[Debatte-Grundeinkommen] Zur Sache, Schätzchen! - sowie Dank für und kurze Reaktion auf Joachims Zusammenstellung

Karin Teetzen karin at inkat.de
So Jan 1 21:12:30 CET 2017


Hallo Bert,

> Kein Einwand, auch wenn ich vermute, dass du mit den 
> Millionen verschiedenen Konzepten etwas übertreibst. 

:-)

> Allerdings argumentierst du
> akademisch: Vieles denkbar, alles möglich. Ich habe einen 
> pragmatischen Vorschlag gemacht, weil ich mich halt nicht nur 
> an der Idee eines bGE erwärmen möchte, sondern eine 
> politische Umsetzung will. Und wenn wir es umsetzen wollen, 
> müssen wir uns halt für irgendwas auch irgendwie entscheiden. 

Zustimmung! 

> Deshalb erscheint's mir eine sinnvolle Aufgabe dieses 
> Verteilers, die Modelle zu sammeln und kritisch zu bewerten. 

Da kann ich gut mit Leben, nur dürfen wir nicht erwarten, auch wirklich eine
endgültige Lösung zu finden. Ein paar der schwächeren Modelle auszusortieren
halte ich aber für möglich. ;-)

Mir würde es reichen hier ein Einstiegsmodell zu finden, das einfach zu
Verstehen ist und gesellschaftlich Akzeptiert werden würde.

> Gehen wir die Sache wirklich mal pragmatisch an, wird's eh 
> viel schlimmer: Wir müssen ein bGE in einem großen Konsens 
> gegen die Interessen des status quo umsetzen. Die von 
> Thorsten und Arfst hier seit November angestoßenen 
> Diskussionen zeigen ja, dass selbst Leute, die ein bGE 
> vermutlich eine gute Sache fänden, andere Dinge wie bspw. 
> ihre Parteiloyalität ungleich wichtiger finden. Das ist mehr 
> oder weniger Kindergarten in der Verteiler-Sandbox. Ich bin 
> mir relativ sicher, dass es eine Menge Profiteure des status 
> quo gibt, die im Zweifelsfall all ihre mächtigen Ressourcen 
> dafür in Bewegung setzen werden, ein bGE entweder komplett zu 
> verhindern oder etwas einzuführen, das sich als bGE 
> vermarkten lässt, in Wirklichkeit aber nur eine Variation von 
> Hartz4 darstellt. Und das werden keine Kindergarten-Spiele in 
> der Sandbox sein.

Ja, Arfst und Thorsten sind (wohl unbewußt) da leider eher kontraproduktiv,
was die Einführung des BGE angeht. ;-)

Gut gemeint ist halt noch nicht gut gemacht. ;-) 

Den beiden ist anscheinend ihre Partei wichtiger als das BGE. Beides geht
IMO aber nicht. 

>> Und (in meiner Utopie) das Endziel des Geldmarktes wäre 
>> sowieso eine 
>> einzige Weltwährung (Geldmenge = BGE + Löhne) mit evtl. 
>> vielen kleinen 
>> zusätzlichen Regionalwährungen.
> Naja, die Banken organisieren schon etwas mehr als nur Kredite, z. B. 
> Risikoabsicherungen oder Währungstransfers - und 
> selbstverständlich zentral die Verwaltung der Wertverwertung, 
> also sowohl die Ausbeutungsprofite des obersten 
> Zehntausenstel als auch den Lebensstandard von uns allen bzw. 
> dynamisch formuliert halt die Kanalisierung unserer 
> Lebensenergien für systemisch gesetzte Zwecke.

Ich habe bewusst von einem Endziel, einer Utopie geschrieben. ;-)

Im Moment werden die ganzen Risiken doch sowieso schon sozialisiert (auf den
Staat abgewälzt). Was wäre dann also anders als jetzt? 

Versicherungen sind unnötiger Ballast. Risiken können genauso gut direkt vom
Staatshaushalt mit abgedeckt werden, statt dafür Gelder auf ein Extra-Konto
zu packen. Der Wasserkopf der Verwaltung wird dadurch unnötig. 

Währungsrisiken gibt es doch nur weil die einzelnen Volkswirtschaften
unterschiedlich sind. 

Wenn am Ende die ganze Welt ein einheitliches Wirtschaftssystem hat, ALLE
Menschen ein BGE in derselben Höhe erhalten, wir nur noch eine einzige
Währung haben, dann müssen auch keine Währungsrisiken mehr abgefangen
werden. 

Das Problem ist eben die Übergangszeit. ;-)

> Mich haben deine Sätze an Bernard Lietaer erinnert, auf den 
> ich über Telepolis-Foren letztes Jahr gestoßen wurde. 

Den kenne ich noch nicht. Ich habe mich bisher eher an den Klassikern wie
Gesell orientiert. 

Was ich im Wikipediaeintrag zu ihm gelesen (überflogen) habe find ich aber
ganz gut. :-)

> Zentral argumentiert er mit Resilienz, was mir auch im 
> bGE-Kontext beachtenswert erscheint, weil ein bGE strukturell 
> eine ökonomisch hohe Resilienz bewirken würde, es also 
> sachlich und thematisch da viele Überschneidungen gibt. 

Stimmt. Ich glaube, die meisten Experten sind sich einig, dass es im Moment
zuwenig Geld im 'normalen' Wirtschaftsmarkt und zuviel im 'Finanzmarkt'
gibt. 

Deshalb ja auch die niedrigen Zinsen bei der EZB um zu verhindern, dass das
Geld einfach nur angelegt wird und damit es (eher) im normalen Markt
investiert wird. 

Leider wird dabei zuwenig bedacht, dass sich Investitionen selbst gegenüber
niedrigen Zinsen doch lohnen müssen. Investitionen in der jetzigen
Wirtschaft bringen aber kaum Rendite, und deshalb funktioniert der Ansatz ja
auch nicht. 

Ein BGE würde mehr Geld in die 'normale' Wirtschaft bringen OHNE den Umweg
über die Firmen. Bei der EZB haben die mal vom 'Helikoptergeld' gesprochen
und das wäre ein ähnliches, aber nur kurzfristiges Prinzip. 

> In 
> dem Kontext macht's auch Sinn, nochmal zu erwähnen, dass ich 
> gern ein bGE mit einem bedingungslosen Wirtschaftseinkommen 
> ergänzen würde, also quasi die Ich-AG-Nummer auf einen 
> bedingungslosen Sockel umprogrammieren. 

Versteh ich nicht. Jeder, der eine BGE erhält kann doch einfach eine Firma
(z.B. eine Ich-AG) aufmachen. Bei zusätzlichem Kapitalbedarf über das
BGE-Niveau hinaus gibt es Kredite von Banken (oder vom Staat z.B. KfW
Existenzgründerkredit). Wenn die Firma wirtschaftlich Sinn macht, wird auch
kaum eine Bank auf so ein (relativ sicheres) Geschäft verzichten. Warum also
noch zusätzlich (mehr) finanzieren?

Genau für solche Fälle ist das BGE doch vorgesehen und, wenn man möchte,
könnte ja auch gleich eine Firmengründung im Warenkorb, der zur Berechnung
des BGE dient, mit enthalten sein. 

> Es gibt auch auf der luxuriösen Seite des 
> Klassenantagonismus kein richtiges Leben im falschen. 

:-)

>>> Es ist völlig klar, dass mein
>>> Vorschlag, der diese Summe einfach als zusätzliche Geldmenge über 
>>> alle Individuen Jahr für Jahr ins Gesamtsystem einspeisen will, zu 
>>> Inflationseffekten führen würde, gerade in der Einführungszeit 
>>> vermutlich zu sehr turbulenten.
>> Wenn gleichzeitig zur Einführung des BGE die Steuern erhöht würden, 
>> würde dem Gesamtmarkt das übers BGE ausgezahlte Geld auch 
>> wieder entnommen werden.
>> Dann bräuchtest du gar nicht so kompliziert denken wie mit 
>> Inflation 
>> und 'sekundengenauer' Abrechnung. ;-)
> Ich gebe zu, dass Bernds Staatsbürgersteuer auch relativ 
> schlicht und elegant ist. Die Mehrwertsteuermodelle sehen 
> zwar auf den ersten Blick schlicht aus, haben aber eine Menge 
> Probleme. Und alle anderen Modelle sind meines Wissens eher 
> ziemlich komplex in der steuerlichen Ausgestaltung. Ich finde 
> im Übrigen nicht, dass Inflation im Zusammenhang mit einem 
> inflationsresistenten bGE kompliziert gedacht ist. Das wird 
> erst kompliziert, wenn es die Gesamtgesellschaft durchdringt, 
> aber nicht, weil es in sich kompliziert wäre, sondern weil 
> die Gesamtgesellschaft komplex ist.

Jedes Modell hat seine Probleme! 

Ein Model, welches das BGE NUR über die EINKOMMENSSTEUER finanziert, geht
nur, solange auch Einkommen generiert wird. Wenn eine (Utopische)
Gesellschaft den Finanzmarkt abgeschafft hat und es Gehälter nur noch als
symbolische Anerkennung für Ehrenamtliche Leistungen gibt, dann gibt es auch
kaum noch Einkommen welches das BGE finanzieren kann.

Wenn ich es richtig verstanden habe, würde die STAATSBÜRGERSTEUER sich auch
auf des Einkommen des Bürgers beziehen und die Berechnung erfolgt über das
Finanzamt, dass ALLE meine Geschäftsabschlussdaten (zumindest meiner
Einnahmenseite) zur Verfügung gestellt bekommt. Ich weiß nicht, in wie weit
da der Datenschutz mitspielt und ich für meinen Teil mag einer Behörde auch
nicht so viel Macht geben wollen (dieselbe Einschränkung bei der NEGATIVEN
EINKOMMENSSTEUER). 

Das MEHRWERTSTEUER finanzierte Model funktioniert auch noch am Ende, kann
auch noch Lenkungsaufgaben übernehmen indem z.B. umweltschonende Produkte
günstiger gemacht werden, aber es dauert unheimlich lange, bis die Vermögen
der Reichen langsam weniger werden und durch (noch) höhere Gehälter könnte
der Abfluss des Geldes in Richtung BGE wieder zurückgedreht werden. Außerdem
droht Inflation die wiederum durch Erhöhung des BGE ausgeglichen werden
müsste. 

Die Erhöhung der Gesamtmenge des Geldes, indem immer zusätzlich das BGE noch
obendrauf kommt, führt zu einer starken Inflation, welches eine ständige
Anpassung des BGE erfordert. Ich weiß nicht, ob die Leute das so toll
finden, wenn sie im Geschäft JEDEN TAG neue Preise vorfinden, selbst wenn
ihnen auch JEDEN TAG eine ständig erhöhte Menge Geldes zur Verfügung
gestellt wird. ;-)

Perfekt gibt’s eben nicht ;-)

> Wenn schon, denn schon, oder? Wenn wir ohnehin eine 
> Kulturrevolution namens bGE durchziehen wollen, dann können 
> wir doch gleich noch ein paar mehr Eisen aus dem Feuer holen. 

Ich mach jetzt mal den Fehler, den viele Leute machen, wenn's ums BGE geht.
Ich schließe eben NICHT von mir auf andere. ;-)

Ich persönlich hätte mit diesem Model keine Probleme. Inflation wäre eine
gute Möglichkeit schnell die Vermögen der Reichen klein zu machen. Aber ich
bezweifle einfach, dass wir es einer 2/3 Mehrheit der Menschen begreiflich
machen können, dass sie jedes Jahr mehr und mehr für alles zu bezahlen
hätten. :-( 

>>> Eine Steuerreform durchzubekommen,
>>> die die Steuerlast annähernd verdoppelt, dürfte weitaus 
>>> schwieriger 
>>> und komplizierter sein - scheint mir zumindest.
>>> Andererseits ist das derzeitige Steuer-Sozialstaatssystem 
>>> ohnehin in 
>>> sich ein Skandal und es bedürfte eigentlich auch ganz 
>>> unabhängig von 
>>> bGE-Diskussionen einer radikalen Reform.
>> Ja eben, zwei Fliegen mit einer Klappe. ;-)
>> Und mit steigenden Steuern kennen die Leute sich ja aus. ;-)
> Naja, die Leute, deren Steuern wirklich steigen müssten, 
> kennen sich nach den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte eher 
> mit sinkenden Steuern und der Maschinerie der Steuervermeidung aus.

Mit Steuervermeidung kann man aber auch im Knast landen und dies ist in den
letzten Jahren ja auch vermehrt geschehen. ;-)
Und Steuervermeidung hängt auch davon ab, ob der Staat wieder Vertrauen
aufbauen kann, die Menschen also freiwillig Steuern zahlen. Das ist nicht
unbedingt von der Höhe der Steuern abhängig.

Nun, ob die Preise steigen, weil eine 50% MwSt. oben drauf kommt oder eine
50% Inflation ist wirklich egal. ;-) 

> Faktisch wird die Asylgesetzgebung aber schon seit Jahrzehnten immer 
> weiter verschärft, der politische Wille geht genau in die umgekehrte 
> Richtung. Und ich möchte gar nicht wissen, wie so manche Pegida-Leute 
> auf die Idee reagieren würden, spezielle Institutionen dafür zu 
> schaffen, dass Leute ohne legalen Aufenthaltstitel an ihr bGE kommen.

Ja leider. :-(

Meine Stille Hoffnung ist ja, dass bei den Rechten, wenn erst einmal das BGE
da ist, ein langsames Umdenken einsetzt und sie vielleicht nicht mehr dem
Staat oder den Ausländern an allem die Schuld geben. Zumindest bei den
Wutbürgern und Mitläufern könnte das klappen. 

Aber bei einem BGE-Light (Höhe = Hartz IV, Kinder die Hälfte, nur für
Deutsche Staatsbürger, finanziert über MwSt.) fürchte ich, wird’s wohl eher
noch schlimmer. 

Liebe Grüße,
Karin




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