[IMI-List] [0304] NATO-Broschüre / Neue Texte / NATO-Einrichtungen in Deutschland
Informationsstelle Militarisierung
imi at imi-online.de
Do Feb 19 13:01:36 CET 2009
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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0304 .......... 13. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Christoph Marischka / Jürgen Wagner
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Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,
in dieser IMI-List finden sich:
1) Alle Einzeltexte der Mobilisierungsbroschüre zum NATO-Gipfel: "Kein
Frieden mit der NATO" und noch mal die Bestellhinweise.
2) Neue Texte in der Februar-Ausgabe des IMI-Magazins AUSDRUCK.
3) Drei kurze Beschreibungen von NATO-Einrichtungen in Deutschland.
1) Broschüre: "Kein Frieden mit der NATO - Die NATO als Waffe des Westens"
Wir bedanken uns für die zahlreichen Bestellungen der
Mobilisierungsbroschüre zum NATO-Gipfel im April. Damit wir den Preis so
niedrig halten konnten, haben wir eine sehr große Stückzahl gedruckt,
sodass wir noch Exemplare auf Lager haben.
Wer die 72seitige Broschüre (A4) für die nun anlaufende heiße Phase der
Mobilisierung bestellen möchte, kann dies (gerne auch in großer
Stückzahl) für nur 2 Euro pro Exemplar (zzgl. Porto) mit einer Mail an
folgende Adresse tun:
imi at imi-online.de
Wie alle IMI-Publikationen steht auch die NATO-Broschüre kostenlos für
den Download zur Verfügung:
http://imi-online.de/download/webversion-imi-nato.pdf
Mittlerweile haben wir es auch geschafft, sämtliche Einzelartikel online
zu stellen: http://www.imi-online.de/2009.php3?id=1887
2.) AUSDRUCK - Das IMI-Magazin (Februar 2009)
Im AUSDRUCK findet sich diesmal eine Analyse des chinesischen Weißbuchs,
mit dem sich die Regierung – ganz nach westlichem Vorbild – auf die
stärkere Bekämpfung sozialer Unruhen vorbereitet. Der erste Beitrag
beschreibt ausführlich verschieden PR-Maßnahmen der Bundeswehr, die sich
insbesondere an Jugendliche richten, der letzte fasst die bisherigen
Planungen zum Einsatz der Bundeswehr und zur Aushebelung von
Grundrechten angesichts des NATO-Gipfels im April zusammen.
Die komplette Ausgabe zum download:
http://www.imi-online.de/download/AUSDRUCK-Februar2009.pdf
INHALTSVERZEICHNIS
DEUTSCHLAND UND DIE BUNDESWEHR
-- Michael Schulze von Glaßer
Die Bundeswehr im Kampf an der Heimatfront
http://www.imi-online.de/download/MSG-BW-Marketing.pdf
-- Tobias Pflüger
Militarismus und Antimilitarismus heute
http://www.imi-online.de/download/TP-Militarismus-Antimilitarismus.pdf
ISRAEL-PALÄSTINA
-- Claudia Haydt
Stoppt Krieg und Massaker in Gaza!
http://www.imi-online.de/download/CH-Gaza.pdf
NATO UND NEUER KALTER KRIEG
-- Jürgen Wagner
Gas-OPEC und Afrikanische Nabucco
http://www.imi-online.de/download/JW-Gas-OPEC-Nabucco.pdf
CHINA
-- Andreas Seifert
Beijing Täubchen: Über das chinesische Verteidigungsweißbuch
http://www.imi-online.de/download/AS-China-Weissbuch.pdf
NATO-GIPFEL
-- Christoph Marischka
NATO in Baden Baden: Länderübergreifender Ausnahmezustand im April
http://www.imi-online.de/download/CM-NATO-Innen.pdf
3) Drei kurze Beschreibungen von NATO-Einrichtungen in Deutschland
IMI-Standpunkt 2009/012
Die NATO-Pipeline ... in Bodelshausen und anderswo
http://www.imi-online.de/2009.php3?id=1907
14.2.2009, Jens Rüggeberg
NATO-Pipeline in Bodelshausen und anderswo
Ohne Sprit kein Krieg – und ohne Unterbrechung des Treibstoffnachschubs
kein Frieden. So könnte man das Thema meines Beitrags polemisch
zusammenfassen.
Nachdem Tübingen fast vollständig zivilisiert ist - und zwar im
ursprünglichen Sinne des Wortes, denn in Tübingen sind seit 15 Jahren
keine Soldaten mehr stationiert und auch das
Verteidigungsbezirkskommando 54 wurde inzwischen aufgelöst - gibt es nur
noch zwei militärische Einrichtungen im Landkreis Tübingen: Einen
Verbindungsoffizier im Landratsamt und ein Teilstück der NATO-Pipeline
von Kehl in Richtung Aalen. Die Pipeline ist Teil eines ganz West-,
Nord- und Südeuropa überspannenden militärischen Pipeline-Netzes der
NATO. Sie transportiert Treibstoff, der aus französischen Häfen stammt.
Bereits seit den fünfziger Jahren wurde das Pipelinenetz gebaut. Es
diente der Versorgung des Militärs mit Treibstoff. Schon damals führte
ein Teilstück der Pipeline durch den Landkreis Tübingen. Bei
Bodelshausen befand sich ein Tanklager. Dort konnten auch Tanklastzüge
befüllt werden. Um 1990 lief die Betriebsgenehmigung für Pipeline und
Tanklager aus, jedenfalls für das Teilstück, das durch den Kreis
Tübingen verlief. Sie wurden stillgelegt. Die Stilllegung fiel zeitlich
zusammen mit dem Ende des Kalten Krieges wegen Zusammenbruchs der
Sowjetunion.
In den neunziger Jahren wurde dann die Wiederinbetriebnahme des
Teilstücks Kehl-Aalen geplant. Dazu sollte die Pipeline völlig neu
gebaut werden, aber auf der alten Trasse. Die Wiedereröffnung des
Tanklagers bei Bodelshausen war nicht geplant, wohl weil es im Kreis
Tübingen inzwischen keine Kasernen mehr gibt. Im Rahmen des
Planfeststellungsverfahrens legten sowohl das Tübinger
Friedensplenum/Antikriegsbündnis als auch der Kreisrat der
Wählervereinigung Tübinger Linke, Gerhard Bialas, Widerspruch gegen das
Projekt ein. Juristisch hatten sie zwar keinen Erfolg; aber es gelang,
die Problematik des Pipelineprojekts in die öffentliche Diskussion zu
bringen: Militarisierung und ökologische Fragen standen im Mittelpunkt.
Denn die Pipeline verläuft im Gebiet Seebronn/Bad Niedernau durch ein
Wasserschutzgebiet. 2004 wurde das Teilstück Kehl-Aalen in Betrieb
genommen. Aus diesem Anlass führte das Tübinger Friedensplenum in
Bodelshausen eine Demonstration durch, die bis in den Wald zur
Pipelinetrasse führte – die übrigens öffentlich zugänglich ist.
Die Pipeline ist im Kreis Tübingen unterirdisch verlegt. Ihre Trasse ist
durch weiß-rote Pfosten gekennzeichnet. Im Wald bei Bodelshausen neben
dem ehemaligen Tanklager befindet sich eine Verwaltungs- und
Kontrollstation des Betreibers der Pipeline, der
Fernleitungsbetriebsgesellschaft mbH (FBG; Sitz in Idar-Oberstein). Die
FBG befindet sich im Besitz des Bundes. Sie ist eine Tochtergesellschaft
der bundeseigenen Industrieverwaltungsgesellschaft (IVG).
Durch die Pipeline werden folgende Produkte geleitet: Dieselkraftstoff,
Turbinenkraftstoff F 34 und Jet A-1 (so genanntes Kerosin, Treibstoff
für Flugzeuge), Ottokraftstoff (normales Benzin) und Heizöl EL. In der
Diskussion über die Pipeline wird auch der NATO-Universaltreibstoff JP 8
genannt, der noch giftiger als Kerosin ist und mit dem Kraftfahrzeuge
aller Art wie Flugzeuge betrieben werden können. Offenbar ist aber die
Vereinheitlichung der Kraftstoffe innerhalb der NATO noch nicht
abgeschlossen.
2008 wurde ein weiteres Teilstück der Pipeline fertig gestellt: das
Teilstück Aalen-Leipheim. Das erstaunt auf den ersten Blick. Denn in
Leipheim befindet sich kein militärisch genutzter Fliegerhorst der
Bundeswehr mehr, sondern nur noch ein Sportflugplatz, der allerdings von
Sportfliegern der Bundeswehr genutzt wird. Kann es denn sein, dass ein
Projekt, das Hunderte von Millionen Euro verschlingt, zur Versorgung
eines Sportflugplatzes gebaut wird?
Die Auflösung dieses Rätsels ergibt sich aus einem
Planfeststellungsbeschluss der Regierung von Oberbayern vom 20.12.2007,
das im Internet einsehbar ist.[1] Der Zweck der Leitung wird im
Planfestfeststellungsbeschluss wie folgt beschrieben: „Die
Produktenfernleitung Leipheim-Unterpfaffenhofen ist seit 1987 in Betrieb
und dient als Bestandteil des NATO-Verbundsystems Mitteleuropa der
Beförderung brennbarer bzw. wassergefährdender Flüssigkeiten. Sie
verbindet die Übergabestation Leipheim und das Tanklager
Unterpfaffenhofen (bei München) in Bayern. Sie befördert die für die
Flugplätze Landsberg, Lechfeld und Leipheim erforderlichen
Mineralölprodukte (Benzin, Düsentreibstoff, Dieselkraftstoff und Heizöl
EL) von Unterpfaffenhofen aus. Nach der Errichtung des 3. Teilstücks
Aalen-Leipheim voraussichtlich im April 2008 soll die Förderrichtung
geändert und der Treibstoff vom Tanklager Aalen zu den angegebenen
Flugplätzen, zum Tanklager Unterpfaffenhofen jedoch längstens bis
30.6.2009 befördert werden.“ (Seite 4)
Zur Erläuterung: Über Stichstrecken der Pipeline
Leipheim-Unterpfaffenhofen werden die Militärflughäfen Landsberg und
Lechfeld versorgt. Offenbar kommt bisher der Sprit aus
Unterpfaffenhofen. In Zukunft soll er aber aus Leipheim kommen – und
damit via Kehl, Bodelshausen und Aalen aus Frankreich.
In Lechfeld ist das Jagdbomber-Geschwader 32 stationiert, das einzige
der Bundeswehr, das über so genannte ECR-Tornado-Flugzeuge verfügt.
Dieses nahm am Jugoslawien-Krieg teil. Bis 1998 waren in Lechfeld auch
US-amerikanische Militärflugzeuge stationiert. Auf dem Flugplatz
Landsberg (läuft auch unter der Bezeichnung „Fliegerhorst Penzing“, da
von Penzing aus zu erreichen) ist das Lufttransportgeschwader 61
stationiert, das aus zwei Staffeln besteht. Eine ist mit Flugzeugen vom
Typ Transall C-160D ausgestattet, die andere mit Hubschraubern vom Typ
Bell UH-1D. Das Geschwader soll angeblich in gut einem halben Jahrzehnt
aufgelöst werden, weil die Transall veraltet ist und durch neuere
Maschinen ersetzt werden soll und weil der Flughafen Landsberg/Penzing
aufgrund seiner geographischen Lage nicht erweitert werden kann.
Gegenwärtig scheint sich das Geschwader aber an Auslandseinsätzen zu
beteiligen, so dass nicht sicher ist, ob es wirklich aufgelöst werden wird.
Einige völlig unscheinbare und harmlos aussehende rot-weiße Pfosten im
Wald bei Bodelshausen, direkt vor unserer Haustür, markieren eine
militärische Einrichtung, mittels derer die Bundeswehr Kriege in aller
Welt führt. Es lässt sich also vor Ort die Militarisierung der deutschen
Außenpolitik sinnfällig aufzeigen. Und da es sich um eine
NATO-Einrichtung im weitesten Sinne handelt, kann an ihr im Vorfeld des
Jubiläums zum 60. Jahrestag der Gründung der NATO Protest in der Region
eingeübt werden. Für Friedensfreundinnen und -freunde also allemal ein
lohnendes Objekt!
[1]
http://regierung.oberbayern.bayern.de/Bereich5/5wirfuersie/5genehmig/50_55.1genehm/5_doku/PFB_Produktenfernleitung_Leipheim_LA_Unterpfaffenhofen.pdf
Jens Rüggeberg
IMI-Standpunkt 2009/013
Geilenkirchen - Mit AWACS gegen das Grundgesetz
http://www.imi-online.de/2009.php3?id=1908
14.2.2009, Tobias Pflüger
Geilenkirchen: Mit AWACS gegen das Grundgesetz
Wenige Kilometer nördlich von Aachen, nahe einem Walgebiet an der
niederländischen Grenze gelegen, befindet sich der NATO-Militärflughafen
Geilenkirchen, der sowohl bei den weltweiten Kriegen der NATO als auch
bei der Militarisierung der Inneren Sicherheit und der Aushöhlung des
Grundgesetzes eine wichtige Rolle spielt.
Auf der Airbase sind knapp über 3.000 Soldaten aus 14 NATO-Staaten
stationiert. Deren Hauptaufgabe ist Wartung und Betrieb von 17 ganz
speziellen Aufklärungsflugzeugen der NATO sowie drei Trainingsmaschinen
desselben Typs. Das Spezielle an den AWACS (Airborne Early Warning and
Control System), bei denen es sich um eine mit Aufklärungstechnologie
ausgestattete Version der Boeing E-3A handelt, ist zunächst, dass die
Flugzeuge unmittelbar der NATO gehören - also nicht von einem
Mitgliedsstaat zur Verfügung gestellt werden - und ihre Besatzung
multinational zusammengesetzt ist. Darüber hinaus überschneiden sich
offensive und defensive Fähigkeiten der AWACS in einem sehr großen und
für die NATO auch nützlichem Maße. Dies liegt v.a. an der enormen
Reichweite der Flugzeuge und ihrer aufmontierten Radaranlagen. Die AWACS
können bis zu elf Stunden - im Notfall sogar über 17 Stunden - in der
Luft bleiben und von ihrem jeweiligen Standpunkt aus in einem Radius von
bis zu 400 km Fahrzeuge, Schiffe etc. aufklären. Zudem verfügen sie über
eine ausgefeilte und von vornherein auf Interoperabilität ausgerichtete
Kommunikationstechnologie. Deshalb können sie sowohl in
Katastrophenfällen als auch bei multinationalen Besatzungen oder am
Rande von Kriegsgebieten, wo sich das Flugaufkommen durch Kampfflugzeuge
drastisch erhöht, die zivile und militärische Flugsicherung übernehmen.
Sie sind auch äußerst geeignet, den Luftraum und Flugverbotszonen
beispielsweise aufgrund von UN-Sanktionen zu überwachen, können aber
auch in diesem Rahmen gegnerische Ziele ausspähen und bei (den eventuell
folgenden) handfesten Angriffskriegen als Feuerleitstand dienen.
Einsätze im In- und Ausland
Die in Geilenkirchen seit 1982 stationierten Flugzeuge kamen schon
entsprechend oft zum Einsatz. Der erste Kriegseinsatz erfolgte
1990/1991, als die AWACS in die Türkei verlegt wurden, um zunächst den
US-geführten Aufmarsch der Truppen im Mittelmeer und der Türkei zu
überwachen und später während des Krieges als Frühwarnung gegen
irakische Truppenbewegungen und Luftangriffe insbesondere gegen die
Türkei zu dienen. Offiziell hatte dieser Einsatz ebenso wenig mit der
NATO zu tun, wie der 1992 folgende im Mittelmeer, bei dem AWACS das
aufgrund des Lockerbie-Anschlages verhängte Embargo gegen Libyen
überwachen sollten. Der Übergang von solch eher defensiven zu offensiven
Militärmaßnahmen zeigte sich jedoch wieder sehr deutlich bei den
Einsätzen der AWACS auf dem Balkan. Auch hier ging es zunächst nur
darum, ein von der UN verhängtes Embargo zu überwachen, doch mit der
Eskalationsstrategie der NATO übernahmen die AWACS schnell andere
Aufgaben: Sie spähten serbische Stellungen und Radarstationen aus und
koordinierten tausende von Luftangriffen in Bosnien und Herzegowina,
Serbien und Kosovo. Der Einsatz auf dem Balkan dauerte bis ins Jahr 2004
und beinhaltete auch die Unterstützung des völkerrechtswidrigen
Angriffskrieges gegen Jugoslawien.
Seit den Anschlägen vom 11.9.2001 sind die in Geilenkirchen
stationierten AWACS im Dauereinsatz auch mitten in Europa. Für einige
Monate leisteten sie zudem Unterstützung bei der Luftraumüberwachung in
den USA. Diese hatten in einer ersten Reaktion auf die Anschläge
innerhalb einer Stunde ihre gesamte eigene Flotte von 28 AWACS
mobilisiert, um Ausschau nach verdächtigen Flugzeugen zu halten, die auf
Städte zusteuern. Vom 8.10.2001 bis zum 15.5.2002 wurden die USA dabei
von fünf der in Geilenkirchen stationierten NATO-AWACS unterstützt.
In Europa kommen die AWACS im Rahmen des "Krieges gegen den Terror"
immer wieder bei "besonderen Ereignissen", insbesondere bei Besuchen des
US-Präsidenten oder des Papstes, Gipfeltreffen oder großen
Sportereignissen zum Einsatz. Einer der größten dieser Einsätze fand im
Rahmen des NATO-Gipfels 2006 in Riga mit sechs AWACS und insgesamt 13
Flügen statt. Den bisher längsten Einsatz stellte die FIFA-WM im selben
Jahr in Deutschland dar. Bei der Investitur des Papstes waren fünf, bei
den G8-Gipfeln in Gleaneagles 2005 und Heiligendamm 2007 je drei AWACS
im Einsatz. An dieser Stelle sei noch einmal darauf verwiesen, dass es
sich bei jedem dieser Einsätze aufgrund der multinationalen
Zusammensetzung der Flugzeugbesatzungen, von der jeweils etwa ein
Drittel aus deutschen Soldaten besteht, stets auch um Einsätze der
Bundeswehr handelt.
Die Frage, ob deshalb der Bundestag über die AWACS-Einsätze abstimmen
muss, spielte insbesondere im Kontext des Irak-Krieges 2003 eine Rolle.
Auch hier wurden die in Geilenkirchen stationierten Flugzeuge mitsamt
ihrer deutschen Besatzungsmitglieder in die Türkei verlegt, offiziell um
Vergeltungsschläge der irakischen Armee gegen die Türkei zu verhindern.
Der Bundestag hatte sich aber damals explizit gegen eine deutsche
Unterstützung des US-geführten Krieges gegen den Irak ausgesprochen. Die
FDP sah deshalb die Rechte des Bundestags, über Kriegseinsätze der
Bundeswehr zu entscheiden, verletzt und legte einen Eilantrag gegen die
deutsche Beteiligung ein. Das Bundesverfassungsgericht wies den
Eilantrag seinerzeit ab, stellte dann aber fünf Jahre später - im Mai
2008 - fest, dass der Einsatz ohne Bundestagsmandat verfassungswidrig
war, da „greifbare tatsächliche Anhaltspunkte für eine drohende
Verstrickung in bewaffnete Auseinandersetzungen“ bestanden.
AWACS für Afghanistan
Ebenfalls im Mai 2008 wurden von der NATO erste Forderungen laut, wonach
AWACS aus Geilenkirchen nach Katar verlegt werden sollten, offiziell, um
die Luftraumüberwachung in Afghanistan zu übernehmen. Den zivilen
Luftverkehr aber kann die seit Juli 2008 funktionsfähige zivile
afghanische Flugsicherung selbst übernehmen, weshalb es offensichtlich
nur um die Koordination des militärischen Luftverkehrs gehen kann.
Darüber hinaus waren US-amerikanische AWACS schon zwei Mal in
Afghanistan im Einsatz, zunächst zu Beginn des Krieges - und damit in
dem Zeitraum, wo sie für die "Heimatverteidigung" Unterstützung durch
die NATO-AWACS erhielt (s.o.) - und erneut seit März 2007. Diese dienen
aber ganz klar der Koordination von Luftangriffen. Sogar der
versehentliche Bombenangriff auf kanadische Soldaten am 17.4.2002
erfolgte mittels Aufklärungsdaten der AWACS.[1] Diese Luftangriffe sind
diejenige Komponente der Eskalationsstrategie der NATO, welche auch von
Seiten der Bundesregierung öffentlich immer wieder kritisiert,
tatsächlich aber - beispielsweise mit der gewünschten Entsendung der
AWACS und den deutschen Aufklärungstornados - unterstützt wird. Aufgrund
der großen Reichweite könnten die NATO-AWACS auch Ziele in Pakistan und
Iran ausspähen. Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts und aufgrund der
eindeutigen "Anhaltspunkte für eine drohende Verstrickung in bewaffnete
Auseinandersetzungen“ wird es über den AWACS-Einsatz diesmal eine
Abstimmung im Bundestag geben.
[1] Paul Schäfer: AWACS-Einsatz in Afghanistan, in: Friedensforum 6/2008
Tobias Pflüger
IMI-Analyse 2009/003
Münster - Kriegsführung aus der Provinz
http://www.imi-online.de/2009.php3?id=1879
23.01.2009, Michael Schulze von Glaßer
Kriegsführung aus der Provinz
Münster ist Stabssitz des „Deutsch-Niederländischen Korps“ und wichtiges
Zahnrad in der NATO-Kriegspolitik
Unter der Adresse „Hindenburgplatz 71“ findet sich im westfälischen
Münster ein großes weißes Gebäude mit schwarzem Dach. Davor wehen an
zahlreichen Masten die Nationalflaggen verschiedener Staaten – die
deutsche und niederländische Fahne stehen im Vordergrund gleich neben
denen der Europäischen Union und der „North Atlantic Treaty
Organization“. Das unscheinbare Gebäude in unmittelbarer Nähe zum
historischen Schloss ist Stabssitz des „1. Deutsch-Niederländischen
Korps“[1] und zugleich ein wichtiges Hauptquartier der NATO.
Chronologie eines Kriegsquartiers
1991 entstand die Idee einer binationalen Militäreinheit. Die
Einweihungsfeier für die neu gebildete Militäreinheit aus „1. Deutschem
Korps“ und „1. Niederländischem Korps“ fand am 30. August 1995 unter
Anwesenheit des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl und des
niederländischen Premierministers Wim Kok statt.[2] Von Anfang an war
die Verteidigung des NATO-Territoriums die Hauptaufgabe des „1.
Deutsch-Niederländischen Korps“, das schon nach kurzer Zeit zur NATO
Hauptverteidigungseinheit gehörte. 1999 wurde die Einheit auserkoren,
ein „NATO High Readiness Force Headquarter“ (HRF) zu werden. Mit dem
Erreichen der vollen Einsatzbereitschaft - „Full Operational Capability“
(FOC) - im November 2002 wurde das „1. Deutsch-Niederländische Korps“
eine Einheit der „NATO Combined Joint Task Force“ (CJTF) und ist somit
in der Lage, innerhalb von 20 – 30 Tagen für NATO-Militärmissionen
einsatzbereit zu sein. Ab Februar 2003 koordinierte das Münsteraner
Korps als Hauptquartier für sechs Monate den ISAF-Militäreinsatz in
Afghanistan. Als nächsten Schritt strebten die deutschen und
niederländischen Militärs an, ein „Land Component Command Headquarter“
(LCC) innerhalb der „NATO Response Force“ (NRF) zu werden. Spätestens
mit diesem Schritt wurde die territoriale Verteidigung Nebensache und
das Münsteraner Hauptquartier zur Führung von Angriffskriegen
umstrukturiert. Dazu wurde das Korps ab 2004 für ein Jahr dem „NATO
Joint Forces Command“ in Neapel (Italien) unterstellt. Im Januar 2005
nahm die Militäreinheit die Rolle als „NATO Response Force Land
Component Command“ ein. Die Führung der schnellen Eingreiftruppe der
NATO rotiert halbjährlich zwischen sechs NATO-Standorten. Das
Hauptquartier bekam die Bezeichnung NRF-4 – ist also seit Bestehen der
schnellen NATO-Eingreiftruppe das vierte Hauptquartier. Das Jahr 2006
verbrachte das „Deutsch-Niederländische Korps“ mit einigen kleineren
Militärübungen. 2007 bereitete sich die Armee-Einheit mit weiteren sechs
Übungseinsätzen auf die nochmalige Übernahme der „NATO-Response Force“
vor, die im ersten Halbjahr 2008 stattfand (NRF-10). Am 2. Juli 2008 gab
das Münsteraner Korps die Aufgabe des NATO-Hauptquartiers an Frankreich
weiter. Bei der bisherigen Rotation dürfte das „1.
Deutsch-Niederländische Korps“ im Jahr 2011 das nächste Kommando über
die „NATO Response Force“ haben. Im Januar 2009 gab der Kommandeur des
Korps bekannt, dass 400 Soldatinnen und Soldaten ab August für ein
halbes Jahr nach Afghanistan verlegt werden, um dort den ISAF-Einsatz zu
unterstützen. 170 Korps-Mitglieder werden in Kabul das Hauptquartier der
ISAF verstärken und das „Deutsch-Niederländische Korps“ somit wieder
eine Führungsrolle im Afghanistankrieg einnehmen. Unter dem Dach des
Münsteraner Korps finden sich mittlerweile zwölf Nationen: Deutschland,
Niederlande, Belgien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Italien,
Norwegen, Spanien, Türkei, Großbritannien und die USA.
Kriegsquartier für weltweite Kriege
Dem „1. Deutsch Niederländischen Korps“ unterstehen dauerhaft das „Staff
Support Batallion“ in Münster und das „Communications and Information
Systems Bataillon“ im niederländischen Eibergen und Garderen. Das Korps
selbst ist also relativ klein – die ihm unterstellten NATO-Einheiten
während der Führung der „Response Force“ sind dafür umso zahlreicher.
Die Truppenstärke des NRF-4 betrug etwa 8.500 Soldatinnen und Soldaten
aus Deutschland, den Niederlanden, Spanien, Frankreich, der Türkei,
Dänemark und Norwegen. Mit der NATO-Übung IRON SWORD stellte das „1.
Deutsch-Niederländische Korps“ im Mai und Juni 2005 erstmals seine
Einsatzfähigkeit für die „NATO Response Force“ unter Beweis: Aus fünf
Nationen wurden mehr als 6.000 Soldatinnen und Soldaten und 2.500
Fahrzeuge von Zentraleuropa auf einen militärischen Übungsplatz in
Norwegen verbracht.[3] Das Szenario sah einen Konflikt zwischen drei
fiktiven Nationen vor – kriminelle und terroristische Gruppen in den
fiktiven Staaten wurden ebenfalls simuliert. Die NATO-Truppen sollten
einmarschieren, um den Frieden zu erzwingen. Hauptziel der Übung war die
schnelle Verlegung der NATO-Streitkräfte. Trotz zweier kleinerer Unfälle
auf den über 300 Kilometern Landweg zum Übungsplatz Nordöstlich von Oslo
wurde das Invasions-Szenario planmäßig durchgeführt.
Die zeitweise aus Münster kommandierte „NATO Response Force“ soll
innerhalb von nur fünf Tagen an jedem Ort der Welt einsetzbar sein.[4]
Im Ernstfall kann das Münsteraner Hauptquartier nach Eigenaussagen bis
zu 60.000 Soldatinnen und Soldaten befehligen[5] - eine enorme Kapazität.
Kriegsführung aus der Provinz
Dass der ISAF-Militäreinsatz am Hindukusch zeitweise aus Münster
geleitet wurde, ist nur einem kleinen Teil der Bevölkerung bekannt. Auch
die Bedeutung des Hauptquartiers für die NATO ist relativ unbekannt. In
der (lokalen) Öffentlichkeit geben sich die Militärs friedlich –
pflanzen beispielsweise neue Bäume an der Münsteraner Promenade, die
zuvor vom Sturm „Kyrill“ verwüstet wurde.[6] Ihr wahres Gesicht zeigten
die Militärs aus der Provinz bei der NATO-Invasions-Übung IRON SWORD.
Unter deutsch-niederländischer-Führung zeigte sich die offensive
Kriegsausrichtung des Militärbündnisses. Das „1. Deutsch-Niederländische
Korps“ im westfälischen Münster ist als ein Hauptquartier der „NATO
Response Force“ in die weltweite Angriffsstrategie der NATO eingebunden
– weltweite Militäroperationen können von Münster aus binnen fünf Tagen
in Gang gesetzt werden. Dabei scheint schon allein die IRON
SWORD-Militärübung mit dem deutschen Grundgesetz unvereinbar.[7]
Durch die Förderung der schnellen NATO Eingreiftruppe drängt das Militär
zudem dauerhaft auf eine Entmachtung der Parlamente zugunsten des
Nordatlantikrats[8] – die Einsätze können heute oft schneller
durchgeführt werden, als über sie von Parlamenten diskutiert und
entschieden werden kann.
Der „1. Deutsch-Niederländische Korps“ ist ein wichtiges, aber in der
Öffentlichkeit kaum bekanntes Zahnrad in der NATO-Kriegspolitik.
Anmerkungen
[1] www.1gnc.de
[2] Fact-Sheet des „1. Deutsch-Niederländischen Korps“
[3] www.1gnc.de
[4] IMI Standpunkt 2003/111 – Claudia Haydt „NATO Response Force – die
ultimative Koalition der Willigen“ – www.imi-online.de
[5] Broschüre des „1. Deutsch-Niederländischen Korps“ zum IRON SWORD-Einsatz
[6] www.1gnc.de
[7] Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, Artikel 26
[Friedenssicherung] (1): „Handlungen, die geeignet sind und in der
Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu
stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten,
sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.“
[8] Im Nordatlantikrat sitzen Vertreter aller NATO-Mitgliedsstaaten
Michael Schulze von Glaßer
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