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Klaus Schramm 078222664-0001 at t-online.de
Mi Okt 12 14:20:20 CEST 2005


Hallo Klaus Bindner!

Ich könnte meine Antwort an Dich gerade mit einer Kopie der ersten zehn Worte 
deines e-mails beginnen und schreiben:

>>Hallo Klaus,
wie kann man nur so verblendet sein und beim Geschwätz einer Regierung
annehmen, dabei handele es sich um Realität?<<

Da dies aber über die Mailing-Liste gehen soll und vermutlich nicht alle eine 
solche Formulierung als Ironie identifizieren würden, sondern als "Heimzahlen in 
gleicher Münze", will ich mal so antworten:

Du nimmst das Versprechen eines "Atomausstiegs" für bare Münze und behauptest - 
entgegen jeder Erfahrung mit irgendwelchen Versprechungen der letzten sieben 
Jahre - , dieser versprochene Atomausstieg wäre bei einem Erhalt der 
"rot-grünen" Regierung schon noch gekommen. Dabei ist es allein schon 
realitätsfremd, die Konsens-Regelungen mit der Atommafia, die dieser von 2000 
bis heute nur Vorteile verschaffte, als Ausstieg zu bezeichnen.

Wer sich in der Beurteilung, ob in den letzten sieben Jahren ein Atomausstieg 
beschlossen oder gar begonnen worden ist nicht allein auf Regierungspropaganda 
oder Artikel in den Mainstream-Medien verlassen, sondern sich unabhängig 
informieren möchte, sei bei dieser Gelegenheit auf folgende Internet-Seite 
verwiesen:
Info-Serie Folge 2 'Atomausstieg'
www.netzwerk-regenbogen.de/akwi02050102.html

Eine kleine Ergänzung im Hinblick auf die IAEO folgt am Ende. Eine Antwort auf 
Deine Frage, was von einer deutschen Bundesregierung erreichbar gewesen wäre, 
folgt weiter unten. (Ich bitte Dich, das ausnahmsweise - im Unterschied zu 
unserer schriftlichen Diskussion vor der Bundestagswahl - auch mal durchzulesen 
und nicht zu behaupten, ich würde Dir nicht antworten.)

Nur mal für den Fall, daß dieses Vertragswerk, das als "Atomausstieg" 
angepriesen wurde, mehr als das Papier Wert wäre, auf dem es geschrieben wurde: 
Eine Verdoppelung des Atommülls, der allein bis 2000 produziert wurde - das wäre 
also ernsthaft als Ausstieg zu bezeichnen?

Aber selbst diese Selbsttäuschung wäre ja nur auf der Grundlage eines Vertrauens 
in die Vertragsmündigkeit der "rot-grünen" Bundesregierung möglich. Du 
ignorierst standhaft das Beispiel Schweden (, auf das ich Dich bereits in 
früheren Stellungnahmen hinwies). Sonst müßtest Du erkennen, daß weder Verträge 
mit der Atommafia (dort: Vattenfall) etwas wert waren, noch Ergebnisse von 
Volksabstimmungen, noch Parlamentsbeschlüsse.

Wach endlich auf!

Wenigstens behauptest Du nicht mehr, der Atomkonsens habe in den letzten sieben 
Jahren eine positive Bilanz gehabt.

Glaubst Du etwa, E.on, EnBW, Vattenfall und RWE haben nicht auch hier in 
Deutschland "den Wunsch", die AKWs bis zum St.-Nimmerleinstag weiter zu 
betreiben? Glaubst Du, hier in Deutschland halten die sich freiwillig an 
Verträge? Wo lebst Du denn?

Was wäre für eine unabhängigen deutschen Bundesregierung "erreichbar gewesen"?

Eine unabhängige deutsche Bundesregierung hätte allein mit marktwirtschaftlichen 
Mitteln einen Atomausstieg innerhalb von wenigen Wochen durchsetzen können, 
gegen den sich die Atommafia - im Unterschied zum diskutierten 
"Enteignungsgesetz" oder einer einseitigen Auferlegung von Restlaufzeiten - 
nicht einmal auf juristischem Wege hätte wehren können. Wenn die Produktion von 
Atomstrom teurer als der jeder anderen Art der Stromerzeugung geworden wäre - 
was er real ja ist - , hätten E.on, EnBW, Vattenfall und RWE sämtliche AKWs 
sofort gestoppt.

Ich habe das Vergnügen, Deinen von Dir so hoch verehrten Franz Alt zu zitieren, 
der in diesem Falle einmal gut informiert war. Der folgend hier einkopierte Text 
entstammt einer Rede, die Franz Alt am 18.03.2000 auf einem "grünen" 
Bundesparteitag hielt (dokumentiert auf den Internet-Seiten von NETZWERK 
REGENBOGEN). Es kann also zum Glück nicht behauptet werden, sie hätten's nicht 
gewußt, wie ein Atomausstieg erzwungen werden könnte.

"Die Konsens-Ideologie erweist sich, je länger an ihr festgehalten wird, als 
Nonsens-Philosophie. Es ist eben grundsätzlich unmöglich, mit der Metzgerinnung 
einen Konsens über die Einführung des Vegetarismus zu erreichen. (...) Schluß 
mit dem Theater der Konsens-Gespräche. Raus aus der selbst gestellten 
Konsens-Falle. (...) Sie haben es lange genug versucht, aber nun ist hinlänglich 
bewiesen: dieser Weg bringt keinen wirklichen Ausstieg. Sie sollten natürlich 
nicht das Ziel des Atomausstiegs aufgeben, wohl aber den bisherigen Weg. Die 
Alternative ist offensichtlich  - und zwar ohne die Gefahr, Entschädigungen zu 
riskieren. Der einfachste und systemkonformste Weg ist der, den der 
SPD-Abgeordnete Hermann Scheer und die ÖDP vorgeschlagen haben. Machen Sie den 
weiteren Betrieb von Atomkraftwerken wirtschaftlich uninteressant. Gehen Sie 
dabei konsequent einen marktwirtschaftlichen Weg in vier Schritten: 
1. Besteuern Sie Atombrennstoffe realistisch - entsprechend den fossilen 
Energien.
2. Sorgen Sie dafür, dass auch Atomkraftwerke realistisch versichert werden 
müssen. Es ist doch nur recht und billig, daß ein AKW so realistisch versichert 
werden muß wie jeder Pkw. Das heißt: die Schadenshaftung bei Reaktorunfällen von 
gegenwärtig 500 Millionen Mark um das 10-fache erhöhen  - so wie es Fachleute 
schon lange empfehlen.
3. (...) und
4. bereiten Sie den Weg für die Wettbewerbsgleichheit im Strommarkt. Das heißt: 
Die 60 Milliarden Mark Entsorgungsrückstellungen der Atomwirtschaft müssen in 
einem Fond deponiert werden, damit sie nicht länger zweckentfremdet werden 
können für den Einkauf bei allen möglichen Branchen, sondern für die spätere 
Entsorgung zur Verfügung bleiben. Die Atomwirtschaft darf nicht länger Staat im 
Staate sein."

[3. hab ich weggelassen, weil es Blödsinn war - übrigens der einzige Punkt den 
"Rot-Grün" (im zweiten Teil) realisiert hat! Wenn's Dich interessiert, lies es 
nach...]

So, und jetzt zum Schluß noch zum Thema "Atomausstieg" und IAEO:

Es ist völlig abwegig, anzunehmen, die IAEO kämpfe "gegen den deutschen 
Atomausstieg." Die IAEO ist auf diesem Feld viel zu gut informiert, als daß sie 
die "rot-grüne" Propaganda vom Atomausstieg für bare Münze nehmen würde - und 
das müßte sie ja wohl, wenn sie (real) "kämpfen" würde. Mohammend al-Baradei, 
der ja nun stellvertretend für die IAEO mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet 
wird, hat sich selbst höchstpersönlich erst vor wenigen Jahren als Chef der IAEO 
der Forderung seines Vorgängers Hans Blix angeschlossen, daß die Verwendung 
hochangereicherten Urans im Forschungsreaktor Garching unterbleibt. Doch selbst 
der Protest der USA an die deutsche Bundesregierung, in dem klar von einem Bruch 
des Non-Proliferations- Abkommens die Rede ist, hat nichts genützt. Um nicht 
falsch verstanden zu werden: Ich erwähne hier die US-Regierung nicht, weil ich 
ihr in Sachen Atomtechnologie und Atomwaffen eine moralische Autorität zubillige 
- ebenso wenig wie der deutschen "rot-grünen" Bundesregierung gegenüber dem Iran 
und seinen Atomwaffenplänen - , sondern um damit die Dimension des Problems 
deutlich zu machen: Eine deutsche Regierung (Schröder wurde ja auch für den 
Friedens-Nobelpreis vorgeschlagen - das paßt!) ist so scharf auf die A-Bombe, 
daß sie es in dieser Sache auf einen Konflikt mit der US-Regierung ankommen 
läßt.

Mich würde nicht wundern, wenn Du von diesen Zusammenhängen keine Kenntnis hast. 
Die deutschen Mainstream-Medien blenden dieses Thema konsequent aus. Die Fakten, 
die Stellungnahmen der IAEO und der US-Regierung, sind jedoch öffentlich und 
überprüfbar.

Ciao
   Klaus
   klaus.schramm at bund.net


Klaus Bindner schrieb:
Hallo Klaus,

wie kann man nur so verblendet sein und bei einem zu langen Ausstiegszeitraum 
grundsätzlich von einer Lüge des Atomausstiegs zu sprechen. Es müsste dir doch 
nicht entgangen sein, dass der Wunsch besteht Fessenheim 60 Jahre im Betrieb zu 
halten und es auch in Deutschland entsprechende Wünsche gibt.

Ist dann nicht alles - vereinfacht gesagt - vor 60 Jahren ein Ausstieg?

Eine unberechtigte Bezichtigung der Lüge ist Gift. Und giftige Sachen kann ich 
nicht akzeptieren, ob es nun Radioaktivität oder Worte sind. Dieses Gift lähmt 
auch die Einigkeit bei den Atomkraftgegnern. Und an einer Lähmung kann dir ja 
auch nicht gelegen sein.

Also bitte überdenke endlich mal diesen Unfug und bezeichne mal konkreter, was 
ohne den Reinfall der "Enteignung" nach deiner Meinung erreichbar gewesen wäre.

Grüße Klaus Bindner




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