[FoME] Rede von BMZ-Staatssekretär Beerfeltz zur Medienförderung

Christoph Dietz christoph.dietz at CAMECO.ORG
Do Apr 8 12:42:24 CEST 2010


Quelle:
http://www.bmz.de/de/presse/reden/Sts_Beerfeltz/2010/Maerz/20100318_rede.html

Hans-Jürgen Beerfeltz, Staatssekretär im Bundesministerium für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Internationale Medienkonferenz "Am Wendepunkt: Mit Community Medien in
die Zukunft" - Wie gemeinsamer Journalismus Neues schafft
Internationales Institut für Journalismus von InWEnt & Frankfurter
Allgemeine Zeitung
Berlin, 18. März 2010
Es gilt das gesprochene Wort
Sehr geehrter Herr Dr. Roland Gerschermann, sehr geehrter Herr Werner
D’Inka, sehr geehrter Herr Dr. Sebastian Paust, sehr geehrte Frau
Astrid Kohl, sehr geehrte Damen und Herren, Ich freue mich, Sie heute
zur dritten Medienkonferenz der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und des
Internationalen Instituts für Journalismus begrüßen zu dürfen.
Ich bin Ihrer Einladung sehr gern gefolgt – denn genau wie bei dieser
Veranstaltung, so stelle ich mir erfolgreiche Kooperation zwischen dem
Privatsektor und der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit vor: Eine
Zeitung, also ein privates Medienunternehmen und eine staatliche
Organisation fördern gemeinsam freie Medien in Entwicklungs- und
Schwellenländern.
Besonders gefallen hat mir das Thema Ihrer Veranstaltung: Wer mich
kennt, weiß, wie sehr ich mich für die Chancen und Möglichkeiten neuer
Medien begeistern kann. Denn die neuen Medien machen individuelle
Meinungsbildung immer unabhängiger von der Deutungshoheit der
Massenmedien. Die neuen Medien sind eine große Chance für die Freiheit
des Einzelnen!
Aber abgesehen von meiner liberalen Leidenschaft für die neuen Medien
gilt: Freie Medien sind Voraussetzung für eine lebendige
Zivilgesellschaft. Eine kritische, wachsame Zivilgesellschaft wiederum
ist eine wichtige Voraussetzung für gute Regierungsführung. Das BMZ will
zivilgesellschaftliches Engagement und gute Regierungsführung fördern.
Das sind entwicklungspolitische Schwerpunkte der neuen Bundesregierung –
und dazu gehört auch die Förderung freier Medien.
Das Internationale Institut für Journalismus bei InWEnt ist ein sehr
wichtiges Instrument unserer Entwicklungszusammenarbeit. Durch die
Ausbildung von Printjournalisten und Online-Journalisten, stärken wir
die Meinungs- und Pressefreiheit in unseren Partnerländern.
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung als eine bedeutendsten Tageszeitungen
in Deutschland und der Welt beweist unternehmerische gesellschaftliche
Verantwortung, indem sie sich dieses Themas annimmt. Oder anders gesagt:
Ihr Engagement beweist: Die klugen Köpfe stecken nicht nur hinter Ihrer
Zeitung. Sie sind vor allem auch in den Redaktionsräumen und bei der
FAZ-Leitung zu finden.
Medienförderung als Demokratieförderung"Medien sind Motoren der
Willensbildung in Staat und Gesellschaft", hat Bundeskanzlerin Angela
Merkel bei der Verleihung des deutschen Medienpreises in Berlin vor
einigen Wochen gesagt. Unabhängige Medien informieren, sie fragen nach,
sie decken auf. Damit machen sie Regierungshandeln transparenter. Vor
allem benachteiligte Bevölkerungsgruppen können sich durch unabhängige
Medien Gehör und politische Teilhabe verschaffen. Deshalb fördert das
Bundesentwicklungsministerium unabhängige Medien und
Informationsfreiheit in unseren Partnerländern. Damit unterstützen wir
eine freie, demokratische Bürgergesellschaft. Denn: "Die Presse ist die
Artillerie der Freiheit", wie Hans-Dietrich Genscher es einmal ziemlich
martialisch ausdrückte. Der Erfolg gibt uns Recht: Im Dezember 2008
wurde zum Beispiel einer jungen kirgisischen Journalistin bei einem
Bürgerradio der Menschenrechtspreis der Vereinten Nationen verliehen.
Sie hatte über den Tod eines Kirgisen berichtet, der unter
sklavenähnlichen Bedingungen in Kasachstan arbeiten musste. Deutsche
Entwicklungszusammenarbeit hat das unabhängige Bürgerradio unterstützt,
bei dem diese Journalistin arbeitet.
Digitale Medien als Chance für Politische Teilhabe?Neue Medien wie
Internet oder Mobilfunk eröffnen qualitativ und quantitativ neue Chancen
– hier in Deutschland, aber vor allem auch in Entwicklungsländern. Dank
Twitter und Youtube kann sich nicht mehr nur derjenige öffentlich
äußern, der Zugang zu einer etablierten Redaktion hat. Es genügt
entsprechende Bildung und Zugang zu einem Internetcafé, die eigene
Meinung zu veröffentlichen – lokal, national und global. Ein Beispiel,
das uns alle sehr beeindruckt hat, war sicher die Berichterstattung
durch neue Medien über die politische Lage im Iran. Twitter wurde zu der
entscheidenden Informationsquelle. Einzelne Iraner hatten bei Twitter
über 20.000 "Zuhörer" aus der ganzen Welt. Durch neue Medien kann
Zensur umgangen und Proteste gegen autoritäre Regime mobilisiert werden.
So gelangen Informationen in die ganze Welt, die uns ohne die neuen
Medien nicht erreichen würden. "Neue Medien" fördern zweifellos
Partizipation, Transparenz und Demokratie. 
Doch Vorsicht vor zuviel Euphorie. Es gibt immer auch eine zweite Seite
der Medaille. So führen die neue Medien zugleich auch zu einer wahren
Informationsflut. Jeder Einzelne steht vor der Herausforderung, die für
ihn wertvollen Informationen aus dieser Flut herauszufiltern. Die
Menschen brauchen Rettungsringe in der Info-Flut. Ein solcher
Rettungsring ist individuelle Medienkompetenz, die wir besser fördern
müssen. Das war mir schon in meiner Zeit als Vizepräsident der
Bundeszentrale für politische Bildung ein ganz wichtiges Anliegen. Mit
den neuen Medien wird es noch wichtiger, dass aus Information Wissen
entsteht – und aus Wissen bessere eigene Urteilskraft. Transparenz und
Partizipation werden natürlich vor allem durch solche neuen Medien
befördert, die qualitativ hochwertige Inhalte transportieren. Deshalb
ist Weiterbildung so wichtig. Weiterbildung vermittelt Nutzern
journalistisches Handwerkszeug und hilft somit journalistische
Qualitätsstandards zu beachten.
In den Entwicklungsländern stellen sich weitere Fragen, wenn es um die
Nutzung neuer Medien geht. Zum einen hat "Reporter ohne Grenzen" erst
letzte Woche mitgeteilt, dass derzeit 60 Staaten das Internet zensieren.
Im letzten Jahr wurden 120 missliebige Blogger und Internetdissidenten
verhaftet – ein trauriger neuer Höchststand. Gerade deshalb sollten auch
wir in Deutschland sehr vorsichtig sein mit Beschränkungen der Freiheit
des Netzes. Das ist ein hohes Gut. Und wir dürfen uns nicht selbst durch
Zensurbestrebungen zum weiteren weltweit schlechten Beispiel machen. Den
Schund, den es gibt, müssen wir in den Köpfen bekämpfen – und nicht in
den Geräten. Wir sollten also dem guten Beispiel anderer Staaten folgen,
die dem Grundrechtsschutz für die Informationsfreiheit erweitert haben.
Ich persönlich spreche mich in Deutschland deshalb aus für ein
Grundrecht auf freien Internetzugang.
Zum anderen ist Internetnutzung in Entwicklungsländern sehr
unterschiedlich verbreitet. In Südafrika beispielsweise nutzen breite
Bevölkerungsschichten neue Medien. Dagegen hatten nach Schätzung der
Internationalen Fernmeldeunion (ITU) in Subsahara-Afrika insgesamt im
Jahr 2007 rund 55 Prozent der ländlichen Bevölkerung keinen Zugang zu
jeglichen Telekommunikationsdiensten. Ein weiteres Beispiel: Ein
DSL-Anschluss in Deutschland kostet ungefähr 30 Euro pro Monat, in
Nigeria hingegen kostet ein vergleichbarer Anschluss ungefähr 600 Euro.
Das entspricht 890 Prozent des Pro-Kopf-Einkommens in Nigeria. So stellt
sich die Frage, ob nicht gerade hier die "Digitale Revolution" auch
ausgrenzt. Die Mehrheit der Menschen kann aufgrund ihrer finanziellen
Situation, ihrer gesellschaftlichen Stellung oder geographischen Lage
bislang nicht über neue Medien an gesellschaftlichen Diskussionen
teilhaben.
Das Bundesentwicklungsministerium unterstützt daher seine Partnerländer
insbesondere in Subsahara-Afrika darin, armen und benachteiligten
Bevölkerungsgruppen den Zugang zu neuen Medien möglich zu machen. Ein
Beispiel: In Kooperation mit der Internationalen Fernmeldeunion (ITU)
fördern wir die Staaten der Southern African Development Community
(SADC) bei Regulierungsmaßnahmen, um ländliche Gebiete mit
Informationstechnologie zu versorgen. Solche Maßnahmen reichen von
Subventionen bis hin zu Lizenzauflagen für Netzbetreiber. Sie sind
nötig, da die Netzbetreiber sich sonst nur auf die gewinnbringenden
städtischen Räume konzentrieren.
Digitale Medien als Herausforderung für die klassischen MedienDie
digitalen Medien fordern mittlerweile die klassischen Medien heraus.
Diese haben heute ihr Nachrichtenmonopol verloren. Wie reagieren die
Medienhäuser auf die wachsende Herausforderung des "Bürgerjournalismus"?
Wie sieht die Medienwelt in zehn Jahren aus? Ist eine Art "kooperativer
Journalismus" der klassischen Medien mit dem Bürgerjournalismus möglich?
Ich denke: Ja.
Wir sehen es an der großartigen Arbeit, die uns eine ganze Reihe
hervorragender Journalistinnen und Journalisten aus aller Welt während
der heutigen Konferenz vorstellen werden. Wir sehen dies auch an guten
Beispielen im Rahmen unserer Medienentwicklungszusammenarbeit, die in
Deutschland zu einem großen Teil auch über die deutschen politischen
Stiftungen erfolgt. Diese setzen in ihrer Arbeit längst nicht mehr nur
auf die Förderung der klassischen Medienarbeit. So werden in
Medienprogrammen beispielsweise auch Blogger als Trainer eingesetzt. In
der Nutzung der neuen Technologien werden sowohl Teilnehmende an
Medienprogrammen als auch Politikerinnen und Politiker geschult.
Neue Medien öffnen die Tür für partizipativen Journalismus. Neue Medien
geben denen eine Stimme, die wir bisher nicht hören konnten. Neue Medien
helfen uns, Dinge zu sehen, die bisher im Verborgenen bleiben mussten.
Wir sehen: Das Potenzial der neuen Medien ist riesig. Nun müssen wir
Wege finden, um es auszuschöpfen und dabei unsere Ansprüche an
journalistische Standards nicht zu verlieren. Wir wollen Brücken
schlagen zwischen Zivilgesellschaft und Staat, zwischen klassischen und
neuen Medien. Dazu soll diese Konferenz dienen.
Ich freue mich nun auf die Beiträge unserer Gäste aus aller Welt und die
anschließende Diskussion.
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