[fessenheim-fr] hitzefrei für AKWs

Klaus Schramm 078222664-0001 at t-online.de
Do Jul 27 23:32:05 CEST 2006


Hallo Leute!

Einige französische AKWs haben hitzefrei, andere glühen bereits... 
Übrigens stimmen zwei "Kleinigkeiten" im folgenden Artikel der 
FR nicht: 
1. Die französischen AKWs wurden nicht wegen dem Ölpreisschock in den 70ern 
gebaut - die gesamte Technologie benötigte 20 Jahre Vorlaufzeit und staatliche 
Milliarden-Subventionen - , sondern wegen der force de frappe. 
2. Zugekauft werden mußte nicht Leistung, sondern Arbeit (Energie) - also MWh
(Megawattstunden). Im hinteren Teil - 17.000 MW Windstrom stimmt's dann
wieder. Da geht's um Leistung.
Ciao
   Klaus Schramm
   klaus.schramm at bund.net


FR, 28.07.06

Hitzewelle

Frankreich muss im Ausland Elektrizität zukaufen

Éléctricité de France, Stromgigant mit 59 Atomkraftmeilern 
an Frankreichs Flüssen und Küsten, muss 2000 Megawatt elektrische Leistung 
importieren, weil derzeit die Reaktoren nicht auf vollen Touren laufen können.

Kühlwasser wird knapp (ap)

Paris - Was auf den ersten Blick wie eine absurde Nachricht wirkte -
normalerweise exportiert die Éléctricité de France (EDF) rund zehn Prozent
ihrer Stromerzeugung in die europäische Nachbarschaft -, entpuppte sich beim
Hinschauen als Resultat einer Energiepolitik, die das Land in eine
außergewöhnliche Abhängigkeit vom Atomstrom brachte.

Stolze 85 Prozent ihrer Stromproduktion - und damit weltweit den höchsten
Anteil - erzeugt die EDF in ihren Atommeilern. Was Anfang der siebziger Jahre
als Antwort auf den ersten Ölpreisschock als energischer Versuch begann, die
Autarkie Frankreichs auf dem Energiesektor wenigstens in Sachen Elektrizität 
zusichern, entwickelte sich in der Folge zu einer veritablen Sackgasse. 
Dennanders als die europäischen Nachbarn mit ihren regionalen und lokalen
Strukturen setzte die zentralistische EDF nahezu ausschließlich auf den
Atomstrom und vernachlässigte alle anderen Produktionsstätten, von
Erneuerbaren Energien wie Wind- und Sonnenkraft oder Biomasse ganz zu
schweigen.

Zum wiederholten Male rächt sich diese Investitionspolitik in diesem 
heißenSommer. Verklausuliert und beschwichtigend erklärte die EDF in der
vergangenen Woche, man habe auf dem europäischen Strommarkt
"vorbeugend" 2000 Megawatt "eingekauft", weil die niedrigen 
Wasserstände in Frankreichs Flüssen dazu führten, dass einige Meiler 
heruntergefahren werden mussten. Dabei verbrauchten die Konsumenten in den 
französischen Haushalten und Betrieben trotz heftig laufender Klimaanlagen 
Anfang dieser Woche gerade mal etwas mehr als 59 000 Megawatt und damit 
erheblich weniger als den am 27. Januar 2006 realisierten "Rekord" von 86 280 
Megawatt.

Aber schon diese Menge war zuviel für die EDF, die acht Kraftwerke zu
notwendigen Wartungsarbeiten stillgelegt, andere heruntergefahren hatte, weil 
die genehmigten Grenzwerte für die Aufheizung des Kühlwassers 
sonst überschritten worden wären. Also musste bei den Nachbarn Ersatz beschafft 
werden, und die Zeitung Libération fand schnell heraus, dass die EDF ihren 
eigenen Strom zurückkauft.

Denn akquiriert wurden die zusätzlichen Megawatt in der Schweiz und in Italien.
Dort und in Deutschland sitzen Stromversorger, die sich an den
Investitionskosten für die EDF-Meiler in Fessenheim, Bugey und Cattenom 
beteiligten und dafür Anteile an der dortigen Stromproduktion erwarben - sowie
das Recht, diese an die EDF zurückverkaufen zu können.

Aber es sollte noch schlimmer für die EDF kommen. Nur kurz nach der
demütigenden Meldung über den Zukauf musste der Konzern auch die 
staatlicheGenehmigungsbehörden bitten, für "kurze Zeiträume" und "unter strenger
Überwachung der Folgen für die Tier- und Pflanzenwelt" an mehreren
Kraftwerksstandorten die Grenzwerte für die Aufheizung des Kühlwassers
überschreiten zu dürfen. Was da als "leicht erhöhte" Temperatur verniedlicht
wurde, brachte die sonst kaum zur Kenntnis genommenen französischen
Atomkraftgegner vom Netzwerk "Sortir du nucléaire" (Raus aus dem
Atomstrom) auf die Palme.

Denn in Golfech wird künftig das Kühlwasser mit 30 anstatt sonst maximal 28Grad 
Celsius in die Garonne zurückfließen, während es in Bugey an der Rhône
27 Grad sein werden, wo der Grenzwert bei 24 Grad liegt. Eine Hiobsbotschaft
für Naturschützer.

Der Staat und der Energiekonzern wollen aber an ihrer Atompolitik festhalten
und haben in Flamanville in der Normandie bereits den ersten Reaktor der neuen 
EPR-Klasse in Auftrag gegeben, der den dortigen Meiler ab 2012 an ablösen
soll. Weitere 19 Reaktoren müssten bis zum Jahr 2020 abgeschaltet werden,
wenn sich die EDF an ihre eigene Vorgabe von 40 Jahren Betriebszeit halten
will.

Klägliche Bilanz

Kläglich sieht die Bilanz der Erneuerbaren Energien in Frankreich angesichts
dieser strahlenden Vergangenheit aus, wie Industrieminister François Loos erst
dieser Tage einräumen musste. Frankreich werde seine europäische
Verpflichtung, auf 21 Prozent Erneuerbare Energien am Strommix zu kommen,
nicht erfüllen können, sondern gerade einmal 17 000 Megawatt (derzeit weniger
als 1000) Windstrom im Jahr 2015 schaffen.

Und dass Atommeiler nur dazu taugen, die Grundlast des elektrischen
Verbrauches in einem Land zu decken, scheint auch erst jetzt in die Köpfe der
Planer zu dringen. Nun sollen Gas- und Ölkraftwerke ausgebaut werden, um
Spitzenbelastungen wie die derzeitigen aufzufangen.

Hans-Helmut Kohl




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