[fessenheim-fr] Lingen - Moegliche Milliarden-Entschaedigung fuer russischen Staats-Konzern
Klaus Schramm
klausjschramm at t-online.de
Di Apr 20 06:45:39 CEST 2021
Hallo Leute!
Hier ein interessanter Artikel aus der
Online-Ausgabe des 'spiegel'. Möglicher-
weise steigt der russische Staats-Konzern
TVEL nur deshalb mit 25 Prozent in der
Brennelemente-Fabrik Lingen ein, um bei
deren Stilllegung Milliarden Euro an
"Entschädigung" abkassieren zu können...
- s.u.
Ciao
Klaus Schramm
Umstrittenes Joint Venture
Deutsch-russische Atomfabrik
Trotz des Atomausstiegs produziert eine Fabrik im Emsland weiter
nukleare Brennstäbe. Nun will ein russischer Konzern einsteigen. Das
Wirtschaftsministerium prüft nach SPIEGEL-Informationen den Deal.
Von Stefan Schultz
16.04.2021, 16.59 Uhr
Nicht mehr lange, dann ist Atomstrom in der Bundesrepublik Geschichte.
Von den sechs Kernkraftwerken, die noch laufen, sollen Ende dieses
Jahres drei vom Netz gehen, die letzten drei dann Ende 2022. Deutschland
hat bald ausgestrahlt, oder? Nicht ganz.
Unweit der Stadt Lingen mit ihren malerischen Treppengiebeln und
Fachwerkhäusern steht ein sogenanntes Brennelementewerk: eine Fabrik,
die sozusagen den Treibstoff für Atomkraftwerke herstellt. Und das wohl
noch ziemlich lange: Der Betreiber Advanced Nuclear Fuels (ANF), eine
Deutschlandtochter des französischen Staatskonzerns Framatome, hat nach
eigenen Angaben Verträge bis ins Jahr 2032. Stand heute.
Während Deutschland also aus der Atomkraft aussteigt, fertigt das Werk
im niedersächsischen Emsland fleißig weiter Brennstäbe – und exportiert
sie in andere EU-Staaten. Nach Belgien zum Beispiel, ins AKW Doel, bei
dem in einer Reaktorhülle 2015 rund 13.000 Risse entdeckt worden waren.
Doel ist nur rund 160 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt.
Das Bundesumweltministerium findet das schon länger unmöglich und
fordert die Schließung der Fabrik. Das Bundeswirtschaftsministerium kann
zumindest offiziell keinen Widerspruch erkennen. »Der Atomausstieg
bezieht sich auf die gewerbliche Stromerzeugung in Kernkraftwerken«,
schreibt es auf Anfrage, »nicht auf die Produktion von Brennelementen.«
Jetzt aber gibt es neuen Zoff um die Lingener Atomfabrik. ANF will die
Produktion offenbar ausbauen – und plant ein Joint Venture mit der
russischen Firma TVEL. 25 Prozent der Anteile wollen die Russen nach
SPIEGEL-Informationen erwerben. Das wiederum findet man nicht nur im
Umweltministerium bedenklich.
Stammte das Polonium im Litwinenko-Mord von TVEL?
Nach Paragraf 55 des Außenwirtschaftsrechts könnte TVELs Engagement eine
Bedrohung der öffentlichen Ordnung darstellen. Denn TVEL untersteht dem
russischen Staatskonzern Rosatom, der sowohl zivile als auch
militärische Atomtechnik produziert. Aus Sicht britischer Ermittler
stammte zudem das Polonium-210, das für den Mord am Ex-KGB-Agenten und
Kremlkritiker Alexander Litwinenko verwendet wurde, aus dem russischen
TVEL-Standort Majak. Das Unternehmen ließ eine Anfrage zu diesem Vorwurf
unbeantwortet.
»Grundsätzlich stellt die Kontrolle eines Erwerbers aus einem Drittstaat
– wie hier Russland – ein mögliches Indiz für eine Gefährdung dar, wenn
das Unternehmen zumindest mittelbar staatlich kontrolliert wird«, sagt
der Wirtschaftsjurist Christoph Herrmann, der die Bundesregierung bei
der Ausgestaltung des Außenwirtschaftsrechts beraten hat.
»Problematisch wäre auch, wenn das Unternehmen bereits in Aktivitäten
verwickelt war, die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung in der BRD
oder einem anderen Mitgliedstaat der EU gefährdet haben«, fährt Herrmann
fort. Beides könnte bei TVEL der Fall sein. Da die Russen einen Anteil
von 25 Prozent anstreben, könnte das Wirtschaftsministerium das
Engagement der Russen sogar verbieten.
Genau das prüft das Ministerium gerade. Offiziell blocken die
Mitarbeiter von Peter Altmaier (CDU) alle Anfragen dazu ab. Selbst dem
Umweltausschuss des Parlaments wollten sie zunächst nicht Bericht
erstatten; das Thema unterliege der Geheimhaltung, hieß es. Nach
SPIEGEL-Informationen läuft aber längst ein sogenanntes
Investitionsprüfverfahren, um das Joint Venture von ANF und TVEL zu
durchleuchten.
Wird der Atomausstieg noch teurer?
Im Lager der Umweltschützer begrüßt man das. Denn laut dem
Verwaltungsrechtler Wolfgang Ewer hätte der Einstieg der Russen in
Lingen womöglich noch einen weiteren Nachteil. Es besteht aus seiner
Sicht das Risiko, dass der Staat wegen des TVEL-Engagements deutlich
höhere Entschädigungen zahlen müsste, falls er die Fabrik irgendwann
doch stilllegen lässt. Schließlich ziele der Einstieg der Russen
»ersichtlich darauf ab, das Eigenkapital zu erhöhen und in die Fabrik zu
investieren«.
Der deutsche Atomausstieg würde dann noch teurer. Zuletzt hatte die
Regierung den Betreibern deutscher AKW im März 2,4 Milliarden Euro an
Entschädigungen nachschießen müssen.
»Das Wirtschaftsministerium behindert und verteuert auf schamlose Weise
den Atomausstieg«, sagt Sylvia Kotting-Uhl, atompolitische Sprecherin
der Grünen und Vorsitzende des Umweltausschusses. Die Fabrik in Lingen
müsse endlich geschlossen werden.
https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/atomkraft-regierung-prueft-russischen-einstieg-in-deutsche-fabrik-a-90c97c04-6aeb-456b-9d17-69305657f643
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