 
gerade durch die Darstellung von Frauen, die als "friedlicher" 
wahrgenommen werden, eine höhere gesellschaftliche Akzeptanz erhofft 
wird. Das „Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr“ beschäftigt 
sich in einer Studie "Truppenbild mit Dame"[2] intensiv auch mit dieser 
Frage. Anlässlich des zehnten Jahrestages freut sich die Bundeswehr auf 
ihrer Homepage "Immer mehr Frauen entscheiden sich für die Bundeswehr" 
und erklärt auch gleich unter Berufung auf die bereits erwähnte Studie, 
warum dies für die Bundeswehr so wichtig ist: „Zusammen mit ihren 
männlichen Kameraden erfüllen die Soldatinnen den Auftrag der 
Bundeswehr; auch in den Auslandseinsätzen. Ihre wachsende Zahl in den 
Streitkräften fördert zudem die Akzeptanz der Bundeswehr in der 
Gesellschaft.“[3] Frauen werden somit Teil der Öffentlichkeitsstrategie 
der Bundeswehr. Es geht einerseits direkt um ihre Rekrutierung und ihren 
zukünftigen Militäreinsatz. Andererseits ist das Thema junge Frauen und 
Militär auch so exotisch, dass es für die Medien Anlass ist, darüber zu 
berichten - was die Rekrutierung von weiteren Frauen (und Männern) 
befördert. Mädchen, die beim "Girls-Day" das "Berufsfeld Bundeswehr" 
erkunden und dabei in Panzern sitzen dürfen, sind beliebte Fotomotive 
für Artikel in der regionalen und überregionalen Presse. Der 
Fernsehsender SAT1 produzierte 2008 eine Dokusoap „24 Stunden Reportage 
- Hanna geht zur Bundeswehr“ und die Bildzeitung[4] zeigt im Herbst 2009 
die jüngste Rekrutin Antje Köhlerin im schulterfreien Tarntop und 
Flecktarnhose. Dass diese 16jährige zur Bundeswehr darf, liegt übrigens 
daran, dass Deutschland großen diplomatischen Druck darauf verwenden 
hat, durch ein Zusatzprotokoll die UN-Kinderrechtskonvention auszuhöhlen 
und so eine "legale" Möglichkeit geschaffen wurde, Kindersoldaten[5] zu 
rekrutieren. Im Kontext der üblichen Bildzeitungsfrauendarstellungen 
wird Antje Köhler somit zu einer Art Maskottchen für die Bundeswehr - 
eine Rolle, die für Frauen im Militär historisch alles andere als neu 
ist.[6]

Nicht zufällig werden Frauen sowohl als Soldatinnen als auch als 
Zivilistinnen für Kriege instrumentalisiert. Besonders deutlich wurde 
dies als im März dieses Jahres durch ein Geheimpapier des 
US-Geheimdienstes CIA an die Öffentlichkeit kam in dem überlegt wurde, 
wie bei kriegsmüden Europäerinnen und Europäern mehr Akzeptanz für den 
Krieg in Afghanistan geschaffen werden könnte. "Afghanische Frauen 
könnten wegen ihrer Fähigkeit persönlich und glaubwürdig über ihre 
Erfahrungen unter den Taliban zu sprechen ... als ideale Botschafterin 
fungieren, um die Rolle der ISAF bei ihrem Kampf gegen die Taliban zu 
humanisieren. Durch öffentlichkeitswirksame Auftritte in den Medien 
sollten afghanische Frauen die Möglichkeit erhalten, den Frauen in 
Frankreich, Deutschland und in anderen europäischen Ländern ihre 
Erlebnisse mitzuteilen, sie könnten mithelfen, die unter den Frauen in 
Europa vorherrschende Skepsis gegenüber der ISAF-Mission zu 
überwinden."[7] Wie durch militärische Machtmittel, durch Bombardements 
und durch Straßensperren gesellschaftlich verankerte frauenfeindliche 
Einstellungen (in welchem Land auch immer) bekämpft werden könnten, 
darüber sagen solche Texte nicht. Aber es geht ja auch nicht um die 
Frauen, sie sind - auf jeder Seite der Front - lediglich Mittel zum Zweck.


Neue Rollenbilder?

Manche Feministinnen (wenn auch bei weitem nicht alle) verbanden wie 
Alice Schwarzer mit der Freigabe des "Dienstes an der Waffe" auch für 
Frauen die Hoffnung, so gesellschaftliche Rollenbilder überwinden zu 
können und die Frauenemanzipation voranzutreiben. Die gut untersuchten 
Entwicklungen in andern Armeen (z.B. in Israel) hätten da eigentlich 
bereits stutzig machen müssen, belegen[8] sie doch, dass die 
patriarchalen Strukturen des militärischen Apparates und des 
militärischen Alltags so dominant sind, dass sie gesellschaftliche 
Geschlechterkonstruktionen häufig noch verstärken, statt diese 
aufzulösen. Deswegen überrascht es auch nicht, wenn auch das 
„Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr“ nach wie vor 
altbekannte Probleme im Zusammenleben der Geschlechter innerhalb der 
Bundeswehr beschreibt. Etwa 43% der männlichen Soldaten sind sich 
sicher, dass Frauen für körperlich anspruchsvolle Tätigkeiten ungeeignet 
sind. Von sexistischen Bemerkungen und anzüglichen Witzen sind nach 
eigenen Angaben die meisten Frauen betroffen (58%). Wesentlich 
gravierender ist, dass jede fünfte Frau von sexuellen Belästigungen in 
ihrem Arbeitsumfeld betroffen ist.[9] Dies sind nur einige Indizien 
dafür, dass manche junge Frauen für ihre "Chance" bei der Bundeswehr 
einen hohen Preis bezahlen. Es ist gesellschaftlich bedenklich, wenn für 
junge Menschen (männlich und weiblich) die Bundeswehr als einzige 
Möglichkeit erscheint, eine Berufsausbildung zu machen oder ein Studium 
finanzieren zu können. Entsprechende Programme zur beruflichen Bildung 
im zivilen Bereich und besser Studienförderung würden sicher die 
Rekrutierung von SoldatInnen für die Bundeswehr erschweren, aber wer 
sagt denn, dass dies eine schlechte Entwicklung ist. Übrigens ist ebenso 
dringend eine Neuorganisation der Sportförderung außerhalb der 
Bundeswehr nötig. Von den 700 durch die Bundeswehr geförderten 
Spitzensportlern sind gerade mal ein Drittel weiblich. 
Geschlechtergerechtigkeit ließe sich auch hier wesentlich besser durch 
ein ziviles System bewerkstelligen.
Zur Emanzipation und zur Überwindung von geschlechtsspezifischer 
Rollenbildung hat die Freigabe des "Dienstes an der Waffe" nichts 
beigetragen und es ist nicht davon ausgehen, dass dies im Rahmen 
patriarchaler Militärstrukturen jemals möglich sein könnte.

Anmerkungen:

[1] Frauen an der Waffe: Europa schreibt Bundeswehr-Geschichte, 
11.01.2000; URL: www.bundeswehr.de

[2] Gerhard Kümmel, Truppenbild mit Dame, Forschungsbericht 82, März 
2008, S.83.

[3] Starke Truppe – Immer mehr Frauen entscheiden sich für die 
Bundeswehr, 11.01.2010; URL: www.bundeswehr.de

[4] Antje aus Harburg ist Deutschlands jüngste Soldatin, 28.08.2009, 
bild-online.

[5] Ralf Willinger, »Bundeswehr wirbt und rekrutiert Minderjährige – und 
missachtet damit die Kinderrechte«, Terre des Hommes 24.5.2009.

[6] Vgl. Martin van Creveld, Frauen und Krieg, München 2001.

[7] CIA Red Cell Special Memorandum; Afghanistan: Sustaining West 
European Support for the NATO-led Mission-Why Counting on Apathy Might 
Not Be Enough, 11.3.2010 (Übersetzung C.H)

[8] Uta Klein, Militär und Geschlecht in Israel, Frankfurt/Main 2001.

[9] Gerhard Kümmel, a.a.O., S.76ff.




3) Neue Texte auf der IMI-Homepage

IMI-Analyse 2010/034 - in: AUSDURCK (Oktober 2010)
Die Reform der Bundeswehr – Sachstand und friedenspolitische Forderungen
http://www.imi-online.de/2010.php?id=2180
http://imi-online.de/download/TP-AUSDRUCK-10-2010.pdf
7.10.2010, Tobias Pflüger

IMI-Analyse 2010/033 - in: AUSDRUCK (Oktober 2010)
Emanzipation an der Waffe? Frauen in der Bundeswehr
http://www.imi-online.de/2010.php?id=2179
http://imi-online.de/download/CH-AUSDRUCK-10-2010.pdf
7.10.2010, Claudia Haydt

IMI-Studie 2010/013 - in: AUSDRUCK (Oktober 2010)
Russlands Roll Back
Ukraine, Kirgisien und die Auseinandersetzungen um den postsowjetischen Raum
http://www.imi-online.de/2010.php?id=2178
http://imi-online.de/download/JW-AUSDRUCK-10-2010.pdf
6.10.2010, Jürgen Wagner

IMI-Standpunkt 2010/037
European Gendarmerie Force
Manöver zur Aufstandsbekämpfung und der Aufbau paramilitärischer Einheiten
http://www.imi-online.de/2010.php?id=2177
5.10.2010, Tim Schumacher

IMI-Standpunkt 2010/036
Afghanistan: Gretchenfrage der NATO
Erschienen in: Das zerbrochene Gewehr, September 2010, No. 86
25.9.2010, Tobias Pflüger

IMI-Analyse 2010/032 - in: Telepolis, 19.9.2010
Der unterhaltsame Krieg. "Militainment made in Germany"
http://www.imi-online.de/2010.php?id=2180
20.9.2010, Michael Schulze von Glaßer

Dokumentation: in: AUSDRUCK (Oktober 2010)
Militärische Machtmittel unverzichtbar – Kriegsdienstverweigerung 
problematisch
Brief des Evangelischen Landesbischofs Frank Otfried July an die 
württembergischen Wehrpflichtigen
http://www.imi-online.de/2010.php?id=2172
7.9.2010, Dokumentatioun / Frank Otfried July / Daniel Weitbrecht / 
Gerhard Bausch

Pressebericht - in: Regensburg-digital, 02.09.2010
"Es wird verschärft rekrutiert"
http://www.imi-online.de/2010.php?id=2171
6.9.2010, Dokumentation / Stefan Aigner / Regensburg-digital

Pressebericht - in: Tagblatt-Anzeiger, 1.9.2010
Mehr Krieg mit Freiwilligen
Tobias Pflüger erwartet einen Werbefeldzug der Bundeswehr
http://www.imi-online.de/2010.php?id=2170
2.9.2010, Pressebericht / Stefan Zibulla / Tagblatt-Anzeiger

IMI-Standpunkt 2010/034
"Abzug" aus dem Irak
Obamas Mogelpackung als Blaupause für den Afghanistan-Krieg?
http://www.imi-online.de/2010.php?id=2169
1.9.2010, Jürgen Wagner



Mehr Informationen über die Mailingliste IMI-List