[FoME] Welttag gegen Internetzensur / ROG-Internetbericht
Christoph Dietz
christoph.dietz at CAMECO.ORG
Do Mär 12 18:26:06 CET 2009
12. März 2009
12 "Feinde des Internets" / Auch demokratische Staaten überwachen das Netz
In zwölf Ländern ist die Internetzensur und die Repression gegen
Blogger/innen so massiv, dass die Staaten den Titel "Feinde des Internets"
verdienen. Diese Bilanz zieht Reporter ohne Grenzen (ROG) in seinem heute,
anlässlich des "Welttags gegen Internetzensur" am 12. März, erscheinenden
Internetbericht. ROG hat diesen internationalen Tag initiiert, um auf die
Beschränkungen und Bedrohungen der Meinungsfreiheit im Internet aufmerksam
zu machen.
Zur Zeit sind mindestens 70 Cyberdissidentinnen und -dissidenten in Haft,
weil sie ihr Recht auf Meinungsfreiheit im Internet wahrgenommen haben.
China ist das größte Gefängnis für Blogger/innen, gefolgt von Vietnam und
dem Iran.
Zu den 12 "Feinden des Internets" zählt ROG die Länder Ägypten, Birma,
China, Iran, Kuba, Nordkorea, Saudi Arabien, Syrien, Tunesien,
Turkmenistan, Usbekistan und Vietnam. "Diese Staaten haben das Internet zu
einem Intranet gemacht, um damit die Bevölkerung am Zugang zu
*unerwünschten' Online-Informationen zu hindern", kritisiert ROG. Neben der
Überwachung und Kontrolle von Online-Informationen und Nachrichten werden in
diesen Staaten unliebsame Internetnutzer/innen systematisch verfolgt. "Unter
dem Vorwand, moralische Normen, die nationale Sicherheit, Religion oder die
Rechte ethnischer Minderheiten oder gar das *spirituell-kulturelle' und
wissenschaftliche Potential eines Landes zu beschützen, wird in vielen
Ländern Internetzensur betrieben", so ROG.
In dem Bericht werden die Kontrolle, Überwachung und Zensur des Internets
und die Verfolgung von Internetdissidentinnen und -dissidenten in 22 Staaten
umfassend untersucht. Darüber hinaus enthält der Report allgemeine Fakten
zur Internetnutzung und zu möglichen Problemen des Zugangs zum Internet in
den gelisteten Ländern.
China führt die "Liste der Feinde des Internets" an: Derzeit sind in China
50 Internetdissidentinnen und -dissidenten in Haft. Die meisten von Ihnen
werden beschuldigt, "Staatsgeheimnisse im Ausland preisgegeben" zu haben.
Die zahlreichen Zensurmechanismen der Regierung weisen einen hohen
Organisationsgrad auf: Fast 40.000 staatliche Mitarbeiter kontrollieren
Online-Inhalte.
In Birma sind die Gesetze zu elektronischer Kommunikation überaus streng: So
können Blogger/innen, die Kritik an der Regierung formulieren, zu
drakonischen Haftstrafen verurteilt werden. Auch in Usbekistan und
Turkmenistan üben die Regierungen strenge Online-Überwachung aus. In
Saudi-Arabien hat die Regierung mehr als 400.000 Webseiten "zum Schutz der
saudischen Gesellschaft" sperren lassen. Der Iran ist weiterhin der "größte
Feind des Internets" im Nahen Osten: Regelmäßig werden Blogger/innen
festgenommen, derzeit sind vier in Haft.
ROG stellt zudem zehn Länder "unter besondere Beobachtung": In diese
Kategorie fallen unter anderem Australien und Südkorea - Staaten, die auf
den ersten Blick als funktionierende Demokratien gelten. Zwar lassen die
Behörden dieser Staaten, anders als die "Feinde des Internets",
Internetdissidentinnen und -dissidenten selten festnehmen und
Zensurmaßnahmen sind weniger massiv. Aber die Regierungen haben
beunruhigende Maßnahmen ergriffen, die leicht missbraucht werden könnten. In
Australien zum Beispiel erlaubt eine Anti-Terror-Gesetzgebung den Behörden,
*verdächtige' private E-Mails abzufangen.
In dem Bericht geht ROG auch auf Formen von "partizipativer Zensur" ein. So
betreiben einige Regierungen regelrechte "Kommentarschlachten": Sie nutzen
Netzwerkseiten wie "Facebook", "Twitter" oder andere Plattformen, um ihre
Ansichten und Meinungen zu lancieren. Einige repressive Regierungen lassen
auch gegen Bezahlung gewünschte Kommentare auf gut besuchte Webseiten
stellen, oder sie organisieren Hacker-Angriffe, um Online-Inhalte zu
blockieren.
Trotz Gängelungen und Repressionen lassen sich viele Blogger/innen nicht
entmutigen. Das Internet bleibt in vielen Ländern im Vergleich zu
konventionellen Medien immer noch das freieste Mittel zur Verbreitung von
Informationen und Meinungen. Neue Software-Entwicklungen helfen zum Teil,
Nachrichtenkontrollen und -zensur im Internet zu umgehen.
Große Internetfirmen wie Google, Yahoo! und Microsoft haben mit der
Unterzeichnung der so genannten "Global Network Initiative" angekündigt,
dass sie das Recht auf Meinungsfreiheit der Internetnutzer/innen weltweit
respektieren möchten. Bisher haben sich diese Firmen auf Druck von
Regierungen in einigen Staaten zum Teil an der Zensur beteiligt. Wenn es
einen Wandel dieser Geschäftspraktiken gäbe, wäre es für eine Reihe von
Regierungen schwieriger, Internetnutzer/innen zu überwachen.
Lesen Sie hier den 28-seitigen ROG-Bericht (in englischer Sprache) "Feinde
des Internets" (Sperrfrist: 12. März):
www.reporter-ohne-grenzen.de/fileadmin/pdf/Internetbericht.pdf
Lesen Sie hier einen aktuellen Brief von Reporter ohne Grenzen, Amnesty
International an Google, Microsoft und Yahoo! mit einem Appell für mehr
Meinungsfreiheit im Internet.
http://www.rsf.org/article.php3?id_article=30507
Ausführlichere Informationen (in deutscher Sprache) lesen Sie ab dem 12.
März unter www.reporter-ohne-grenzen.de
Weitere Informationen:
Anja Viohl, Reporter ohne Grenzen
Tel.: 030 615 85 85
presse at reporter-ohne-grenzen.de
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