[fessenheim-fr] aktueller Kommentar von Hans-Josef Fell

Klaus Schramm klausjschramm at t-online.de
Di Jan 4 18:51:31 CET 2022


Hallo Leute!

Ich bin gebeten worden, den - durchaus lesenswerten -
aktuellen Kommentar des ehemaligen MdB Hans-Josef Fell
hier zu posten - s.u.

Ciao
    Klaus Schramm


+++
Das Abschalten der AKW bringt mehr Klimaschutz und verringert die 
riesigen Atomgefahren

Das war eine der ganz großen frohen Botschaften zum Jahreswechsel: 
Wieder sind drei Atomkraftwerke abgeschaltet worden. Die Atomkraftwerke 
in Brokdorf (Schleswig-Holstein), Grohnde (Niedersachsen) und 
Gundremmingen (Bayern) wurden am 31.12.21 abgeschaltet.

Gerade die nördlichen AKW haben, da sie ja kaum flexibel entsprechend 
der Schwankungen von Wind- und Solarenergie gefahren werden können, 
insbesondere in windstarken Zeiten die Netze mit Atomstrom gefüllt, was 
vielfach zu Abschaltungen von Windstrom führte. Die AKW blockierten in 
vielen Zeiten die Netze für deren Abtransport in den windärmeren Süden. 
Alleine die Abschaltung dieser drei Kraftwerke wird nun mehr Erneuerbare 
Energien in die Netze fließen lassen und zudem mehr Netzkapazitäten zur 
Aufnahme neuer Windstrommengen frei machen. Der Ausbau der Erneuerbaren 
Energien kann wie von der Ampelkoalition anvisiert, alleine deshalb 
sogar im Bestandsnetz beschleunigt fortgesetzt werden, womit zusammen 
mit dem Ausbau der Speicher auch zunehmend fossile Kraftwerke 
überflüssig werden. So dient die Abschaltung der AKW dem Klimaschutz.

Von den 35 für die kommerzielle Stromerzeugung in Deutschland 
errichteten Atomkraftwerken sind damit nur noch drei in Betrieb: Isar 2 
in der Nähe von Landshut (Bayern), sowie die Reaktoren im Emsland in 
Niedersachsen und Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg. Auch diese 
werden Ende 2022 alle abgeschaltet sein und weitere Netzkapazitäten für 
den Ausbau der Erneuerbaren Energien frei machen.

Damit ist aber das dunkle Atomkapitel in Deutschland noch längst nicht 
abgeschlossen. Weiter werden zwei Fabriken für Brennelemente für 
ausländische Reaktoren in Lingen und Gronau betrieben. Die Frage der 
Atommüllentsorgung ist auch in Deutschland nicht gelöst, da es kein 
Endlager für den noch viele Millionen Jahre strahlenden Atommüll gibt. 
Forschungsreaktoren bilden weiter eine große Gefahr, nicht nur für 
Atomunfälle. So produziert der Forschungsreaktor FRM2 in Garching bei 
München weiter hochangereichertes Uran, welches direkt für Atombomben 
verwendet werden kann.

Ein Affront gegen die auch von der UN unterstützten Initiativen zur 
Abschaffung von Atomwaffen und eine große Gefahr für den instabiler 
werdenden Weltfrieden. Insbesondere die jüngsten Spannungen zwischen 
NATO und Russland führen zu einer weiter eskalierenden Spirale der 
atomaren Aufrüstung. Der FRM2 trägt hier nicht zur Entspannung bei.

Auch in Karlsruhe am KIT wird weiter munter an neuen Atomreaktoren 
geforscht, ganz als wenn es keinen Atomausstiegsbeschluss in Deutschland 
gäbe. Die internationalen Kooperationen deutscher Atomforschung zur 
Entwicklung neuer Atomreaktoren sind massiv und eng vernetzt.

Dabei gibt es weiter unbelehrbare Atombefürworter, die alle Atomgefahren 
schlicht ignorieren. Sie verschließen die Augen vor den schlimmen 
Supergaus, die es schon mit unermesslichem Leid auf der Welt gab, von 
Three Mile Islands in den USA, Majak in Russland, Tschernobyl in 
Ukraine, bis hin zu Fukushima in Japan. Sie ignorieren die ungelöste 
Frage der Atommüllentsorgung; die Atomkraft als Quelle der 
Atomwaffenmaterialien; die den Steuerzahler massiv belastenden 
ungeheuerlichen Kosten der Schadensregulierungen und unzulängliche 
Haftungsentsorgung.

Sie ignorieren die Umweltzerstörungen in den Uranbergbauregionen und die 
Gesundheitsgefahren durch Radioaktivität. Sie behaupten einfach, dass 
die Atomenergie einen Beitrag zum Klimaschutz liefern könnte, weil sie 
in den sogenannten winterlichen Dunkelflauten verlässlich Strom liefern 
könne und ignorieren, dass die AKW in starken Wind- und Solarzeiten zur 
Abschaltung emissionsfreier und atommüllfreier Stromerzeugung aus 
Erneuerbare Energien führen.

Sie behaupten einfach ohne Belege aus der Realität, dass andere Länder 
wie Frankreich besseren Klimaschutz leisten würden, mit „sicherer“ und 
„verlässlicherer“ Stromerzeugung. Da erhellt ein Blick über die Grenzen 
nach Frankreich, dass die Atomenergie auch in diesem Winter keine 
verlässliche Energiequelle ist. So hat das IWR gerade berichtet, dass 
aktuell 30% der Atomkraftwerke in Frankreich wegen hoher 
Sicherheitsprobleme oder Wartungen abgeschaltet sind.

Von den 56 Atomreaktoren sind 15 Atomkraftwerke wegen Störungen oder 
Wartungen abgeschaltet und produzieren keinen Strom. Die 
Nichtverfügbarkeit von 15 französischen Atomkraftwerken hat 
weitreichende Folgen im Nachbarland. So steigen die Strompreise in 
Frankreich auf Rekordwerte und Strom muss u.a. aus Deutschland oder 
Spanien importiert werden. Sorge bereitet dem französischen 
Übertragungsnetzbetreiber RTE traditionell die bevorstehende 
Kälteperiode im Januar und Februar, weil die Franzosen überwiegend mit 
Strom heizen.

Wieder muss wohl, wie schon öfter in der Vergangenheit, Deutschland mit 
seinem Überschuss an Erneuerbare Energien aushelfen, dass im 
Atom-Frankreich nicht die Lichter ausgehen. Auch Neubauwünsche von 
Atomkraftwerken helfen auch nicht dem Klimaschutz, da Neubauten 
ungeheure Milliardenbeträge verschlingen, viel teurer als der Ausbau der 
Erneuerbare Energien sind und meist Jahrzehnte dauern.

Auch hier kommt ein Paradebeispiel aus dem Atomland Frankreich. Der 
einzige französische Reaktorneubau, der ERP-Reaktor wird seit 2007 
gebaut, sollte ursprünglich im Jahr 2012 fertiggestellt und 3,3 Mrd. 
Euro kosten. Nach nunmehr 15 Jahren Bauzeit ist der neue ERP-Reaktor 
noch immer nicht fertig und hat mittlerweile über 12 Mrd. Euro an Kosten 
verschlungen.

Angesichts der oben aufgezählten massiven Probleme der Atomenergie wirkt 
der jüngste Vorschlag der EU-Kommission in der sogenannten Taxonomie wie 
von einem anderen Stern. Allen Ernstes schlägt die EU-Kommission auf 
Grund des politischen Druckes von Frankreichs Präsident Macron, aber 
auch aus Tschechien, Polen, Ungarn, Finnland u.a. vor, die Atomenergie 
(wie auch das höchst klimaschädliche Erdgas) in die Liste für die 
Finanzwirtschaft von nachhaltigen klimaschützenden Investitionen 
aufzunehmen.

Es bleibt zu hoffen, dass der klare Widerstand gegen diesen absurden 
Vorschlag aus der neuen deutschen Regierung, Österreich, Luxemburg und 
anderen Erfolg haben wird, auch wenn dies schwer wird. Das Ansinnen, den 
Neubau von Atomreaktoren auch noch stärker als bisher zu subventionieren 
muss abgewehrt werden.

Der Vorschlag von EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen, CDU zeigt nur 
eines auf: Der Atomausstieg 2011 unter Kanzlerin Merkel hatte nicht nur 
Befürworter innerhalb der Reihen von CDU/CSU. Offensichtlich arbeiten 
starke Kräfte innerhalb der Union weiter an einer Renaissance der 
Atomenergie und schon gar nicht an einem EU weiten Atomausstieg.

Obwohl die oft nur wenige Kilometer hinter der deutschen Grenze 
stehenden Atomreaktoren eine schlimme Bedrohung für die deutsche 
Bevölkerung darstellen, gibt es bis heute keine Initiative zum 
europäischen Atomausstieg. Auch die klare jüngste Befürwortung des neuen 
CDU-Parteivorsitzenden Friedrich Merz für die Atomenergie spricht Bände.

Offensichtlich bereitet die CDU in der nationalen Opposition mit der 
starken Macht der CDU geführten EU-Kommission eine neue Renaissance der 
Atomkraft in der EU vor, um dann später auch in Deutschland wieder das 
Unheil der Atomkraft mit einer „neuen“ Generation von Atomenergie 
durchzusetzen.

Dabei könnte Deutschland bis 2030 auf 100 % erneuerbare Energien 
klimaschützend und atomfrei, sowie wesentlich billiger als mit Atomkraft 
umgestellt werden – lange bevor ein heute in Angriff genommener Neubau 
eines Atomkraftwerkes in vielleicht frühestens 20 Jahren dann ans Netz 
gehen könnte.

Hammelburg, 03. Januar. 2022,

Ihr Hans-Josef Fell

https://hans-josef-fell.de/das-abschalten-der-akw-bringt-mehr-klimaschutz-und-verringert-die-riesigen-atomgefahren/



Mehr Informationen über die Mailingliste fessenheim-fr