[Debatte-Grundeinkommen] Rentenbesteuerng, Regelsatz, Wohnkosten und Grund- bzw. Freibeträge bei de r Einkommenseuer

Debattenliste des Netzwerks Grundeinkommen debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
Do Mär 19 10:36:52 CET 2015


Sehr geehrte Frau Verena ,

	es ist schon faszinierend, wie sie selbst diesen Dschungel an
Einzelregelungen noch darstellen können, ohne unsachlich zu werden. 

	Ich finde das genial. 

	Warum gelingt eine Vereinfachung nicht, z.B. Existenzsicherrung=BGE=
12.000 € pro Person, dafür entfällt Hartz 4, Wohngeld, die von
Ihnen benannten Einzeltatbestände bis zu eben dieser Summe und damit
auch der 'Aufwand für die korrekte Nachvollziehung dieser
Einzeltatbestände'? 

	Es kann doch egal sein, ob wir insgesamt 11.944,07 in Summe
(willkürlich angenommen) berechtigt als Existenzgrundlage erhalten
oder die nächst höhere Summe in Euro aufgerundet, dafür aber
existenzangstfreier und kreativer und gemeinnütziger unsere Leistung
anbieten und einbringen. Die meisten mir bekannten Menschen inkl mir
selbst sind nicht gern krank oder erwerbslos, sondern bringen sich mit
Ihren Stärken und Schwächen gern ein für Wachstum und Gestaltung. 

	Ist Angst nicht viel teurer als Freiheit? Das wäre doch mal die
Energie wert, welche Sie und viele andere für diesen
Dateneinzelfalldschungel aufbringen. 

	Beste Grüße und Dank dennoch für Ihre Mühen 

	Peter Heesch 

	Ps Ich freue mich auf ein BGE und Freiheit und Vereinfachung und
Pragmatisches einfach mal Tun, vielleicht nach dem Motto Jede neue
Regelung beseitigt zwei Alte  

	-----Original-Nachricht----- 

	Betreff: [Debatte-Grundeinkommen] Rentenbesteuerng, Regelsatz,
Wohnkosten und Grund- bzw. Freibeträge bei de r Einkommenseuer 

	Datum: Wed, 18 Mar 2015 12:27:45 +0100 

	Von: Debattenliste des Netzwerks Grundeinkommen
<debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de> 

	An: <debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de> 

	Liebe Debattierende, 

	gerade fand ich unter
http://www.geldtipps.de/rente-pension-altersvorsorge/gesetzliche-rente/rentenbesteuerung-grenzwerte-von-bmf-errechnet?utm_source=affilinet&utm_medium=affiliate&utm_campaign=affiliate-creatives&utm_term=2340&utm_content=67|NL349|text|n
[1] eine interessante Tabelle zur Verdeutlichung der heutigen
Einkommensbesteuerung: 

	Jahr des Rentenbeginns 
(maßgeblich für den Besteuerungsanteil)  

	2012   

	2013   

	2014   

	2015  		 

	Höchste Jahresbruttorente 2015, die steuerunbelastet bleibt   

	15.289 €   

	14.972 €   

	14.617 €   

	14.287 €  		 

	ergibt Monatsbruttorente   

	1.274 €   

	1.248 €   

	1.218 €   

	1.191 €  		 

	Besteuerungsanteil   

	64 %   

	66 %   

	68 %   

	70 %  		 

	betragsmäßig festgeschriebener steuerfreier Teil der Rente   

	5.183 €   

	4.900 €   

	4.582 €   

	4.287 €  		 

	der Besteuerung unterliegender Anteil der Rente   

	10.106 €   

	10.072 €   

	10.035 €   

	10.000 €  		 

	abzüglich Werbungskostenpauschbetrag   

	102 €   

	102 €   

	102 €   

	102 €  		 

	abzüglich Sonderausgabenpauschbetrag   

	36 €   

	36 €   

	36 €   

	36 €  		 

	abzugsfähige Vorsorgeaufwendungen   

	1.614 €   

	1.580 €   

	1.543 €   

	1.508 €  		 

	zu versteuerndes Einkommen (entspricht dem Grundfreibetrag)   

	8.354 €   

	8.354 €   

	8.354 €   

	8.354 €  		 

	(Quelle: BMF, Februar 2015) 

	Zu lesen ist: (entspricht dem zu Beginn des Jahres noch gültigen
Grundfreibetrag des Jahres 2015), denn: 

	Das Bundeskabinett hat den Bericht über die Höhe des steuerfrei zu
stellenden Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern für die Jahre
2015 und 2016 beschlossen. Danach sind der steuerliche Grundfreibetrag
und der Kinderfreibetrag anzupassen. 

	Die Bundesregierung wird die notwendigen gesetzgeberischen Schritte
einleiten, die sich aus dem Existenzminimumbericht ergeben. 

	Der 10. Existenzminimumbericht kommt zu dem Ergebnis, dass in den
Veranlagungsjahren 2015 und 2016 sowohl beim Grundfreibetrag (derzeit
8.354 €) als auch beim Kinderfreibetrag (derzeit 4.368 €)
Erhöhungsbedarf besteht. Der Grundfreibetrag ist um mindestens 118
€ im Jahr 2015 und um mindestens 298 € im Jahr 2016 anzuheben. Der
Kinderfreibetrag ist um mindestens 144 € im Jahr 2015 und um
mindestens 240 € im Jahr 2016 anzuheben. 

	In dem Umfang, wie Erwerbseinkommen zum Bestreiten des notwendigen
Lebensunterhalts notwendig ist, darf es in Deutschland nicht besteuert
werden. Um die Einhaltung dieser Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts
exakt zu überprüfen, legt die Bundesregierung seit 1995 alle zwei
Jahre einen Bericht vor. 

	(Bundesfinanzministerium, Mitteilung Steuern vom
28.1.2015http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Pressemitteilungen/Finanzpolitik/2015/01/2015-01-28-PM05.html
[2] )Der 10. Existenzminimumbericht ist dort herunterzuladen. 

	Es scheint zunächst, als ob das BMF vergäße die Freibeträge der
Eltern für die Betreuung und Ausbildung ihrer Kindern zu dem
Kinderfreibetrag hinzuzurechnen. Siehe § 32 Abs. 6 EStG:  

	(6) 1Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer wird für jedes zu
berücksichtigende Kind des Steuerpflichtigen ein Freibetrag von 2 184
Euro für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag)
sowie ein Freibetrag von 1 320 Euro für den Betreuungs- und
Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vom Einkommen abgezogen.
2Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b zusammen zur Einkommensteuer
veranlagt werden, verdoppeln sich die Beträge nach Satz 1, wenn das
Kind zu beiden Ehegatten in einem Kindschaftsverhältnis steht… 

	Pro Kind stehen nämlich tatsächlich 12 * 584,- € = 7.008,- €
derzeit den Eltern von ihrem Einkommen steuerfrei zur Verfügung.
Siehe Übersicht 5 unter 6.3 des 10. Existenzminimumberichts. Wenn die
Steuererstattung hieraus günstiger ist, als das bereits erhaltene
Kindergeld, erhalten sie diese unter Anrechnung des Kindergeldes.
(siehe jeden Einkommensteuerbescheid von Eltern, die mehr als
durchschnittlich verdienen und
http://www.hartziv.org/news/20140923-uebersicht-der-hartz-iv-regelsaetze-ab-01-01-2015.html
[3] ).  

	Das Kindergeld, so kann dem 10. Existenzminimumbericht entnommen
werden, schafft bei Steuerpflichtigen mit ausreichend Einkommen den
Ausgleich für den Betreuungs- und Ausbildungsbedarf, während
Bedürftige in der Realität das ausgezahlte Kindergeld angerechnet
bekommen. Sie erhalten aber auch für ihre Kinder einen kostenfreien
Kita-Platz und Schulbetreuung im offenen Ganztag. Da läßt es sich
leicht vom Jobcenter anrechnen!  Nebenbei werden die bedürftigen
Eltern wohl auch ein wenig entmündigt, denn sie können nun nicht
mehr entscheiden, ihr Kind in Eigenregie zu betreuen und das
Kindergeld unangerechnet zu lassen.  

	Diese Anhebung der einkommensteuerlichen Grund- und
Kinderfreibeträge ist also Spiegelbild und Folge des seit dem
01.01.2015 erhöhten Hartz IV-Regelsatzes und Wohnkosten. Mit der
Anhebung dürfte dann auch das Kindergeld angehoben werden, welches
letztlich 31,5% sämtlicher kindbezogener Freibeträge ausmacht.
Zusammen mit entgeltfreier Familien- und Pflegeversicherung ergeben
sich da schnell wieder 50% an staatlicher Leistung für´s betuchte
Kind.   

	Nach den Zahlen des 10. Existenzminimumberichts muß ich wohl meine
Berechnung zu den Wohnkosten bei sozialleistungsbeziehenden Kindern
zugunsten von Kinderbetreuungskosten ändern, komme dann aber auf
dasselbe Ergebnis, wobei Kindergarten- und andere Kinderausbildungs-
und 
-betreuungsbeiträge im Konsumsteuersystem entweder einheitlich
erhoben werden müßten, wenn ein Kinder-bGE in Höhe von 584,- €
ausgezahlt wird, oder die Kinderbetreuung wird generell in jeder Form
entgeltfrei angeboten und das bGE auf heute bezahlbare 376,- € * 12
= 4.512 € jährlich begrenzt. Mir persönlich wäre die erste
Variante lieber.  

	Auch konkretisieren sich die Angaben von Ronald Blaschke, der den
Wert für die durchschnittlichen Wohnkosten pro Person in seiner
Grundeinkommens-Übersicht des Jahres 2010 für das Jahr 2009 mit
290,- € angab. Gemeint war dann wohl tatsächlich ein
Singlehaushalt. 

	Gemeinschaftliche Grüße 

	Verena Nedden  

	Von: Debatte-Grundeinkommen
[mailto:debatte-grundeinkommen-bounces at listen.grundeinkommen.de] Im
Auftrag von Debattenliste des Netzwerks Grundeinkommen
Gesendet: Sonntag, 15. März 2015 11:59
An: Debatten-Liste
Betreff: [Debatte-Grundeinkommen] Jochen Tittel: Austausch mit bernd
Starkloff   

	Liebe Leser bzw. Mitleser,
hier gebe ich Euch die Fortsetzung unseres Austauschs:

10.3. Bernd

Hi Jochen,
Wie Du z.B.
http://www.staatsbuergersteuer.de/TauschGeldZins.htm#TGZ3.5 [4]
entnehmen kannst oder noch fundamentaler meiner Kritik des Capital
Asset Pricing Modells in http://www.staatsbuergersteuer.de/CAPM.htm
[5] bin ich mit Dir der Meinung, dass bestimmte Ökonomie-Experten mit
ihren Empfehlungen auf extrem unsicherem Boden operieren und sich mit
ihren Theorien gegen die Wirklichkeit immunisiert haben, d.h.
Zusammenhänge behaupten, die in der Realität nicht vorhanden sind.
In einem früheren Diskussionsbeitrag habe ich dies als Dummheit
zweiter Art bezeichnet.
Das Problem ist, dass es in diesen Realitätsfeldern praktisch keine
verlässlichen Modelle gibt, die noch dazu ihre eigenen Grenzen
kennen. Dies verführt manche Theoretiker dazu, ihre Theorien als
Glaubenssätze zu etablieren. Ihnen geht es ähnlich wie z.B.
Regentänzern (http://de.wikipedia.org/wiki/Regentanz [6]) bei
primitiveren Völkern oder Teufelsaustreiber in manchen christlichen
Sekten oder entsprechenden anderen religiösen Ritualen: Da man nix
genaues weiß, etabliert man einen Mythos.
Er ist im besten Fall nicht schädlich, führt aber, insbesondere wenn
der Glaube daran radikale Formen annimmt, oft zu unsinnigen und
gelegentlich tödlichen Konsequenzen. ("Und willst Du nicht mein
Bruder sein ..."
Wie weit Hegel zu den Philosophen gehört, die für ihre Theorie die
totale Gültigkeit behaupten, weiß ich auch nicht. Ich kenne
zumindest keine Stelle, an der er dies behauptet. "Ich finde aber
schon Deine Forderung eines Philosophischen Systems mit sauber
definierten Axiomen und ebensolchem Begriffssystem als einseitig
rationalistisch." Ich fordere lediglich, dass etwas, auf das Gödels
Satz anwendbar sein soll, auch den Voraussetzungen von Gödels Satz
genügen muss. Dazu gehören eben sauber definierte Axiome und ein
entsprechendes Begriffssystem. Über Philosophien mit unsauberen
definierten Begriffen sagt Gödel lediglich, dass diese Philosophien
erst mal ihre Begriffe klären müssen, bevor über Kosequenzen und
logische Wahrheiten nachgedacht werden kann. Über empirische oder
reale Wahrheiten sagt keine Philosophie etwas aus. Sie kann
bestenfalls Modellaussagen machen, die sich empirisch überprüfen
lassen müssen. Erfolgreiche Überprüfung stärkt das Vertrauen in
diese Theorie. Eine Falsifikation zerstört das Vertrauen.
Ökonomie-Experten, die ihre Theorien als Glaubenssätze formulieren,
geht es wie den Regentänzern. Sie versprechen hilflosen Politikern
dann Regen, wenn diese nur die richtigen Tänze aufführen. Wie bei
den Regentänzern klappt das ja, auch wenn man auf den Erfolg
vielleicht lange warten muss. Früher waren Wetterfrösche in einer
ähnlichen Lage: sie sagten so lange ein bestimmtes Wetter voraus, bis
es einmal tatsächlich eintrat. Beim Wetter ist man inzwischen ein
bisschen besser geworden. Auch bei der Medizin ist durch die Vier
Säfte Lehre des Galenus viel Leben zerstört worden, ohne das diese
Theorie als das erkannt worden wäre, was sie ist, nämlich Dummheit
zweiter Art.
Was es noch schlimmer macht, ist das Denkverbot, mit dem
Okonomie-Experten ihre Theorien und Empfehlung belegen, weil jeder
Zweifel die Wirksamkeit ihrer Empfehlung reduziert und den von der
Empfehlung Betroffenen zeigt, dass sie einer Illusion unterliegen
könnten. Auch die katholische Kirche oder der Islam kennen und
fordern Denkverbote.
Hier im Überfluss ausreichend produzierte Nahrung wird oft in
Notstandsgebiete transportiert. Ob man den Menschen dort damit
nachhaltig hilft, bezweifle ich. Damit untergräbt man alle
Aktivitäten, vor Ort eine selbstversorgende Landwirtschaft
aufzubauen. Schon unsere Verschickung der Altkleider durch das DRK
nach Afrika zerstört dort die Textilindustie. Es ist sinnvoller, die
Menschen vor Ort so zu unterstützen, dass sie sich selbst helfen
können. Nur Ignoranten meinen, Almosen bewirkten etwas anderes als
die Erziehung zu Almosenempfängern. Was dieser Versuch anrichten
kann, zeigt sich z.B. in Griechenland. Die bösen Deutschen wollen
diesen Armen einfach kein Geld mehr geben. Das ist das Gegenteil von
Erfolg und Dankbarkeit, nämlich Hass auf die Deutschen, weil diese
den Griechen die Hilfe und die Kredite aufgezwungen haben. Leider
weiß ich nicht, wie eine Unterstützung aussehen soll, damit sie
wirklich und nicht nur oberflächlich und kurzfristig hilft. Als
Entwicklungshelfer im Sudan habe ich genug fehlgeschlagene Projekte
gesehen, mit denen unsere Gutmeschen geglaubt haben, sie täten etwas
Gutes. Auch in anderen Ländern, die ich bereist habe, sieht es nicht
viel anders aus. Die Mentalität der Menschen und die Zusammenhänge
der Gesellschaft sind eben komplizierter und unser Wissen darüber ist
ähnlich wie der von Galenus über die medizinischen Zusammenhänge.
Bernd
PS. War Marx ein Philosoph oder ein Ökonom? Ich vermute, dass er sich
als Ökonom gesehen hätte, wenn es diese Wissenschaft damals schon
gab.
Bernd

15.3. Jochen

Lieber Bernd, 

	ich fange mal mit der Beantwortung von hinten an. Wenn man die Frage
danach, was jemand war oder ist, so versteht, daß nach einem
offiziell abgeschlossenen Bildungsgang gefragt ist, dann war Marx
Jurist. Er selbst hat sich wohl als Philosoph und Ökonom verstanden.
Aber den Beruf "Ökonom" und ein entsprechendes Studienfach hat es,
denke ich, zu seiner Zeit noch nicht gegeben. 

	Der nächste Punkt betrifft die Nahrungsmittelfrage und
Entwicklungshilfe. Ich kann dazu nur theoretisieren, da ich selbst
keine praktischen Erfahrungen mit Entwicklungshilfe habe; ich bin kein
Reisemensch und bewege mich vergleichsweise wenig über den Erdball.
Ich bin mir darüber im klaren, daß jegliche Lieferungen von
Überschußprodukten aus den Zentren der Zivilisation in
"Entwicklungsländer" dort schädliche Nebenwirkungen haben und
deshalb nur in akuten Notfällen stattfinden sollten. Das gleich
trifft übrigens auch auf die "normale" Einbindung dieser Länder in
den Weltmarkt zu. Wirkliche "Entwicklungshilfe" funktioniert wohl nur,
wenn man diesen Ländern bzw. den Menschen dort hilft, mit ihren
eigenen Gegebenheiten eine eigene Wirtschaft aufzubauen (zunächst
abgekoppelt vom Weltmarkt). Das bedeutet zuallererst, daß den
Menschen ihr tradiertes Nutzungsrecht auf die natürlichen Ressourcen
in ihrem Lebensraum garantiert werden muß. Wo das bereits zerstört
ist, muß es wieder hergestellt werden. Das heißt etwa, daß das
fortschreitende Landgrabbing beendet und rückgängig gemacht werden
muß. Wissens- und Technologiehilfe hilft nur wirklich zur
Selbständigkeit, wenn sie den Gegebenheiten vor Ort und den
Möglichkeiten der Menschen entspricht. Ich denke, daß alle
Entwicklungshilfe, die von vornherein Weltmarktorientiert ist ein
Schwindel oder mindestens ein Irrtum ist. Neben der unmittelbar
wirtschaftlich orientierten Hilfe, die gut oder schlecht sein kann,
ist sicher auch politische Unterstützung notwendig. Damit würden
wir, wenn wir es gut mach, erstmal auch Wiedergutmachung für
jahrhundertelange kolonialistische Verheerungen betreiben. Eine große
Zahl gutgemeinter Entwicklungsprojekte scheitern ja wohl daran, daß
sie in den Händen einer korrupten und von der Bevölkerung
abgehobenen Herrschaftsschicht mißbraucht wurden und werden. Und
dieser Umstand ist zumindest zum Teil der kolonialistischen
Vergangenheit zu verdanken. 

	Zu Gödel und Philosophie 

	Ich bin natürlich mit Dir einer Meinung, daß der formale Aspekt
beim Denken beachtet werden muß, wenn man reproduzierbare Ergebnisse
erlangen will - also Wahrheit. Gödels Unvollständigkeitssatz (oder
Sätze) sind aber für mich die philosophische Aussage, daß die
formale Richtigkeit alleine nicht hinreichend ist, gar nicht
erreichbar. Gödel sagt also nicht nur, daß die Philosophen ihre
Begriffe klären müssen, sonder auch, daß sie, wenn sie alle ihre
Begriffe geklärt haben sollten, die Sache allein nicht aufgeht. Bzw.
daß sie es nie schaffen werden, alle ihre Begriffe zu klären. Damit
wir dennoch mit unserem Denkvermögen etwas vernünftiges anfangen
können, braucht es noch was zusätzliches und das ist die sinnliche
oder empirische Wirklichkeit (hier im Sinne von dem, was wirkt). Du
sagst: "Über empirische oder reale Wahrheiten sagt keine Philosophie
etwas aus. " Ich würde das etwas spezifizieren: Über den Inhalt
empirischer Sachverhalte kann Philosophie nichts (oder nur bedingt
etwas) aussagen, aber über die mögliche Form und die Bedingungen der
Möglichkeit durchaus. Und die Beantwortung der Frage, was "reale
Wahrheiten" bedeuten soll, ist auch eine philosophische Aufgabe.
Verifikation und Falsifikation sind schließlich Methoden, um den
Geltungsbereich von theoretischen Aussagen zu bestimmen, also die
Grenzen aufzuzeigen innerhalb derer sie Wahrheiten sind. {Kleine
Spekulation von mir: vielleicht gibt es überhaupt keine Aussagen, die
ganz und gar wahr oder ganz und gar falsch sind, weil der offene
Bereich, in dem die Verifikation und Falsifikation stattfindet, gar
nicht bestimmbar ist.} 

	Zur Ökonomie und ihren Modellen 

	Die von Dir bezeichneten Texte habe ich nur erstmal überflogen und
stelle dabei fest, daß es noch zahlreiche Punkte gibt, an denen für
mich Klärungsbedarf besteht. Ich hoffe, wir kommen mit der Zeit damit
Schritt für Schritt voran. Was mich aber um so mehr wundert, daß Du
trotz des Wissens um die vielen Schwächen der ökonomischen Modelle
grundsätzlich kritische Betrachtungen zu diesen Themen - wie etwa
Brodbecks Arbeiten - nicht zur Kenntnis nehmen willst oder für
unbedeutend hältst. 

	Du erwähnst beim Thema Entwicklungshilfe nebenbei die Beziehung
zwischen Deutschland und Griechenland. Das ist ein gutes Beispiel
dafür, wie in der gängigen Ökonomie Probleme erzeugt werden.
Deutschland rühmt sich gern als Exportweltmeister und
Exportüberschuß-Weltmeister. (Daß ein so "erfolgreiches" Land
dennoch selbst hoch verschuldet ist, ist ja auch schon sehr
eigenartig.) Ein Land kann aber nur Exportüberschüsse erzielen, wenn
andere bereit sind, sich zu verschulden. Hätten die südlichen
EU-Länder eine "solide" Handelspolitik betrieben und sich nicht
verschuldet, sähe es um unsere Bilanzen bedeutend schlechter aus. Im
Grunde haben wir mit dieser Strategie unsere Schulden und unsere
Arbeitslosigkeit exportiert. Das ist eine ganz normale Folge der
ökonomischen "Gesetzmäßigkeiten". Wenn wir also eine wirkliche
europäische solidarische Gemeinschaft anstreben, dürfen wir dem
Markt bzw. den Märkten nicht die Macht über die Gestaltung dieser
Beziehungen überlassen. Ich denke, daß Du das ähnlich siehst. Für
mich bedeutet das aber auch, die Ökonomie mit grundsätzlich
kritischem Blick zu betrachten. 

	Noch eine andere Episode in diesem Kontext: Im letzten Jahr ging es
in irgendeiner Diskussionsrunde im Fernsehen auch um Deutschlands
Rolle als Exportweltmeister. Da traten einige Diskutanten ernsthaft
mit der Meinung auf, daß Deutschlands Weltmeisterrolle durch den
wachsenden chinesischen Export bedroht würde und daß das eine
Bedrohung für Deutschland überhaupt sei. In meinen Augen sind solche
Äußerungen Anzeichen für ausbrechenden Wahnsinn. 

	Soweit erstmal heute zu diesen Themen. Zu der Auseinandersetzung
zwischen Dir und Verena Nedden will ich auch noch meine Anmerkungen
machen, die schicke ich aber als gesonderte mail. 

	Herzlichen Gruß 

	Jochen

Links:
------
[1]
http://www.geldtipps.de/rente-pension-altersvorsorge/gesetzliche-rente/rentenbesteuerung-grenzwerte-von-bmf-errechnet?utm_source=affilinet&utm_medium=affiliate&utm_campaign=affiliate-creatives&utm_term=2340&utm_content=67|NL349|text|n
[2]
http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Pressemitteilungen/Finanzpolitik/2015/01/2015-01-28-PM05.html
[3]
http://www.hartziv.org/news/20140923-uebersicht-der-hartz-iv-regelsaetze-ab-01-01-2015.html
[4] http://www.staatsbuergersteuer.de/TauschGeldZins.htm#TGZ3.5
[5] http://www.staatsbuergersteuer.de/CAPM.htm
[6] http://de.wikipedia.org/wiki/Regentanz
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