[Debatte-Grundeinkommen] Zur Sache, Schätzchen! - sowie Dank für und kurze Reaktion auf Joachims Zusammenstellung

Karin Teetzen karin at inkat.de
Do Jan 5 00:59:39 CET 2017


Hallo Bert, 

>> Ich habe bewusst von einem Endziel, einer Utopie geschrieben. ;-)
> Sorry, hatte ich überlesen, wohl, weil in meinen utopischen 
> Vorstellungen Banken keinen Platz haben.

Nur Rudimentäre Überbleibsel, wenn überhaupt! ;-)

Ich kann mir durchaus Fälle vorstellen, bei dem Menschen sich noch Gelder
für irgendwas überweisen. Aber es wären halt wirklich reine Geschäftsbanken
und keine Investmentbanken wie jetzt. Außerdem könnte es auch eine einzige
große staatliche Bank sein (wäre effizienter, aber auch
korruptionsanfälliger). 

>> Versteh ich nicht. Jeder, der eine BGE erhält kann doch 
>> einfach eine 
>> Firma (z.B. eine Ich-AG) aufmachen. Bei zusätzlichem Kapitalbedarf 
>> über das BGE-Niveau hinaus gibt es Kredite von Banken (oder 
>> vom Staat 
>> z.B. KfW Existenzgründerkredit). Wenn die Firma wirtschaftlich Sinn 
>> macht, wird auch kaum eine Bank auf so ein (relativ 
>> sicheres) Geschäft 
>> verzichten. Warum also noch zusätzlich (mehr) finanzieren?
>> Genau für solche Fälle ist das BGE doch vorgesehen und, wenn man 
>> möchte, könnte ja auch gleich eine Firmengründung im Warenkorb, der 
>> zur Berechnung des BGE dient, mit enthalten sein.

> Nö, ein bGE ist für die Existenzsicherung vorgesehen, nicht 
> für ökonomische Aktivitäten. 

Das kommt auf die Ausgestaltung des BGE an. Wenn das Grundeinkommen eben
auch zur Gründung von kleinen Firmen dienen soll, kann man das im Warenkorb
mit einschließen. Außerdem haben Menschen ja auch sehr unterschiedliche
Ansprüche, was dem einen als zuviel erscheint, kann dem anderen noch lange
nicht reichen. Also werden, bei einem entsprechend hohem BGE, auch viele ein
zuviel haben und dieses eventuell nicht für einen Urlaub, sondern für ein
kleines Unternehmen anlegen wollen. 

Ich stell mir da halt so etwas vor wie wenn jemand, als Hobby, gerne Schmuck
designt und dann eben irgendwann daraus eine kleine Firma, ohne
Gewinnabsichten, macht.

Ein kleines Unternehmen braucht auch kaum Gründungskapital.  

Wenn du das BGE wirklich NUR für Existenzsicherung haben möchtest, wären wir
bei so etwas wie Hartz IV Niveau und es wäre dann fraglich, ob wirklich ALLE
damit zurechtkommen würden. 

> Kredite verlangen meist nicht 
> nur wirtschaftliche Sinnhaftigkeit, sondern auch einen 
> gewissen Anteil an Eigenkapital, das bei den meisten Leuten 
> schlicht gar nicht vorhanden ist, schon gar nicht in 
> Dimensionen, um bspw. mit etablierten Großkonzernen 
> konkurrieren zu können. 

Kredite verlangen erst einmal eine Sicherheit, damit die Bank weiß, dass sie
zurückgezahlt werden. Dazu dient i.M. häufig das Eigenkapital, weil die
Banken davon ausgehen, dass Menschen eigenes Geld eben nur in sinnvolle
Projekte investieren. Wenn aber, von Anfang an, gewährleistet ist, aufgrund
von z.B. einem einleuchtenden Wirtschaftsplan, das das Kleinunternehmen
wirtschaftlich Erfolg haben wird, kann auf Eigenkapital vollständig
verzichtet werden, bei Ich-AGs wird das durchaus auch so gehandhabt. Und das
Risiko zu scheitern kann, wenn es politisch gewollt wird, auch auf den Staat
abgewälzt werden. Bei großen Unternehmen passiert das doch jetzt auch. 

> Wirtschaftliche Sinnhaftigkeit ist 
> eine Bedingung, die ich gesamtgesellschaftlich gern über Bord 
> werfen würde, und nicht nur, weil die Renditeaussichten 
> gerade mies aussehen. 

Nun, wenn eine Firma gegründet wird, die ineffektiv Wirtschaftet, z.B.
Maschinen einsetzt, die viel Strom verbrauchen, und dies dann eine andere
Firma verhindert, die Maschinen einsetzt, die wenig Strom verbrauchende
Maschinen einsetzen würde, so wäre das schlecht für die Umwelt. ;-)

> Sehr viele gesellschaftlich nützliche Aktivitäten werden 
> wirtschaftlich, also kapitallogisch niemals Sinn machen, 
> benötigen aber Ressourcen, weshalb wir ja z. B. 
> Sozialstaatsstrukturen oder Ehrenämter haben. 

Da Stimme ich dir zu. 

> Andere Aktivitäten könnten wirtschaftlich Sinn machen und 
> auch vernünftig sein, werden aber von den etablierten Playern 
> nicht zugelassen, weil die sich nicht die Butter vom Brot 
> klauen lassen wollen. 

Das wird auch das BGE nicht verhindern. Das ist ein Merkmal des Kapitalismus
und wird erst mit der Überwindung desselben verschwinden. 

> Drücken wir jedem Individuum ein 
> bedingungsloses Wirtschaftseinkommen monatlich in die Hand, 
> könnten solche Aktivitäten in einem völlig unausdenkbaren 
> Maßstab zunehmen.

:-) 

Ich stell mir in meiner Utopie vor, wir würden ALLE ohne Gewinnabsichten,
also quasi Ehrenamtlich, je nach Leistungsfähigkeit, arbeiten. Wobei Arbeit
hier dann wohl das falsche Wort ist, tätig sein klingt IMO besser. 

Aber es darf auf keinen Fall ein gesellschaftlicher Druck aufgebaut werden,
der die Menschen dazu bringen soll, sich doch für die Gesellschaft zu
engagieren. Wenn jemand partout in der Hängematte liegen will, so darf ihn
wirklich NIEMAND schief ansehen. Das wäre dann nämlich nicht besser als
unsere jetzige Situation. 

So ein System, wo die Menschen ALLE 'freiwillig' arbeiten kann auch eine
Dystopie sein. 

> Größtes Problem meines Vorschlags einer strukturellen 
> Inflation qua bGE-Geldmengenausschüttung dürfte die relative 
> Zerstörung von Planungssicherheit für ökonomische Akteure 
> sein. Ich vermute zwar, dass sich auch das handeln ließe, 
> weil mit dem inflationsresistenten bGE ja neben den ohnehin 
> vorhandenen Produktivkapazitäten ein stabiler Anker verbleibt 
> und die bGE-Idee ja ohnehin propagieren will, dass wir weg 
> vom Zwang zur Wertverwertung (also zur Rendite) kommen und 
> hin zum freiwilligen Engagement aller für alle. Mit einem 
> wiederum inflationsresistenten bedingungslosen 
> Wirtschaftseinkommen ließe sich aber ein weiterer Anker 
> werfen, also mehr Systemstabilität erreichen. 

Wenn ich ein Wirtschaftsunternehmen leite, das Produkte produzieren soll,
bei denen sich täglich (du schriebst sekundengenau) die Beschaffungskosten
für die Grundmaterialien erhöhen, welche Preise soll ich dann am Ende für
meine Produkte nehmen? Wenn ich einen Preis A festlege und dann mein Produkt
4 Wochen im Regal liegt, hätte ich auch gleich Preis B nehmen können, zu dem
ich eben 4 Wochen später meine Produkte herstelle. 

Was ist, wenn ich erst abends zum Bäcker gehe statt morgens und deshalb mein
Brot doppelt so teuer ist, ich aber am Morgen mein BGE bekommen habe und es
deshalb am Abend schon nicht mehr reicht? 

Inflation hat eben auch Nachteile. ;-)

> Planungssicherheit für kapitalaufwändigere Projekte könnte 
> durch Crowdfunding-Konzepte erreicht werden, etwa dadurch, 
> dass eine größere Menge Leute sich selbstverpflichten, über 
> z. B. 10 Jahre z. B. 10 % ihres bedingungslosen 
> Wirtschaftseinkommens einem bestimmten ökonomischen Zweck zur 
> Verfügung zu stellen. 

Willst du wirklich ZWEI verschiedene Überweisungen BGE und WE
(Wirtschaftseinkommen) auf dein Konto haben? Das BGE darf nicht als
Sicherheit bei Bankgeschäften, das WE aber schon, dienen? So in etwa: Hier
haben sie 500,- Euro zum Produkte des täglichen Bedarfs kaufen und noch mal
200,- Euro um es in ein Unternehmen ihrer Wahl zu investieren? Oder willst
du lieber zwei Konten? Z.B. eines bei einer Geschäftsbank, eines bei einer
Investmentbank? 

Dann dürfen aber keine Gewinne aus den Investitionen zurückfließen, weil die
Leute sonst wieder anfangen zu spekulieren. 
Und wenn die Leute das WE nicht für privaten Konsum benutzen dürfen, werden
sie es überhaupt als ihr eigenes Geld ansehen?

Statt dessen könntest du dann auch regelmäßig einfach abfragen, wohin das
Geld investiert werden soll. Dann bräuchtest du das Geld nicht erst zu
überweisen. 

> Im Effekt wär's eine Demokratisierung 
> der ökonomischen Gesamtstrukturen, also sowieso wünschenswert.

Das wäre eine Überwindung des Kapitalismus, wenn es keine Anhäufungen von
Kapital in einer Hand gibt, sondern das gesamte Kapital verteilt auf alle
wäre. Da hast du dir aber was vorgenommen! ;-)

> Mal abgesehen davon, dass ich's politisch nicht vorstellbar 
> finde, ein bGE so weit in die Höhe zu treiben, dass es nicht 
> nur die Existenz absichert, sondern zudem einen reellen Teil 
> bedingungsloses Wirtschaftseinkommen einfach so nebenbei 
> enthält, würde ich ein bedingungsloses Wirtschaftseinkommen 
> aus folgenden Gründen zweckgebunden von dem zur privaten 
> Verknusperung bereitstehenden bGE abgrenzen wollen: 

Ein hohes BGE kannst du dir nicht vorstellen, aber ein niedriges BGE UND ein
WE (Zusammen in derselben Höhe), das kannst du dir vorstellen?

> 1) Es soll den oben skizzierten Zweck der 
> Systemstabilisierung erfüllen, was es nicht kann, wenn es 
> massenhaft einfach für privaten Konsum verwendet werden 
> würde. 

Auch der private Konsum dient der Wirtschaftsstabilisierung! Jeder Euro den
du ausgibst ist eine Entscheidung für oder gegen ein Produkt. Ob du das Brot
nun bei dem einen oder dem anderen Bäcker kaufst ist für dich vielleicht
egal, für die Bäcker aber existenziell. Jeder Euro den du ausgibst sichert
irgendwo einen Arbeitsplatz und du entscheidest, wo dieser Arbeitsplatz sein
soll. 

> 2) Es wäre eine Message an jedes Gesellschaftsmitglied 
> nach dem Motto: 'Auch du bestimmst, wie sich die Gesellschaft 
> produktiv entwickeln soll. Auch du trägst Verantwortung für 
> diese Entwicklung. Auch dir wird daher ein bedingungsloses 
> Wirtschaftseinkommen in die Hand gedrückt.'

Es ist die Frage, ob nur für solch eine Message wirklich ein so komplexes
Konstrukt wie ein WE notwendig ist. Crowdfunding-Projekte gibt es auch jetzt
schon. Du kannst auch jetzt schon gezielt Produkte kaufen um die Wirtschaft
zu beeinflussen. Kein Mensch wird GEZWUNGEN Produkte von den Megakonzernen
zu kaufen. 

Aber mehr Transparenz in der Wirtschaft wäre auf jeden Fall gut. ;-)

>> Jedes Modell hat seine Probleme!
>> Ein Model, welches das BGE NUR über die EINKOMMENSSTEUER 
>> finanziert, 
>> geht nur, solange auch Einkommen generiert wird. Wenn eine 
>> (Utopische) 
>> Gesellschaft den Finanzmarkt abgeschafft hat und es 
>> Gehälter nur noch 
>> als symbolische Anerkennung für Ehrenamtliche Leistungen gibt, dann 
>> gibt es auch kaum noch Einkommen welches das BGE finanzieren kann.

> Was dann ja aber auch komplett überflüssig wäre, oder? Mit 
> utopisch kannst du hier ja vermutlich nur eine Gesellschaft 
> meinen, die sich komplett vom Geldfetisch emanzipiert hat und 
> den gesellschaftlichen Stoffwechselprozess aus Freiwilligkeit 
> heraus organisiert. Ist das gegeben, braucht niemand ein bGE, 
> also auch keine Finanzierung dafür. 

Das BGE würde nur noch dafür dienen eine gleichmäßige Verteilung der Güter
zu organisieren. Wenn dies anderweitig Organisiert werden würde könnte das
BGE auch entfallen. 

Ich gehe davon aus, dass auch in einer Utopischen Gesellschaft noch
Grundkosten (wie z.B. Materialpreis, Stromkosten, Transportkosten etc.) für
ein Produkt anfallen, auch wenn Lohnkosten nicht mehr (oder nur noch zu
einem sehr geringen Anteil) in dem Produktpreis enthalten sind. 

> Oder stellst du dir da eine utopische Klassengesellschaft 
> vor, in der Wenige quasi alles besitzen und mehr oder weniger 
> vollautomatisiert produzieren und den wenigen überhaupt noch 
> Angestellten nur noch einen symbolischen Obulus bezahlen 
> sowie die große Masse darben lassen? 

Nein, in einer Utopischen Gesellschaft würde es keine Reichen (im Sinne von
viel Geld haben) geben. 

>> Wenn ich es richtig verstanden habe, würde die 
>> STAATSBÜRGERSTEUER sich 
>> auch auf des Einkommen des Bürgers beziehen und die 
>> Berechnung erfolgt 
>> über das Finanzamt, dass ALLE meine Geschäftsabschlussdaten 
>> (zumindest 
>> meiner
>> Einnahmenseite) zur Verfügung gestellt bekommt. Ich weiß 
>> nicht, in wie 
>> weit da der Datenschutz mitspielt und ich für meinen Teil mag einer 
>> Behörde auch nicht so viel Macht geben wollen (dieselbe 
>> Einschränkung 
>> bei der NEGATIVEN EINKOMMENSSTEUER).

> Verstehe ich dich richtig, dass du hier mit Datenschutz gegen 
> Steuergesetze argumentieren willst? Jede Steuer verlangt die 
> Offenlegung wirtschaftlicher Verhältnisse. Der Unterschied 
> zwischen Mehrwertsteuer und Einkommensteuer besteht höchstens 
> darin, dass bei ersterer juristische Personen, also 
> Unternehmen, ihre Daten mitteilen müssen, bei letzterer 
> natürliche Personen. 

Wenn Firmen alle ihre Daten offenlegen, so wäre das Transparent und
wünschenswert. Bei Privatpersonen ist das anders. Und im Moment wird es
gerade andersherum gemacht. Firmen dürfen ihre Geschäftsgeheimnisse für sich
behalten und Privatpersonen werden ausspioniert. 

Z.B. bei einem Handwerker: Er hat eine Firma und muss dort alles offenlegen
(als juristische Person). Auf ausgezahlte Gehälter zahlt die Firma dann
Lohnsteuer. Er überweist sich selbst also ein Gehalt (auf ein anderes Konto)
und dieses (als natürliche Person) muss er dann nicht offenlegen. 

Das im Moment von natürlichen Personen eine Einkommenssteuererklärung
verlangt wird, hat nur damit zu tun, dass eben NICHT von allen Firmen
(Juristischen Personen) so eine transparente Offenlegung gemacht werden muss
(z.B. bei Stiftungen), bzw. die Trennung zwischen juristischen und
natürlichen Personen aufgeweicht worden ist. 

Wenn jemand z.B. Vermögen (Immobilien, Aktien etc.) hat und daraus Gewinne
erwirtschaftet, so müsste er IMO dafür eine Firma haben, die diese Vermögen
als Aktiva verwaltet und dann auch einen Geschäftsbericht macht, der
unabhängig von der natürlichen Person ist. 

Aber das ist eben alles Theorie. ;-)

> Derzeit läuft beides. Während viele 
> bGE-Verfechter ja von einer radikalen Verschlankung der 
> Staatsbürokratie träumen, wäre ich eher dafür, z. B. all die 
> Sachbearbeiter zur Bedarfsprüfung bei den Jobcentern in die 
> Finanzämter zu verschieben (so das denn für sie ok ist) und 
> mal bei dem oberen Einkommensviertel der Bevölkerung genauer 
> hinzuschauen. Das wäre einerseits so etwas wie ausgleichende 
> Ungerechtigkeit, würde sich andererseits für den Staat sehr 
> wahrscheinlich rentieren und könnte auch die Wissenslücken 
> über den realen Gini-Koeffizienten auffüllen. 

Oh, mehr Finanzbeamte wären im Moment echt gut! 

Und ich glaube auch nicht so richtig an einen Bürokratieabbau durch das BGE,
zumindest nicht am Anfang bei der Einführung.

> Für mich klingt 
> das so, als wenn du deine Vermögensverhältnisse vor den Augen 
> des Staates verstecken möchtest. 

Nein, möchte ich nicht, siehe oben. 

Was ich möchte, ist, das es bei Privatmenschen überhaupt keine Vermögen mehr
gibt. Höchstens ein kleines Grundstück mit einem kleinen Häuschen darauf zur
privaten Nutzung (aber eben nicht als Vermögen, sondern als bedingungsloses
Überlassen für private Zwecke). Kein Eigentum, aus dem Gewinne
erwirtschaftet werden.

Die Gewinne von Vermögen werden den Eigentümern der Firmen, denen das
Vermögen gehört, eben erst nach der Zahlung der Steuern überwiesen, nicht
schon vorher (wie es jetzt passiert).

> Ok, der Staat ist sicherlich 
> nicht das sympathischte Gebilde, aber insofern wir hier ja 
> zentral über gemeinwohlorientierte Gesellschaftsveränderung 
> qua Rechtsstaat diskutieren, scheint mir dein Statement etwa 
> auf folgende Aussage hinaus zu laufen: 'Meine 
> Vermögensverhältnisse gehen die Nichtvermögenden nichts an.' 

Wenn ich PRIVAT jemandem etwas verkaufe, sollen IMO darauf keine Steuern
gezahlt werden. Ansonsten müssten wir ALLE Menschen permanent überwachen und
vermuten, sie würden etwas illegales machen. Dann dürfte es z.B. auch kein
Bargeld geben.

Alles, was mit Vermögen zu tun hat, eben NUR über Firmen. 

> Das ist neoliberale Propaganda. Die meisten Leute haben 
> überhaupt keine Geschäftsabschlussdaten (oder höchstens bei 
> eBay und ähnlichen Portalen, denen man problemlos auferlegen 
> könnte, für die Umsetzung von Bernds Staatsbürgersteuer Sorge 
> zu tragen), sondern sind abhängig beschäftigt und derzeit in 
> ihren wirtschaftlichen Verhältnissen für den Staat völlig 
> transparent. 

Stimmt. Und wenn jemand wirklich VIEL verkauft, z.B. einen hohen Umsatz im
Jahr hat, muss er auch heute schon Steuern darauf zahlen. Das möchte ich
auch gar nicht ändern. I.M. gibt es für Kleinunternehmen die Grenze von
jährlich 17.500,- Euro, bis zu der sie ohne MwSt. wirtschaften können. 

> Ansonsten ist mir bislang noch kein Negativsteuermodell 
> begegnet, das ich diskussionswürdig fände. Ist mir völlig 
> unklar, was an den Modellen irgendwie reizvoll sein soll.

Reizvoll ist es, weil es (zumindest theoretisch) weniger Bürokratie
benötigen würde. Die Finanzämter haben doch sowieso schon die Daten von den
meisten Menschen. Aber die meisten dieser Modelle kommen wohl eher den
Reichen entgegen und sorgen eben NICHT für ein Umverteilung von oben nach
unten. :-( 

>> Das MEHRWERTSTEUER finanzierte Model funktioniert auch noch 
>> am Ende, 
>> kann auch noch Lenkungsaufgaben übernehmen indem z.B. 
>> umweltschonende 
>> Produkte günstiger gemacht werden, aber es dauert unheimlich lange, 
>> bis die Vermögen der Reichen langsam weniger werden und 
>> durch (noch) 
>> höhere Gehälter könnte der Abfluss des Geldes in Richtung 
>> BGE wieder 
>> zurückgedreht werden. Außerdem droht Inflation die wiederum durch 
>> Erhöhung des BGE ausgeglichen werden müsste.

> Definitiv falsch ist die Vorstellung, dass mit einem reinen 
> Mehrwertsteuermodell 'die Vermögen der Reichen langsam 
> weniger werden'. 

Doch schon, aber halt nur GANZ LANGSAM. Und nur unter bestimmten
Voraussetzungen (z.B. dass die Vermögen nicht auf irgendwelchen Konten
gehortet werden können und dort über die Zinsen anwachsen). ;-)

> Mehrwertsteuer bleibt die unsozialste Steuer, weil sie nur 
> den konsumptiven Konsum, nicht aber den produktiven Konsum 
> besteuert, also nicht das, was wir Vermögensbildung, Sparen 
> oder Investieren nennen. 

Stimmt. Allein über die MwSt. das BGE zu finanzieren macht wenig Sinn, wenn
du wirklich die Vermögen abbauen willst. 

Wenn du allerdings die Zielsetzung des BGE auf ein Einkommen unabhängig von
Arbeit reduzierst, kann es durchaus funktionieren. 

Es ist halt die Frage, möchtest du erst einmal SCHNELL ALLEN ein
Menschenwürdiges Leben ermöglichen oder möchtest du in ferner Zukunft eine
Utopische Gesellschaft haben? 

> Während die armen Leute permanent ihre kompletten Einnahmen 
> wieder ausgeben und auf alles Mehrwertsteuer bezahlen und so 
> das sozialstaatliche Gesamtsystem finanzieren würden, würden 
> die reichen Leute auf den Teil ihrer Einnahmen, den sie in 
> Vermögen verwandeln, überhaupt keine Steuern bezahlen. Im 
> Effekt würde das die Zentralisierung des Kapitals in den 
> Händen sehr Weniger nur weiter absichern und beschleunigen. 

Das hatte ich ja auch schon ganz am Anfang mal geschrieben. Ein BGE sorgt
nicht automatisch für eine bessere Gesellschaft. Es ist nur ein
Wirtschaftssystem, dass unsere Gesellschaft auf die Zeit vorbereitet, wenn
niemand mehr arbeiten muss. 

Für den Konflikt Arm - Reich bringt uns das BGE nichts. 

> In der Form wäre das bGE ein neofeudales Projekt.

Ich befürchte aber, das es genau so kommen wird. :-(

> Hm, ok, wenn wir durch ein bGE ideale Marktstrukturen mit 
> idealer Konkurrenz bekommen würden, dann wäre es vielleicht 
> kein neofeudales Projekt. Aber diese idealen Strukturen 
> bekommen wir a) in der Realität sowieso nie und b) müssten 
> wir dafür mindestens erstmal sämtliches Vermögen einkassieren 
> und egalitär verteilen, um wenigstens so etwas wie gleiche 
> Startbedingungen zu produzieren - was wir ebenfalls in der 
> Realität nie bekommen werden. 

Wie willst du das erreichen? Revolution?

> Mir ist unklar, warum innerhalb 
> der bGE-Szene nicht unterdessen geklärt ist, dass reine 
> Mehrwertsteuermodelle keine Option sind. Es ist doch wirklich 
> nicht schwer zu begreifen, dass eine komplette Steuerfreiheit 
> von Kapital die Schere zwischen reich und arm nur weiter 
> spreizen würde. 

Weil das BGE auch von Leuten propagiert wird, die eben den Kapitalismus
retten wollen! 

> Angesichts der Erfahrungen mit dem 
> Mindestlohn, der sich in vielen Sphären zugleich zum 
> Maximallohn entwickelt, liegt z. B. auch die Befürchtung nah, 
> dass ein bGE allein überhaupt nicht zu einer Umverteilung von 
> oben nach unten führt (z. B. wegen bGE=Ersatz des 
> Streikgelds), sondern stattdessen womöglich das ganze Konzept 
> von Lohn mit dem Hinweis aufs bGE in die Tonne getreten wird, 
> nicht aber zugleich das Konzept von abhängiger Beschäftigung.

Stell dir eine Diktatur vor, in der jeder 'freiwillig' arbeitet und ein BGE
erhält. :-( 

Ein BGE kann auch nach hinten losgehen und alles NOCH schlimmer machen. Es
kommt ganz auf die Ausgestaltung des BGE an. 

> Ich bin mir nicht sicher, aber das Verständnisproblem liegt 
> vielleicht daran, dass die Mehrwertsteuer-Verfechter häufig 
> reine Kreislaufwirtschaftsmodelle suggerieren. 

Du erwartest Verständnis von Menschen, die etwas anderes wollen als du. 

Du willst eine egalitäre Gesellschaft. 
Die wollen den Kapitalismus retten. :-(

>> Nun, ob die Preise steigen, weil eine 50% MwSt. oben drauf 
>> kommt oder 
>> eine 50% Inflation ist wirklich egal. ;-)
> Nein, ist es nicht. Die gesellschaftlichen Auswirkungen 
> unterscheiden sich massiv.

Das glaube ich nicht. Was wären das denn für unterschiedliche Auswirkungen?

Liebe Grüße
Karin




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