[IMI-List] [0317] Letztes zum IMI-Kongress / Artikel Afghanistan-Mandatsverlängerung

Informationsstelle Militarisierung imi at imi-online.de
Do Nov 19 15:24:19 CET 2009


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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0317 .......... 13. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Christoph Marischka / Jürgen Wagner
Abo (kostenlos).. https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List findet sich

1) Letzte Infos zum IMI-Kongress, der am kommenden Wochenende 
stattfinden wird

2) Ein Artikel zur anstehenden Verlängerung des Afghanistan-Mandats der 
Bundeswehr


1) IMI-Kongress: Krisenmanagement! "Sicherheitsarchitektur" im globalen 
Ausnahmezustand, 20.-22. November, Tübingen

Der Kongress wird am Freitag (20.11.) mit einer Auftaktveranstaltung 
beginnen:

"Arming Africa -- Neokoloniales Krisenmanagement"

Der Bildvortrag beginnt um 20:30, davor gibt es vegetarische VoKü, 
anschließend Kneipe (Achtung: anderer Veranstaltungsort als der Rest des 
Kongresses: Schellingstr. 6)

Am Samstag wird der Kongress um 12h beginnen, am Sonntag um 10h (Ort: 
Deutsch-Amerikanisches Institut (D.A.I.), Karlstrasse 3 
http://www.dai-tuebingen.de/de/index.php?sec=kont&cat=anfahrt)

ACHTUNG: Am Samstag hat sich die Reihenfolge der Vorträge verändert. Das 
aktuelle Programm und sämtliche anderen Infos zum Kongress finden sich 
hier:
http://www.imi-online.de/2009.php?id=2016

Abschließend hier noch eine Pressemitteilung zum Kongress: 
Imperialistische Kriegsführung im Fokus: Informationsstelle 
Militarisierung diskutiert über Aufstandsbekämpfung im In- und Ausland, 
junge Welt, 19.11.2009: http://www.imi-online.de/2009.php?id=2044




2) Artikel zur anstehenden Verlängerung des Afghanistan-Mandats der 
Bundeswehr


IMI-Standpunkt 2009/062
Afghanistan-Mandatsverlängerung: Bürgerkrieg unter westlicher 
Beaufsichtigung
http://www.imi-online.de/2009.php?id=2045
19.11.2009, Jürgen Wagner


Gestern beschloss das Bundeskabinett, das Mandat für den 
Afghanistan-Einsatz um weitere zwölf Monate zu verlängern. Über den nun 
zunächst bis zum 13. Dezember 2010 befristeten Kriegseinsatz muss nun 
noch der Bundestag entscheiden, der aber sicherlich ebenfalls zustimmen 
wird.

Explosionsartig steigen die Kosten des Einsatzes: Waren es 2008 noch 536 
Mio. Euro (eingeplant waren ursprünglich 487 Mio.), sind für 2009 
bereits 688 Mio. vorgesehen (allerdings für 14 Monate). Für die 
kommenden zwölf Monate sieht der Antrag der Bundesregierung nun einen 
Gesamtbetrag von 820,7 Mio. Euro vor. Zu bedenken ist dabei aber immer 
auch, dass es sich hierbei lediglich um die "einsatzbedingten 
Mehrkosten" handelt: Personalkosten, Ausrüstung und Ausbildung der 
Soldaten sind in dieser Rechnung nicht enthalten.

Hauptstreitpunkt in den letzten Monaten war die Frage, inwieweit den 
US-Forderungen nachgekommen würde, nochmals deutlich mehr 
Bundeswehrsoldaten an den Hindukusch zu entsenden. Hier ist das Mandat 
-- vordergründig -- eindeutig: "Das deutsche ISAF-Kontingent soll 
unverändert max. 4500 Soldatinnen und Soldaten umfassen." Allerdings 
sollte man in diesem Zusammenhang erstens nicht vergessen, dass die 
Anzahl deutscher Truppen in den letzten Jahren ohnehin bereits rasant 
angestiegen ist: von 2.250 (2004) auf nunmehr 4.500 und zwischenzeitlich 
- aufgrund des nun nicht mehr neu ausgestellten AWACS-Mandates - sogar 
4.800 Soldaten. Darüber hinaus beteiligt sich Deutschland auch massiv am 
Aufbau der afghanischen Armee und Polizei und leistet hierüber einen 
zusätzlichen kriegsunterstützenden Beitrag.

Allerdings hat der neue Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg 
die Frage der Truppenerhöhungen lediglich auf den Zeitpunkt nach der 
internationalen Afghanistankonferenz im Januar 2010 verschoben. Er ließ 
bewusst offen, ob danach nicht doch ein weiterer Aufwuchs mit einem 
neuen bzw. angepassten Mandat auf den Weg gebracht werden wird (so 
geschehen etwa beim Tornado-Einsatz oder der AWACS-Kontingenterhöhung). 
Und auch der Antrag der Bundesregierung lässt dieses Hintertürchen 
bewusst und überdeutlich offen: "Es ist Absicht der Bundesregierung, im 
Lichte der Konferenz den deutschen zivilen und militärischen Beitrag im 
Rahmen des internationalen Gesamtengagements in Afghanistan einer 
erneuten Prüfung zu unterziehen und bei Bedarf dem Parlament ein 
dementsprechend angepasstes Mandat zur Billigung vorzulegen."

Von US-Seite -- die ihrerseits wohl zu den mittlerweile über 100.000 
Soldaten weitere 30.000 an den Hindukusch entsenden wird - wird von der 
NATO 5-10.000 weitere Kämpfer gefordert. Der britische Premier Gordon 
Brown sprach sich am 13. November dafür aus, die NATO-Verbündeten 
sollten ihrerseits 5.000 zusätzliche Soldaten entsenden. An die Adresse 
Deutschlands wird in diesem Zusammenhang mit Sicherheit die Forderung 
ergehen, einen Großteil hiervon zu übernehmen. Vor diesem Hintergrund 
betonte der Verteidigungsexperte der CDU/CSU-Fraktion Ernst-Reinhard 
Beck, er könne sich auch eine Erhöhung des deutschen Kontingents auf 
6.000, 8.000 oder womöglich gar 10.000 Soldaten vorstellen, sofern dies 
militärtaktisch erforderlich sei.

Im Kalkül der neuen westlichen Afghanistanstrategie soll dieser 
neuerliche massive Truppenaufwuchs vor allem eins erreichen: er soll die 
erforderliche Zeit verschaffen, um die afghanischen Repressionsapparate 
(Armee und Polizei) soweit aufgebaut zu haben, damit diese künftig -- 
die Rede ist zumeist vom Jahr 2015 -- weitgehend im Alleingang die 
Drecksarbeit übernehmen können. "Es bleibt das Ziel, die afghanische 
Armee und die Polizei möglichst schnell in die Lage zu versetzen, 
selbstständig für ein sicheres, entwicklungsförderndes Umfeld zu sorgen. 
Mit zunehmender Befähigung der afghanischen Sicherheitskräfte soll die 
Sicherheitsverantwortung schrittweise den Afghanen übertragen werden", 
heißt es dazu beschönigend im Bundestags-Mandat.

Dass es sich hierbei allerdings um einen Drahtseilakt handelt, wissen 
auch die westlichen Militärstrategen. Ob die Regierungstruppen in der 
Lage sein werden, den Aufstand effektiv zu bekämpfen, ist mehr als 
fraglich. Insofern ist davon auszugehen, dass auch nach diesem Datum 
erhebliche westliche Kräfte als "Rückversicherung" im Land stationiert 
bleiben werden, sollte diese Afghanisierung des Krieges fehlschlagen. 
Ganz ähnlich versuchen die USA ihr Profil im Irak herunterzufahren. Man 
reduziert die direkte Beteiligung an Kampfhandlungen, die mehr und mehr 
auf die irakischen Regierungskräfte übertragen werden, und greift 
lediglich dann direkt ein, wenn man es als unumgänglich erachtet, um zu 
gewährleisten, dass die Geschicke des Landes den gewünschten Verlauf 
nehmen.

Deshalb sollte man schließlich vorsichtig sein, wenn in der Presse 
gegenwärtig euphorisch über Rückzugspläne geredet wird. Mit einem 
wirklichen Abzug haben die gegenwärtigen Überlegungen rein gar nichts zu 
tun, sie sind lediglich taktische Anpassungen an die Gegebenheiten vor 
Ort. Die -- trotz aller Kritik seitens der NATO-Staaten -- dezidiert 
pro-westliche Karzai-Regierung soll unter allen Umständen an der Macht 
gehalten werden, auch wenn sie in der Bevölkerung spätestens nach den 
Wahlen über keinerlei Legitimität mehr verfügt. Deshalb scheint ein 
"Bürgerkrieg unter westlicher Beaufsichtigung" die wahrscheinlichste 
"Zukunft" zu sein, die Afghanistan derzeit bevorsteht.


IMI-Afghanistan Sonderseite: http://www.imi-online.de/2006.php?id=1454


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