[Gen-Info] Widerstand in Seehofers Wahlkreis

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Di Mai 9 00:25:41 CEST 2006


05.05.06 

Kein Friede mit der Gentechnik
In Horst Seehofers oberbayerischem Wahlkreis regt sich Widerstand 

Von Claudia Wangerin, Ingolstadt 

Landwirte und Verbraucher wollen mehrheitlich keine Gentechnik in Lebensmitteln. 
In der Heimat des Bundeslandwirtschaftsministers spaltet das Thema auch die CSU.

Wenn Landwirt Georg Ströb auf seinem Gehöft in Mailing bei Ingolstadt seinen 
Traktor lautstark anlässt, um Richtung Feld zu fahren, gleicht dies einer 
typischen ländlichen Szene. Bei genauerem Hinsehen findet sich aber eine 
Besonderheit: Auf dem Traktor prangt ein gelber Aufkleber mit einer grinsenden 
Tomate und der Aufschrift: »Gen Food? - Nein Danke«. 

Ingolstadt ist der Wahlkreis von Horst Seehofer, seines Zeichens 
Landwirtschaftsminister und CSU-Mitglied. Gegen dessen Pläne zur Aufweichung des 
Gentechnikgesetzes sind in der oberbayerischen Stadt an der Donau aber auch 
große Teile der traditionellen CSU-Wählerschaft. Für die »gentechnikfreie 
Region« im Landkreis Ingolstadt-Eichstätt, die vor zwei Jahren der Bayerische 
Bauernverband (BBV) in Zusammenarbeit mit dem Bund Naturschutz initiiert hat, 
tritt ein breites gesellschaftliches Bündnis ein. Das wichtigste Argument: Die 
Mehrheit der Landwirte könne sich nur über den Faktor Qualität auf dem Markt 
behaupten. 

Staatsgüter machen nicht mit 

Gentechnikfreie Regionen sind Gebiete, in denen sich die Landwirte verpflichtet 
haben, auf gentechnisch veränderte Organismen in der Tier- und Pflanzenzucht zu 
verzichten. Bundesweit gibt es 92 solcher Regionen mit über 25 000 Landwirten 
auf 851 000 Hektar agrarischer Nutzfläche. Die im kreisfreien Ingolstadt und im 
Landkreis Eichstätt wirtschaftenden rund 2100 Bauern erklärten im Frühjahr 2004, 
kein gentechnisch verändertes Saatgut zu verwenden. Allerdings wird auf den nahe 
gelegenen Staatsgütern bei Forstwiesen genmanipulierter Mais angebaut - und 
niemand weiß genau, was Pollenflug und Auskreuzung bereits bewirkt haben. 

Für die unerwünschte Gen-Kontamination landwirtschaftlicher Nutzflächen haftet 
bislang per Gesetz der Verursacher. Unter Beibehaltung der jetzigen Regelung 
wäre »Gen-Food« mittelfristig aber nicht marktfähig, zumal sich die 
Versicherungswirtschaft quer stellt. Der Rückversicherer Münchner Rück begründet 
dies mit einem »vorhersehbaren, unvermeidbaren Risiko der Auskreuzung und 
Vermischung«. Minister Seehofer möchte diese strikte Haftungsregelung durch eine 
Fondslösung aufweichen. »In diesem Fall müssten die Geschädigten ihrem Geld 
hinterherlaufen«, sagt Bioland-Bauer Georg Ströb. Und Eva Bulling-Schröter - die 
umweltpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag hat ebenfalls ihren 
Wahlkreis in Ingolstadt - fürchtet, dass die Allgemeinheit für die Schäden 
aufkommen muss. »Die Gewinne werden wie üblich privatisiert und das Risiko 
vergesellschaftet.« 

Entsprechend breit ist der Widerstand gegen die Liberalisierung des 
Gentechnik-Gesetzes: An einer lautstarken Demonstration Anfang März während 
eines bundesweiten Aktionstages nahmen in Ingolstadt 1000 Menschen teil, 
darunter viele konventionelle und Bio-Landwirte; etwa 80 kamen mit ihren 
Traktoren. Einer Empfehlung seiner Parteifreunde beim »politischen 
Aschermittwoch« zum Trotz hielt auch CSU-Bürgermeister Alfred Lehmann einen 
Redebeitrag. Auch Mönche des ökologisch wirtschaftenden Klostergutes 
Plankstetten waren mit einem Transparent vertreten: »Pfuscht Gott nicht ins 
Handwerk.« 

Bürgermeister Lehmann spricht von seiner Stadt gerne als Konzern - doch der hat 
einen Ruf zu verlieren. Wenn Grünen-Landeschef Sepp Daxenberger von »Bayerns Ruf 
als Feinkostladen Europas« spricht, der nicht beschädigt werden dürfe, dann 
trifft das auch den Nerv der CSU in Ingolstadt. Die Pächter städtischer 
Anbauflächen werden daher gemäß Stadtratsbeschluss vertraglich verpflichtet, 
kein gentechnisch verändertes Saatgut zu verwenden. »Von einem Konzernmanager 
ist man ja normalerweise nichts Vernünftiges gewohnt - aber in diesem Punkt 
handelt der Bürgermeister vernünftig«, sagt Eva Bulling-Schröter schmunzelnd. 

Über gesundheitliche Risiken durch den Verzehr von gentechnisch veränderten 
Nahrungsmitteln gibt es bislang keine aussagekräftigen Langzeitstudien. 
Entsprechend groß ist die Skepsis der Verbraucher: Laut einer Forsa-Umfrage 
wollen 79 Prozent keine Gentechnik im Essen. Für die Hersteller gibt es nur zwei 
Arten, damit umzugehen: Verzicht auf Gentechnik - oder Desinformation. Genau 
hier weist die Gesetzgebung einige Lücken auf. Momentan gilt für die 
Kennzeichnungspflicht eine willkürliche Grenze von 0,9 Prozent, während Umwelt- 
und Verbraucherschützer die Nachweisbarkeitsgrenze als einzig sinnvolles 
Kriterium ansehen, um Wahlfreiheit zu gewährleisten. Darüber hinaus fordern sie 
die Kennzeichnung von Milch, Eiern und Fleisch von Tieren, die mit 
genmanipuliertem Futter ernährt wurden. 

Eine »Qualitätsmarke«, die auf Gentech setzt 

Nicht nur »Billigmarken« wären davon betroffen. Die Milchprodukte von 
Weihenstephan - die Molkerei hat ihren Sitz nur unweit von Ingolstadt in 
Freising - sind für viele Kunden ein Synonym für Qualität, werden aber 
inzwischen von der Firma Müller Milch unter Verwendung von gentechnisch 
veränderten Futtermitteln produziert. 

Die gesunde Skepsis der Verbraucher wird von Gentechnik-Apologeten gern auf 
mangelnde Sachkenntnis zurückgeführt - obwohl allgemein bekannt ist, dass mit 
dem Bildungsstand auch das Ernährungsbewusstsein wächst. Eine Personengruppe, 
die sich zwangsläufig damit auseinander setzen muss, sind Allergiker - für sie 
wird es mit der Verbreitung der Gentechnik schwieriger. Durch eine 
Genübertragung könnte »ihr« Allergen auch in Lebensmitteln auftreten, in denen 
es vorher nicht enthalten war. So könnte ein Erdnuss-Allergiker plötzlich auf 
ein Weizenmischbrot reagieren. 

Für Georg Ströb ist diese Entwicklung ebenfalls gefährlich - sie bedroht seine 
wirtschaftliche Existenz. »Wenn ich meinen Betrieb nicht auf biologischen 
Landbau umgestellt hätte, dann hätte ich ihn dichtmachen können«, sagt der 
Landwirt, der 1990 einen konventionellen Familienbetrieb übernommen hat. Als 
BioLand-Bauer hat er sich auf Kartoffeln und Küchenkräuter spezialisiert - 
nebenher beteiligt er sich an der Organisation von Aktionen gegen die 
Gentechnik. In einer Kammer seines beschaulichen Hofes, die zum Büro 
umfunktioniert wurde, hängt er sich ans Telefon oder liest Publikationen von 
Umweltschützern und kritischen Wissenschaftlern. Auch aus der Praxis weiß er, 
wovon er spricht: »Diese Organismen sind nicht mehr rückholbar, wenn sie einmal 
in die Natur gelangt sind - und niemand kennt bisher die Langzeitfolgen.« Auch 
das finanzielle Argument lässt Ströb nicht gelten. Die Gentechnik rentiere sich 
- wenn überhaupt - nur für Großbetriebe. Auf kleineren Flächen könne man den 
Schädlingsbefall auch durch tiefes und sauberes Pflügen minimieren. 

Vergiftete Schmetterlinge 

Die Befürworter erhoffen sich von der Genmanipulation ertragreichere Ernten 
durch künstlich erzeugte Schädlingsresistenzen. In Deutschland wird vor allem 
»BT-Mais« angebaut - das Kürzel steht für »Bazillus Thuringiensis«. Durch die 
gentechnisch eingeschleuste Erbsubstanz dieses Bakteriums produziert die Pflanze 
ein giftiges Eiweiß, das auf Schädlinge wie den Maiszünsler tödlich wirkt. Bei 
Laborversuchen starben allerdings auch die Larven seltener Schmetterlinge an den 
Toxinen. Darüber hinaus befürchten Umweltverbände, das Gift könne sich mit 
bislang unbekannten Folgen im Boden anreichern - und die Vorstellung, dass dies 
auf Lebensmittel übergreift, wirkt auf die Mehrheit der Verbraucher wenig 
appetitlich. 

»Vor allem die Mütter wollen das nicht«, weiß Claus Hipp. Der prominente 
Babykosthersteller hat für den Fall einer Aufweichung des Gentechnikgesetzes 
angekündigt, seine Rohstoffe nur noch im gentechfreien Ausland zu kaufen. »Der 
fühlt sich eben seinen Kunden verpflichtet«, sagt Eva Bulling-Schröter, die den 
bayerischen Unternehmer getroffen hat. Die Linkspolitikerin hofft, Hipps Wort 
könne für Seehofer mehr Gewicht haben als das von Umwelt- und 
Verbraucherschützern - zumal es um Arbeitsplätze geht. Für Hipp sei klar, was 
die Gentechnik-Lobby stets bestreitet: dass ein friedliches Nebeneinander von 
Gentechnik und konventioneller Landwirtschaft kaum möglich ist.

http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=89937&IDC=3  




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