[Debatte-Grundeinkommen] inflationäres blabla

Karin Teetzen karin at inkat.de
Mo Jan 9 19:42:00 CET 2017


Hallo Bert, 

>> Wenn du das BGE wirklich NUR für Existenzsicherung haben möchtest, wären
wir
>> bei so etwas wie Hartz IV Niveau und es wäre dann fraglich, ob wirklich
ALLE
>> damit zurechtkommen würden. 

> ... Klar können die dann z. B. eine Kleinunternehmung querfinanzieren,
aber 
> das ist m. E. nicht der politisch gemeinte gesamtgesellschaftliche Gehalt 
> eines bGE. bGE soll zumindest vorerst die soziokulturelle Existenz im 
> gesellschaftlichen Schnitt absichern, nicht mehr, nicht weniger.
	
Da gebe ich dir Recht. Das BGE soll in erster Linie für den Konsum da sein. 

Ich bezog mich auch nur darauf, dass du mit einem BGE + deinem
bedingungslosem Wirtschaftseinkommen eben dafür sorgst, dass ein Teil des
'zugeteilten' Geldes eben nicht für den Konsum verwendet werden darf. 

Sosehr ich eine Mitbestimmung ALLER an den Entscheidungen Pro/Contra
Investitionen in ein Unternehmen befürworte, so halte ich eben das feste
Zuordnen von Konsumgeld/Wirtschaftsgeld dabei für Problematisch.


>> Nun, wenn eine Firma gegründet wird, die ineffektiv Wirtschaftet, z.B.
>> Maschinen einsetzt, die viel Strom verbrauchen, und dies dann eine andere
>> Firma verhindert, die Maschinen einsetzt, die wenig Strom verbrauchende
>> Maschinen einsetzen würde, so wäre das schlecht für die Umwelt. ;-)
		
> Kein Einwand. Aber warum denkst du, dass mein Vorschlag solche
destruktiven 
> Verhaltensweisen in irgendeiner Weise begünstigen würde? Er sieht zwar
eine 
> radikale Umgestaltung einiger systemischer Parameter vor, nicht aber ein 
> Ende von marktvermittelten Konkurrenzverhältnissen. Zudem sind Menschen 
> grundsätzlich ja schon auch irgendwie vernunftbegabt. Leuchtet mir nicht
ein, 
> was du damit sagen willst.
	
Das bezog sich auf deinen Satz: 

> "Wirtschaftliche Sinnhaftigkeit ist eine Bedingung, die ich 
> gesamtgesellschaftlich gern über Bord werfen würde


>>> Andere Aktivitäten könnten wirtschaftlich Sinn machen und 
>>> auch vernünftig sein, werden aber von den etablierten Playern 
>>> nicht zugelassen, weil die sich nicht die Butter vom Brot 
>>> klauen lassen wollen. 
			
>> Das wird auch das BGE nicht verhindern. Das ist ein Merkmal des
Kapitalismus
>> und wird erst mit der Überwindung desselben verschwinden. 
		
> Ich hatte auszuführen versucht, dass ein bedingungsloses
Wirtschaftseinkommen 
> neben einem bGE inflationsresistent über Geldmengenerhöhung finanziert
sehr 
> wohl grundsätzlich dazu in der Lage wäre, weil es eben eine
Demokratisierung 
> der Gesamtwirtschaft befördern würde. 

WENN das BGE entsprechend hoch ist und WENN du eine hohe Inflation hast und
WENN wegen des bWE das freie Kapital im Markt wirklich vernachlässigbar
wird, dann könntest du Recht haben. ;-) 

Das Potential beim BGE für Gesellschaftliche Veränderung ist enorm. Deshalb
befürworte ich es ja auch. Es kommt eben auf die Ausgestaltung an, ob deine
(unsere) Ziele auch damit erreicht werden können. 


> Für das bGE-Geld in meinem Vorschlag wäre Papier- oder Münzform echt
dämlich - was nicht heißt, dass deshalb alles andere Geld digital werden
muss. 

Wie willst du verhindern, dass wir einen Überwachungsstaat bekommen? 


> Inflation ist eine starke Motivation, die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes
zu erhöhen, schnell weg damit, Lieferanten bezahlen, Kredite abtragen,
Investitionen tätigen. 

Erinnert mich an Gesell mit seinem Schwundgeld, nur mit umgekehrtem
Vorzeichen. ;-)


> Wird's irrational, kann's aber selbstverständlich schnell Richtung
Hyperinflation gehen 
> - was in der Konsequenz auch das bGE zerschießen könnte, wenn nämlich die
produktiven 
> Kapazitäten plötzlich wegen Hyperinflation gar nicht erst mehr genutzt
werden würden.  
	
Da halte ich deinen Ansatz für stabiler, als du es selbst wohl siehst.
Gerade durch eine Hyperinflation würde das System viel stabiler. Weil die
Menschen trotzdem Essen kaufen müssten und diese Grundlast an Konsum (über
das BGE Inflationssicher) würde die Wirtschaft dann in ganz kurzer Zeit
wieder normalisieren. Und das ganze überschüssige Kapital wäre mit einmal
weg. :-)	


>> Dann dürfen aber keine Gewinne aus den Investitionen zurückfließen, weil
die
>> Leute sonst wieder anfangen zu spekulieren. 
>> Und wenn die Leute das WE nicht für privaten Konsum benutzen dürfen,
werden
>> sie es überhaupt als ihr eigenes Geld ansehen?

> Sorry, Karin, ich glaube, wir leben im Kapitalismus und dass der auch
nicht 
> mit der Einführung eines bGE plötzlich zu existieren aufhören würde.
Spekulationen 
> wird's also sowieso weiter geben. Die Vorstellung von 'eigenem Geld' ist
m. E. 
> gerade ein zentrales Problem des Geldfetischs. Geld ist gesellschaftliches
Verhältnis 
> und gehört als solches niemandem persönlich, sondern ist eine systemische
Eigenschaft 
> unseres gesellschaftlichen Stoffwechselprozesses. Genau dieser Punkt, dass
wir 
> kooperierende, soziale Gesellschaftswesen sind, würde mit einem
bedingungslosen 
> Wirtschaftseinkommen tatsächlich bewusster gemacht werden als heute,
vermute ich. 
> Aber solche Wesen sind wir auch bereits heute, auch im Kapitalimus.

Die Leute dürfen sich also wie Kapitalisten verhalten, aber wenn sie das
tun, hat es für sie keinen Vorteil, weil alles Vermögen über die Inflation
gleich wieder weniger wird? Und das Geld, was sie erwirtschaften, dürfen sie
auch nicht für sich behalten und ausgeben, sondern höchstens wieder neu
investieren? Warum sollten die Menschen dann mehr Interesse am
Wirtschaftsgeschehen haben, als jetzt? 	

Ich befürchte, die werden das Wirtschaftseinkommen einfach auf ihren Konten
liegen lassen und sich nicht weiter dafür interessieren. Entweder, die Leute
haben konkret etwas von ihren Mühen, das bWE-Geld sinnvoll zu Investieren,
oder sie werden es sein lassen. :-(

Du könntest ihnen natürlich einen Arbeits-Lohn dafür zahlen, wenn sie das
Geld verteilen, aber ich weiß nicht so recht, ob dies deine Intention war.

>> Das wäre eine Überwindung des Kapitalismus, wenn es keine Anhäufungen von
>> Kapital in einer Hand gibt, sondern das gesamte Kapital verteilt auf alle
>> wäre. Da hast du dir aber was vorgenommen! ;-)
		
> Nein, nicht notwendig. Ich sage mit meinem Vorschlag nicht, dass ich alles

> heutige Geld und alles heutige Eigentum für ungültig erklären möchte. Das 
> würde ein Ende des Kapitalismus bedeuten. Mein Vorschlag will nur die 
> Geldmenge erhöhen, nicht sie ersetzen. Und der Eigentumsfetisch bleibt 
> fürs Erste komplett unangetastet.
	
Entweder, dein System funktioniert, dann hast du nach einiger Zeit den
Kapitalismus überwunden und es gibt kein (relevantes) freies Kapital mehr
oder es funktioniert nicht und dann wird am Ende dein BGE + BWE Anteil
relativ klein werden. Eine von den beiden Seiten wird nach einiger Zeit die
Überhand gewinnen. 

IMO gibt es kein dauerhaftes System dazwischen, in dem der Kapitalismus zu
einem großen Teil überwunden ist, also keinen gesellschaftlich relevanten
Einfluss mehr hat und gleichzeitig der egalitäre Teil der Wirtschaft in
seiner Wirkung genauso beschränkt ist. 

>> Ein hohes BGE kannst du dir nicht vorstellen, aber ein niedriges BGE UND
ein
>> WE (Zusammen in derselben Höhe), das kannst du dir vorstellen?
		
> Ja, weil ein bWE eine systemstabilisierende Funktion unter strukturell 
> inflationären Geldbedingungen hätte. Dafür kann ich rational auch 
> argumentieren, wenn meine Mitdiskutanten den Kaptialismus nicht
grundsätzlich 
> ablehnen. Für ein einfach irrwitzig hohes bGE ist es viel schwieriger,
rational 
> innerhalb kapitalistischer Verhältnisse zu argumentieren.

Tja, wer den Kapitalismus verteidigen will und gleichzeitig eine egalitäre
Gesellschaft möchte, hat's schwierig. ;-) 

Der Kapitalismus ist wie ein wildes Tier, das in Ketten und im Käfig
gehalten und, wenn es doch mal eine Lücke im Zaun findet, mit viel Mühe
wieder eingefangen werden muss. Da wäre es einfacher, ohne das Tier im Käfig
auskommen zu können. ;-)
	
Die Frage ist, brauchen wir den Kapitalismus wirklich? 


> Innerhalb des Kapitalismus sind Investitionen DIE gesellschaftlichen
Agenten des Fortschritts. 

Nun, Grundlagenforschung wird vom Staat finanziert, weil unsere
kapitalistischen Unternehmer nur kurzfristige Gewinne im Blick haben. Und
Produkte, die zwar aus ökologischen Erwägungen heraus sinnvoll wären, werden
nicht gebaut, weil die anderen Produkte mehr Gewinn machen. Produkte werden
sogar ganz ohne sinnvollen Einsatzzweck auf den Markt gebracht, wenn dies zu
Gewinnen führt. Teure Medikamente, weil die alten zu wenig Gewinn abwerfen
etc.. Firmen, die Umweltauflagen nicht einhalten, weil sie (in ihren Augen)
zu teuer sind. Lobbyisten, die Politiker bestechen um ihnen genehme Gesetze
zu bekommen usw.. 

Ich will jetzt nicht sagen, dass ALLES, was die kapitalistischen Unternehmen
machen nur schlecht ist, aber so Toll, wie du sie darstellst, sind sie nun
auch nicht. 

Ich kann mir in einer egalitären Gesellschaft durchaus Institutionen
vorstellen, die genauso effektiv den Fortschritt vorantreiben.
	

>> Es ist die Frage, ob nur für solch eine Message wirklich ein so komplexes
>> Konstrukt wie ein WE notwendig ist. Crowdfunding-Projekte gibt es auch
jetzt
>> schon. Du kannst auch jetzt schon gezielt Produkte kaufen um die
Wirtschaft
>> zu beeinflussen. Kein Mensch wird GEZWUNGEN Produkte von den
Megakonzernen
>> zu kaufen. 
		
> Mir ist echt unklar, was du daran komplex findest. 

Zwei Konten, davon eines, von dem man nichts kaufen darf, vom anderen, darf
ich nichts investieren! Dazu kommt, wie du es beschrieben hast, das
ausgegebene Geld, welches nicht mehr Inflationssicher ist. Du hast also
mindestens drei Sorten Geld. 

Wenn ich im Geschäft etwas kaufe, muss ich für einen Preisvergleich
technische Hilfsmittel zu rate ziehen, weil die Preise sich ständig ändern.
Alle Preise müssen in einer großen Datenbank erfasst werden um die Inflation
berechnen zu können. 

Unternehmer müssen für Gelder zum Investieren werben, statt wie jetzt
einfach zur Bank zu gehen und einen Kredit zu beantragen. Sie müssen
abschätzen, wie sich die Inflation in der nächsten Zeit wahrscheinlich
entwickeln wird und ihre Produktion und Preisgestaltung darauf abstimmen. 

Du hast Recht. Dies ist alles lösbar und die Menschen werden damit
zurechtkommen. Auch unsere jetzige Welt ist ja ziemlich Komplex. 

Aber es gibt eben auch einfachere Systeme! ;-)


> Heute haben wir eine massiv ungleiche Verteilung von Vermögen, folglich 
> im Prinzip überhaupt keine demokratische Gestalt dieses Prozesses. 

Ja eben, du möchtest die Vermögen verteilen. Ich möchte die Vermögen
abschaffen, wenn keine Vermögen mehr da sind, gibt es auch keine Probleme
mehr dadurch.


>> Wenn Firmen alle ihre Daten offenlegen, so wäre das Transparent und
>> wünschenswert. Bei Privatpersonen ist das anders. Und im Moment wird es
>> gerade andersherum gemacht. Firmen dürfen ihre Geschäftsgeheimnisse für
sich
>> behalten und Privatpersonen werden ausspioniert. 
>> Z.B. bei einem Handwerker: Er hat eine Firma und muss dort alles
offenlegen
>> (als juristische Person). Auf ausgezahlte Gehälter zahlt die Firma dann
>> Lohnsteuer. Er überweist sich selbst also ein Gehalt (auf ein anderes
Konto)
>> und dieses (als natürliche Person) muss er dann nicht offenlegen. 
>> Das im Moment von natürlichen Personen eine Einkommenssteuererklärung
>> verlangt wird, hat nur damit zu tun, dass eben NICHT von allen Firmen
>> (Juristischen Personen) so eine transparente Offenlegung gemacht werden
muss
>> (z.B. bei Stiftungen), bzw. die Trennung zwischen juristischen und
>> natürlichen Personen aufgeweicht worden ist. 
>> Wenn jemand z.B. Vermögen (Immobilien, Aktien etc.) hat und daraus
Gewinne
>> erwirtschaftet, so müsste er IMO dafür eine Firma haben, die diese
Vermögen
>> als Aktiva verwaltet und dann auch einen Geschäftsbericht macht, der
>> unabhängig von der natürlichen Person ist. 		

> Karin, du hast eine verstrahlte Vorstellung von Privateigentum. 

Wie ging der Spruch, wer im Glashaus sitzt ...? Wer eine Inflation als
Lösung unserer Probleme ansieht, der sollte mit Behauptungen solcher Art
etwas vorsichtig sein. ;-) 

Ich habe nur eine völlig andere Vorstellung was Privat sein sollte als du.
Meine Vorstellung widerspricht den gängigen Vorstellungen im
Kapitalistischen System, da hast du sicherlich Recht. 

> Zuerst war die natürliche Person, dann die juristische, nicht 
> etwa umgekehrt. 

Du planst mit deinem bWE ja auch eine strikte Trennung von Privat (bGE) und
Wirtschaft (bWE). ;-)

Im Moment ist dies doch so: Wenn du (aus deinem Einkommen/Vermögen heraus)
ein Produkt kaufst, also Konsumierst, ist dies Privat, wenn du Investierst,
ist dies i.M. genauso Privat. 

Und ich bin nun der Meinung, Investitionen sollten öffentlich, also nicht
privat sein. Ab dem Zeitpunkt, ab dem das Vermögen investiert wird, gilt es
als Einlage in deine Firma. Du überträgst deine Investition als private
(natürliche) Person als Einlage an deine Firma (juristische Person), ist
einfache Buchhaltung. 

Auch z.B. beim Kauf einer Aktie. Du hast eine Firma, die Firma schreibt dir
die Einlage gut (Fremdkapital), die Aktie wird als Aktiva geführt. Bei einem
späteren Verkauf der Aktie wird der Gewinn versteuert und die Firma zahlt
dir den Rest als Guthaben auf dein Privates Konto aus. Dadurch entfällt für
dich als Privatperson vollständig eine Einkommenssteuererklärung. 

So groß ist der Unterschied zu heute gar nicht. Statt den Gewinn einfach
einzustreichen und später zu versteuern wird eben gleich versteuert, bevor
das Geld wieder aufs private Konto kommt. 

Um wieder zu deinem Konzept zu kommen. Als Beispiel könnte das bGE auf das
Konto der natürlichen Person kommen, das bWE könnte dann auf das Konto der
juristischen Person kommen, wenn du dich von der strikten Trennung bGE/bWE
etwas verabschieden würdest. Dadurch würden die Menschen das bWE auch
wirklich als ihr eigenes Geld ansehen.  

> Mir ist völlig unklar, wie du dir denkst, dass ein Multimilliardär 
> sich in die schizophrene Situation begeben sollte, das Vermögen seiner
natürlichen 
> Person und all seiner vielen juristischen Personen nicht eben als sein
persönliches 
> (also auch natürliches) Vermögen zu betrachten, sondern da irgendwo eine
künstliche 
> Grenze einzuzimmern. 

Aber das wäre doch bei meiner Idee genauso. Die Juristische (öffentliche)
Person gehört doch automatisch zur natürlichen (privaten) Person. Die Firma
gehört einzig und allein der natürlichen Person. Alle Aktiva und Passiva der
Firma gehören der zugehörigen natürlichen Person. Es geht nur darum, dass
die Firma eben ihren Gewinn versteuert, während die private Person dies
nicht muss. 

> Die künstlichen Grenzen zwischen natürlicher und juristischer 
> Person resultieren vor allem aus organisatorischen Erfordernissen, nämlich
z. B. 
> daraus, dass das Vermögen einer natürlichen Person sich als Investition 
> vergesellschaftet und z. B. eine Million Arbeitskräfte einstellt und
Milliarden an 
> Vertragsverbindlichkeiten auch bei Lieferanten eingeht. 

Genau, im großen Rahmen passiert das auch jetzt schon manchmal. ;-)

Im Moment erfolgt die Erschaffung einer juristischen Person aus dem
Zusammenwirken mehrerer natürlichen Personen für einen bestimmten Zweck.
Z.B. wenn ein Verein gegründet wird oder mehrere Gesellschafter Einlagen in
eine Firma tätigen um daraus später einen Gewinn zu Erwirtschaften. 

Als private Einzelperson eine Firma zu Gründen ist i.M. auch noch gar nicht
vorgesehen. Dazu bedürfte es einer vollständig neuen Gesetzgebung. 

> Teilweise dienen juristische 
> Personen auch haftungsrechtlich dem Schutz des übrigen Privatvermögens. 

Oder zur Steuervermeidung. ;-)

> Klar ist jedenfalls, dass es 
> Privatvermögen ist und als solches immer in letzter Instanz einer
natürlichen Person gehört.
	
Das soll ja auch so bleiben. Es geht nur um den Zeitpunkt der Besteuerung
und das Erschweren von Steuervermeidung. 


> Aber gut, ich habe verstanden, warum du so argumentierst, wie du
argumentierst: 
> Du sprichst quasi aus der Position heraus, wie du die Welt haben möchtest,
nicht 
> aus der Perspektive, die uns leider gesellschaftlich vorgegeben ist. Kann
ich verstehen.
	
Dein bWE wäre ja auch etwas, was du haben möchtest und noch nicht existiert.
Ich glaube, jeder der hier mitschreibt, hat eine bestimmte Idee im Kopf, von
etwas, was noch nicht existiert. Manche sind dabei sehr stark an der
jetzigen Realität orientiert und wünschen sich auch nur kleine Änderungen,
andere, und zu denen zähle ich mich, wünschen sich eine sehr viel
weitergehenden Änderung unseres Gesellschaftssystems.


>>> Definitiv falsch ist die Vorstellung, dass mit einem reinen 
>>> Mehrwertsteuermodell 'die Vermögen der Reichen langsam 
>>> weniger werden'. 
			
>> Doch schon, aber halt nur GANZ LANGSAM. Und nur unter bestimmten
>> Voraussetzungen (z.B. dass die Vermögen nicht auf irgendwelchen Konten
>> gehortet werden können und dort über die Zinsen anwachsen). ;-)

> Hast du dafür auch irgendeine Art von Argument?

Unter den Randbedingungen: Gleiches Einkommen wie Vorher, gleich hoher
Lebensstil, wird auch der Reiche bei höherer MwSt. mehr ausgeben (müssen) um
dieselbe Menge Produkte zu kaufen. Er muss also einen höheren Anteil aus
seinem Einkommen dafür aufwenden und hat einen niedrigeren Anteil, den er
seinem Vermögen zukommen lassen kann. Je höher die MwSt. desto niedriger
also der Anteil, der dem Vermögen zugeführt werden kann. Wenn dann die MwSt.
oberhalb einer individuellen Höhe ist, kann es auch dazu kommen, dass sogar
der Reiche aus seinem Vermögen Geld entnehmen muss um seinen Lebensstil
weiterhin aufrecht zu erhalten. Ab diesem Zeitpunkt wird das Vermögen
weniger. 

Vielleicht bei 100% oder 150% MwSt. oder noch höher. Wie gesagt, viele
wenn's, aber in der Theorie könnt's klappen. ;-)


>> Das hatte ich ja auch schon ganz am Anfang mal geschrieben. Ein BGE sorgt
>> nicht automatisch für eine bessere Gesellschaft. Es ist nur ein
>> Wirtschaftssystem, dass unsere Gesellschaft auf die Zeit vorbereitet,
wenn
>> niemand mehr arbeiten muss. 
>> Für den Konflikt Arm - Reich bringt uns das BGE nichts. 
		
> Das sehe ich anders. Es kommt auf die Ausgestaltungsform des bGE an und 
> selbstverständlich darauf, was die Gesamtgesellschaft dann daraus macht. 
> Grundsätzlich würde absolute Armut, die es auch hier und heute gibt, mit 
> einem bGE verschwinden und es ist denkbar, dass die kleinen Leute ein
neues 
> Selbstbewusstsein bekommen.

Ja genau, das BGE als Basis, um dann irgendwann wirklich die Vermögen der
Reichen zu reduzieren. ;-)

Nur, das ist kein Selbstläufer. Das BGE kann auch dazu dienen, das jetzige
System zu stabilisieren. Woher willst du wissen, ob es wirklich zu einem
gesteigerten Selbstbewusstsein kommt und sich die Menschen nicht viel eher
in ihr BGE fallen lassen und eben nichts weiteres mehr anstreben. Eine Art
Leben im goldenen Käfig, beherrscht von ein paar mächtigen Superreichen. :-(

Ein falsch gestaltetes BGE könnte den Konflikt Arm - Reich sogar noch
verstärken. :-(


>> Wie willst du das erreichen? Revolution?
		
> In meiner Spätpubertät hatte ich mal eine Phase, wo ich dem
Revolutionspathos ...

Volle Zustimmung, Revolution ist keine Lösung. 

> Ich denke stumpf an eine Zweidrittelmehrheit in den Parlamenten und eine
GG-Änderung. Die bGE-Idee hat dafür m. E. das Potential, auch wenn's
problematisch genug bleibt. 

Tja, wird schwierig. Vor allem wenn das BGE wirklich irgendwann mehr sein
soll als nur Wirtschaftshilfe für den Kapitalismus.

> Zumal ja auch gar nicht klar ist, ob Wahlen nicht abgeschafft werden
würden, wenn sie denn tatsächlich mal etwas zu ändern versuchen würden. 

Ich halte Wahlen ja so wie so für überbewertet (siehe Text auf meiner
Homepage). ;-)

> Ich baue ein bisschen darauf, dass die Systemkrise des Kapitals einem
Experiment wie meinem Vorschlag eine Chance einräumt. 

Ist auch meine Stille Hoffnung. Wenn's mal so richtig kracht und die
Menschen erkennen, wohin uns der Kapitalismus gebracht hat, könnten
alternative Modelle kommen. ;-)


>>> Mir ist unklar, warum innerhalb 
>>> der bGE-Szene nicht unterdessen geklärt ist, dass reine 
>>> Mehrwertsteuermodelle keine Option sind. Es ist doch wirklich 
>>> nicht schwer zu begreifen, dass eine komplette Steuerfreiheit 
>>> von Kapital die Schere zwischen reich und arm nur weiter 
>>> spreizen würde. 
			
>> Weil das BGE auch von Leuten propagiert wird, die eben den Kapitalismus
>> retten wollen! 

> Ich bin da unschlüssig drüber. Ab August 2014 hatte ich hier im Verteiler 
> ziemlich ausführlich begründet, warum ich z. B. Götz Werner im Verdacht 
> habe, genau das und nichts anderes zu wollen. 

> Ich kenne Götz Werner als Person nicht, er interessiert mich auch nicht 
> weiter, aber ich habe durchaus den Eindruck, dass er seine
anthroposophisch 
> motivierten und ziemlich überzeugend humanistisch vorgetragenen Argumente 
> für ein bGE durchaus ernst meint. Ich fürchte, dass es nicht so einfach
ist, 
> dass er einfach Agent seines privaten Vermögens innerhalb des Kapitalimus 
> ist, sondern dass es irgendwie weitaus schizophrener ist. Vielleicht will 
> er beides, sein patriachales Privatvermögen im Kapitalismus und eine
humane 
> Gesellschaft. Wie viele Leute wollten nicht beides und sind deshalb zu den

> absurdesten Überlegungen gekommen? Ich warte ja eigentlich nur darauf,
dass 
> vielleicht Bernd mir zeigt, warum mein Vorschlag eines
inflationsresistenten 
> bGE und bWE sich nur einreiht in die wirklich sehr lange Reihe absurder 
> Vorschläge zur Konzeption eines dritten Wegs. Bisher bin ich da vielleicht

> einfach nur blind. Kapitalismus bleibt Kapitalismus bleibt Kapitalismus.
	
Es ist schon schwer, gleichzeitig eine egalitäre Gesellschaft UND den
Kapitalismus zu wollen. Das grenzt schon an kognitive Dissonanz. ;-)

Hattest du nicht weiter oben geschrieben: "Ich sage mit meinem Vorschlag
nicht, dass ich alles heutige Geld und alles heutige Eigentum für ungültig
erklären möchte. Das würde ein Ende des Kapitalismus bedeuten. Mein
Vorschlag will nur die Geldmenge erhöhen, nicht sie ersetzen."

Soweit davon entfernt ist das auch nicht. ;-) 


>> Du willst eine egalitäre Gesellschaft. 
>> Die wollen den Kapitalismus retten. :-(
		
> Ist halt die Frage, ob ein bGE nicht grundsätzlich eine Versöhnung dieser 
> beiden Motive bewirken könnte. Die meisten Verfechter eines Kapitalismus 
> sind glaube ich nicht so sehr vom Kapitalismus überzeugt, sondern eher von

> der Unmöglichkeit jedweder Alternative. Formell egalitär ist der
Kapitalismus 
> ohnehin: gleiche Rechte für alle - Obdachlosen und Milliardären ist das 
> Nächtigen unter Brücken gleichermaßen untersagt.
	
IMO schließen sich diese beiden Konzepte gegenseitig aus. Klar kann man den
Kapitalismus zu bändigen versuchen. Das wird ja seit Jahrzehnten mit der
'sozialen Marktwirtschaft' auch versucht. Aber der Kapitalismus bricht eben
immer wieder aus und sucht sich seine Nische. Das würde mit dem BGE auch
nicht anders sein, es sei denn man schafft ihn eben ganz ab. 

Ich habe übrigens durchaus Sympathien für einen sehr eng begrenzten Markt
mit neoliberalen Ideen. Aber eben SEHR ENG begrenzt. ;-)

>> Das glaube ich nicht. Was wären das denn für unterschiedliche
Auswirkungen?
		
> Das wiederhol ich jetzt nicht nochmal ausführlich: Eine reine
Mehrwertsteuer 
> würde Kapital gänzlich steuerbefreien und damit noch mehr aus der
gesellschaftlichen 
> Verantwortung entlassen und die Reichtumsschere weiter spreizen.

Das versteh ich nicht, das Kapital IST doch steuerfrei!? 

Es gibt Steuern auf den Gewinn aus Vermögen. Eine Grunderwerbssteuer und,
wenn du es so überhaupt nennen magst, auch noch eine Grundsteuer auf Land. 

Aber das reine Kapital, das Geld, was auf irgendwelchen Konten liegt, das
wird doch gar nicht besteuert. Oder irre ich mich jetzt total. Welche Steuer
soll denn das sein? 

Eine Vermögenssteuer gibt’s bei uns nicht (mehr). Im Ausland gibt's die,
aber dort ist die auch meist nicht gerade sehr hoch. 

Was wäre also mit einem MwSt. finanzierten BGE anders als jetzt? Zumindest,
solange die anderen Steuern (z.B. Lohnst. / Einkommensst.) nicht deswegen
gesenkt würden. Hab nicht alle Modelle im Kopf, gibt's so etwas, wo wirklich
NUR noch die MwSt. zur Finanzierung des Staates (nicht nur des BGE)
herangezogen wird.  

	
> Ich entschuldige mich dafür, dass ich den Vorsatz habe, mich wieder
deutlich aus diesem Verteiler zurückzunehmen. 

Entschuldigung angenommen, aber ich würde mich freuen, dennoch auch
weiterhin hin und wieder so ausgiebig mit dir diskutieren zu dürfen. Wenn's
nur ein bisschen länger dauert mit der Antwort ist das nicht schlimm. Bisher
hat's mir jedenfalls viel Spaß gemacht. 

Liebe Grüße,
Karin




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