[IMI-List] [0328] Fact-Sheet Bundeswehr und Schulen/ Sonderseiten / Privatisierung deutscher Kriege
Informationsstelle Militarisierung e.V.
imi at imi-online.de
Mo Jul 5 14:54:36 CEST 2010
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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0328 .......... 14. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jonna Schürkes / Jürgen Wagner
Abo (kostenlos).. https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,
in dieser IMI-List finden sich
1) das aktualisierte IMI-Fact-Sheet "Bundeswehr und Schulen" (nun auch
in Print bestellbar!);
2) Hinweise auf neue und aktualisierte Sonderseiten auf der IMI-Homepage;
3) ein Artikel zur Privatisierung deutscher Kriege.
1) IMI-Fact-Sheet "Bundeswehr und Schulen" -- nun auch in Print!
Wir haben das Fact-Sheet zur Bundeswehr und Schulen aktualisiert
(http://imi-online.de/2010.php?id=2116). Es fasst wichtige Informationen
und Fakten zum Thema zusammen und liegt nun auch farbig gedruckt vor.
Bestelllungen bitte an imi at imi-online.de
Bei kleineren Mengen bitten wir diejenigen, die sich das leisten können,
um eine Spende. Ab einer Menge von 50 müssen wir Portokosten und einen
pauschalen Preis von 10 €/50 Stück berechnen.
IMI ist eine kleiner Verein, der sich durch Spenden und Mitgliedbeiträge
finanziert und dessen Arbeit in weiten Teilen ehrenamtlich geleistet
wird - um Fact-Sheets wie dieses zu erstellen, zu drucken und zu
versenden ist IMI auf Spenden und/oder Unkostenersatz angewiesen. Hinter
uns steht leider kein großer Geldgeber, der es uns ermöglicht, alles
kostenfrei anzubieten.
2) Neue und aktualisierte IMI-Sonderseiten
Wir haben die Sonderseiten auf der IMI-Homepage aktualisiert und
erweitert. Neuere Themenschwerpunkte wie beispielsweise
"Bundeswehrrekrutierung und Widerstand" haben wir als eigene
Sonderseiten aufgenommen. Alle Sonderseiten, unterteilt in Themen,
Regionen und Akteure, sind zu finden unter:
http://www.imi-online.de/Sonderseiten.php
3) Artikel zur Privatisierung deutscher Kriege
IMI-Standpunkt 2010/024
"Einer kam heim aus Afghanistan"
Das Trauerspiel des Horst Köhlers und die Privatisierung deutscher Kriege
http://imi-online.de/2010.php?id=2145
von Kevin Gurka, 1.7.2010
"Einer kam heim aus Afghanistan": Das Trauerspiel des Horst Köhlers und
die Privatisierung deutscher Kriege
Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Artikel, der zuerst in
veränderter Form in der Zeitschrift Publik-Forum Nr. 12/2010 erschienen ist.
Bei seinem Besuch im Gefechtsübungszentrum (GÜZ) in der
Colbitz-Letzlinger Heide hatte sich Horst Köhler im Sommer 2009 in der
Theorie über Ausbildung und Ausrüstung kundig gemacht. Dies wollte er
dann, mit einem Überraschungsbesuch im Bundeswehrfeldlager in
Masar-i-Sharif, sozusagen "bei geeigneter Gelegenheit dann auch in der
Praxis erkunden". Getreu seiner damals getroffenen Aussage -- "Wir alle,
vor allem in der Politik, haben die Aufgabe, den Einsatz in Afghanistan
zu erklären" -- endete sein Auslandstruppenbesuch ein paar Tage später
mit seinem Rücktritt vom Amt des Bundespräsidenten. Das tragische Moment
des Horst Köhlers war weniger sein gescheiterter Versuch, die Soldaten
vor Ort zu motivieren und das in den letzten Jahren so stark in Verruf
geratene Handwerk des Tötens in der deutschen Öffentlichkeit mit Respekt
zu beehren. Vielmehr war es seine auf dem Rückflug getroffene Äußerung,
die immer wieder mit Staatsräson begründeten Ziele der Bundesregierung
mit ökonomischem Kalkül und wirtschaftlichem Profit in Verbindung zu
bringen. So ließ Köhler verlautbaren, "dass im Zweifel, im Notfall auch
militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere [wirtschaftlichen]
Interessen zu wahren". Auch wenn Köhler inhaltlich nur das zur Sprache
brachte was im Weißbuch der Bundeswehr schon seit 2006 festgeschrieben
steht, so brachte ihn diese Aussage ins Kreuzfeuer der Kritik.
Was sind ökonomische Interessen?
Tatsächlich dürften die zentralasiatischen Ressourcen wie Gas, Öl und
die kürzlich entdeckten Bodenschätze Lithium und Kobalt nicht den
entscheidenden Ausschlag im Parlament gegeben haben, sich an diesem
Einsatz zu beteiligen. Anders jedoch als die Kritik des
parlamentarischen Geschäftsführers der SPD Thomas Oppermann, an Köhler
vermuten lässt, stellen Wirtschaftsinteressen und Sicherheit keine sich
ausschließenden Bereiche dar. Die Transformation der Bundeswehr
ermöglichte das Heranwachsen eines florierenden Wirtschaftszweigs, ohne
welchen deutsche Auslandseinsätze heute nicht mehr möglich wären. Einem
Abzug oder gar einer Abrüstung stehen heute mächtige Profiteure der
Kriegsökonomie entgegen, denen von Seiten der Politik immer wieder das
Wort geredet wird.
Die Privatisierung militärischer Dienstleistungen -- ein deutsches Modell
In den 1990er Jahren kam es in England und in Deutschland zu einer
starken Privatisierung militärischer Bereiche. Während sich die
englische Regierung durch Private Finanzierungsinitiativen einen
Zuschuss in die öffentlichen Kassen versprach und im Gegenzug
Rüstungsverträge mit einer Laufzeit von 10-40 Jahren vergab, setzte man
in Deutschland, neben so genannten inhouse solutions und kompletten
Ausgliederungen, verstärkt auf das Modell der Öffentlich Privaten
Partnerschaft (ÖPP). Vorreiter im Bereich der Privatisierung war die
Luftwaffe, die bereits 1983 zusammen mit Vertretern der Industrie den
Arbeitskreis Industrieunterstützung gründete. 1998 gründete der
Zentralverband Elektrotechnik- und Elektroindustrie e.V. den Fachverband
Wehrtechnik. Dieser versteht sich als eine Dialogplattform zwischen
Bundeswehr und Industrie mit dem Ziel, die Informations- und
Kommunikationstechnik des zivilen Markts für die Bundeswehr zu nutzen.
1999 unterzeichneten Schröder, Scharping sowie Vertreter der Wirtschaft
den Rahmenvertrag "Innovation, Investition und Wirtschaftlichkeit in der
Bundeswehr".
Inhouse Solution
Im Zuge dieses Rahmenvertrags wurde im Jahr 2000 die Gesellschaft für
Entwicklung, Beschaffung und Betrieb mbH (gebb) ins Leben gerufen, die
als Inhouse-Gesellschaft zu 100% in staatlichem Besitz ist. Deren
Aufgabe ist es, Einsparungen im Bereich nichtmilitärischer Kernaufgaben
zu erreichen und diese gegebenenfalls zu privatisieren. Neben Zivilisten
beschäftigt die gebb auch Soldaten und übernimmt somit nicht nur im
Bereich der Ausgliederung eine Vorreiterrolle. Vermischung ziviler und
militärischer Angestellter finden auch in den von der gebb organisierten
Ausgliederungen statt, bspw. bei der Privatisierung von Kasernen,
Liegenschaftsverwaltungen, Verpflegung, Kinderbetreuung und Bewachung
militärischer Einrichtungen. 2002 gründete die gebb, die ebenfalls
staatliche BWFuhrparkService GmbH mit einem Auftragsvolumen von 3 Mrd. €
bis 2012. Anteilseigner sind das Bundesverteidigungsministerium (BMVg)
mit 75,1% und die Deutsche Bahn AG mit 24,9%.
ÖPP
Bei den ÖPP kann zwischen so genannten Betreiber-, Betriebsführungs- und
Kooperationsmodellen unterschieden werden. Letztere sind die von der
gebb gegründete LH Bekleidungsgesellschaft, die HIL
Heeresinstandsetzungslogistik GmbH mit einem Vertragsvolumen von 1,77
Mrd. € bis 2013 und das 2006 gegründete Herkules IT-Projekt das mit
einem Vertragsvolumen von 10 Mrd. € bis 2016 als das größte Projekt
gilt. Ein Betreibermodell stellt die Ausbildung von Hubschrauberpiloten
für den NH90 durch das Industriekonsortium Helicopter Flight Training
Service GmbH dar.
Eine Schlüsselrolle bei der Privatisierung des Militärischen nimmt das
von Köhler besuchte GÜZ ein. Dieses gilt für SoldatInnen der Bundeswehr
als letzte Trainingsstation vor einem Auslandseinsatz -- spielt aber
auch für die Kriege der NATO und der EU eine gewichtige Rolle. Das GÜZ
ist ein Betriebsführungsmodell bei dem die hochtechnisierten
Gefechtssimulationsinstrumente sowie Betrieb und Management komplett in
privater Hand liegen. Das Auftragsvolumen des zu betreibenden
Industriekonsortiums liegt bei 89,2 Mio. €.
Ausgegliedert werden aber auch militärische Kernaufgaben. So griff die
Bundeswehr zur strategischen Aufklärung auf Satellitenbilder der
US-Firmen Space Imaging und QuickBird zurück. Ihre Truppen- und
Materialverlegung nach Afghanistan organisierte sie mit Antonov AN 124
der auf dem Flughafen Leipzig/Halle ansässigen Firma Ruslan SALIS, an
der auch die milliardenschwere Anschaffung des A400 M wenig ändern wird.
Komplette Auslagerung
Komplett ausgelagert werden die Bewachung inländischer militärischer
Liegenschaften, die Grundausbildung von Transallpiloten und
Marineaufklärern und die Logistik und Versorgung von Soldaten bei
Auslandseinsätzen. Auftragnehmer in Afghanistan ist neben der Firma
Kühne und Nagel -- sie organisierte den Aufbau des von Köhler besuchten
Lagers in Mazar-i-Sharif -- auch die Firma Ecolog.
Demokratie, freie Marktwirtschaft und Verantwortung
Der Großteil ausgegebener Mittel zum "Aufbau" Afghanistans bedient die
Profitinteressen westlicher Konzerne -- dies nicht nur im
Sicherheitsbereich, sondern auch im Bauwesen und im Bereich der
Beratungstätigkeiten. Gespart wird, in Afghanistan wie auch in
Deutschland, vor allem an Löhnen. So werden laut ver.di die bis 2012 von
der DHL 1.400 eingestellten MitarbeitereInnen auf dem Militärdrehkreuz
Halle/Leipzig zusätzlich auf Arbeitslosengeld II angewiesen sein.
Weiterhin ist eine immer stärker werdende zivilmilitärische
Zusammenarbeit zu beobachten. Gefördert wird diese Politik durch
verschiedene Interessengruppen, wie den Celler Trialog, der sich selbst
als die Schnittstelle für die Zusammenarbeit von Politik, Wirtschaft und
Bundeswehr sieht, den Arbeitskreis Logistik Bundeswehr und Wirtschaft,
einer Zusammenarbeit zwischen dem Bund der Deutschen Industrie und dem
BMVg sowie unter anderem durch die Lobbyarbeit der Firma Ecolog. Die
Profiteure sind Rheinmetall Landsysteme, die Diehl Stiftung, die Serco
GmbH, Hellmann Worldwide Logistics und die Siemens AG. Finanziert werden
sie auf Kosten einer immer schlechter werdenden Sozialpolitik in
Deutschland und dem Leid der afghanischen Bevölkerung.
"Die hören sollen, sie hören nicht mehr,"
Vernichtet ist die ganze Mär,
Mit einem Mandat der Zug begann,
"EINER kam heim aus Afghanistan".
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