[Debatte-Grundeinkommen] zu Tims negativem Zinseinwand gegen's bGE

Karin Teetzen karin at inkat.de
So Jan 15 14:27:13 CET 2017


Hallo Ulrich, 

> Na, gut , noch eine  Antwort, solange wir dieses Niveau beibehalten:
> In dem Lebensmittemarkt sind gerade die Kräfte absolut 
> ungleich verteilt Symptom dafür ist auch die von dir erwähnte 
> Tatsache der
> Lebensmittelvernichtung:
> NIEMAND auf der Welt muß hungern, wenn es nur keine freien 
> Markt für Lebensmittel gäbe, die Auswahl ist unendlich groß 
> und dadurch wieder sehr gering, denn die wirkliche Auswahl 
> liegt nicht in den Regalen der Discounter die Qualität ist 
> nicht erkenn bar, die Regierung verhindert z. B, die 
> Einführung der Fett-Ampel Zuletzt hat die Kennzeichnung der 
> Hennen-Haltungsform auf den Eiern durch Renate Künast 
> funktioniert oder das Dosenpfand von Jürgen Trittin,  daß 
> unsere Umwelt vor riesigen Müllmenge befreit, im Gegensatz zu  europ. 
> Ausland
> Fazit: Der Staat, wir, dürfen den Handel nicht dem freien 
> Markt überlassen

Jetzt schmeißt du aber ein paar verschiedene Dinge in einen Topf: Das eine
ist der Markt für Lebensmittel, dass andere ist die Verteilung von Einkommen
und Vermögen und Demokratische Teilhabe ALLER an unserer Gesellschaft. 

Der Lebensmittelmarkt funktioniert. Die Verteilung der Lebensmittel, die
Preisgestaltung der Lebensmittel, das regelt der Markt, nicht mehr und nicht
weniger. 

Die ungleichen Einkommensverhältnisse innerhalb unserer Gesellschaft vor Ort
und auf der gesamten Welt haben nichts mit diesem Markt zu tun. Auch das
Gesetze zu Ungunsten der unteren Einkommensschicht verabschiedet werden oder
keine Rücksicht auf unsere Umwelt genommen wird, ist nicht diesem Markt
zuzuschreiben sondern dem Kapitalistischen Gesellschaftssystem. 

Der Kommunismus der UDSSR, der ja keinen Markt kannte und deshalb ja deiner
Meinung frei von Hunger sein sollte, hatte mehrere große Hungersnöte und
musste zeitweise Getreide im Westen kaufen um über die Runden zu kommen. 

Und selbst wenn auf der ganzen Welt ein egalitäres System etabliert wird und
im Normalfall auch alle gut versorgt werden könnten, gegen weltweite
Katastrophen wie den Ausbruch eines großen Vulkans wie im Jahr 1816, einem
"Jahr ohne Sommer", würde das auch nicht helfen. 

Ich fürchte, du bist auch auf die, leider weit verbreitete und häufig zu
hörende, Lehrmeinung hereingefallen, ein (neoliberaler) Markt und der
Kapitalismus sind ursächlich miteinander verbunden. Dies ist aber nicht so,
der Markt ist ein ökonomisches System zur Preisfindung, der Kapitalismus ein
Gesellschaftssystem zur Machtverteilung. 

> Wenn du Mindestlohn, Aufstockung und Hartz 4 als Alternative 
> zu dem "Arbeitsmarkt" vorher siehst, dann fehlen mir die 
> Worte In der Grünen Partei gibt es wohl die größte Menge von 
> Politikern, die sich konstruktiv mit dem bGe beschäftigen, 
> reden tun  viele darüber (Piraten), nicht einmal die Linke 
> traut sich daran, aufgrund ihrer Freundschaft zu dem Gewerkschaften

Wenn die Grünen, von den 100% der Veränderungen die ich mir Wünsche, 2%
statt wie die anderen Parteien nur 1% in ihrem Programm haben, soll ich sie
gut finden? 

Die Grünen haben Hartz IV mit beschlossen! Dieses menschenverachtende System
jetzt verteidigen zu wollen und die Grünen als einzig selig machende Partie
darzustellen, bloß weil sich ein größerer Teil als bei den anderen mit dem
BGE beschäftigt, halte ich für ziemlich arrogant. 
 
> Weshalb haben wir uns aus den Produktionsweisen der Steinzeit 
> oder des Mittelalters entfernt? Weil es immer Menschen mit 
> Erfinder- und Entdeckergeist gegeben hat. Mit 
> Produktions-Effektivität hat das nichts zu tun, das ist 
> höchstes die negative Auswirkung daraus. 

Die Menschen machen doch Erfindungen um etwas leichter und besser
produzieren zu können!? Alle Erfindungen dienen letztlich dem
Produktivitätszuwachs. Welche Erfindungen dienen den anderen Zwecken? 

Und ich halte den technologischen Fortschritt, der es uns ermöglicht auch
ganz andere Dinge tun zu können, als zu 100% in der Landwirtschaft zu
arbeiten oder auf der Jagd zu sein als sehr positiv. 

Selbst die Erfindung des Feuers vor 1 Mio. Jahren diente dazu die
Lebensmittel besser verdauen zu können, also effektiver bei der Jagd zu
sein. Effektiver in seiner Umwelt zurecht zu kommen ist der evolutionäre
Vorteil, der uns überhaupt erst zum Menschen hat werden lassen. 

Mir selbst wird häufig vorgehalten ein Utopist zu sein, etwas unmöglich zu
Verwirklichendes zu wollen. Ein Leben, ohne effektive Produktion, ohne
technischen Fortschritt, für 7 Milliarden Menschen auf der Erde, halte
selbst ich für unmöglich. 

Vielleicht verstehe ich dich ja jetzt auch völlig falsch. Schreib doch mal,
wie du dir das Leben OHNE Effektive Produktion im Detail vorstellst! 

> Du verurteilst ja 
> auch "die Macht" und suchst Auswege daraus und denkst an die 
> Grüne "Rotation"

Die Grünen haben die Rotation wieder abgeschafft und sind jetzt eine Partei
mit derselben Machtpolitik wie jede andere.
 
> Ich mag das bGe nicht als Luxus in unserem westlichen System 
> bezeichnen, sondern als notwendige Wende in unserem 
> Sozialsystem , eben dieses menschlicher zu gestalten, eben 
> die Aufgabe der Politik.

Das habe ich schon ein paar Mal geschrieben, aber immer wieder gern: Das BGE
ist ein Instrument um den Kapitalismus zu stabilisieren. Wenn es kommt, dann
aus ökonomischen Gründen und nicht aus humanitären. Das es dabei (bei
entsprechender Ausgestaltung) mehr Gerechtigkeit bringt und eine egalitäre
Gesellschaft überhaupt erst ermöglicht ist dabei Nebensache. 

Wer nur aus sozialromatischer Sichtweise heraus das BGE unterstützt, könnte
später böse aufwachen.

> Ich bin, schrieb ich erst, weit weg von der Ansicht, unser 
> Wirtschafts- und Arbeitssystem sei human. ...

Da stimme ich dir zu. 

> Das System der DDR ist untergegangen, weil es sich nicht von 
> seiner Schutzmacht befreien konnte oder wollte und weil  die 
> Schutzmacht USA in unserem Fall gescheiter handelte, nämlich 
> viel Geld hineingeben um noch ein vielfacheres heraus zu 
> ziehen (Minister Marshall) In der DDR war die Emanzipation 
> unausgereift, die Abhängigkeit von der Schutzmacht größer

Das System der DDR ist untergegangen, weil die Menschen sich dieses
menschenverachtende und angstmachende System nicht mehr länger haben bieten
lassen. Ein System funktioniert nur so lange, wie die Menschen an das System
glauben und es unterstützen. Selbst eine Diktatur braucht eine kritische
Masse an Menschen die davon profitieren, sonst geht sie unter.
 
> Am 17. 6. 1953 (Ostberlin) und am  2. 6. 1967 (Benno 
> Ohnesorge) siehst du, wie in dem jeweiligen Teil Deutschlands 
> Aufstände niedergeschossen wurden, also sprich nicht von 
> menschlicherem oder unmenschlichem System.

Schlechtes Beispiel, du weißt schon, das Benno Ohnesorge von einem
Stasi-Mitarbeiter erschossen wurde, oder? 

Ich weiß aber, was du damit sagen möchtest. Natürlich haben (hatten) wir
auch hier in der BRD kein humanes System, bei dem der Mensch im Vordergrund
steht. Auch in unserer 'Demokratie' gibt es Praktiken, die genauso in einem
Terrorregime stattfinden könnten. Unser Überwachungsstaat dient durchaus der
Einschüchterung unserer Bevölkerung, auch wenn er offiziell wegen der
'Terrorgefahr' eingeführt wurde. 

In der BRD hat die Obrigkeit es nur besser geschafft, die Menschen davon zu
überzeugen 'bei den Guten' zu sein und die anderen als 'das Böse'
darzustellen, dies wirkt ja auch noch bis heute nach. 

Beide Systeme, die BRD wie auch die DDR, deshalb Human zu nennen ist IMO
falsch. Tendenziell halte ich aber trotzdem die DDR für das noch
unmenschlichere System im Vergleich zur BRD. 

Liebe Grüße
Karin




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