[FoME] Besprechung Text Brüne

Spurk Christoph (spu) spu at zhwin.ch
Di Nov 28 11:32:58 CET 2006


Liebe Teilnehmer und Teilnehmerinnen der FoMe Liste, 
Prof. Brüne hat kürzlich einen Text zu afrikanischen Medienlandschaften an diese Liste geschickt. Ich selbst habe kürzlich vorgeschlagen, interessante Texte auf dieser Liste und der im nächsten Jahr verfügbaren Website auch kurz zu kommentieren. Anbei nun meine Besprechung des Textes von Prof. Brüne, auch um zu zeigen, wie solche Kurz-Kritiken aussehen können. 

Kurz-Kritik
Prof. Dr. Stefan Brüne vom Deutschen Übersee-Institut in Hamburg hat kürzlich ein Artikel zu afrikanischen Medienlandschaften fertig gestellt, der Anfang des nächsten Jahres im Sammelband "Barbara Thomass: Internationale Medienlandschaften im Vergleich" erscheinen wird. 

Die wichtigsten Trends für die Medienlandschaft in Afrika südlich der Sahara seit dem Einsetzen forcierter Demokratisierung anfangs der 1990er Jahre sind in diesem Übersichts-Artikel kurz und präzise erwähnt: die weiterhin eingeschränkte Medienfreiheit trotz fortschrittlicher Gesetze, die zunehmende Pluralisierung des Medienangebots durch private Anbieter und die technologische Revolution, die weiterhin eingeschränkte Qualität im Journalismus, die Herausbildung regionaler afrikanischer Konzerne sowie der zunehmende Einfluss neuer ausländischer Sender. 

Neues und sehr präzises Datenmaterial legt Brüne vor allem zur Entwicklung des Internets in Afrika vor, das einen exakten Vergleich zwischen 2000 und 2005 nach einzelnen Ländern erlaubt. Trotz sehr hoher Gesamtwachstumsraten (insgesamt 32.6 Mio. Anschlüsse in 2005 gegenüber 4.5 Mio. in 2000) zeigt sich, dass innerhalb Afrikas die Unterschiede zwischen den Ländern wie eh und je sehr bedeutsam sind: Einigen wenigen Ländern mit vergleichsweise hohen Anschlussraten ans Internet (Ägypten: 21.1%; Südafrika: 15.8%; Marokko: 15.4%, Nigeria: 7.8% und Kenia: 6.6%) steht die grosse Masse der Länder mit Anschlussraten von unter einem Prozent gegenüber, und nur wenigen zwischen 1% und 5%).
Auch die Mobiltelefonie ist in Afrika markant gestiegen, wobei aber unklar bleibt, warum die Mobiltelefonie - als Mittel der personalen Kommunikation - Eingang in einen Artikel zu Medien - verstanden als Agenten der öffentlichen Kommunikation - findet. 

Ähnlich präzise  Zahlen hätte sich der Leser zur Entwicklung von Radio, Fernsehen und Printmedien in Afrika südlich der Sahara gewünscht. Hier kann Brüne aber nur Zahlen für gesamt Afrika oder nur für einzelne Länder liefern, leider auch ohne deren Herkunft zu nennen. So erfahren wir, dass 60% der afrikanischen Bevölkerung Zugang zu Radio habe, und mehr als 100 Mio. Afrikaner über 15 Jahre täglich Radio hörten. Der Rezensent hätte gedacht, dass die Zahl noch höher liegt, gerade auch angesichts der vielen neuen Radiosender (community radios), die Brüne ebenfalls dokumentiert, aber wiederum nur für wenige Länder mit Zahlen untermauern kann und angesichts des Trends, dass sowohl Radiosender als auch -empfänger inzwischen sehr wenig kosten.  Das private Radio sei aber hinsichtlich der Stimulierung einer kritischen Öffentlichkeit hinter den Erwartungen geblieben. Noch immer seien die Auslandssender das Mass der Dinge. 

Das Fernsehen unterliegt laut Brüne trotz einer Vielfalt von über 100 TV-Kanälen südlich der Sahara weiterhin mehrheitlich der staatlichen Kontrolle. Die alternativen kommerziellen Sender seien vergleichsweise schwach, da sie sich hauptsächlich dem Re-Broadcasting von Auslandsangeboten widmeten. Bei beiden elektronischen Medien macht Brüne auf ein - zumindest in der Entwicklungszusammenarbeit  wenig diskutiertes - Phänomen aufmerksam: Neben den westlichen Auslandssendern (BBC, Radio France International, CNN) erhalten die lokalen Radio- und Fernsehstationen inzwischen sehr starke Konkurrenz durch Sender der ehemaligen Dritten Welt, wie Ägypten, Iran, Indien, China, die teilweise begonnen haben, in den grossen Regionalsprachen Afrikas zu senden. Was dies für das lokale Publikum und die Herstellung kritischer Öffentlichkeit bedeutet, ist eine spannende Frage für die Zukunft.  

Zu wenig geht Brüne darauf ein, inwieweit Medienkonsum im afrikanischen Umfeld 'anders' strukturiert ist als in Industrieländern. Vermuten lässt sich, dass die einzelnen Medien stärker gemeinschaftlich oder von weitaus mehr Einzelpersonen als hierzulande genutzt werden. Zu Recht beklagt er aber das Fehlen empirisch gesättigter Studien zur afrikanischen Medienentwicklung.  Noch sei es ein weiter Weg, bis dass sich in Afrika die Medien so entwickeln, dass auch die Bedürfnisse einkommensschwacher Bevölkerungsgruppen berücksichtigt werden. Zu welchen Ergebnissen letztlich die unterschiedlichen Kräfte von  Ökonomisierung, staatlicher Kontrolle und Chancen regierungsunabhängiger Redaktionen in der Zukunft führen werden, dazu will sich Brüne aber nicht festlegen.  



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