[fessenheim-fr] Neubau britischer AKWs aus Steuermitteln?

Klaus Schramm 078222664-0001 at t-online.de
Fr Jan 11 23:37:35 CET 2008


Hallo Leute!

Die 'Badische Zeitung' beispielsweise erschien heute mit einer
Schlagzeile "Zurück ins Atomzeitalter". Auch wurde in einer
"Infobox" einmal mehr behauptet, AKWs seien CO-2-frei...
Hier ein Artikel aus anderer Perspektive.

Ciao
   Klaus Schramm
   klaus.schramm at bund.net


11.01.2008

                Neubau britischer AKWs 
                      aus Steuermitteln? 

      Sterbende britische Atom-Branche hofft auf Brown 

      Laut Meldungen der Mainstream-Medien plant die britische Regierung
      unter Premierminister Gordon Brown den Neubau von
      Atomkraftwerken. Selbst wenn ein solcher Plan umgehend in Angriff
      genommen würde, könnte nach aller Erfahrung ein neues britisches
      AKW nicht vor 2016 in Betrieb gehen. 

      Die bisher einzigen beiden AKW-Neubauvorhaben in den vergangenen
      25 Jahren in Europa wurden im finnischen Olkiluoto im Jahr 2000 und
      im französischen Flamanville im Jahr 2007 begonnen. Noch vor zwei
      Jahren hieß es, der Reaktor in Olkiluoto solle 2009 in Betrieb gehen,
      doch die - nicht zuletzt durch Pfusch - immer wieder verzögerten
      Baufortschritte, lassen inzwischen eine Fertigstellung vor 2011 wenig
      glaubhaft erscheinen. Die Fertigstellung des Reaktorneubaus in
      Flamanville ist von offizieller französischer Seite für das Jahr 2012
      geplant. 

      Nun ist es nicht zu leugnen, daß der Treibstoff der Atomkraftwerke,
      Uran, immer teurer wird. Die weltweiten Vorkommen gehen zur Neige.
      Neufunde nennenswerter Uranminen werden immer
      unwahrscheinlicher, so daß Atomstrom ohne steigende staatliche
      Subventionen auf dem Markt keine Chance mehr hat.1 Für Frankreich
      und Finnland spielte dies offenbar keine große Rolle, da in diesen
      Ländern der Staat im Bereich Energiepolitik nach wie vor die Richtung
      vorgibt. Hier hat der neoliberale Trend zur Liberalisierung auch der
      Energiemärkte noch wenig Wirkung gezeigt. Während in anderen
      europäischen Staaten von Seiten der Wirtschaft und von privaten
      Investoren keinerlei Interesse an einem finanziellen Engagement für
      AKW-Neubaupläne gezeigt wurde, werden die Bauten in Olkiluoto und
      Flamanville - pro AKW nach neuesten Schätzungen immerhin rund fünf
      Milliarden Euro - aus Steuergeldern vorfinanziert. 

      Anders jedoch in Großbritannien und den USA, wo die
      Energiewirtschaft bereits vor Jahrzehnten weitgehend "dereguliert"
      wurde. So wurde das Unternehmen 'British Energy', das sechs der
      zehn noch bestehenden britischen AKWs betreibt, bereits 1996 an der
      Börse plaziert. Seitdem zeigt sich, daß Atomstrom nicht gegen billigen
      Strom aus Gaskraftwerken konkurrenzfähig ist. Da die britische
      Regierung wegen ihres Atomwaffen-Arsenals auf AKWs angewiesen ist
      - zumindest solange sie sich nicht zu atomarer Abrüstung durchringen
      kann - , war sie immer wieder gezwungen, den britischen
      Atom-Konzernen mit "Nothilfen" in Milliardenhöhe unter die Arme zu
      greifen.2 

      Nicht anders in den USA: Auch dort hat seit der wirtschaftlichen
      Liberalisierung der Reagan-Zeit kein Unternehmen Interesse daran
      gezeigt, Geld in den Neubau eines AKWs zu investieren. Seit einem
      Vierteljahrhundert wurde in den USA kein AKW mehr in Auftrag
      gegeben. Doch der damalige Präsidentschaftskandidat George W. Bush
      löste im Jahr 2000 - ähnlich wie heute Gordon Brown - mit seinem
      Versprechen, die USA in eine neue Ära der Atomenergie zu führen, in
      den Reihen der Anti-Atom-Bewegung Ängste aus. Auch Präsident Bush
      jr. konnte - ebenso wie sein Vorgänger William Clinton - die Wirtschaft in
      den vergangenen sieben Jahren nicht zu einem Wiedereinstieg in ein
      solch spekulatives Geschäft motivieren. Laut FinanzexpertInnen ist mit
      einer Amortisation der investierten Gelder nicht vor Ablauf von zehn
      Jahren zu rechnen - wohlgemerkt: zehn Jahre ab Betriebsbeginn
      gerechnet, bei zuverlässiger staatlicher Subventionierung des
      Atomstroms und bei Uranpreisen auf dem Niveau zur
      Jahrtausendwende. 

      Kurz vor dem G8-Gipfel in Heiligendamm im Juni 2007 versuchte sich
      US-Präsident G.W. Bush erneut als Prophet einer Atom-Renaissance:
      Ein 22 Jahre zuvor stillgelegter Reaktor im AKW Browns Ferry werde
      wieder hochgefahren, kündigte er an. Bereits zwei Tage später mußte
      der Reaktor wegen Rohrbruch sang- und klanglos abgeschaltet
      werden.3 

      Da eine Renaissance der Atomenergie aus wirtschaftlichen Gründen
      völlig absurd erscheint - zumal bei steigenden Uran-Preisen, kommen
      für die Pläne der britischen Regierung nur in einer Hinsicht rationale
      Erwägungen in Betracht: Gordon Brown mußte die britischen
      Parlamentswahlen im vergangenen Herbst verschieben, weil er
      angesichts düsterer Meinungsumfragen mit einer Abwahl rechnete.
      Wenn er der sterbenden britischen Atom-Branche mit
      Milliarden-Subventionen zum Bau neuer Atomkraftwerke und so zum
      Überleben verhilft, darf er auf den Rückfluß einiger Millionen als
      Wahlhilfe rechnen. Daß diese Bauten dann in zehn oder fünfzehn
      Jahren als Milliarden-Ruinen in der Landschaft herumstehen werden, ist
      zwar für die britische Volkswirtschaft wenig rational, doch für beide
      Seiten recht lukrativ. Wie das Beispiel der deutschen Milliarden-Ruinen
      in Kalkar (Schneller Brüter, aufgegeben 1991, offizielle Kosten: 5
      Milliarden Mark) oder Hamm-Uentrop
      (Thorium-Hochtemperatur-Reaktor, stillgelegt 1989, offizielle Kosten: 6
      Milliarden Mark) zeigt, wäre dies nicht das erste Mal in der an
      Kuriositäten reichen Geschichte der Atomenergie. 

      Als rationales Motiv für eine britische Atom-Renaissace kommt die
      herannahende Klimakatastrophe wiederum nicht in Betracht. Einmal
      ganz abgesehen davon, daß PolitikerInnen von Klimapolitik allenfalls
      reden, aber niemals etwas zu tun gewillt sein werden, da ihr Lohn sich
      auf den Dank derer beschränken würde, die nichts zu vergeben haben
      als ein Kreuzchen auf einem Stimmzettel - bei einem Ausbau der
      Atomenergie stünde der finanzielle Aufwand in keinem Verhältnis zum
      erreichbaren Effekt. Bekanntlich ist Atomstrom keineswegs
      klimaneutral, sondern verursacht bei Berücksichtigung der gesamten
      Produktionskette mehr Kohlendioxid pro Kilowattstunde als Strom aus
      regenerativen Energien. Weiter ist zu berücksichtigen, daß die bis heute
      übrig gebliebenen zehn britischen AKWs lediglich rund 20 Prozent des
      britischen Strombedarfs decken. Würden tatsächlich zehn AKWs
      gebaut - und betrieben - könnte der britische Ausstoß an Kohlendioxid
      lediglich um vier Prozent reduziert werden. Die Investition von fünfzig
      Milliarden Euro ließe sich hingegen zum Bau von Ökokraftwerken
      verwenden, um so den Ausstoß an Kohlendioxid um über 90 Prozent zu
      verringern. 

        

      REGENBOGEN NACHRICHTEN 

        

      Anmerkungen 

      1 Siehe hierzu unseren Artikel: 

            IPPNW: Uranvorräte bestimmen 
            Zeitpunkt für "Atomausstieg" (31.10.05) 

      2 Siehe hierzu unseren Artikel: 

            'British Energy' und der europäische Atom-Ausstieg 
            Blair kämpft ums Überleben des Atom-Konzerns 'British Energy' 
            (8.05.04) 

      3 Siehe hierzu unseren Artikel: 

            Reaktor im AKW Browns Ferry nach zwei Tagen 
            wieder abgeschaltet: Rohrbruch (30.05.07) 




Mehr Informationen über die Mailingliste fessenheim-fr