[Gen-Streitfall] Monsantos "Roundup"-System ist nur mit nochmehr Gentechnik aufrecht zu erhalten

Sabine altmann.tent at t-online.de
Do Mai 27 21:54:07 CEST 2004


Die Allianz aus Gentechnik und Gift geht in die nächste Runde
Katja Seefeldt 26.05.2004 

Monsantos "Roundup"-System ist nur mit noch mehr Gentechnik aufrecht zu 
erhalten 

Das Herbizidresistenzsystem "Roundup Ready" von Monsanto [1] 
schwächelt trotz des gefährlichen Pakts mit der Gentechnik und 
monopolistischer Vermarktung. Im Verein haben mehrere US-Biotech-Labors 
jetzt versucht, nachzubessern und eine weitere Generation von 
Gen-Pflanzen entwickelt. Doch die Probleme bleiben - und neue kommen 
hinzu. 

Glyphosat ist der Wirkstoff eines Unkrautvernichtungsmittels, das seit 
mehr als 25 Jahren auf vielen Äckern der Welt eingesetzt wird. Es ist 
wie das einst im Vietnam-Krieg verwendete "Agent Orange" ein 
Breitbandherbizid und macht so ziemlich jede Grünpflanze nieder, auf 
die es gesprüht wird. Praktisch am Bahndamm oder in der 
Garageneinfahrt, ein Totalschaden in der Landwirtschaft. Das 
Spritzmittel gelangt über die Blätter in die Pflanze und hemmt dort das 
Enzym EPSP-Synthetase, das im Stoffwechsel der meisten Pflanzen eine 
wichtige Rolle spielt, weil es zur Herstellung von lebenswichtigen 
Aminosäuren benötigt wird. Können diese nach einer Roundup-Ready-Dusche 
nicht mehr produziert werden, stellt die Pflanze das Wachstum ein, drei 
bis sieben Tage später ist sie abgestorben. 

Ein Breitbandgift macht Karriere 

Der Nachteil eines solchen Pflanzengiftes liegt auf der Hand: Es ist 
hocheffizient, unterscheidet aber nicht zwischen Unkraut und 
Nutzpflanze. Der große Durchbruch kam, als es dem Agrochemieriesen 
Monsanto gelang, gentechnisch veränderte Pflanzen zu entwickeln, die 
gegen den Wirkstoff Glyphosat resistent waren. Monsanto ließ sich 
Spritzmittel und Gen-Saaten patentieren und verkaufte beides fortan im 
Doppelpack: Ein attraktives wie lukratives HR-(Herbizidresistenz-) 
System war geschaffen und Roundup setzte sich als ökologisches und 
ökonomisches Pflanzengift durch: Es wurde - im Gegensatz zu "Agent 
Orange" - als biologisch abbaubar, für den Menschen nicht toxisch und 
für die Landwirte günstig gepriesen, da es den Einsatz zusätzlicher 
Herbizide überflüssig machen sollte. Die Roundup-Ready-Palette [2] - 
verfügbar unter anderem für genmanipulierten Raps (Canola), 
genmanipulierte Sojabohnen und den berüchtigten ebenfalls 
genmanipulierten Monsanto-Mais - wurde ein Knüller, sie kam zu einer 
Zeit auf den Markt, als sich Resistenzen gegen viele traditionelle 
Pestizid-Typen häuften. 

Ein Gen-Maisfeld mit sogenanntem "GAT-Mais", der das Monsanto-Gift 
abbaut (Bild: Science)   

Doch der Lack blättert ab. Nicht nur die Frage des unnötigen Genfood - 
"Frankenfood" [3] - erhitzt die Gemüter und das Überspringen des 
Saatguts von Nachbarfeldern mit der Folge teurer Prozesse [4] gegen 
unbeteiligte Farmer und das Verbot der Saatgut-Vorratshaltung [5] sind 
die Folge - auch der eigentlich erwünschte Effekt lässt zu wünschen 
übrig: Schon seit Mitte der 90er-Jahre gibt es Meldungen, dass auch 
Unkraut gegen Glyphosat tolerant wird. Das ist nicht erstaunlich, denn 
auch Roundup ist eben kein Zaubermittel. Es gibt immer wieder Pflanzen, 
die sich in ihrem Erbgut in Details unterscheiden und deswegen 
Giftattacken überleben können. Gerade bei häufiger Anwendung und nur 
einem Wirkstoff wie im Falle von Roundup geht dies besonders schnell. 

Auch das Unkraut wird resistent 

Mit der angeblichenschnellen biologischen Abbaubarkeit von Roundup im 
Boden ist es ebenfalls nicht so weit her. Monsanto beteuert zwar immer 
wieder, dass das Spritzmittel besonders umweltfreundlich sei und wegen 
seiner schnellen Abbaubarkeit nicht ins Grundwasser gelange. Dänische 
Forscher, die das überprüften, waren da jedoch anderer Meinung, weshalb 
die dänische Regierung im Juni 2003 Einschränkungen für die Anwendung 
von Glyphosat erließ. Zu alldem scheint Roundup auch in seiner Wirkung 
zu erschlaffen: Es muss immer häufiger und in höheren Konzentration 
angewendet werden, in manchen Fällen hilft nur noch die Kombination mit 
anderen Mitteln. 

Nicht für den stärkeren Kick: Gentechnisch veränderte Tabakpflanzen, 
die ebenfalls "Monsanto Roundup Ready" sind, hier bei ersten Tests mit 
dem Herbizid im Gewächshaus der Byotix, Inc in Richmond, Kalifornien, 
USA (Bild: Science)   

Auch die Gentechniker der bekannten Biotech-Firmen Maxygen [6], 
Verdia [7], Pioneer Hi-Bred International [8] und Athenix [9] - alle 
in Kalifornien - sind auf eine Schwachstelle des Roundup-Systems 
gestoßen: Wie sie im aktuellen Wissenschaftsjournal Science [10] 
berichten, wird das Glyphosat in den Pflanzen nicht vollständig 
abgebaut. Es reichert sich in den Meristemen, einem Gewebetyp der 
Pflanzen, der aus embryonalen Zellen besteht, an und könnte die 
Fruchtbarkeit beeinträchtigen. 

Erneute Rettung aus der Gen-Küche? 

Sie haben daher einen neuen Ansatz ausprobiert und Pflanzen gezüchtet, 
die in der Lage sind, Glyphosat zu tolerieren, indem sie es entgiften. 
Die Gene dazu haben sie Bakterien entnommen. Die eifrigen Gentechniker 
sind davon überzeugt, dass das von ihnen kreierte neue Gen die 
Glyphosat-Toleranz von Nutzpflanzen nachhaltiger steigern wird, als das 
bei der jetzigen Generation gentechnisch veränderter Pflanzen der Fall 
ist. 

Die Wissenschaftler identifizierten zunächst ein bakterielles Enzym, 
das schwach ausgeprägte Glyphosat-Entgiftungseigenschaften aufwies. Mit 
dem Verfahren der gerichteten Evolution ("directed evolution") gelang 
es den Wissenschaftlern, Gene zu produzieren, die Enzyme mit stärker 
ausgeprägten Entgiftungseigenschaften kodieren. Eines der dabei 
entwickelten Enzyme war sogar in der Lage, Glyphosat Zehntausend Mal 
effizienter abzubauen als das Originalenzym. An Versuchen mit Mais 
machten die Wissenschaftler dann die Probe aufs Exempel. Die 
gezüchteten Pflanzen konnten die sechsfache Dosis der normalen 
Roundup-Konzentration vertragen. Äußere Veränderungen der Pflanzen oder 
ein verlangsamtes Wachstum waren nicht feststellbar - ein Erfolg also. 
Nun sollen Feldversuche folgen. 

Längst fällige Reformen finden nicht statt 

Mit dem neuen Entgiftungsgen ausgestattete Pflanzen vertragen mehr 
Glyphosat, die Bauern können beim Spritzen künftig also ordentlich 
austeilen un Monsanto freut sich über den höheren Herbizid-Absatz. Doch 
der Erfolg wird wie vorher befristet sein, denn die kontinuierlich 
verbesserten gentechnischen Verfahren beschleunigen die Prozesse nur, 
sie erhöhen die Abhängigkeit der Landwirte - das Grundproblem lösen sie 
nicht. Auch die neuen Gene werden in andere Pflanzen überspringen und 
das Glyphosat in noch größeren Mengen ins Grundwasser geraten als 
bisher. Die "grüne" Gentechnik führte bislang einzig dazu, dass 
Agrochemie-Konzerne wie Monsanto und die Landwirte kurzfristig weiter 
wirtschaften können wie bisher, an der Krise der industriellen 
Landwirtschaft ändert sich dadurch nichts. 

Links 

[1] http://www.monsanto.com/monsanto/layout/default.asp
[2] http://www.monsanto.ca/products/roundupready
[3] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/15389/1.html
[4] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/leb/16167/1.html
[5] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/leb/16076/1.html
[6] http://www.maxygen.com/indexa.php
[7] http://www.verdiainc.com
[8] http://www.pioneer.com
[9] http://www.athenixcorp.com
[10] http://www.science.com

Telepolis Artikel-URL: 
http://www.telepolis.de/deutsch/special/leb/17469/1.html 

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