[IMI-List] [0300] Neuer AUSDRUCK / IMI-Praktikum / Abkommen zwischen UN und NATO
Informationsstelle Militarisierung
imi at imi-online.de
Di Dez 9 16:47:50 CET 2008
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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0300 .......... 12. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Christoph Marischka / Jürgen Wagner
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Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,
in dieser IMI-List finden sich:
1. Links auf alle Texte des neuen AUSDRUCK (Dezember 2008);
2. die Ausschreibung eines Praktikums "Kritische
Sicherheitspolitikanalyse" bei der IMI
3. einen Standpunkt zum Abkommen, das die Generalsekretäre von UN und
NATO kürzlich unterzeichnet haben.
1. Neuer AUSDRUCK (Dezember 2008) erschienen
INHALTSVERZEICHNIS
-- Jürgen Wagner
Change We Can´t: Barack Obama, der Siegeszug der "War-Democrats" und die
Re-Vitalisierung der NATO
http://www.imi-online.de/download/JW-Dez08-Obama.pdf
-- Joachim Guilliard
Irak - Besatzungsende nicht in Sicht
http://www.imi-online.de/download/JG-Dez08-SOFAIrak.pdf
Deutschland und die Bundeswehr
-- Arno Neuber
Rüstungshaushalt 2009
http://www.imi-online.de/download/AN-Dez08-Ruestung.pdf
-- Lucius Teidelbaum
Stahlhelm und Schmisse: Über das Verhältnis Korporierter zu Armee und Krieg
http://www.imi-online.de/download/LT-Dez08-Stahlhelm.pdf
-- Michael Schulze von Glaßer
Bundeswehr-Marketing in Jugendmedien
http://www.imi-online.de/download/MSG-Dez08-Marketing.pdf
Kongo
-- Christoph Marischka
Illusionen der Allmacht: Praktische Anmerkungen zur "Verantwortung zum
Schutz"
http://www.imi-online.de/download/CM-Dez08-R2P.pdf
-- Christoph Marischka
Kongo: Wie EUropäische Träume platzen
http://www.imi-online.de/download/CM-Dez08-KongoBuch.pdf
Sonstiges
-- Andreas Seifert
China in Afrika: positive Effekte?
http://www.imi-online.de/download/AS-Dez08-ChinaAfrika.pdf
-- IMI
Bericht IMI-Kongress
http://www.imi-online.de/download/IMI-Dez08-Kongressbericht.pdf
-- Tobias Kaphegyi
Versammlungsgesetz: Der Staat geht in die Offensive
http://www.imi-online.de/download/TK-Dez08-Versammlungsgesetz.pdf
2. Praktika bei der IMI
Das gesamte Jahr 2009 über kann die Informationsstelle Militarisierung
Praktika betreuen. Neben einigen begrenzten organisatorischen
Tätigkeiten steht bei Praktika bei der IMI die Erstellung einer eigenen
Studie oder Analyse im Vordergrund. Bei der Recherche hierzu und auch
bei der abschließenden Formulierung ist das Büroteam jederzeit
behilflich. Zudem bietet ein Praktikum bei der IMI die Möglichkeit, die
Arbeit unseres kleinen Vereines und die Strukturen der Friedensbewegung
und der antimilitaristischen Bewegung kennen zu lernen. Insbesondere
politikwissenschaftliche Institute erkennen die IMI als Stelle eines
Pflichtpraktikums überwiegend an. Die Möglichkeit eines Praktikums ist
aber freilich nicht auf Studierende beschränkt.
Wer Interesse an einem Praktikum bei der Informationsstelle
Militarisierung im Jahr 2009 hat, kann sich jederzeit telefonisch
(07071-49154) oder per Mail (imi at imi-online.de) bei uns melden.
3. Klammheimlich geschlossenes Abkommen zwischen UN und NATO
Weitgehend unbemerkt und an den Strukturen der Vereinten Nationen vorbei
hat deren Generalsekretär, Ban Ki-moon, bereits am 23. September 2008
ein Abkommen mit der NATO unterzeichnet. Die UN allerdings scheinen
nicht besonders stolz auf das einseitige Dokument zu sein und hielten
dessen Inhalt bislang geheim. Mittlerweile ist es an die Öffentlichkeit
gedrungen und hat heftige Kritik insbesondere am UN-Generalsekretär
ausgelöst.
IMI-Standpunkt 2008/061
Wird die NATO zum militärischen Flügel der UN?
UN-Generalsekretär würdigt NATO - heimlich und im Alleingang
http://www.imi-online.de/2008.php3?id=1854
4.12.2008, Christoph Marischka
Der Generalsekretär der Vereinten Nationen und der Generalsekretär der
Nato begrüssen die bereits über ein Jahrzehnt andauernde Zusammenarbeit
zwischen den Vereinten Nationen und der Nato zur Unterstützung der
Arbeit der Vereinten Nationen an der Aufrechterhaltung des
internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit..." Mit
diesen Worten beginnt die gemeinsame Erklärung. Die USA, Frankreich und
Großbritannien, alles ständigen Mitglieder im UN-Sicherheitsrat, hätten
Druck auf Ban Ki-moon ausgeübt, zu unterzeichnen. Russland, ebenfalls
ständiges Mitglied im Sicherheitsrat und eigentlich der einzige Rest
Feind, den die NATO noch hat, bekam im Vorfeld der Unterzeichnung Wind
von dem Abkommen und stellte Ban Ki-moon zur Rede, erhielt aber nur
ausweichende Antworten.[1] "Es liegt auf der Hand, dass dies ein Affront
gegen China und Russland ist sowie auch gegen die «blockfreien» Staaten
darstellt" urteilte deshalb Alfred de Zayas, ehemaliger Sekretär des
UN-Menschenrechtsausschusses.[2] Der Generalsekretär habe hiermit seine
Kompetenzen überschritten und die UN endgültig parteilich werden lassen.
Eben diese Parteilichkeit macht er für den Tod zahlreicher
UN-Mitarbeiter im Irak verantwortlich, da sie dazu führte, "dass die
Iraker die Uno als einen imperialistischen Arm der Nato verstanden haben
beziehungsweise wahrscheinlich noch so verstehen".[3]
Ein atomwaffengestütztes Militärbündnis als Friedensbringer
Eine ähnliche Kritik formulierte der Vorstand der Transnational
Foundation for Peace and Future Research: Ein solches Abkommen erschwere
es noch mehr, zwischen NATO- und UN-Einsätzen zu unterscheiden. Nachdem
die UN die NATO auf diese Weise mit einem "besonderen Status"
ausgezeichnet hat, dürfte es künftig nahezu unmöglich werden, dem
Bündnis, das bereits drei von fünf Vetomächten im Sicherheitsrat stellt,
Brüche des Völkerrechts vorzuwerfen. Außerdem stellt das
Friedensinstitut in Frage, wie die UN nach diesem engen Abkommen noch
ihre Ziele der weltweiten Abrüstung und Abschaffung von Atomwaffen
verfolgen kann, wo doch die NATO-Staaten für 70% der globalen
Rüstungsausgaben verantwortlich sind und es sich das Bündnis vorbehält,
auch auf konventionelle Angriffe mit Atomschlägen zu reagieren. Das
Abkommen zwischen UN und NATO sei "auf gleicher Augenhöhe" geschlossen
worden. Bei der NATO handle es sich aber um ein von Atomwaffen
gestütztes Militärbündnis, die UN hingegen verfolge nach Artikel 1 ihrer
Charta das Ziel, "den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu
wahren und Streitigkeiten oder Situationen, die zu einem Friedensbruch
führen könnten, durch friedliche Mittel nach den Grundsätzen der
Gerechtigkeit und des Völkerrechts zu bereinigen oder beizulegen."
Irritiert zeigt sich die Transnational Foundation außerdem über den
Zeitpunkt des Abkommens, schließlich seien die NATO-Staaten gegenwärtig
in "mehrere sehr heikle Konflikte - heikel auch unter Mitgliedern des
Sicherheitsrates - verwickelt", darunter die Georgien-Krise und die sich
zuspitzende Lage in Afghanistan.[4]
UN als neues Vehikel der USA
Andere, wie Karl Müller in den Zeit-Fragen, finden den Zeitpunkt
hingegen "bezeichnend" und sehen eine Verbindung zu den Wahlen in den
USA. Auch Obama wolle die weltweite Vormachtstellung der USA
aufrechterhalten, anders aber als sein Vorgänger Bush eher durch eine
Instrumentalisierung der UN anstatt an den Vereinten Nationen vorbei. So
finden sich im außenpolitischen Beraterstab Obamas zahlreiche "Ideologen
der humanitären Intervention".[5] Eine wichtige Weichenstellung für
solch eine Instrumentalisierung wurde mit der "Verantwortung zum Schutz"
(Responsibility to Protect) auf dem Reformgipfel zum 60jährigen Bestehen
der UN vorgenommen, auf den sich das UN-NATO-Abkommen explizit bezieht.
Mit der Feststellung dieser "Verantwortung" - die irgendetwas zwischen
Definition und völkerrechtlicher Norm darstellt - versuchten einige
Staaten das Souveränitätsprinzip und damit das Interventionsverbot
auszuhebeln und somit eine völkerrechtliche Legitimation für Staaten und
Militärbündnisse zu schaffen, um unter humanitären Vorwänden
Angriffskriege zu führen. Ebenso begründete die NATO ihr
völkerrechtswidriges Bombardement Rest-Jugoslawiens 1999.
Vorbild EU
Betrachtet man ein sehr ähnliches Abkommen, das fast auf den Tag genau
fünf Jahre früher, nämlich am 24. September 2003, zwischen der EU und
der UN geschlossen wurde, so steht durchaus zu befürchten, dass
NATO-Interventionen unter eigener Führung aber mit UN-Mandat zukünftig
zunehmen werden. Das damalige Abkommen begann fast wortgleich
folgendermaßen:
"Der Generalsekretär der Vereinten Nationen und die Ratspräsidentschaft
der EU begrüssen die andauernde Zusammenarbeit zwischen den Vereinten
Nationen und der EU im Bereich des zivilen und militärischen
Krisenmanagements, vor allem auf dem Balkan und in Afrika."[6]
Im Abkommen mit der NATO wird angekündigt, dass ein "Rahmen für
erweiterte Beratung und Zusammenarbeit zwischen ihren jeweiligen
Sekretariaten zu schaffen" sei, um die Kooperation "zwischen unseren
Organisationen im Hinblick auf Fragen von gemeinsamem Interesse
weiterzuentwickeln, einschliesslich, aber nicht beschränkt auf
Kommunikation, Teilen von Informationen, einschliesslich Fragen des
Schutzes der Zivilbevölkerung, des Aufbaus von Kapazitäten, von Training
und Übungen, Auswertung von Lernergebnissen, Planung und Unterstützung
für Eventualitäten und operationale Koordination und Unterstützung."
Auch hierzu finden sich nahezu identische Formulierungen im fünf Jahre
älteren EU-Dokument. Wichtig - und im Hinblick auf die NATO
besorgniserregend - ist die Tatsache, dass es dabei keineswegs nur bei
leeren Versprechen blieb. Im Anschluss an das Abkommen wurde ein EU-UN
Lenkungsausschuss eingerichtet, der an der Vorarbeit eines
"Implementierungsprogramms" beteiligt war, in dem die EU ihre
Fähigkeiten zur Konfliktbefriedung anpries und konkrete Vorschläge
machte, wie sie im Rahmen von UN-Einsätzen oder diese ergänzend und
ersetzend intervenieren könnte. Gleichzeitig machte die EU in diesem
Prozess aber auch klar, dass sie zukünftig keine Soldaten mehr dem
UN-Kommando unterstellen will sondern allenfalls - wenn es ihren
Interessen entspricht - selbst interveniert.[7] Die so entstandene enge
Abstimmung zwischen EU und UN kam bereits nach gut zwei Jahren das erste
Mal zum Tragen, als die EU parallel zur UN-Mission Monuc einen eigenen
Einsatz in der Demokratischen Republik Kongo zur Absicherung der Wahlen
beschloss. Auch der UN-mandatierte Einsatz in Tschad und der
Zentralafrikanischen Republik wurde eher unbürokratisch zwischen beiden
Organisationen abgestimmt. Seit dem heißt es zumindest in Bezug auf
Afrika in Brüssel, man könne sich jeglichen Einsatz schnell von der UN
mandatieren lassen, wenn man dies nur wolle.
UN-Deckmäntelchen und Ban Ki-moon Marionette
Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen beiden Erklärungen liegt in ihrer
Kontrafaktizität bzw. ihrer beschönigenden Darstellung der bisherigen
Kooperationen. Das Abkommen mit der EU lobte deren Engagement auf dem
Balkan und am Kongo, dasjenige mit der NATO deren Missionen in Bosnien
und Afghanistan. In all diesen Fällen hat sich die UN mit der Delegation
an EU und NATO bzw. mit der nachträglichen Legitimation von
Angriffskriegen nicht eben mit Ruhm bekleckert, während sich sowohl die
EU in Afrika und auf dem Balkan als auch die NATO auf dem Balken und in
Afghanistan erfolgreich zu militärischen Interventionsbündnissen
weiterentwickeln konnten. Zumindest in Bosnien, aber auch in Afrika
insgesamt, kann man hingegen sagen, dass die EU und NATO-Staaten die UN
geschwächt haben, indem sie deren eigenständigen Missionen kaum
unterstützt haben und nur darauf warteten, als Feuerwehr gerufen zu werden.
Das neue Abkommen mit der NATO droht eine eingespielte Zusammenarbeit
zwischen NATO, EU und UN weiter zu verfestigen: Während die UN selbst
langfristige Einsätze in geopolitisch uninteressanten Regionen unter
eigenem Kommando ausführt, greift die NATO - mit oder ohne UN-Mandat -
dort ein, wo sie eigene Interessen verfolgt. Die EU übernimmt danach
UN-mandatiert die Stabilisierung und führt gelegentlich maneuverartige
Missionen in Afrika durch, um ihre Kapazitäten hierfür auszubauen.
Deshalb fordern nun viele Mitarbeiter und Unterstützer der UN eine
intensive und ergebnisoffene Debatte um das bislang geheim gehaltene
Dokument. Sie greifen Ban Ki-moon scharf an. Ganz zurecht: Er gefährdet
mit diesem Abkommen die Neutralität und damit auch die Legitimität der
UN und wird selbst zunehmend als Marionette der USA wahrgenommen. „Die
einzigartige Bedeutung der Vereinten Nationen" scheint tatsächlich nur
noch darin zu bestehen, "einen notwendig werdenden Einsatz militärischer
Gewalt mit der völkerrechtlichen Legitimität zu versehen“, wie es das
Bundesverteidigungsministerium bereits 2006 in seinem Entwurf für ein
Weißbuch der Bundeswehr formulierte.[8]
Anmerkungen
[1] UN and NATO sign Secret Military Cooperation Agreement in Violation
of UN Charter - Ban Ki-moon acting beyond his powers, RIA Novosti
(9.10.2008)
[2] Alfred de Zayas: Verstoss gegen Uno-Charta, in: Zeit-Fragen Nr. 48.
[3] Karl Müller: Geheimabkommen zwischen Uno und Nato kann nicht im
Sinne der Weltgemeinschaft sein, in: Zeit-Fragen Nr. 48.
[4] TFF PeaceTips vom 3.12.2008: Breaking News... Secret UN-NATO
Cooperation Declaration
[5] Jürgen Wagner: Change We Can´t - Barack Obama, der Siegeszug der
"War-Democrats" und die Re-Vitalisierung der NATO, in: AUSDRUCK
(Dezember 2008)
[6] Council of the European Union: Joint Declaration on UN-EU
Co-operation in Crisis Management (CL03-310EN)
[7] Christoph Marischka: Battlegroups mit UN-Mandat - Wie die Vereinten
Nationen die europäische Rekolonialisierung Afrikas unterstützen,
Studien zur Militarisierung EUropas 31/2007
[8] Martin Kutscha: Abschied von der Friedensstaatlichkeit? -
Stellungnahme zum Entwurf eines „Weißbuchs zur Sicherheitspolitik
Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr“ vom 28.April 2006
Christoph Marischka
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