[Debatte-Grundeinkommen] Rentenbesteuerng, Regelsatz, Wohnkosten und Grund- bzw. Freibeträge bei der Einkommenseuer

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Di Mär 17 22:13:26 CET 2015


Liebe Debattierende,

gerade fand ich unter http://www.geldtipps.de/rente-pension-altersvorsorge/gesetzliche-rente/rentenbesteuerung-grenzwerte-von-bmf-errechnet?utm_source=affilinet <http://www.geldtipps.de/rente-pension-altersvorsorge/gesetzliche-rente/rentenbesteuerung-grenzwerte-von-bmf-errechnet?utm_source=affilinet&utm_medium=affiliate&utm_campaign=affiliate-creatives&utm_term=2340&utm_content=67|NL349|text|n> &utm_medium=affiliate&utm_campaign=affiliate-creatives&utm_term=2340&utm_content=67|NL349|text|n eine interessante Tabelle zur Verdeutlichung der heutigen Einkommensbesteuerung:

	
Jahr des Rentenbeginns 
(maßgeblich für den Besteuerungsanteil)

	
2012

2013

2014

2015

 	

Höchste Jahresbruttorente 2015, die steuerunbelastet bleibt 

15.289 €

14.972 €

14.617 €

14.287 €

 	

ergibt Monatsbruttorente

1.274 €

1.248 €

1.218 €

1.191 €

 	

Besteuerungsanteil

64 %

66 %

68 %

70 %

 	

betragsmäßig festgeschriebener steuerfreier Teil der Rente

5.183 €

4.900 €

4.582 €

4.287 €

 	

der Besteuerung unterliegender Anteil der Rente

10.106 €

10.072 €

10.035 €

10.000 €

 	

abzüglich Werbungskostenpauschbetrag

102 €

102 €

102 €

102 €

 	

abzüglich Sonderausgabenpauschbetrag

36 €

36 €

36 €

36 €

 	

abzugsfähige Vorsorgeaufwendungen

1.614 €

1.580 €

1.543 €

1.508 €

 	

zu versteuerndes Einkommen (entspricht dem Grundfreibetrag)

8.354 €

8.354 €

8.354 €

8.354 €

 	

(Quelle: BMF, Februar 2015) 

Zu lesen ist: (entspricht dem zu Beginn des Jahres noch gültigen Grundfreibetrag des Jahres 2015), denn:

Das Bundeskabinett hat den Bericht über die Höhe des steuerfrei zu stellenden Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern für die Jahre 2015 und 2016 beschlossen. Danach sind der steuerliche Grundfreibetrag und der Kinderfreibetrag anzupassen.

Die Bundesregierung wird die notwendigen gesetzgeberischen Schritte einleiten, die sich aus dem Existenzminimumbericht ergeben.

Der 10. Existenzminimumbericht kommt zu dem Ergebnis, dass in den Veranlagungsjahren 2015 und 2016 sowohl beim Grundfreibetrag (derzeit 8.354 €) als auch beim Kinderfreibetrag (derzeit 4.368 €) Erhöhungsbedarf besteht. Der Grundfreibetrag ist um mindestens 118 € im Jahr 2015 und um mindestens 298 € im Jahr 2016 anzuheben. Der Kinderfreibetrag ist um mindestens 144 € im Jahr 2015 und um mindestens 240 € im Jahr 2016 anzuheben.

In dem Umfang, wie Erwerbseinkommen zum Bestreiten des notwendigen Lebensunterhalts notwendig ist, darf es in Deutschland nicht besteuert werden. Um die Einhaltung dieser Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts exakt zu überprüfen, legt die Bundesregierung seit 1995 alle zwei Jahre einen Bericht vor.

(Bundesfinanzministerium, Mitteilung Steuern vom 28.1.2015 http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Pressemitteilungen/Finanzpolitik/2015/01/2015-01-28-PM05.html ) Der 10. Existenzminimumbericht ist dort herunterzuladen.

 

Es scheint zunächst, als ob das BMF vergäße die Freibeträge der Eltern für die Betreuung und Ausbildung ihrer Kindern zu dem Kinderfreibetrag hinzuzurechnen. Siehe § 32 Abs. 6 EStG: 

(6) 1Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer wird für jedes zu berücksichtigende Kind des Steuerpflichtigen ein Freibetrag von 2 184 Euro für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) sowie ein Freibetrag von 1 320 Euro für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vom Einkommen abgezogen. 2Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, verdoppeln sich die Beträge nach Satz 1, wenn das Kind zu beiden Ehegatten in einem Kindschaftsverhältnis steht…

 

Pro Kind stehen nämlich tatsächlich 12 * 584,- € = 7.008,- € derzeit den Eltern von ihrem Einkommen steuerfrei zur Verfügung. Siehe Übersicht 5 unter 6.3 des 10. Existenzminimumberichts. Wenn die Steuererstattung hieraus günstiger ist, als das bereits erhaltene Kindergeld, erhalten sie diese unter Anrechnung des Kindergeldes. (siehe jeden Einkommensteuerbescheid von Eltern, die mehr als durchschnittlich verdienen und http://www.hartziv.org/news/20140923-uebersicht-der-hartz-iv-regelsaetze-ab-01-01-2015.html ). 

 

Das Kindergeld, so kann dem 10. Existenzminimumbericht entnommen werden, schafft bei Steuerpflichtigen mit ausreichend Einkommen den Ausgleich für den Betreuungs- und Ausbildungsbedarf, während Bedürftige in der Realität das ausgezahlte Kindergeld angerechnet bekommen. Sie erhalten aber auch für ihre Kinder einen kostenfreien Kita-Platz und Schulbetreuung im offenen Ganztag. Da läßt es sich leicht vom Jobcenter anrechnen!  Nebenbei werden die bedürftigen Eltern wohl auch ein wenig entmündigt, denn sie können nun nicht mehr entscheiden, ihr Kind in Eigenregie zu betreuen und das Kindergeld unangerechnet zu lassen. 

 

Diese Anhebung der einkommensteuerlichen Grund- und Kinderfreibeträge ist also Spiegelbild und Folge des seit dem 01.01.2015 erhöhten Hartz IV-Regelsatzes und Wohnkosten. Mit der Anhebung dürfte dann auch das Kindergeld angehoben werden, welches letztlich 31,5% sämtlicher kindbezogener Freibeträge ausmacht. Zusammen mit entgeltfreier Familien- und Pflegeversicherung ergeben sich da schnell wieder 50% an staatlicher Leistung für´s betuchte Kind.  

 

Nach den Zahlen des 10. Existenzminimumberichts muß ich wohl meine Berechnung zu den Wohnkosten bei sozialleistungsbeziehenden Kindern zugunsten von Kinderbetreuungskosten ändern, komme dann aber auf dasselbe Ergebnis, wobei Kindergarten- und andere Kinderausbildungs- und 
-betreuungsbeiträge im Konsumsteuersystem entweder einheitlich erhoben werden müßten, wenn ein Kinder-bGE in Höhe von 584,- € ausgezahlt wird, oder die Kinderbetreuung wird generell in jeder Form entgeltfrei angeboten und das bGE auf heute bezahlbare 376,- € * 12 = 4.512 € jährlich begrenzt. Mir persönlich wäre die erste Variante lieber. 

Auch konkretisieren sich die Angaben von Ronald Blaschke, der den Wert für die durchschnittlichen Wohnkosten pro Person in seiner Grundeinkommens-Übersicht des Jahres 2010 für das Jahr 2009 mit 290,- € angab. Gemeint war dann wohl tatsächlich ein Singlehaushalt.

 

Gemeinschaftliche Grüße

Verena Nedden 

 

Von: Debatte-Grundeinkommen [mailto:debatte-grundeinkommen-bounces at listen.grundeinkommen.de] Im Auftrag von Debattenliste des Netzwerks Grundeinkommen
Gesendet: Sonntag, 15. März 2015 11:59
An: Debatten-Liste
Betreff: [Debatte-Grundeinkommen] Jochen Tittel: Austausch mit bernd Starkloff

 

Liebe Leser bzw. Mitleser,
hier gebe ich Euch die Fortsetzung unseres Austauschs:

10.3. Bernd

Hi Jochen,
Wie Du z.B. http://www.staatsbuergersteuer.de/TauschGeldZins.htm#TGZ3.5 entnehmen kannst oder noch fundamentaler meiner Kritik des Capital Asset Pricing Modells in http://www.staatsbuergersteuer.de/CAPM.htm bin ich mit Dir der Meinung, dass bestimmte Ökonomie-Experten mit ihren Empfehlungen auf extrem unsicherem Boden operieren und sich mit ihren Theorien gegen die Wirklichkeit immunisiert haben, d.h. Zusammenhänge behaupten, die in der Realität nicht vorhanden sind.
In einem früheren Diskussionsbeitrag habe ich dies als Dummheit zweiter Art bezeichnet.
Das Problem ist, dass es in diesen Realitätsfeldern praktisch keine verlässlichen Modelle gibt, die noch dazu ihre eigenen Grenzen kennen. Dies verführt manche Theoretiker dazu, ihre Theorien als Glaubenssätze zu etablieren. Ihnen geht es ähnlich wie z.B. Regentänzern (http://de.wikipedia.org/wiki/Regentanz) bei primitiveren Völkern oder Teufelsaustreiber in manchen christlichen Sekten oder entsprechenden anderen religiösen Ritualen: Da man nix genaues weiß, etabliert man einen Mythos.
Er ist im besten Fall nicht schädlich, führt aber, insbesondere wenn der Glaube daran radikale Formen annimmt, oft zu unsinnigen und gelegentlich tödlichen Konsequenzen. ("Und willst Du nicht mein Bruder sein ..."
Wie weit Hegel zu den Philosophen gehört, die für ihre Theorie die totale Gültigkeit behaupten, weiß ich auch nicht. Ich kenne zumindest keine Stelle, an der er dies behauptet. "Ich finde aber schon Deine Forderung eines Philosophischen Systems mit sauber definierten Axiomen und ebensolchem Begriffssystem als einseitig rationalistisch." Ich fordere lediglich, dass etwas, auf das Gödels Satz anwendbar sein soll, auch den Voraussetzungen von Gödels Satz genügen muss. Dazu gehören eben sauber definierte Axiome und ein entsprechendes Begriffssystem. Über Philosophien mit unsauberen definierten Begriffen sagt Gödel lediglich, dass diese Philosophien erst mal ihre Begriffe klären müssen, bevor über Kosequenzen und logische Wahrheiten nachgedacht werden kann. Über empirische oder reale Wahrheiten sagt keine Philosophie etwas aus. Sie kann bestenfalls Modellaussagen machen, die sich empirisch überprüfen lassen müssen. Erfolgreiche Überprüfung stärkt das Vertrauen in diese Theorie. Eine Falsifikation zerstört das Vertrauen.
Ökonomie-Experten, die ihre Theorien als Glaubenssätze formulieren, geht es wie den Regentänzern. Sie versprechen hilflosen Politikern dann Regen, wenn diese nur die richtigen Tänze aufführen. Wie bei den Regentänzern klappt das ja, auch wenn man auf den Erfolg vielleicht lange warten muss. Früher waren Wetterfrösche in einer ähnlichen Lage: sie sagten so lange ein bestimmtes Wetter voraus, bis es einmal tatsächlich eintrat. Beim Wetter ist man inzwischen ein bisschen besser geworden. Auch bei der Medizin ist durch die Vier Säfte Lehre des Galenus viel Leben zerstört worden, ohne das diese Theorie als das erkannt worden wäre, was sie ist, nämlich Dummheit zweiter Art.
Was es noch schlimmer macht, ist das Denkverbot, mit dem Okonomie-Experten ihre Theorien und Empfehlung belegen, weil jeder Zweifel die Wirksamkeit ihrer Empfehlung reduziert und den von der Empfehlung Betroffenen zeigt, dass sie einer Illusion unterliegen könnten. Auch die katholische Kirche oder der Islam kennen und fordern Denkverbote.
Hier im Überfluss ausreichend produzierte Nahrung wird oft in Notstandsgebiete transportiert. Ob man den Menschen dort damit nachhaltig hilft, bezweifle ich. Damit untergräbt man alle Aktivitäten, vor Ort eine selbstversorgende Landwirtschaft aufzubauen. Schon unsere Verschickung der Altkleider durch das DRK nach Afrika zerstört dort die Textilindustie. Es ist sinnvoller, die Menschen vor Ort so zu unterstützen, dass sie sich selbst helfen können. Nur Ignoranten meinen, Almosen bewirkten etwas anderes als die Erziehung zu Almosenempfängern. Was dieser Versuch anrichten kann, zeigt sich z.B. in Griechenland. Die bösen Deutschen wollen diesen Armen einfach kein Geld mehr geben. Das ist das Gegenteil von Erfolg und Dankbarkeit, nämlich Hass auf die Deutschen, weil diese den Griechen die Hilfe und die Kredite aufgezwungen haben. Leider weiß ich nicht, wie eine Unterstützung aussehen soll, damit sie wirklich und nicht nur oberflächlich und kurzfristig hilft. Als Entwicklungshelfer im Sudan habe ich genug fehlgeschlagene Projekte gesehen, mit denen unsere Gutmeschen geglaubt haben, sie täten etwas Gutes. Auch in anderen Ländern, die ich bereist habe, sieht es nicht viel anders aus. Die Mentalität der Menschen und die Zusammenhänge der Gesellschaft sind eben komplizierter und unser Wissen darüber ist ähnlich wie der von Galenus über die medizinischen Zusammenhänge.
Bernd
PS. War Marx ein Philosoph oder ein Ökonom? Ich vermute, dass er sich als Ökonom gesehen hätte, wenn es diese Wissenschaft damals schon gab.
Bernd

15.3. Jochen

Lieber Bernd, 

ich fange mal mit der Beantwortung von hinten an. Wenn man die Frage danach, was jemand war oder ist, so versteht, daß nach einem offiziell abgeschlossenen Bildungsgang gefragt ist, dann war Marx Jurist. Er selbst hat sich wohl als Philosoph und Ökonom verstanden. Aber den Beruf "Ökonom" und ein entsprechendes Studienfach hat es, denke ich, zu seiner Zeit noch nicht gegeben.

Der nächste Punkt betrifft die Nahrungsmittelfrage und Entwicklungshilfe. Ich kann dazu nur theoretisieren, da ich selbst keine praktischen Erfahrungen mit Entwicklungshilfe habe; ich bin kein Reisemensch und bewege mich vergleichsweise wenig über den Erdball. Ich bin mir darüber im klaren, daß jegliche Lieferungen von Überschußprodukten aus den Zentren der Zivilisation in "Entwicklungsländer" dort schädliche Nebenwirkungen haben und deshalb nur in akuten Notfällen stattfinden sollten. Das gleich trifft übrigens auch auf die "normale" Einbindung dieser Länder in den Weltmarkt zu. Wirkliche "Entwicklungshilfe" funktioniert wohl nur, wenn man diesen Ländern bzw. den Menschen dort hilft, mit ihren eigenen Gegebenheiten eine eigene Wirtschaft aufzubauen (zunächst abgekoppelt vom Weltmarkt). Das bedeutet zuallererst, daß den Menschen ihr tradiertes Nutzungsrecht auf die natürlichen Ressourcen in ihrem Lebensraum garantiert werden muß. Wo das bereits zerstört ist, muß es wieder hergestellt werden. Das heißt etwa, daß das fortschreitende Landgrabbing beendet und rückgängig gemacht werden muß. Wissens- und Technologiehilfe hilft nur wirklich zur Selbständigkeit, wenn sie den Gegebenheiten vor Ort und den Möglichkeiten der Menschen entspricht. Ich denke, daß alle Entwicklungshilfe, die von vornherein Weltmarktorientiert ist ein Schwindel oder mindestens ein Irrtum ist. Neben der unmittelbar wirtschaftlich orientierten Hilfe, die gut oder schlecht sein kann, ist sicher auch politische Unterstützung notwendig. Damit würden wir, wenn wir es gut mach, erstmal auch Wiedergutmachung für jahrhundertelange kolonialistische Verheerungen betreiben. Eine große Zahl gutgemeinter Entwicklungsprojekte scheitern ja wohl daran, daß sie in den Händen einer korrupten und von der Bevölkerung abgehobenen Herrschaftsschicht mißbraucht wurden und werden. Und dieser Umstand ist zumindest zum Teil der kolonialistischen Vergangenheit zu verdanken.

Zu Gödel und Philosophie

Ich bin natürlich mit Dir einer Meinung, daß der formale Aspekt beim Denken beachtet werden muß, wenn man reproduzierbare Ergebnisse erlangen will - also Wahrheit. Gödels Unvollständigkeitssatz (oder Sätze) sind aber für mich die philosophische Aussage, daß die formale Richtigkeit alleine nicht hinreichend ist, gar nicht erreichbar. Gödel sagt also nicht nur, daß die Philosophen ihre Begriffe klären müssen, sonder auch, daß sie, wenn sie alle ihre Begriffe geklärt haben sollten, die Sache allein nicht aufgeht. Bzw. daß sie es nie schaffen werden, alle ihre Begriffe zu klären. Damit wir dennoch mit unserem Denkvermögen etwas vernünftiges anfangen können, braucht es noch was zusätzliches und das ist die sinnliche oder empirische Wirklichkeit (hier im Sinne von dem, was wirkt). Du sagst: "Über empirische oder reale Wahrheiten sagt keine Philosophie etwas aus. " Ich würde das etwas spezifizieren: Über den Inhalt empirischer Sachverhalte kann Philosophie nichts (oder nur bedingt etwas) aussagen, aber über die mögliche Form und die Bedingungen der Möglichkeit durchaus. Und die Beantwortung der Frage, was "reale Wahrheiten" bedeuten soll, ist auch eine philosophische Aufgabe. Verifikation und Falsifikation sind schließlich Methoden, um den Geltungsbereich von theoretischen Aussagen zu bestimmen, also die Grenzen aufzuzeigen innerhalb derer sie Wahrheiten sind. {Kleine Spekulation von mir: vielleicht gibt es überhaupt keine Aussagen, die ganz und gar wahr oder ganz und gar falsch sind, weil der offene Bereich, in dem die Verifikation und Falsifikation stattfindet, gar nicht bestimmbar ist.}

Zur Ökonomie und ihren Modellen

Die von Dir bezeichneten Texte habe ich nur erstmal überflogen und stelle dabei fest, daß es noch zahlreiche Punkte gibt, an denen für mich Klärungsbedarf besteht. Ich hoffe, wir kommen mit der Zeit damit Schritt für Schritt voran. Was mich aber um so mehr wundert, daß Du trotz des Wissens um die vielen Schwächen der ökonomischen Modelle grundsätzlich kritische Betrachtungen zu diesen Themen - wie etwa Brodbecks Arbeiten - nicht zur Kenntnis nehmen willst oder für unbedeutend hältst.

Du erwähnst beim Thema Entwicklungshilfe nebenbei die Beziehung zwischen Deutschland und Griechenland. Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie in der gängigen Ökonomie Probleme erzeugt werden. Deutschland rühmt sich gern als Exportweltmeister und Exportüberschuß-Weltmeister. (Daß ein so "erfolgreiches" Land dennoch selbst hoch verschuldet ist, ist ja auch schon sehr eigenartig.) Ein Land kann aber nur Exportüberschüsse erzielen, wenn andere bereit sind, sich zu verschulden. Hätten die südlichen EU-Länder eine "solide" Handelspolitik betrieben und sich nicht verschuldet, sähe es um unsere Bilanzen bedeutend schlechter aus. Im Grunde haben wir mit dieser Strategie unsere Schulden und unsere Arbeitslosigkeit exportiert. Das ist eine ganz normale Folge der ökonomischen "Gesetzmäßigkeiten". Wenn wir also eine wirkliche europäische solidarische Gemeinschaft anstreben, dürfen wir dem Markt bzw. den Märkten nicht die Macht über die Gestaltung dieser Beziehungen überlassen. Ich denke, daß Du das ähnlich siehst. Für mich bedeutet das aber auch, die Ökonomie mit grundsätzlich kritischem Blick zu betrachten.

Noch eine andere Episode in diesem Kontext: Im letzten Jahr ging es in irgendeiner Diskussionsrunde im Fernsehen auch um Deutschlands Rolle als Exportweltmeister. Da traten einige Diskutanten ernsthaft mit der Meinung auf, daß Deutschlands Weltmeisterrolle durch den wachsenden chinesischen Export bedroht würde und daß das eine Bedrohung für Deutschland überhaupt sei. In meinen Augen sind solche Äußerungen Anzeichen für ausbrechenden Wahnsinn.

Soweit erstmal heute zu diesen Themen. Zu der Auseinandersetzung zwischen Dir und Verena Nedden will ich auch noch meine Anmerkungen machen, die schicke ich aber als gesonderte mail.

Herzlichen Gruß

Jochen

 

-------------- nächster Teil --------------
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