[IMI-List] [0299] Humanitäre Interventionen / IMI-Kongress

Informationsstelle Militarisierung imi at imi-online.de
Mi Nov 12 13:46:06 CET 2008


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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0299 .......... 12. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Christoph Marischka / Jürgen Wagner
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Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List finden sich:

1. ein Text, der die Möglichkeiten "humanitärer Interventionen" z.B. in 
der DR Kongo kritisch anhand vergangener Missionen evaluiert;

2. ein Bericht vom IMI-Kongress am vergangenen Wochenende.

Zuvor noch die herzliche Einadung zum 25jährigen Jubiläum der 
Zeitschrift "Wissenschaft und Frieden", bei der die IMI sowohl im 
Vorstand als auch in der Redaktion mitarbeitet. Beim Festsymposium am 
Freitag den 14.11. ab 14h im Marburger Rathaus (Am Markt 1) werden unter 
anderem Burkhard Hirsch und Willy Wimmer zum Thema "Die Bundeswehr im 
Inneren und Äußeren" sprechen.


1. Illusionen der Allmacht - Praktische Anmerkungen zur "Verantwortung 
zum Schutz"

Anlässlich der aktuellen Diskussion um einen erneuten EU-Einsatz in der 
Demokratischen Republik Kongo hat Christoph Marischka seinen Beitrag auf 
dem "Langen Tag des Antimilitarismus" zur "Verantwortung zum Schutz" und 
dem Verhältnis von Menschenrechten und Militär als IMI-Analyse 
ausformuliert. Er zeigt darin insbesondere die praktischen Probleme auf, 
die bei Einsätzen entstehen, hinter denen keine starken nationalen 
Interessen stehen. Aber auch einige grundsätzliche Widersprüche einer 
militärischen Verantwortung zum Schutz der Menschenrechte werden 
angesprochen.

IMI-Analyse 2008/038
Illusionen der Allmacht - Praktische Anmerkungen zur "Verantwortung zum 
Schutz"
http://www.imi-online.de/2008.php3?id=1841
10.11.2008, Christoph Marischka


2. Bericht vom Kongress der Informationsstelle Militarisierung

Zum mittlerweile elften Mal fand am 8./9. November in Tübingen der 
alljährliche Kongress der Informationsstelle Militarisierung (IMI) 
statt. Insgesamt über 150 Menschen beschäftigten sich dort mit dem Thema 
"Kein Frieden mit der NATO!"

Die Zeitung junge welt hat hierzu einen Artikel veröffentlicht:
http://www.imi-online.de/2008.php3?id=1843
Unsere Pressemitteilung mit einer Einschätzung des Kongresses findet 
sich hier:
http://www.imi-online.de/2008.php3?id=1842

Es folgt ein ausführlicher Eigenbericht:

IMI-Mitteilung
Bericht des IMI-Kongresses 2008: Kein Frieden mit der NATO!
http://www.imi-online.de/2008.php3?id=1844
11.11.2008, Informationsstelle Militarisierung

Bericht des IMI-Kongresses 2008: Kein Frieden mit der NATO!

Zum mittlerweile elften Mal fand am 8./9. November in Tübingen der 
alljährliche Kongress der Informationsstelle Militarisierung (IMI) 
statt. Insgesamt über 150 Menschen beschäftigten sich dort mit dem Thema 
"Kein Frieden mit der NATO!"

Das Thema wurde vor allem mit Blick auf den im April 2009 anstehenden 
NATO-Gipfel in Straßburg und Baden-Baden gewählt, bei dem das Bündnis 
sein 60jähriges Bestehen zelebrieren will. Ziel des Kongresses war es, 
zur Mobilisierung für die Gegenproteste beizutragen: Einmal, indem mit 
einer detaillierten Auseinandersetzung die Kritik an der NATO inhaltlich 
unterfüttert werden sollte. Anderseits, indem Ideen und Ansätze für die 
Mobilisierung präsentieren wurden. Der vorliegende Bericht soll einen 
kurzen Überblick über die Hauptthemen des Kongresses bieten. Für 
ausführlichere Informationen und als Material für die Mobilisierung wird 
eine erweiterte Dokumentation des Kongresses bis Januar 2009 erstellt 
(Vorbestellungen: imi at imi-online.de).


Die Waffe des Westens – Strukturen und Strategien der NATO

Tobias Pflüger, Vorstand der IMI, gab zu Begin des Kongresses einen 
Überblick über die Geschichte und die Struktur der NATO. "Die NATO ist 
ein Bündnis, das ein zentrales Ziel verfolgt: Krieg zu führen." Seit 
Ende des Kalten Krieges habe sich die NATO auf allen Ebenen, sowohl was 
ihre Strategie, Struktur als auch Einsatzpraxis anbelangt, von einem – 
wenigstens formal – auf Landesverteidigung ausgerichteten Bündnis in 
eine immer aggressiver auftretende, global agierende Militärallianz 
verwandelt, so Pflüger. Obwohl die NATO im Austausch für den Beitritt 
des wiedervereinigten Deutschland seinerzeit versprochen habe, sich 
nicht in Richtung Russland auszudehnen, fanden bislang zwei 
Erweiterungsrunden um zusammen 10 Staaten statt. Die dritte 
Erweiterungsrunde um Kroatien und Albanien werde noch im Jahr 2009 
stattfinden und selbst der Ukraine und Georgien sei auf dem 
Gipfeltreffen im April 2008 eine Beitrittsperspektive eröffnet worden. 
Darüber hinaus sei mit der Ausrichtung auf Auslandsinterventionen 
bereits in den 90er Jahren begonnen worden. Im Jahr 2002 sei darüber 
hinaus die Aufstellung einer NATO-eigenen Schnellen Eingreiftruppe (NATO 
Response Force) beschlossen worden.

Mit ihrem Strategischen Konzept von 1999 und dem nahezu zeitgleich 
erfolgten Angriffskrieg gegen Jugoslawien habe die Allianz endgültig den 
Rubikon überschritten, indem sie untermauerte, weltweite 
Militärinterventionen auch ohne Zustimmung des UN-Sicherheitsrates 
durchführen zu wollen. Der nächste Dammbruch stehe jedoch kurz bevor. 
Noch 2009 solle ein neues Strategisches Konzept verabschiedet werden. 
Der derzeit wichtigste Vorschlagskatalog, den u.a. der ehemalige 
Vorsitzende des NATO-Militärausschusses, Klaus Naumann, ausgearbeitet 
hatte sei ein wahrer "Horrorkatalog", so Pflüger: "Von der Forderung 
nach atomaren Präventivschlägen über Drohungen gegen Russland und die 
OPEC-Staaten bis hin zu zahlreichen anderen Vorschlägen zur Verschärfung 
des NATO-Kriegskurses findet sich dort alles was das Militaristenherz 
begehrt."


Zivil-militärische Aufstandsbekämpfung in Afghanistan: Prototyp einer 
neuen NATO-Strategie

Jürgen Wagner, Vorstand der IMI, widmete sich dem NATO-Engagement in 
Afghanistan. Bei dem von der NATO geführten ISAF-Einsatz handele es sich 
um einen für das Bündnis essentiellen Einsatz, da Erfolg oder Misserfolg 
des Einsatzes über die Zukunft der NATO entscheiden würden. Die 
Eskalation des Konfliktes, die nicht vorhandenen Fortschritte in 
Bereichen der Armutsbekämpfung, Bildung etc. und die damit 
zusammenhängende zunehmende Ablehnung der Präsenz der NATO-Truppen 
innerhalb der afghanischen Bevölkerung würden jedoch zeigen, dass der 
Einsatz de facto längst gescheitert sei.
"Die westlichen Truppen sind Teil des Problems, nicht der Lösung. 
Anstatt aber den sofortigen Abzug einzuleiten, eskaliert die NATO und 
Deutschland den Krieg an allen Fronten." Nicht zuletzt die hohe Zahl an 
Zivilopfern trage dabei zum Erstarken des Widerstands bei, weshalb die 
Aufstandsbekämpfung immer stärker zum Operationsschwerpunkt des 
NATO-Einsatzes werde. Hierfür werde auf eine völlig neue Form der 
Kriegführung zurückgegriffen, die künftig in allen ähnlich gelagerten 
Einsätzen praktiziert werden solle und in Afghanistan prototypisch 
erprobt werde. Durch die Integration ziviler Akteure sei es das Ziel, 
eine Effektivierung der Besatzung zu erreichen, indem deren Kapazitäten 
u.a. auch zur Unterstützung der Aufstandsbekämpfung nutzbar gemacht 
würden. "Diese Zivil-militärische Zusammenarbeit hat fatale Folgen: 
Humanitäre Helfer verlieren ihre politische Neutralität und werden 
dadurch in den Augen der afghanischen Bevölkerung zu Kollaborateuren der 
Besatzungstruppen. Anschläge auf zivile Akteure häufen sich derart, dass 
sich viele Hilfsorganisationen bereits aus dem Land zurückziehen 
mussten. Deshalb ist es wirklich Besorgnis erregend, dass die 
zivil-militärische Aufstandsbekämpfung gegenwärtig auf NATO-Ebene als 
zentrale Einsatzpraxis institutionell verankert wird", so Wagners Fazit.


Die Kolonialpolitik der NATO auf dem Balkan

Christoph Marischka, Vorstand der IMI, beschrieb das andauernde 
Engagement der NATO auf dem Balkan. Hier betonte er besonders die Rolle 
der NATO-Ausbildungseinrichtungen und des Programms Partnership for 
Peace. Für Bosnien, den Kosovo und Mazedonien beschrieb er die von der 
NATO durchgeführten Sicherheitssektorreformen, die die jeweiligen 
Staaten langfristig an die NATO binden und den Einfluss der NATO, bzw. 
ihrer Mitglieder auf die Ausgestaltung der Verwaltungen und 
Sicherheitsinstitutionen der Staaten. Durch eine "imperiale 
Militärbürokratie" einerseits und handfeste Angriffskriege andererseits 
habe die NATO den Balkan vereinnahmt, mit eigenen Stützpunkten überzogen 
und die Armeen der neuen Staaten für zukünftige Interventionen 
zugerichtet. So hätten sich fast alle Staaten, die in den letzten Jahren 
der NATO beigetreten sind, an den Kriegen in Afghanistan und Irak 
beteiligen müssen, die South Eastern Europe Brigade, bestehend aus 
Einheiten aus Albanien, Bulgarien, Griechenland, Italien, Mazedonien, 
Rumänien und der Türkei übernahm 2006 die Multinationale Brigade der 
ISAF in Kabul. Jährlich müssen die Beitrittskandidaten Berichte 
vorlegen, in denen Budget, Struktur und Anschaffungen ihrer Armeen 
dargelegt und von der NATO beurteilt werden. Darüber hinaus bemüht sich 
die NATO auch in zivile Bereiche hinein Einfluss zu nehmen. In Bereichen 
des Katastrophenschutzes über die Kriminalitätsbekämpfung bis hin zur 
Banken- und Sozialpolitik organisiert sie den Austausch von regionalen, 
westeuropäischen und us-amerikanischen Politikern und Militärs.


Kameraden im Kaukasus: NATO und EU im Schulterschluss für eine neue 
Weltordnung

Martin Hantke, Beirat der Informationsstelle, ging zunächst darauf ein, 
warum Georgien aus der Sicht des Westens ein "geopolitisches Filetstück" 
darstelle. Über Georgien sei es möglich den eurasischen Handel mit Waren 
und vor allem Energielieferungen unter Umgehung Russlands und des Iran 
abzuwickeln. Vor allem aufgrund der wachsenden Abhängigkeit von 
russischen Gastransporten wolle die Europäische Union unter allen 
Umständen eine Pipeline (Nabucco) verlegen, die das bisherige russische 
Monopol über die westeuropäische Gasversorgung brechen und die u.a. über 
Georgien verlaufen soll. Aus diesem Grund seien sowohl NATO als auch die 
EU an einer Einbindung Georgiens interessiert und hätten deshalb auch 
einseitig Stellung gegen Russland bezogen. Den Krieg habe eindeutig 
Georgien angefangen, wie auch der OSZE-Bericht über den Ausbruch der 
Kampfhandlungen belege. Umso frappierender sei die Einseitigkeit, mit 
der anschließend in den USA und Washington nahezu ausschließlich 
Russland für seine militärische Reaktion kritisiert worden sei, ohne 
dass die dem vorangegangene georgische Aggression überhaupt groß erwähnt 
worden sei.
Dabei seien die NATO-Staaten durch die Aufrüstung Georgiens 
mitverantwortlich für den Ausbruch des Krieges. Zudem habe sich die NATO 
durch die Entsendung von Schiffen ins Schwarze Meer mittlerweile auch 
noch ihre Präsenz in der Region ausgebaut.
Die in der EU-Bürokratie und den westlichen Medien vorherrschenden 
anti-russischen Darstellungen seien geeignet, die notwendigen 
Feindbilder für einen "Neuen Kalten Krieg" aufzubauen. Dieser habe mit 
der strategischen Einkreisung Russlands, u.a. im Zuge der 
NATO-Osterweiterung und des Krieges in Afghanistan, längst begonnen. Die 
Ankündigungen, am NATO-Beitritt Georgiens festhalten zu wollen, gieße 
weiteres Öl ins Feuer, weshalb mit zunehmenden Konflikten in 
unmittelbarer Nähe Russlands zu rechnen sei. "Der Verlauf des Kriegs im 
Kaukasus und die anschließenden Reaktionen der USA und der EU sind 
äußerst Besorgnis erregend. Ich bewerte das wirklich als den endgültigen 
Startschuss für einen Neuen Kalten Krieg.", so Hantkes Fazit.

Kanonenboote und Piraten: Die NATO als Seemacht

Den zweiten Tag des Kongresses eröffnete Claudia Haydt, Vorstand der 
IMI, mit einem Vortrag über die Bedeutung der NATO als Seemacht. Die 
Präsenz von Marine – nicht nur der NATO, sondern auch der EU-Staaten und 
der USA – in den Weltmeeren werde zunehmend mit der Bekämpfung von 
Piraten gerechtfertigt. Sie stellte jedoch heraus, dass die Marine wenig 
geeignet sei, dieses Problem zu lösen und dass die Interessenslage eine 
ganz andere sei. Es gehe vor allem um die militärische Absicherung von 
so genannten Nadelöhren, die für die Versorgung der westlichen Welt von 
strategischer Bedeutung sei.
Dies zeigte Haydt am Beispiel Somalias, das an einem wichtigen 
Tankernadelöhr, dem Golf von Aden, liegt. Nachdem es dort vermehrt zu 
Piratenüberfällen kam, hätten sowohl die NATO (Standing Maritime 
Group-2) als auch die Europäische Union (mit der Mission Atalanta) 
beschlossen, Kriegsschiffe in die Region vorgeblich zur 
Pirateriebekämpfung zu entsenden. Haydt warnte aber davor, dieses 
Argument unkritisch zu übernehmen: "Das Piraterieproblem ist zu einem 
großen Teil hausgemacht. Als der somalische Staat - nicht zuletzt wegen 
der Strukturanpassungsprogramme des IWF – vollkommen zusammenbrach, 
entließ er seine komplette Küstenwache. Dies hatte zur Folge, dass 
europäische Fangflotten die komplette Region leerräumten und so den 
örtlichen Fischern ihre Lebensgrundlage raubten. Aus diesen zwei Gruppen 
setzen sich die Piraten größtenteils zusammen. Wer also effektiv etwas 
zur Pirateriebekämpfung tun will, könnte an diesen sozialen Ursachen des 
Problems ansetzen. Stattdessen wird, wie so häufig, auf die militärische 
Karte gesetzt."
Haydt machte in ihrem Beitrag noch auf einen weiteren Aspekt aufmerksam. 
In naher Zukunft würden im Rahmen des neuen Seerechtsabkommens große 
Teile der Weltmeere und die dort vermuteten Rohstoffe verschiedenen 
Staaten zugesprochen. Dabei gebe es teils konkurrierende 
Gebietsansprüche was zur Folge habe, dass Länder im Vorgriff auf zu 
erwartende Auseinandersetzungen Militärschiffe entsenden und damit 
Claims abstecken würden. "Militärische Präsenz schafft Fakten", 
kommentierte Haydt diese Entwicklung.


Schild und Schwert: Aggressive Atompolitik und Raketenabwehr der NATO

IMI-Beirat Arno Neuber verwies zunächst darauf, dass die Nuklearpolitik 
der NATO schon immer offensiv ausgerichtet gewesen sei und das Bündnis 
während des Kalten Krieges stets mit etwas zeitlicher Verzögerung die 
Doktrin der Vereinigten Staaten übernommen habe. Dies sei insofern 
besonders bedenklich, dass Washington mit der im Jahr 2002 
veröffentlichten Nuclear Posture Review eine aggressive Neuausrichtung 
ihrer Atomdoktrin vorgenommen hätten: vorgesehen seien dort Atomschläge 
gegen "Schurkenstaaten" aber auch Russland und China werden als 
potenzielle Gegner benannt. Das Ziel sei die Eskalationsdominanz, man 
wolle potenziell gegenüber diesen beiden Großmächten erstschlagfähig 
sein. Aus diesem Grund habe man auch den ABM-Vertrag gekündigt, der 
Raketenabwehrschilde verbietet. Das Restrisiko, dass nach einem 
Erstschlag einige russische Waffen übrig bleiben könnten, will man mit 
der Raketenabwehr weiter minimieren. "Dadurch wären Moskau und China 
atomar unterfütterten Erpressungsversuchen Washingtons nahezu hilflos 
ausgesetzt, weshalb sie derzeit beide versuchen, ihr Arsenal massiv 
aufzurüsten, um auch weiter über ein Abschreckungspotenzial zu verfügen. 
Diese Rüstungsspirale geht auf das Konto der USA", so Neuber.
Auch die NATO werde in ihrer Atompolitik immer aggressiver. Das bereits 
im ersten Vortrag von Tobias Pflüger angesprochene Grundsatzpapier von 
General Naumann plädiere für eine atomare NATO-Erstschlagsdoktrin. 
Darüber hinaus plane auch die NATO den Aufbau einer umfassenden 
Raketenabwehr, zusätzlich zu den ohnehin schon anvisierten 
US-Installationen in Osteuropa. Die NATO habe hierfür bereits eine 
Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, die im Jahr 2006 veröffentlicht 
wurde und eine Raketenabwehr für machbar halte. Auf dieser Grundlage sei 
auf dem NATO-Gipfel in Bukarest im April 2008 beschlossen worden, die 
Pläne für den Aufbau eines NATO-Schildes voranzutreiben. "Es ist 
vollkommen absurd, dass diese Machbarkeitsstudie ausgerechnet von einem 
Konsortium aus Rüstungskonzernen erstellt wurde, die naturgemäß ein 
großes Interesse an der Realisierung eines solchen Projektes haben. Dass 
deren Ergebnisse darüber hinaus auch noch geheim gehalten und damit 
nicht überprüft werden können, riecht danach, dass hier einmal mehr den 
Rüstungskonzernen gigantische Summen in die Taschen gespült werden 
sollen – die Rede ist von Kosten in Höhe von bis zu 40 Mrd. Euro", so 
Neuber.


Lokale Einrichtungen für globale Kriege: Kein Friede mit der NATO in 
Deutschland

Das abschleißende Plenum mit einem Vertreter des „Regionalen 
Aktionsbündnisses gegen den NATO-Gipfel“, Jens Rüggeberg vom 
Friedensplenum Tübingen, Tobias Pflüger und Franz Iberl vom Münchener 
Friedensbündnis war zweiteilig. Im ersten Teil sollte gezeigt werden, 
dass es in vielen Städten NATO-Einrichtungen gibt, die sich hervorragend 
zur Mobilisierung eignen.
Als Beispiele benannte Tobias Pflüger folgende Einrichtungen: das 
US-EUCOM in Stuttgart-Vaihingen, das auch innerhalb der NATO eine 
wesentliche Rolle spielt, die NATO-AWACS-Militärbasis in Geilenkirchen, 
der von der EU, der NATO und den USA für ihre Militäreinsätze 
umfangreich genutzte "zivile" Flughafen Halle/Leipzig und das im 
südbadischen Müllheim beheimatete Eurokorps, das insbesondere von der 
NATO als NATO Response Force genutzt wird. Franz Iberl ging auf die 
NATO-Schule Oberammergau und das George-Marshall-Center in Garmisch, die 
als Schulungs- und Denkzentren wichtige Bedeutung für die NATO-Politik 
haben. "Brutstätten für autistische Parallelwelten" nannte Iberl diese 
Einrichtungen, die ein weltweites Netzwerk von NATO-Angehörigen und 
politischen Entscheidungsträgern  bilden. Jens Rüggeberg beschrieb die 
neu ausgebaute NATO-Pipeline, die bundesweit durch viele Landkreise 
verläuft, symbolträchtig auch von Tübingen nach Kehl. "Kein Krieg ohne 
Sprit, kein Frieden ohne Unterbrechung der Spritzufuhr", so Rüggebergs 
Aussage verbunden mit dem Vorschlag, Friedensgruppen entlang der 
Pipelinestrecke sollten sich miteinander vernetzen.

Nachdem mit dem ersten Teil Anregungen für kleinere Protestaktionen bei 
den jeweiligen NATO-Einrichtungen gegeben wurden, widmete sich der 
zweite Teil des Plenums den Vorbereitungen für den Protest zum 
NATO-Gipfel in Straßburg und Baden-Baden. Ein Vertreter des „Regionalen 
Aktionsbündnisses gegen den NATO-Gipfel“  berichtete über den Stand der 
Vorbreitungen in Kehl, das zwar nicht mehr als Veranstaltungsort des 
NATO-Gipfel, aber aufgrund der Nähe zu Straßburg Ort für das Camp der 
Gipfel-Gegner sein wird. Tobias Pflüger berichtete über den Stand der 
deutschlandweiten und internationalen Vorbereitungen des Protests.
In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, wie wichtig es ist, 
dass die unterschiedlichen Spektren in der Friedens- und 
Antimilitaristischen Bewegung und darüber hinaus gemeinsame Aktionen 
zustande bringen. Es wurde angeregt, Gewerkschaften und die Kirchen in 
die Vorbereitung einzubeziehen. Auch wurde die Notwendigkeit 
unterstrichen, anderen linken Gruppen, die sich nicht hauptsächlich mit 
Themen wie Krieg, Frieden und Militär beschäftigen, die Bedeutung der 
NATO auch für Themen wie Umweltschutz, Welthandel, Repression und den 
Schutz von Menschenrechten zu vermitteln. Als wichtige Etappen bei der 
Vorbereitung auf die Proteste gegen den NATO-Gipfel im März 2009 wurden 
die internationale Aktionskonferenz am 14. und 15. Februar in Strassburg 
sowie die Aktivitäten im Rahmen der NATO Sicherheitskonferenz am 
Wochenende davor unterstrichen.



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