[FoME] Thementod aus Zeitungsnot

Christian Mihr mihr at n-ost.de
Do Mai 7 10:48:11 CEST 2009


  <http://www.freitag.de>

Medien | 06.05.2009 12:44 | Mario Lubetkin


    Thementod aus Zeitungsnot


      Der Schwund bei den etablierten Printmedien in Nordamerika und
      Westeuropa wirkt sich immer mehr auf die Themenwahl aus. Und das
      zu Lasten der Bedürfnisse des Südens

Die weltweiten Rezession setzt Dominosteine auf praktisch allen 
wirtschaftlichen und sozialen Feldern aneinander. Trotzdem konzentriert 
sich die Aufmerksamkeit der Medien vorrangig dort auf die Krise, wo 
Machtzentren erschüttert werden. Die Peripherie interessiert weniger, 
obwohl dort die chronische Armut so vertieft wird, dass die Folgen für 
die Menschen mehr als dramatisch sind.

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*/Mehr zum Thema:/*

/Viele traditionsreiche US-Zeitungen verlagern ihre Berichterstattung 
ins Netz. Doch die E-Medien brauchen den "alten Journalismus" -- droht 
das Ende der Pressefreiheit?/ 
<http://www.freitag.de/kultur/0914-usa-zeitungen-pressefreiheit>

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Wir beobachten das nun seit einem Jahr und zwar Tag für Tag. Auf der 
ersten Seite dominiert die Berichterstattung über die Tausenden 
Millionen von Dollars und Euros, die die Industrieländer in ausufernder 
Weise zur Rettung ihrer Banken aufwenden, über Krisensitzungen, Tagungen 
und Debatten in den Hauptstädten des Nordens, über die steigende 
Arbeitslosigkeit und fallenden Wachstumsraten in den entwickelten 
Ländern. Das Finanzsystem und die Rezession in den übrigen zwei Dritteln 
der Erde finden kaum Erwähnung. Und wenn, dann bestenfalls in 
fragmentierten sensationslüsternen Kurznachrichten.

Diese ungleiche Behandlung von Informationen zugunsten des Nordens und 
zum Nachteil des Südens ist eigentlich nichts Neues, wirkt aber 
besonders krass inmitten einer Wirtschaftskrise, bei der es dringend 
geboten wäre, dass sich die öffentliche Meinung auch in Kenntnis der 
Lage in Afrika oder Asien bildet.

Globale Themen lassen sich schlecht verkaufen

Gleichzeitig gehen essentielle Veränderung in den Massenmedien selbst 
vor sich, so dass besonders bei den Tagesmedien der Raum für 
internationale Themen schrumpft, besonders für globale, "die sich 
schlecht verkaufen lassen" wie Armut, Klimawandel, nachhaltiges 
Wachstum, Menschenrechte, Demokratisierung oder Sicherheitsfragen 
(verstanden als friedliche Lösung von Konflikten). Während die 
wirtschaftliche Depression, auch wenn sie noch so ernst ist, früher oder 
später in irgendeiner Form überwunden wird, und vermutlich wieder eine 
Phase des Wachstums eintritt, so ist die Transformation der Massenmedien 
eher strukturell. Die Tendenz der Berichterstattung, internationale 
Information über globale Prozesse zu verringern, scheint eine eher 
längerfristige zu sein.

Die sich fortsetzende Abwärtsbewegung der traditionellen Printmedien ist 
dem Wettbewerb mit dem Fernsehen geschuldet und wird nun beschleunigt 
durch die Konkurrenz im Internet, dazu kommt das Erscheinen von 
gedruckten und elektronischen Medien, die gratis zu beziehen sind und 
sich vollständig über den Umweg der Werbung finanzieren.

In den USA ist während der vergangenen Jahre die Zahl der Leser von 
Online-Informationen um 17 Prozent angestiegen, allein seit 2008 hat die 
Zahl der Leser der größten 50 Websites um 27 Prozent zugenommen. Hier 
zeigt sich sehr deutlich, wohin die Leser der Printmedien abwandern. 
Gleichzeitig ist ein wesentlich größerer Teil der Werbung von den 
Printmedien abgezogen worden und in die Online-Ausgaben gesteckt worden. 
Trotzdem erreicht heute noch die Gesamtauflage von Tageszeitungen in den 
USA 
<http://www.freitag.de/kultur/0914-usa-zeitungen-pressefreiheit?searchterm=Lotta+> 
48 Millionen. Und einige Erzeugnisse machen immer noch Gewinne.

Mit der Online-Version allein könnte die "New York Times" noch 20 
Prozent der Belegschaft halten

Um zu überleben, reduzieren die Verlage die Belegschaft der Redaktionen, 
schließen Auslandsbüros, verschulden sich neu, verkleinern Formate oder 
sparen Seiten. Es gibt Schätzungen, wonach 2008 in den USA der 
journalistische Bereich um zehn Prozent geschrumpft ist. In den Jahren 
zwischen 2001 bis 2009 werden die journalistischen Arbeitsplätze um 25 
Prozent geschrumpft sein.

Das erklärt auch die verbreitete Sorge, dass in nächster Zukunft die 
gedruckte Ausgabe einer Zeitung wie der /New York Times/ 
<http://de.wikipedia.org/wiki/The_New_York_Times> eingestellt werden 
muss, weil sie etwa 400 Millionen Dollar Schulden mit sich 
herumschleppt. Dann würde es das Traditionsblatt nur noch online geben. 
Doch mit einer solchen Version allein könnte die NYT nur noch 20 Prozent 
der Belegschaft halten.

Wir stecken also mitten in einem widersprüchlichen Prozess, der selbst 
bei verbesserten ökonomischen Bedingungen nur teilweise gedämpft werden 
kann. Es gibt allen Grund zu befürchten, dass daraus auch negative 
Folgen für die Berichterstattung über zentrale entwicklungspolitische 
Themen erwachsen. Die Medien, die sich darum bemühen, verlieren an 
Einfluss und bekommen Probleme, die Berichterstattung zu konzentrieren, 
die anderen, die tonangebenden, werden weiter ihre Themen auf der 
internationalen Agenda durchsetzen.

Die kleineren Medien könnten eine Art Austauschnetzwerk zum Thema 
Entwicklungspolitik aufbauen, um den Aufwand für Expertise und 
professionelle Information zu teilen (ähnlich wie es die großen 
Medienkonzerne machen). Es würde freilich einer massiven Anstrengung 
bedürfen, um die eingangs erwähnten negativen Einflüsse zu überwinden. 
Dies kann nicht von den Kommunikationsprofis im Alleingang in Angriff 
genommen werden. Es ist ein Kampf, an dem sich die zivile Gesellschaft 
als Akteurin im Eigeninteresse beteiligen müsste. Auch die akademischen 
Zirkel, die sich mit der Ausbildung von entwicklungspolitischen Kadern 
beschäftigen, müssen sich dieses Problems annehmen.

Hintergrund

*Mario Lubetkin* ist Generaldirektor der Nachrichtenagentur IPS, die 
ihren Schwerpunkt auf "Eine-Welt"-Themen legt



*der Freitag* Artikel-URL: 
http://www.freitag.de/positionen/0918-krise-zeitungssterben-entwickungspolitik 
<http://www.freitag.de/positionen/0918-krise-zeitungssterben-entwickungspolitik> 

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