[Debatte-Grundeinkommen] reife Verhältnisse
Bert Grashoff
unversoehnt at gmx.de
So Jan 8 10:59:59 CET 2017
Hallo Bernd,
> Glaubst Du tatsächlich, dass die – wie Du inzwischen zugibst - von
> Deinem Vorschlag ausgelöste Inflation für das Grundeinkommen per
> Dekret verhindert werden kann? Dies geht wohl nur, indem Du das
> Grundeinkommen mit inflationierst. Mit Lerneffekten ist da nix
> drin. Das Ende ist nur durch eine Währungsreform möglich, Die
> Inflation vor 90 Jahren konnte auch nicht anders gestoppt werden.
> Aber – wie bereits erwähnt – die Zentralbanken werden es gar nicht
> so weit kommen lassen. Aber scheinbar hast Du diese Idee
> inzwischen vorläufig fallen gelassen. Prima!
>
Ich verstehe dein "wie du inzwischen zugibst" nicht. Als sich mir die
Idee einer Finanzierung des bGE mittels Geldmengenerhöhung mitgeteilt
hat, war mir auf Anhieb klar, dass das zu Inflation führen müsste,
eventuell sogar zu massiver. So wie mir ja auch klar ist, dass die
gesamte bGE-Idee eine massive gesamtgesellschaftliche Umverteilung
verlangt. Ich fand den Inflationseffekt zudem sofort charmant, weil er
eine Möglichkeit der Vernichtung des beim obersten Zehntausendstel
angehäuften Geldfetischs darstellt - ohne in geltende Rechtsverhältnisse
einzugreifen. Welche Idee ich scheinbar inzwischen fallengelassen haben
soll, ist mir auch unklar.
Die historischen Erfahrungen, die wir mit Inflation haben, basierten
alle auf massivem Staatskonsum, in aller Regel für kriegerische Zwecke
oder als Folge kriegerischer Auseinandersetzungen. Eine Inflation
mittels egalitärem bGE für jedes Individuum (nicht für den Staat) in
relativen Friedenszeiten ist sachlich m. E. etwas völlig anderes und es
gibt damit schlicht keine historischen Erfahrungen. Du jonglierst da mit
Äpfeln und Birnen.
>
> Du machst seitdem ja richtig Werbung für die Staatsbürgersteuer,
> wenn auch nicht für mein Differenzierungsbeispiel
> (Starkloff-Variante) des Bürgergelds.
>
Ist mir auch aufgefallen. ;o) Ehrlich gesagt ist es bislang auch
wirklich das einzige Steuermodell, das mir begegnet ist und das ich
akzeptabel fände - unter der Bedingung, dass wir dein Bürgergeld
zumindest halbwegs dicht an etwa 1.250 Euro heutige Kaufkraft egalitär
für alle bringen. Wie gesagt: Ich find's einen möglichen
Kompromisskandidaten. Unsere Meinungsunterschiede beziehen sich m. E.
diesbezüglich eher auf Details als auf das Gesamtkonstrukt.
>
> Du hast zu Recht die Annahmen zur Sparquote hinterfragt. Nun kann
> ja in der Staatsbürgersteuer (privilegiertes) Vermögen aus
> unversteuertem Einkommen gebildet werden. Es wird (mit dem
> Marginalsatz m) erst versteuert, wenn es zu Konsum führt oder der
> Vermögensinhaber stirbt. Will er also zu einen bestimmten Zweck
> sparen, z.B. zur Alterssicherung oder um sich ein Auto zu kaufen
> oder Seinen Erben ein bestimmtes Vermögen zu hinterlassen, So muss
> er in der Staatsbürgersteuer höhere Beträge sparen. Damit er*X €*
> für diesen späteren Zweck übrig hat, muss er*X/(1-m)* zurücklegen
> (sparen). Beispiel: will später er *600 € (+ Zinsen)* konsumieren,
> muss er heute *600/(1-m)*, bei *m=0,4 *also *1000 €* sparen.
>
Im ersten Moment leuchtete mir das überhaupt nicht ein: Wer überlegt
sich denn heute bspw. beim Sparen, dass er nicht nur die Nettokaufkraft,
sondern auch die Mehrwert- und sonstigen Steueranteile mitsparen muss,
um ein bestimmtes Konsumziel zu erreichen? Dann habe ich mir aber klar
gemacht, dass meine kleinbürgerlichen Kinderzimmerphantasien von
Robert-Lemke-Sparschweinchen ja gar nicht das Thema sind, sondern dass
Sparen bei dir die Chiffre für privates Kapital darstellt. Deine
Befürchtung ist, dass die Einführung deiner Staatsbürgersteuer
(insbesondere bei eher hohem Bürgergeld, folglich einer eher hohen
Marginalsteuer) dazu führen würde, dass das oberste
Vermögenszehntausendstel seine Dagobert-Duck-Geldspeicher an seine
Privatjets (oder Privathelis) ketten und damit fortfliegen würde,
vielleicht Janoschs Ausspruch 'oh wie schön ist Panama' folgend. Das ist
hier dein Punkt, oder? Du befürchtest ein politökonomisch motiviertes
Sparen, das deine Staatsbürgersteuer und die ihr zugrundeliegende
Volkswirtschaft aus bloßem Elitekalkül an die Wand fahren würde?
Ich finde den Geldfetisch ja gnadenlos überbewertet, von zentraler
Bedeutung ist eigentlich der Eigentumsfetisch, insbesondere das Eigentum
an Produktivkapazitäten. Die lassen sich weit schwerer mal eben an einen
Jet oder Heli ketten und außer Landes bringen, weshalb ich diese ja
hinlänglich bekannte Schaumschlägerei vom 'Kapital als zartem
Pflänzchen, das nicht verprellt werden darf' im Wesentlichen Ideologie
finde. Würde es tatsächlich massive Kapitalflucht geben, könnte der
politische Souverän ja intervenieren und das herren- oder zumindest
funktionslos zurückgelassene Produktivvermögen requirieren und wieder
einer gesellschaftlichen Nützlichkeit unterstellen. Dafür dürfte Art. 14
GG ja nun wirklich ausreichen.
Wahr daran finde ich ein ganz anderes Motiv: Würden zu große Teile der
gesellschaftlichen Funktionseliten dem Land den Rücken kehren, weil eine
bestimmte politische Reform durchgezogen wird, könnte das Know How für
die Nutzung der produktiven Kapazitäten so stark leiden, dass es einen
massiven ökonomischen Verfall geben könnte. Ich finde nicht, dass
irgendwas wirklich darauf hinweist, dass deine Staatsbürgersteuer oder
auch mein Geldmengenerhöhungsvorschlag so eine Landesflucht auszulösen
in der Lage wäre. Im Gegenteil, beide Vorschläge dringen auf ihre
eigenen Arten auf eine sozialere Gesellschaft und würden daher für das
Gros der Bevölkerung das Land eher attraktiver als heute machen. Von
daher verstehe ich nicht recht, warum du dir da so einen Kopf drum machst.
>
> Im Bezugsjahr 2010 haben private Haushalte im Monat
> durchschnittlich 178.75 € gespart. Sie müssten also eigentlich
> *178,75 €/(1-m)*, bei *m=0.4* also *297,24 €* sparen. Dieses
> mindert den 2010 mit der Staatsbürgersteuer erzielbaren
> Steuerbetrag und damit entsprechend das Bürgergeld.
>
> Dieser Sparbetrag ist wichtig für die Volkswirtschaft, denn sie
> ist die Quelle aller Investitionen – auch wenn da meistens Banken
> dazwischen geschaltet sind..Ich habe dann dann überlegt, ob die
> Staatsbürger tatsächlich so hohe Betrage sparen würden. Ein Teil
> der Vorsorge entfällt, weil (in meinem Vorschlag) das
> Altersbürgergeld höher ist als die heutige Rente und weil andere
> Vorsorgegründe bzw. ökonomische Risiken aus dem höheren (Brutto-)
> Vermögen abgefangen werden können und weil es bestimmt Unternehmer
> gibt, denen es egal ist, wie viel sie ihren Erben vererben und es
> daher versäumen, zu Lebzeiten Geld zurück zu legen (zu sparen).
> Diese Effekte verringern die Sparquote. Ich habe daher mit *150 €
> /(1-m)* einen geringeren Betrag angesetzt. Als 2010 gespart wurde.
>
Ich teile Egges Einwand gegen deine Vorstellung vom ach so wichtigen
Sparbetrag. Die Hebel im Kreditwesen sind enorm.
Ansonsten stimmen deine Ausführungen halt höchstens für das von dir
favorisierte m, nicht aber z. B. für ein m von 80 %. Da wäre die
Sparquote gemäß deiner Formel gigantisch viel höher als heute.
>
> Für sehr*m>0,6* führt dies zu erheblichen Abstrichen beim
> Bürgergeld; bei m=1 (100%) zu unendlich hohen Sparbeträgen.
> Letzteres ist natürlich Quatsch, stimmt aber in der Tendenz: Wenn
> alles Zusatzeinkommen weggesteuert wird, werden die Leute die
> letzte legale Chance, möglichst viel Geld vor dem Fiskus zu
> retten, nutzen. Sie hoffen vielleicht, dass sie ihr so gebildetes
> privilegiertes Vermögen doch noch irgendwie am Fiskus vorbei
> konsumieren zu können.
>
In Panama z. B. Ja, wie gesagt: Überzeugt mich nicht. Während die reinen
Mehrwertsteuer-Verfechter so tun, als gäbe es kein privates Vermögen,
tust du hier umgekehrt so, als gäbe es keinen Wirtschaftskreislauf. Es
gibt aber beides.
>
> Eine weitere Bemerkung ist noch wichtig: Die ganze Rechnung
> gilt*nur für das Jahr 2010* als Einführungsjahr. In späteren
> Jahren generiert ja das gesparte privilegierte Vermögen
> Zusatzeinkommen bzw. Zusatzkonsum und damit wieder höhere
> Steuereinnahmen.und automatisch höhere Bürgergelder. Für
> längerfristige Rechnungen kannst Du also den Sparterm *S*
> weglassen oder besser noch, die in
> http://staatsbuergersteuer.de/StAufkommen.htm#4.1.9
> <http://staatsbuergersteuer.de/StAufkommen.htm#4.1.9> angegebenen
> Entwicklungen einsetzen. Dieses Modellsimulation unterstellt
> konstantes Volkseinkommen/Kopf. Die der Realität sieht es noch
> besser aus, weil das Volkseinkommen/Kopf ja ohnehin steigt.
>
Ja, den Link hatte ich mir auch vor dem Schreiben meiner letzten Mails
an dich vergegenwärtigt. Er hatte für mich aufklärenden Gehalt. Erst
dadurch habe ich verstanden, was dein S-Term eigentlich will und dass es
abstrus ist, ihn so zu konzipieren, wie du das tust.
>
> Ich verstehe aber, dass Du da anders rangehen willst. Ein
> möglichst hohes Bürgergeld bzw. Grundeinkommen soll
> agitationstechnisch (Deine Wortwahl) Wähler gewinnen. Dass man
> dies später im Zuge der Verhandlungen und politischen Kompromisse
> nicht durchsetzen kann, ist dann die Ausrede, warum das
> Eingangsversprechen nicht durchgehalten werden kann. Meinst Du das
> so?
>
Nö. Ich bin ein für das ökonomische Gesamtgetriebe völlig unerhebliches
Individuum, das auf der stofflichen Seite selbst im Arbeitsleben
(abgesehen vielleicht von wirklich nicht erwähnenswerten Ausnahmen)
reiner Konsument ist und vermutlich auch immer bleiben wird. Ich bin
auch nicht König von Deutschland oder so etwas. Ich mache hier folglich
überhaupt keine Versprechen. Ich schlage im Rahmen der von mir mehr oder
weniger gut verstandenen Rahmenbedingungen eine m. E. mögliche
politische Reform vor, propagiere sie, setze mich dafür ein, fordere sie
auch. Als Forderer sehe ich mich überhaupt nicht oder höchstens
innerhalb der winzigen Möglichkeiten, die ich so als Individuum habe, in
der Verantwortung, irgendjemandem das Funktionieren meiner Forderungen
zu garantieren. Ich möchte auch nicht ein bGE von 1.500 Euro heutiger
Kaufkraft, weil ich da ein paar Hunderter Verhandlungsmasse für
Koalitionsgespräche eingeplant habe, sondern weil das eine m. E.
angemessene Hausnummer ist. 1.250 Euro wären vermutlich auch noch
akzeptabel, 1.000 Euro erscheint mir bei Berücksichtigung von Kranken-
und Pflegeversicherung schon deutlich zu tief gegriffen. Ich finde
diesbezüglich Blaschkes Auseinandersetzungen mit der Haltung des BVerfG
und diverser Erwerbsloseninitiativen überzeugend, auch aus persönlicher
Erfahrung.
Vielleicht nochmal etwas weiter ausgeholt: Auch wenn die
gesellschaftliche Gesamtstruktur mir einerseits zu komplex, andererseits
in vielfältiger Hinsicht zu intransparent ist, um das schlussendlich zu
beweisen, bin ich felsenfest davon überzeugt, dass die allermeisten
kapitalistischen Krisen Überproduktions- bzw. Unterkonsumtionskrisen
sind. In der Struktur der subprime-Krise in den USA und in Spanien, die
Prolog der Meistererzählung im letzten massenmedialen Aufbäumen der ja
bis heute bloß weiter angeheizten, nicht etwa in irgendeiner Weise
bereinigten Finanzmarktkrise war, ist ja für jeden offensichtlich
gewesen, dass die Produktivkräfte potenter als die
Produktionsverhältnisse sind: Massenhaft wurden Immobilien in die
Landschaften geknallt, die grundsätzlich auch nützlich wären, nur leider
nicht von ausreichend Leuten bezahlt werden können, die sie nutzen
wollen. Ich find's u. a. daher offenkundig, dass wir uns
weltgesellschaftlich in einer historischen Phase bewegen, in der Marx'
Formulierung, dass die Produktionsverhältnisse die Produktivkräfte
fesseln, quasi für jeden mit Händen zu greifen ist, der in den
privilegierten Weltgegenden lebt. Und das ist m. E. auch der
politökonomische Hintergrund, auf dem z. B. so eine Idee wie das bGE
fähig wird, massenhaft politische Sympathien zu erhalten. Vgl. z. B.:
"Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen,
politischen und geistigen Lebensprozeß überhaupt. Es ist nicht das
Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr
gesellschaftliches Sein, das ihr Bewußtsein bestimmt. Auf einer gewissen
Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der
Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen
oder, was nur ein juristischer Ausdruck dafür ist, mit den
Eigentumsverhältnissen, innerhalb deren sie sich bisher bewegt hatten.
Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse
in Fesseln derselben um. Es tritt dann eine Epoche sozialer Revolution
ein. Mit der Veränderung der ökonomischen Grundlage wälzt sich der ganze
ungeheure Überbau langsamer oder rascher um. In der Betrachtung solcher
Umwälzungen muß man stets unterscheiden zwischen der materiellen,
naturwissenschaftlich treu zu konstatierenden Umwälzung in den
ökonomischen Produktionsbedingungen und den juristischen, politischen,
religiösen, künstlerischen oder philosophischen, kurz, ideologischen
Formen, worin sich die Menschen dieses Konflikts bewußt werden und ihn
ausfechten. Sowenig man das, was ein Individuum ist, nach dem beurteilt,
was es sich selbst dünkt, ebensowenig kann man eine solche
Umwälzungsepoche aus ihrem Bewußtsein beurteilen, sondern muß vielmehr
dies Bewußtsein aus den Widersprüchen des materiellen Lebens, aus dem
vorhandenen Konflikt zwischen gesellschaftlichen Produktivkräften und
Produktionsverhältnissen erklären." (MEW13, 8f) Im weithin bekannten
Manifest der Kommunistischen Partei taucht dieser Gedanke zur
Beschreibung der bürgerlichen Revolutionsphasen auf: "Die Produktions-
und Verkehrsmittel, auf deren Grundlage sich die Bourgeoisie
heranbildete, wurden in der feudalen Gesellschaft erzeugt. Auf einer
gewissen Stufe der Entwicklung dieser Produktions- und Verkehrsmittel
entsprachen die Verhältnisse, worin die feudale Gesellschaft produzierte
und austauschte, die feudale Organisation der Agrikultur und Manufaktur,
mit einem Wort die feudalen Eigentumsverhältnisse den schon entwickelten
Produktivkräften nicht mehr. Sie hemmten die Produktion, statt sie zu
fördern. Sie verwandelten sich in ebensoviele Fesseln. Sie mußten
gesprengt werden, sie wurden gesprengt." (MEW4, 467)
Während nun ein bGE in Höhe von 1.500 Euro heutiger Kaufkraft nur etwa
die Hälfte des BIP politisch umverteilen will, sich also allemal im
Rahmen der heute ohnehin produzierten Wertgegenständlichkeiten bewegt,
und während du davon ausgehst, dass dein Bürgergeld in deiner
Staatsbürgersteuer moderat wachsen würde wie hoffentlich das BIP, glaube
ich grundsätzlich, dass wegen der heutigen Fesselung der Produktivkräfte
durch die Produktionsverhältnisse bei einer Entfesselung der
Produktivkräfte auch locker ein bGE in Höhe von 5.000 Euro heutiger
Kaufkraft drin wäre - obwohl das offenkundig oberhalb des heutigen BIP
liegt, zumal ich das global meine. So eine Höhe bringe ich hier aber
nicht in die Diskussion ein, weil Leute wie du mich ja schon bei 1.500
Euro für einen Spinner halten. Bernd, sieh's ein: Ich spinne immer noch
ein bisschen mehr als du ohnehin schon denkst. ;)
Bei all dem dürfen wir allerdings selbstverständlich nicht vergessen,
dass wir uns nicht nur in einer Situation durch die
Eigentumsverhältnisse gefesselter Produktivkräfte befinden, sondern als
Weltgesellschaft bereits seit der ersten industriellen Revolution, also
seit bald drei Jahrhunderten, in ökologisch schädlichen und tendenziell
immer schädlicheren Bahnen produzieren. Ökonomische Betrachtungen machen
heute nun wirklich keinen Sinn mehr ohne Reflexion darauf, dass wir die
bestehenden Produktivkräfte massiv dafür nutzen müssen, sie in ein
ökologisch verträgliches Design zu überführen - zumindest, wenn wir z.
B. noch drei weitere Jahrhunderte damit weitermachen wollen. Schon dafür
wäre eine Befreiung der Produktivkräfte von den Restriktionen des
Eigentumfetischs eigentlich eine Frage von Überleben und Tod. Aber im
Moment sieht's ja eh eher danach aus, dass wir gesamtgesellschaftlich
mal wieder unseren Thanatos ordentlich umarmen und herzen wollen, indem
wir das üblich gewordene Spiel bei zu stark gefesselten Produktivkräften
noch einmal spielen: Aus den Mainstreammedien weht mir zwischen den
Zeilen eigentlich beständig nur noch ein 'welcome to world war three'
entgegen.
>
> Ich bin immer noch bereit eine Bert-Varante in
> http://staatsbuergersteuer.de/Varianten.htm#5.4.2 einzutraen. Sag
> mir Deione Parameter (m und ggf. Differrenzierung des
> Bürgergelds). Vielleicht entspricht BGE4 mit m=0,6 Deinen
> Vorstellungen?
>
Wenn du deinen S-Term durch meinen linearen ersetzt, kannst du
meinetwegen m=0,77 als Bert-Variante aufführen, ist mein Geburtsjahr,
wird schon irgendwie passen.
>
>
> Lieber Bert,
> Egal wie Du es anstellen willst:*jede* Finanzirung über Steuern
> produziert das Problem, dass arbeitende Hausfrauen schlechter
> gestellt werden, wenn sie aus einer steuerfreier
> Hausfrauen-Tätigkeit in eine steuerpflichtige Tätigkeit wechseln.
> In der Nedden-Sozialkonsumsteuer oder der bisherigen
> Einkommensteuer sogar noch erheblich schlechter als in jeder
> Variante mit noch höherem *m *als 0,5 in der Staatsbürgeteuer.
> Dies gilt auch für andere Finanzierungsmodelle eines Grundeinkommens.
>
Na, komm, die von dir da behauptete systemische Schlechterstellung
resultiert aus deiner Annahme, dass die Hausarbeit dann von einer
Minijobberin oder dergleichen eingekauft werden muss. Ich finde das
ganze Thema nicht hinreichend relevant. Der gesellschaftliche Trend geht
zum Singlehaushalt und zum Haushaltsroboter. Sich eine Putze oder Nanny
für den Privathaushalt zu besorgen, dürfte zudem nur für die oberen
Mittelschichten und Oberschichten eine Option sein. Mag ja sein, dass
das in deinen Milieus eine interessante Frage ist, mir scheint das eher
ein Minderheitenproblem zu sein, dem ich keine systematische
Bedeutsamkeit zuerkennen mag.
Ich hab das nur angesprochen, weil du mit Hilfe dieses Beispiels zu
demonstrieren versuchst, dass ein hoher Marginalsteuersatz zu einer
Schlechterstellung von Bürgergeld plus Arbeitseinkünften gegenüber
niedrigen Marginalsteuersätzen führt. Das fand ich unlogisch, es erklärt
sich aber vermutlich komplett aus deiner eigenwilligen Konzeption des
S-Terms.
>
> Uns hat dieser Vorschlag eingeleuchtet. In
> http://staatsbuergersteuer.de/Haushalt.htm#tz62 der Urfassung ist
> er bereits gemacht, und ich habe ihn seither in vielen
> Diskussionen zu verteidigen versucht. Ähnlich sieht es mit der
> Differenzierung nach Alter aus. Ich glaube, dass die
> Bedingungslosigkeit des Grundeinkommens eine ideologisch bedingte
> heilige Kuh (Forderung der egalite?) ist. Sie stammt vermutlich
> aus der Auseinandersetzung mit Hartz IV und anderen persönlichen
> Subventionen des heutigen Systems, deren Sinn kaum noch zu
> verstehen ist. Für eine sinnvolle Differenzierung des
> Grundeinkommens wie für das Bürgergeld der Staatsbürgerrsteuer in
> http://staatsbuergersteuer.de/Differenzierung.htm#3.2.1
> vorgeschlagen kann man die egalite durchaus modifizieren.
>
Ich hatte die vergangenen beiden Wochen häufiger mal darüber
nachgedacht, dass es irgenwo absurd ist, dass du ja vermutlich mehr als
fast jeder andere klar hast, was für einen Skandal das heutige
Sozialstaatssystem anreizpolitisch und gerechtigkeitstheoretisch
insbesondere für die ganze Gruppe prekär Entlohnter darstellt,
andererseits aber in deinen Staatsbürgersteuertexten andauernd
irgendwelche Beispiele und Reflexionen einfließen lässt, die von der
Frage motiviert sind, ob es nicht ganz grundsätzlich unfair sei,
irgendwelche fleißigen Vermögensaufbauer mit einem Bürgergeld zu
düppieren. Ganz grundsätzlich: Dir ist klar, dass jede Form von
Staatsfinanzierung und erst recht von Sozialstaatsfinanzierung den
Fleißigen etwas wegnehmen muss, nicht wahr? Warum tust du dann immer
wieder in allen möglichen Details so, als sei das nicht einzusehen?
Ansonsten: Modifizierung der egalité? Höhö. Modifiziert man Gleichheit,
bekommt man was? Ungleichheit.
Gleichheit ist für uns ja allerhöchstens eine regulative Idee. Nicht
einmal Justizia ist so blind, dass sie formelle Gleichheit oder formelle
Gerechtigkeit verbürgen könnte. Ich finde Anne Clarks Albumtitel 'the
law is an anagram of wealth' noch immer die prägnanteste Kurzformel in
punkto egalité für den Umstand, dass innerhalb des Eigentumsfetischs
nirgends eine echte Vorstellung von den drei Leitthemen der Frz. Rev.,
also von liberté, egalité, fraternité entwickelt werden kann. Wir sind
auch diesbezüglich völlig verstrahlt und halten alles Mögliche für mehr
oder weniger frei, gleich und/oder brüderlich, was es null ist. Es gibt
keine richtige liberté, egalité, fraternité im falschen Leben, nicht
einmal eine richtige Vorstellung davon. Insofern habe ich auch keine
Lust, meine falschen Vorstellungen davon mit deinen falschen irgendwie
in Konkurrenz zu setzen. Ein bGE gemäß der vier Kriterien dieses
Netzwerks ist formell egalitär, aber selbstverständlich nur in seinem
Geltungsbereich, also dem des soziokulturellen Existenzminimums. Ich
finde die Idee der egalité tatsächlich eine wichtige theoretische
Referenz, Marx' Kritik an der gesellschaftlichen Realität der
bürgerlichen Ideale aber schon viel wichtiger. Für mich ist das
jedenfalls keine heilige Kuh, schon weil diese Kuh heute faktisch
ohnehin nur als Gulasch existieren würde und ich meine Lust an
Blasphemie schon hinreichend anderweitig ausgetobt habe. Ich hänge am
viel zu sehr durchlöcherten Respekt des GG vor dem Existenzminimum jedes
Individuums und sehe in der mit dem bGE propagierten Idee der egalité
eine grundsätzliche Möglichkeit für einen produktiven
gesamtgesellschaftlichen Konsens, der uns bestenfalls vor der nächsten
Eskalationsstufe der prozessierenden Gesellschaftskatastrophe bewahren
könnte. Und ich sehe keinen guten Grund, die formelle Gleichheit des bGE
irgendwie aufgeben zu wollen. Mehr ist da nicht. Auch das bGE wäre ein
Fetischverhältnis, nicht der verwirklichte Verein freier Menschen, in
dem "Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!"
(MEW19, 21) gilt, sondern bestenfalls Vehikel dorthin.
Ich sag's dir mal, um's dem Verteiler zu sagen: Mir ist klar, dass ich
die vergangenen Monate hier im Verteiler wieder ziemlich präsent war,
Diskussionsfäden offen einer weiteren Bearbeitung harren, ich zudem
appellierte, eine ausführliche Modelldiskussion zu starten, an der sich
hier zumindest ja aber eh kaum jemand beteiligt. Zudem stelle ich dir
Fragen und motiviere somit zu weiterer Auseinandersetzung. Es gibt viel
zu tun - ich aber habe andere Prioritäten. Ich entschuldige mich dafür,
dass ich den Vorsatz habe, mich wieder deutlich aus diesem Verteiler
zurückzunehmen. Mir fehlt dafür einfach die nötige Zeit. Ich hoffe mal,
dass die dieses Wochenende tagende bGE:open die nächsten Tage dazu
führen wird, dass andere Leute vielleicht auch mit ganz anderen
Perspektiven hier ihre Schwerpunkte anbringen.
Liebe Grüße,
Bert
-------------- nächster Teil --------------
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