[FoME] Lutz Mükke: Deutsche Auslandskorrespondenten in Afrika

Christoph Dietz christoph.dietz at CAMECO.ORG
Fr Okt 9 15:02:11 CEST 2009


Dr. Lutz Mükke, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung
Journalistik der Universität Leipzig, muekke at uni-leipzig.de, hat ein
sehr detailliertes und lesenswertes Buch geschrieben:
 
Journalisten der Finsternis: Akteure, Strukturen und Potentiale
deutscher Afrika-Berichterstattung.
Köln: Herbert von Halem Verlag, 557 Seiten, 34,50 Euro
 
Siehe auch Rezension im Deutschlandradio unter
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/kritik/1007688/ 

 
Eine komprimierte Zusammenfassung der Ergebnisse bietet der Autor in
"Aus Politik und Zeitgeschichte Nr. 34-35/2009: Entwicklung in Afrika"
(Bundeszentrale für politische Bildung):
http://www1.bpb.de/publikationen/K75DU7,0,Entwicklung_in_Afrika.html. 
 
Hier die Einleitung aus "Aus Politik und Zeitgeschichte":
 
Schon seit langem wird von der Wissenschaft, aber auch von
Journalistinnen und Journalisten selbst, harsche Kritik an der
Präsentation und dem Inhalt der Afrika-Berichterstattung geübt. Je
nach Untersuchungsgegenstand werden etwa überzogener Negativismus,
Ethnozentrismus, mangelnde Hintergrundberichterstattung oder ein
Rückgriff auf Stereotype kritisiert. Meist beschränken sich die
Forschungen auf Inhaltsanalysen veröffentlichter Beiträge. Die
Perspektive der Produzenten von Afrika-Berichterstattung wurde hingegen
über Jahrzehnte vernachlässigt. Die hier vorgestellte Untersuchung
verschränkt Inhaltsanalyse und Akteursperspektive, um unter anderem
folgende Fragen zu beantworten: Wer sind die Akteure, die maßgeblich am
Produktionsprozess von Afrika-Berichten mitwirken? In welchen Strukturen
arbeiten sie? Nach welchen Kriterien wählen sie Nachrichten aus?
Bedingen Produktionsstrukturen die Afrika-Berichterstattung und wenn ja,
wie?

Den Gesprächen mit 40 Afrika-Korrespondentinnen und -Korrespondenten,
lokalen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und Redaktionsmitgliedern ging
eine Inhaltsanalyse der überregionalen Tageszeitungen "Frankfurter
Allgemeine Zeitung" (FAZ) und "Süddeutsche Zeitung" (SZ), sowie der
"Deutschen Presseagentur" (dpa) und der Wochenzeitschrift "Der Spiegel"
(Spiegel) voraus. Da die Ergebnisse weitgehend die Situationen jener
wenigen an Afrika interessierten deutschen (Leit)Medien wiedergeben, die
überhaupt Korrespondenten nach Afrika entsenden oder dort engagieren,
handelt es sich um Best-Practice-Perspektiven. Das zentrale Fazit der
Untersuchung ist, dass unter den Arbeitsbedingungen von
Afrika-Korrespondenten die Darstellung von Wirklichkeit nur eine sehr
entfernte Zielvorstellung sein kann. Dies liegt nur zum geringeren Teil
an den individuellen Arbeitsleistungen der Korrespondenten, die häufig
als hoch einzuschätzen sind. Standortspezifische Faktoren wie
interkulturelle Kommunikationsbarrieren, eingeschränkte Pressefreiheit
oder infrastrukturelle und bürokratische Hindernisse mögen zwar im
Einzelfall die Berichterstattung beeinflussen, aber auch sie sind kaum
die Ursache für die erhebliche Kritik an ihr. Verantwortlich dafür sind
primär die von Redaktionen und Medienhäusern gesetzten strukturellen und
institutionellen Rahmenbedingungen, die ihrerseits in eine kulturelle
Dimension eingebettet sind: in ein weitreichendes gesellschaftliches
Desinteresse in der Bundesrepublik Deutschland an Afrika.
 
Ein Blick auf einige ausgewählte Aspekte der Untersuchung soll das
Gesagte veranschaulichen: Gemessen an den Korrespondentenzahlen hat die
Afrika-Berichterstattung deutscher Medien ein vorläufiges historisches
Tief erreicht. Zum Zeitpunkt der Untersuchung (2006) arbeiteten 28
Afrika-Korrespondenten für deutsche Medien. Das Ende des Kalten Krieges
sowie die Medienkrise zu Beginn des 21. Jahrhunderts führten zu
deutlichen personellen und inhaltlichen Zäsuren und zu einem Verlust an
journalistischer Afrika-Kompetenz und Berichterstattungsvielfalt. Nur
sehr wenige deutsche Medienhäuser engagieren sich überhaupt noch mit
eigenen Korrespondenten. Lediglich 13 von deutschen Medien fest
angestellte Korrespondenten arbeiten in Subsahara-Afrika. Dabei
engagieren sich die öffentlich-rechtlichen Anstalten ARD und ZDF mit
acht entsendeten Korrespondenten herausragend. Nur noch Spiegel, dpa,
FAZ und SZ beschäftigen weitere feste Korrespondenten in Afrika südlich
der Sahara. Etwa jede fünfte Stelle wurde in den vergangenen Jahren
gestrichen. Leitmedien wie FAZ und SZ reduzierten ihr Personal, die
Wochenzeitung "Die Zeit" oder der Springer-Auslandsdienst schlossen ihre
Büros ganz. Zusammenschlüsse von Regionalzeitungen, die
Afrika-Korrespondenten in Kooperation finanzierten, zerbrachen. Private
Fernseh- und Rundfunksender verzichten komplett auf Korrespondentenbüros
in Subsahara-Afrika. Für zwei Drittel der Korrespondenten sank die
Nachfrage nach Afrika-Berichterstattung während ihrer
Korrespondententätigkeit, so dass knapp die Hälfte lediglich einen
Beitrag pro Woche absetzen kann.



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