[IMI-List] [0316] Programmänderung IMI-Kongress / Afghanistan-Artikel und Demo

Informationsstelle Militarisierung imi at imi-online.de
Do Nov 12 11:04:33 CET 2009


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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0316 .......... 13. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Christoph Marischka / Jürgen Wagner
Abo (kostenlos).. https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List findet sich

1) Die nochmalige Einladung zum IMI-Kongress am 21./22. November (mit 
geselliger Auftaktveranstaltung am 20.11) sowie der Hinweis auf eine 
kleine Programmänderung

2) Ein Artikel zur neuen Strategie, aus Afghanistan einen autoritären 
Militärstaat im Bürgerkriegszustand zu machen sowie das wichtigste zur 
Demonstration am 28. November


1) IMI-Kongress: Einladung und Hinweis auf Programmänderung

Hiermit möchten wir Euch alle noch einmal herzlich zum diesjährigen 
IMI-Kongress einladen, der am 21./22. November in Tübingen stattfinden 
wird (mit geselliger Auftaktveranstaltung am 20.11).

Hinweisen möchten wir auch noch einmal auf die Möglichkeit, dass wir für 
alle, die mit Schlafsack und Isomatte kommen, einen Schlafplatz 
organisieren werden.

Außerdem hat sich im Programmablauf eine kleine Verschiebung ergeben. 
Die ersten beiden Vorträge (Elmar Altvater und Jürgen Wagner) wurden 
gegenüber der ersten Ankündigung nun getauscht. Das aktuelle Programm 
und alle sonstigen Infos finden sich hier: 
http://www.imi-online.de/2009.php?id=2016

IMI-Kongress 21./22. November 2009 in Tübingen.
Krisenmanagement! "Sicherheitsarchitektur" im globalen Ausnahmezustand.

Auftaktveranstaltung am 20.11.2009 ab 19:00 VoKü, ab 20:30 Vortrag, 
danach Kneipe
Söldner, Lager, Bürgerkrieg: Krisenmanagement in Afrika
Kevin Gurka, Jonna Schürkes, Christoph Marischka
Ort: Hausbar der Schellingstrasse 6
http://www2.schellingstrasse.de/schelling/index.php?id=58


SAMSTAG, 21.11.2009 AB 12:00 Uhr
Ort: Deutsch-Amerikanisches Institut (D.A.I.), Karlstrasse 3
http://www.dai-tuebingen.de/de/index.php?sec=kont&cat=anfahrt

Begrüßung

12:30-14:00 Uhr
Neue Mächte - neue Kriege? Globale Machtverschiebungen im Kontext der Krise
Jürgen Wagner

14:30-16:00 Uhr
Ökonomie, Krise und Krieg
Elmar Altvater

16:30-18:00 Uhr
Boots on the Ground: Ausbildung und Ausrüstung von Soldaten in Drittstaaten
Jonna Schürkes

Pause & Imbiss

19:30-21:00 Uhr
Risikobevölkerungen, Lagebilder und Prävention - Krisenmanagement als 
Regierungstechnik
Christoph Marischka


SONNTAG, 22.11.2009 AB 10:00 Uhr
Ort: Deutsch-Amerikanisches Institut (D.A.I.), Karlstrasse 3
http://www.dai-tuebingen.de/de/index.php?sec=kont&cat=anfahrt

10:00-11:30 Uhr
Militarisierung von Forschung und Lehre
Mechthild Exo, Sarah Nagel

11:45-13:15 Uhr
Militärischer Heimatschutz: Neue Sicherheitsarchitektur für den 
alltäglichen Ausnahmezustand?
Rolf Gössner

13:30-15:00
Repression gegen soziale Bewegungen in Zeiten der Krise
Tobias Pflüger, Rolf Gössner, Hedwig Krimmer u.a.



2) Afghanistankrieg: Demo und Artikel

Am Samstag 28.11. findet in Stuttgart eine Demonstration gegen den 
Afghanistan-Krieg statt:

"Keine Mandatsverlängerung! Bundeswehr und NATO Raus aus Afghanistan!"
13 Uhr am Hauptbahnhof (Lautenschlagerstr.)

Alle weiteren Infos finden sich unter: http://www.ot-gegenkrieg.de.vu/

Hinweisen möchten wir in diesem Zusammenhang auch noch einmal auf die 
jüngst erschienene Afghanistan-Broschüre, die hier heruntergeladen 
werden kann:
http://imi-online.de/download/Afghanistanbroschuere-Web.pdf

Es folgt nun der neueste Artikel zum Kriegseinsatz:

IMI-Analyse 2009/044
Permanenter Bürgerkrieg im autoritären Militärstaat: Die westlichen 
Strategen planen für Afghanistan "Zukunft"
http://www.imi-online.de/2009.php?id=2042
11.11.2009, Jürgen Wagner


Bereits im März 2009 hatte die frisch gewählte US-Regierung unter Barack 
Obama eine neue Afghanistan-Strategie angekündigt. Sie setzte im 
Wesentlichen auf umfangreiche Truppenerhöhungen, eine Ausweitung der 
Kampfhandlungen auf Pakistan ("AFPAK"), eine größere Beteiligung der 
Verbündeten und -- immer wichtiger -- den massiven Aufbau afghanischer 
Repressionsapparate.

Nachdem diese Maßnahmen den Krieg wie absehbar noch weiter eskaliert 
haben, ist in Washington eine heftige Debatte um das weitere Vorgehen 
entbrannt. Auf der einen Seite findet sich US-General Stanley 
McChrystal, Kommandeur der NATO Truppen in Afghanistan. Obwohl 
mittlerweile mehr als 100.000 westliche Soldaten am Hindukusch 
stationiert sind (etwa 70.000 unter NATO- und 30.000 unter US-Kommando), 
fordert er nachdrücklich 40.000 weitere Kämpfer. Auf der anderen Seite 
plädiert Vizepräsident Joseph Biden dafür, das Engagement künftig auf 
die Bekämpfung von Al-Kaida zu beschränken und damit die Präsenz 
deutlich zu reduzieren. Mittlerweile deutet sich an, dass sich Obama -- 
und damit wohl auch die NATO -- für einen schlechten Kompromiss aus 
diesen beiden Ansätzen entscheiden wird: Zunächst wird die Truppenzahl 
nochmals erhöht, perspektivisch soll aber der massive Ausbau der 
afghanischen Repressionsapparate es ermöglichen, die Präsenz in Richtung 
der Biden-Lösung zu verringern.

Auch Deutschland ist -- wie meistens -- mit dabei. Der neue 
Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg verkündet, man wolle 
(sprich: könne) schließlich nicht ewig in Afghanistan bleiben, 
perspektivisch müsste über einen (Teil)Abzug nachgedacht werden. 
Kurzfristig wird aber die US-Truppenaufstockung begrüßt und wohl auch 
unterstützt werden. Da man aber außerdem dort aber unbedingt auch 
künftig ein pro-westliches Regime an der Macht halten möchte, muss die 
Zentralregierung über den Aufbau der Repressionsorgane in die Lage 
versetzt werden, sich an der Macht zu halten. Gerade Deutschland macht 
sich hierfür besonders stark. Den Großteil der "Drecksarbeit" sollen 
künftig also einheimische Kräfte übernehmen, um die allerspätestens nach 
den jüngsten Wahlen völlig diskreditierte Karzai-Regierung an der Macht 
zu halten. Für diese Afghanisierung des Krieges wurde die Zielgröße für 
die afghanische Polizei und Armee von ursprünglich 150.000 auf 
inzwischen 400.000 angehoben. Afghanistan droht damit aber zu einem 
autoritären Militärstaat zu werden, in dem die vom Westen aufgebauten -- 
und beaufsichtigen -- Regierungstruppen einen permanenten Bürgerkrieg 
gegen den paschtunischen Widerstand führen werden. Nicht zuletzt, weil 
dies auch Guttenberg klar ist, argumentierte er, eine Reduzierung der 
Präsenz erfordere es einzugestehen, "dass man in Afghanistan an seine 
Grenzen stößt, wenn man von einer Demokratie westlichen Stils zu träumen 
beginnt." (FAZ, 11.11.2009)


Washington: Eskalationskonsens

Laut New York Times (11.11.2009) wurden Barack Obama inzwischen vier 
verschiedene Optionen vorgelegt. Sie sehen einen Truppenaufwuchs von 
entweder 20.000, 25.000 oder 30.000 Soldaten vor (die letzte Option wird 
nicht näher beschrieben, scheint aber keine Truppenerhöhungen zu 
beinhalten).

Dem Bericht zufolge haben sich Verteidigungsminister Robert Gates, 
Generalstabschef Mike Mullen und Außenministerin Hillary Clinton 
inzwischen darauf verständigt, die 30.000er-Option zu befürworten. 
Deshalb sei damit zu rechnen, dass sich auch Obama in diese Richtung 
entscheiden werde (allerdings sind damit auch die Vorschläge Joseph 
Bidens keineswegs vom Tisch, s.u.). Damit bleibt die US-Regierung -- 
etwas -- unter den Forderungen des NATO-Kommandeurs, scheint sich aber 
dennoch zu einer erheblichen Ausweitung des Engagements entschieden zu 
haben. Zumal man bestrebt ist, die NATO-Verbündeten mit ins 
Eskalationsboot zu hohlen und so McChrystals "Wunschzahl" von 40.000 
Soldaten erreichen zu können.


Kuhhandel: Deutsche Ausbilder statt Kämpfer?

Wiederholt hat die Obama-Administration den EU-Verbündeten ins Stammbuch 
geschrieben, sie erwarte von ihnen gefälligst eine stärkere militärische 
Unterstützung der Kriegsanstrengungen. Auch bei der nun anstehenden 
Entscheidung, noch mehr Truppen an den Hinduksuch zu entsenden, dürften 
die USA von den anderen NATO-Staaten ebenfalls Mehrleistungen erwarten.

Von deutscher Seite wurde allerdings bereits von Verteidigungsminister 
Franz-Josef Jung und nun nochmals von seinem Nachfolger Guttenberg 
klargestellt, eine Truppenerhöhung werde es vor der Anfang 2010 
stattfinden internationalen Afghanistan-Konferenz nicht geben -- 
vielleicht stimmt das sogar. Denn es müssen nicht unbedingt Soldaten mit 
einem direkten Kampfauftrag sein, um Washington zufrieden zu stellen. 
Schon beim Treffen der NATO-Verteidigungsminister betonte der 
Generalsekretär der Allianz, Anders Fogh Rasmussen, dass für die 
angestrebte Afghanisierung des Kriegs die von NATO und Europäischer 
Union (EUPOL Afghanistan) unternommenen Anstrengungen zum Aufbau der 
Repressionsapparate erheblich intensiviert werden müssten: "'Wir werden 
mehr Ausbilder brauchen, und wir werden mehr Mittel brauchen, um die 
afghanischen Sicherheitskräfte zu stärken', sagte Rasmussen. Das habe er 
den Ministern sehr deutlich gesagt. Jetzt in die Fähigkeiten 
Afghanistans zu investieren, bedeute, dass es später weniger nötig sei. 
Der Nato-Einsatz ende dann, wenn die Afghanen in der Lage seien, die 
Verantwortung für ihr Land selbst zu übernehmen." (Reuters, 23.10.2009)

Und genau in diese Richtung scheint nun der Hase zu laufen: "Washington 
hofft, die NATO-Verbündeten davon überzeugen zu können, zumindest 
zusätzliche Ausbilder für die afghanische Armee und Polizei zu 
entsenden. Diese Beiträge könnten die Gesamtgröße nahezu auf das Niveau 
der 40.000 bringen, die McChrystal gefordert hat", berichtet die 
Nachrichtenagentur Reuters (10.11.2009). Vor diesem Hintergrund sind 
auch für Deutschland allerlei Kuhhandel denkbar, Washington bei der 
weiteren Eskalation unter die Arme zu greifen, ohne Truppen direkt mit 
einem Kampfauftrag entsenden zu müssen. So könnte man einfach 
Polizeiausbilder entsenden, da diese ohne Mandat -- und damit den ganzen 
Medienrummel um das hierfür erforderliche Bundestagsmandat - entsendet 
werden können. Da aber zweifelhaft ist, ob sich hierfür genug 
Freiwillige finden, könnte man auch ein separates Mandat beschließen, 
indem groß verkündet wird, die Ausbilder seien strikt getrennt vom 
restlichen NATO-Auftrag zu sehen, da sie kein Kampfmandat hätten 
(sondern nur die ausbilden sollen, die das für sie übernehmen).

Unwahrscheinlich ist es jedenfalls nicht, dass Deutschland im 
Ausbildungsbereich erheblich aufstocken könnte. Viel sagend merkte auch 
US-Außenministerin Hillary Clinton an: "Es gibt also eine Reihe von 
Möglichkeiten, wie Deutschland mitmachen kann." Deshalb hoffe sie, 
"dass, was auch immer Präsident Obama entscheiden wird, so überzeugend 
sein wird, dass wir gemeinsam weitermachen werden." (Die Welt, 
11.11.2009) Der Spiegel berichtete bereits am 12. Oktober, an die 
Bundesregierung sei die US-Forderung ergangen, 1.200 weitere Ausbilder 
für die NATO-Trainingsmission nach Afghanistan zu entsenden.


Übergabestrategie in Verantwortung?

Ganz ähnlich wie Guttenberg, der meinte man könne ja schließlich nicht 
bis zum "Sankt-Nimmerleins-Tag" am Hinduksuch bleiben, äußerte sich auch 
Kanzlerin Angela Merkel in ihrer jüngsten Regierungserklärung. Der 
Bundeswehreinsatz in Afghanistan müsse nun "in eine neue Phase" geführt 
werden. Es gelte nun auszuarbeiten, "wie und mit welchen konkreten 
Schritten" die neue Phase gestaltet werden könne. "Wir wollen eine 
Übergabestrategie in Verantwortung festlegen." (Die Welt, 11.11.2009)

Unverkennbar macht sich auch in der Bundesregierung eine gewisse 
Kriegsmüdigkeit breit. Man bereitet sich derzeit auf einen geordneten 
Teilrückzug vor, die Truppen sollen -- nicht zuletzt aufgrund der 
ablehnenden Haltung zum Kriegseinsatz in der Bevölkerung -- möglichst 
bald auf ein möglichst geringes Maß reduziert werden, indem der Großteil 
der Kampfhandlungen auf die künftig bereitstehende afghanische Armee und 
Polizei abgewälzt werden soll. 2015, dieser Termin wird immer wieder als 
Datum genannt, an dem man spätestens die afghanische Polizei und Armee 
soweit aufgebaut haben will, um das Land sich dann buchstäblich sich 
selbst und dem mit Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit 
entflammenden Bürgerkrieg zu überlassen. Von einer "Übergabestrategie in 
Verantwortung" kann hier jedoch keinerlei Rede sein, das voraussehbare 
Drama wird jedoch offenbar billigend in Kauf genommen - die grusligen 
Szenarien, was passiert, wenn man diesen Weg weiter beschreitet, liegen 
bereits auf dem Tisch.


Afghanistans Zukunft: Dauerbürgerkrieg

Der "Center for a New American Security", eine Denkfabrik mit engsten 
Verbindungen zur Obama-Administration, veröffentlichte unlängst ein 
Papier, in dem drei mögliche Zukunftsszenarien für Afghanistan 
präsentiert wurden (Exum, Andrew: Afghanistan 2011: Three Scenarios, 
CNAS Policy Brief, 22.10.2009). Unwahrscheinlich aber möglich sie eine 
nachhaltige Stabilisierung des Landes ebenso wie der -- aus westlicher 
Sicht -- schlimmste Fall, ein Sieg der Widerstandsgruppen über die 
Karzai-Regierung und die Etablierung neuer, dezidiert anti-westlicher 
Machthaber.

Vermutlich werde die Entwicklung aber in folgende Richtung gehen: "Im 
wahrscheinlichsten Szenario wird die Obama-Regierung vorsichtig zu einer 
koordinierten Anti-Terror-Mission übergehen, bei der das alliierte 
Engagement sich auf das Training der afghanischen Armee, die 
Durchführung von Präzisionsangriffen aus der Luft und Spezialoperationen 
am Boden beschränkt. [..] Dieses wahrscheinlichste Szenario erlaubt es 
den USA und ihren Verbündeten weiterhin Einfluss in Zentralasien 
auszuüben und eine vollständige Rückkehr der Taliban zu verhindern." 
Damit wären dann auch die Präferenzen Joseph Bidens berücksichtigt, der, 
wie bereits erwähnt, das US-Engagement genau hierauf beschränkt wissen 
will. Allerdings betont das CNAS-Papier auch: "Eine kurzfristiger 
Truppenerhöhung wird diesem Übergang vorausgehen." Genau dies ist nun 
ebenfalls eingetreten, indem McChrystals Forderung nach mehr Soldaten 
offenbar nachgekommen wird.

Recht unverblümt wird zudem beschrieben, was ein solches Szenario für 
Afghanistan bedeuten würde: "Afghanistan bleibt im Bürgerkrieg zwischen 
der Regierung in Kabul, die im Wesentlichen von den Politikern und 
Warlords geführt wird, die das Land zwischen 1992 und 1996 befehligten, 
und einer entrechteten paschtunischen Gesellschaft im Süden und Osten 
gefangen." Zwar wird eingeräumt, dass von allen denkbaren Entwicklungen 
diese für die afghanische Bevölkerung die mit Abstand nachteiligste 
wäre, das scheint die westlichen Strategen jedoch nicht davon 
abzuhalten, genau diesen Pfad nun einzuschlagen. Erfreulicherweise gibt 
es aber selbst im US-Militär vereinzelte Stimmen, die sich mehr als 
deutlich hiergegen aussprechen.


Pro-westlicher Militärstaat

Vor kurzem quittierte der US-Militär Matthew P. Hoh, der in Afghanistan 
an prominenter Stelle für den zivilen Wiederaufbau zuständig war, seinen 
Dienst. In seinem Rücktrittsgesuch begründete er seine Entscheidung 
folgendermaßen: "Der paschtunische Aufstand, der sich aus zahlreichen, 
scheinbar endlosen lokalen Gruppen zusammensetzt, wird durch das 
gespeist, was die paschtunische Bevölkerung als einen andauernden 
Angriff auf ihre Kultur, Traditionen und Religion durch interne und 
externe Feinde ansieht, der seit Jahrhunderten anhält. Die amerikanische 
und die NATO Präsenz und Operationen in paschtunischen Tälern und 
Dörfern stellen ebenso wie die afghanischen Polizei- und Armeeeinheiten, 
die nicht aus Paschtunen bestehen, eine Besatzungsmacht dar, vor deren 
Hintergrund der Aufstand gerechtfertigt ist. Sowohl im Regionalkommando 
Ost als auch Süd habe ich beobachtet, dass der Großteil des Widerstands 
nicht das weiße Banner der Taliban, sondern eher gegen die Präsenz 
ausländischer Soldaten und gegen Steuern kämpft, die ihm von einer 
Regierung in Kabul auferlegt werden, die sie nicht repräsentiert."

Anschließend listet Hoh die Defizite der Karzai-Regierung auf, die von 
der US-Regierung geschützt wird. Sie zeichne sich u.a. durch "eklatante 
Korruption und unverfrorene Bestechlichkeit" aus sowie "einen 
Präsidenten, dessen Vertraute und Chefberater sich aus Drogenbaronen und 
Kriegsverbrechern zusammensetzen, die unsere Anstrengungen zur 
Drogenbekämpfung und zum Aufbau eines Rechtsstaats lächerlich machen." 
Vor diesem Hintergrund kommt Hoh zu dem vernichtenden Fazit: "Unsere 
Unterstützung für diese Art von Regierung, gepaart mit dem Unverständnis 
für die wahre Natur des Widerstands, erinnert mich fatal an unser 
Engagement in Südvietnam; eine unpopuläre und korrupte Regierung, die 
wir auf Kosten des inneren Friedens unseres eigenen Landes gegen einen 
Aufstand unterstützt haben, dessen Nationalismus wir arrogant und 
ignorant als Rivalen unserer Kalten-Kriegs-Ideologie misinterpretiert 
hatten." (http://www.presstv.ir/detail.aspx?id=110168&sectionid=3510304 )

Auch wenn den engagierten Ausführungen Hohs weitestgehend zuzustimmen 
ist, an einem Punkt dürfte er den Zynismus der westlichen Strategen 
unterschätzen. Denn es hat eher den Anschein, als dass Afghanistans 
Zukunft als autoritärer Militärstaat im Dauerkriegszustand weniger aus 
Dummheit denn aus strategischem Kalkül billigend in Kauf genommen wird. 
Hauptsache die Herrscher in Kabul bleiben weiterhin pro-westlich, alles 
andere scheint mittlerweile weitgehend egal zu sein. Ein treffender 
Kommentar in der taz (13.9.2009) fasste das Kalkül folgendermaßen 
zusammen: "Das Maximum, das der Westen in Afghanistan noch erhoffen 
kann, ist, einen autoritären Potentaten zu hinterlassen, der getreu dem 
US-amerikanischen Bonmot 'Er ist ein Hurensohn, aber er ist unser 
Hurensohn', der die Regierung auf prowestlichem Kurs hält. 
Sicherheitspolitisch könnte das sogar funktionieren, weil dessen Terror 
sich dann 'nur' gegen die eigene Bevölkerung und vielleicht noch gegen 
Nachbarstaaten, nicht aber gegen den Westen richtet." Kein Wunder also, 
dass Neu-Verteidigungsminister Guttenberg ankündigte, man müsse sich in 
Afghanistan endlich von hehren Demokratievorstellungen verabschieden.



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