[Debatte-Grundeinkommen] Monothematische Partei vs Vollpartei

Karin Teetzen karin at inkat.de
Mo Dez 19 12:41:38 CET 2016


Lieber Arfst,

"Die Linke" hat sich schon immer gern in Grabenkämpfen lieber selbst
umgebracht, statt an einem Strang zu ziehen und bei zumindest ähnlichen
Konzepten einfach mal in die richtige Richtung loszugehen ohne genau zu
wissen wie das fertige Gesamtkonzept am Ende dann wirklich aussieht. 

Der Kampf um die Macht ist eben nicht über das Wählen von linken- oder
rechten Parteien zu Lösen sondern nur durch ein Überwinden der
Parteistrukturen überhaupt (solche Konzepte wie die Einheitspartei a la DDR
sind damit übrigens auch gemeint).  

Eine wirkliche Demokratie bedeutet für mich eine Beteiligung ALLER an den
ENTSCHEIDUNGSFINDUNGEN, ein BGE würde deshalb an den Machtstrukturen auch
gar nichts ändern. Ein Aufbrechen der Machtstrukturen müsste in einem
anderen, zweiten oder parallelen Schritt erfolgen.

Ein BGE dient dazu der Wirtschaft im Zeitalter von Industrie 4.0 am
funktionieren zu helfen, bevor durch Massenarbeitslosigkeit unser gesamtes
Wirtschaftssystem zusammenbricht. Es dient dazu, zu verhindern, das Menschen
wirtschaftlich ausgenutzt werden und jeden Job für einen Hungerlohn annehmen
müssen. Es dient dazu technologischen Fortschritt zu ermöglichen, der bisher
durch Menschen verhindert wird, die für billiges Geld arbeiten, statt dass
Maschinen eingesetzt werden. 

Eine Monothematische BGE-Partei dürfte IMO auch gar nicht mit
"Gerechtigkeit" oder ähnlichen "höheren Zielen" argumentieren. 

> Meine bisherige Auffassung des bGE war nie monothematisch. 

Das Thema BGE ist so Komplex, dass es im Rahmen einer Vollpartei total
untergeht. Es gibt Auswirkungen in viele andere Teilbereiche unserer
Gesellschaft und die Diskussion um die verschiedenen Konzepte sind sehr
zeitaufwendig. Monothematisch wäre so eine Partei höchstens dem Namen nach. 

Und aus diesem Grund sollte auch ehrlicherweise erklärt werden, dass mit der
Wahl einer reinen BGE-Partei eben nicht ein fertiges Konzept umgesetzt wird,
sondern es NUR um eine Diskussion zur Einführung eines BGE geht.

Und wir sollten uns keine Illusionen machen. Selbst wenn so eine Partei ins
Parlament gewählt und man sich auf ein bestimmtes Konzept einigen würde, so
würde eine Umsetzung doch noch viele weitere Jahre brauchen.
Gesellschaftliche Veränderung braucht nun mal seine Zeit. 

> Nur kurz sei wiederholt, dass ein(e) Abgeordneter seine 
> Aufwandsentschädigung dafür erhält, dass er ALLE Probleme der 
> Bevölkerung ernst nimmt und die Interessen der Bevölkerung 
> sehr häufig hinter die Seinigen zu stellen hat. Sollte 
> tatsächlich jemand  aus der bGE-Partei in ein Parlament 
> gewählt werden, dann bekommt er sein Geld auch dafür, dass er 
> sich für Prostituiertenrechte einsetzt, sich um den 
> Straßenbau kümmert, sich mit der Frage der Bildungsqualität 
> beschäftigt, sich um den Tierschutz kümmert und so weiter. 

Ein Abgeordneter kann dies doch gar nicht leisten. Er kann sich nicht in
jedem Thema auskennen und deshalb die "richtige" Entscheidung treffen. Eben
deswegen werden ja auch so viele Arbeitsgruppen eingerichtet und die
Entscheidungsfindung dorthin verlagert oder aus den Ministerien (von
Lobbyisten) werden Gesetzesvorlagen geliefert, die nur noch abgenickt
werden. Ein Abgeordneter hat gar nicht die Zeit, sich um ALLES zu kümmern.

Du legst hier den Finger an die Wunde unseres kranken Systems. 

> Insofern wird die demokratische Auseinandersetzung einfach 
> jeweils in eine Partei verlagert. Doch auch diese muss sich 
> bei Abstimmungen gleichberechtigt den anderen Parteien 
> stellen, die dann natürlich auch beim Zentralthema einer 
> monothematischen Partei in der Mehrheit wären. 

Ja genau, zur Entscheidungsfindung wird ein Thema erst innerhalb einer
Partei verhandelt. Wenn dann, nach einer gewissen Zeit und Mühe ein
Kompromiss gefunden worden ist, wird dass Thema zur nächsthöheren Instanz
zwischen den Parteien weitergeleitet, z.B. einer Arbeitsgruppe. Hier wird
mit viel Mühe wieder ein Kompromiss gefunden, der dann wieder an ein höheres
Gremium, z.B. einer BUND-Länder-Kommision, weitergeleitet wird. Nach einer
weiteren Kompromissfindung muss dass ganze meist noch mit der EU wieder neu
verhandelt werden um einen weiteren Kompromiss zu finden. 

Wie viele Ebenen haben wir hier, auf denen jeweils dieselbe Diskussion mit
denselben Fakten zur Kompromissbildung herangezogen wird? 

Warum nicht gleich ALLE Menschen an so einer Diskussion beteiligen um nur
EINMAL einen Kompromiss finden zu müssen? 

Und bitte daran denken, dass mit dem Parteiwahlsystem immer auch ein paar
Parteien in der Opposition sind, also deren Kompromissfindung nicht zum
gesamt Kompromiss herangezogen wird.

> Oder soll man dann alle anderen Parteien in Bezug auf das 
> EINE Thema der einen monothematischen Partei entmündigen? Das 
> wäre natürlich absurd.

Da in so einer Partei zwangsläufig die höchste Kompetenz an Wissen und "sich
mit dem Thema beschäftigt haben" vorhanden wäre, sollte es für die anderen
Parteien doch logisch sein, sich deren Meinung anzuschließen. 

Aber Logik und Parteisystem, das schließt sich leider aus. 

> Und hier auf der Liste wurde ich schon als bGE-Gegner tituliert. 
> Vermutlich, weil ich in der falschen Partei bin. Das zeigt 
> mir, dass jetzt schon in der bGE-Partei Kräfte sind, die zwar 
> die bisherigen Parteien strukturell ablehnen, selbst aber 
> genauso ticken, was aber dadurch kaschiert wird, dass man 
> über andere Parteien schimpft.

Auch eine BGE-Partei ist eben immer noch eine Partei mit deren allgemeinen
Problemen. 

Für Menschen wie dich, die noch an das System glauben, sind solche
Vollparteien wie die Grünen eben das Richtige. Für Menschen wie mich, der
ich das Gesamtsystem ablehne, wäre nur eine reine BGE-Partei eine wählbare
Alternative.

Liebe Grüße
Karin


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